Sozialgericht Aurich
Urt. v. 04.12.2013, Az.: S 5 AL 69/10
Ausnahmsweise Förderungsfähigkeit einer Ausbildung zur Bürokauffrau als Zweitausbildung in Form der Berufsausbildungsbeihilfe
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 04.12.2013
- Aktenzeichen
- S 5 AL 69/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 60764
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2013:1204.S5AL69.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 44b SGB II
- § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III
- § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2010 wird aufgehoben.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 01.08.2010 für die Dauer der Berufsausbildung zur Bürokauffrau bei der Firma "I." Berufsausbildungsbeihilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
- 3.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Berufsausbildungsbeihilfe ab 01.08.2010. Die Klägerin hat durch den Besuch einer zweijährigen Berufsfachschule nach dem Berufsbildungsrecht des Landes Brandenburg in der Zeit vom 04.09.2000 bis 28.06.2002 eine Ausbildung zur "Assistentin für Automatisierungs- und Computertechnik" absolviert. Sie hat in diesem Beruf jedoch nicht gearbeitet und kann - auch nach Einschätzung der Beklagten - in diesem Beruf nicht vermittelt werden. Die Klägerin stand seit November 2007 bei der ARGE J. im Bezug von SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bei der ARGE J. handelte es sich um eine Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b SGB II, die zur einheitlichen Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II von der Beklagten und dem Beigeladenen zu 1) betrieben wurde und die bis Dezember 2011 existierte; im Anschluss daran hat die Beigeladene zu 1) die Wahrnehmung dieser Aufgaben als Optionskommune übernommen. Nach einer Zwischenbeschäftigung als Aushilfskraft in einem Gärtnereibetrieb bezog die Klägerin am 01.01.2009 erneut Leistungen bei der ARGE J ... Im Rahmen dieses Leistungsbezuges wurde die Möglichkeit einer beruflichen Weiterbildung der Klägerin erörtert (vgl. die Verwaltungsakte der Beklagten, Bl. 45 - Gesprächsvermerk 25.08.2009). Zu der ins Auge gefassten Förderung der beruflichen Weiterbildung kam es dann im Jahre 2009 nicht, da die Klägerin sich im Herbst 2009 einer Operation unterziehen musste und im Anschluss daran wohl bis Anfang 2010 arbeitsunfähig war, genaue Angaben sind den beigezogenen Akten nicht zu entnehmen. Jedenfalls kam es am 05.03.2010 zu einer erneuten Vorsprache der Klägerin bei der ARGE J. (Verwaltungsakte der Beklagten, Bl. 22), die auf Einladung der ARGE erfolgte und in der erneut über das berufliche Fortkommen der Klägerin gesprochen wurde. Ausweislich des Gesprächsvermerks favorisierte die Klägerin eine Ausbildung im Bereich Einzelhandelskauffrau, Hotelkauffrau und Restaurantfachfrau. Sie war in dieser Zeit bei der Beklagten offenbar als ausbildungsplatzsuchend gemeldet, bekam jedenfalls Ausbildungsplatzvorschläge von der Beklagten (vgl. Bl. 80 ff der Gerichtsakte). Nach Angaben der Klägerin bekam sie nach einer Probearbeit im Hotel "I." auf K. sodann das Angebot, dort eine Berufsausbildung als Bürokauffrau zu absolvieren. Gesprächsvermerke dazu mit einem der beteiligten Verwaltungsträger finden sich in den beigezogenen Verwaltungsakten nicht. Nach Angaben der Beklagten sind die Gesprächsvermerke aus dem Jahre 2010 in der Datei "Verbis" bereits gelöscht, so dass sich in den Akten nur noch die Vermerke finden, die seinerzeit von den Sachbearbeitern ausgedruckt und zur Akte genommen wurden. Jedenfalls beantragte die Klägerin am 03.06.2010 bei der ARGE J. die Gewährung von Fahrtkosten für eine Fahrt nach K., um dort am 09.06.2010 einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben (Bl. 116 der Gerichtsakte). Am 10.06.2010 sprach die Klägerin erneut bei der ARGE J. vor und legte den unterschriebenen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbeginn zum 01.08.2010 vor; in dem Gesprächsvermerk wurde notiert: "Grds. Antrag auf Förderung; Möglichkeiten werden geprüft." (Bl. 93 der Verwaltungsakte der ARGE J.). Offenbar wurde die Klägerin im Hinblick auf die beabsichtigte Aufnahme der Ausbildung sodann an das Zentrum für Arbeitsvermittlung und Grundsicherung L. weiterverwiesen (vgl. Bl. 94 der Verwaltungsakte ARGE J.), in dessen Bezirk die Insel K. liegt. Bei dem Zentrum für Arbeitsvermittlung und Grundsicherung L. handelte es sich ebenfalls um eine Einrichtung zur einheitlichen Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II, die durch einen Vertrag gemäß § 44 b SGB II zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen zu 2) eingerichtet wurde und deren Aufgaben mittlerweile die Beigeladene zu 2) übernommen hat. Jedenfalls sprach die Klägerin noch am 10.06.2010 bei dem Zentrum für Arbeitsvermittlung und Grundsicherung L. vor (vgl. dazu die Verwaltungsakte des Zentrums für Arbeitsvermittlung und Grundsicherung L.). Noch am 10.06.2010 wurde auf Veranlassung des Zentrums eine Eingliederungsvereinbarung mit der Klägerin geschlossen, deren Ziel die Aufnahme der Ausbildungsstelle auf K. war (Bl. 99 der Gerichtsakte). Die Klägerin stellte sodann auf Veranlassung des Zentrums für Arbeit und Grundsicherung L. bei der Beklagten einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe im Hinblick auf die zum 01.08.2010 begonnene Berufsausbildung zur Bürokauffrau bei der Firma I. K ... Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.08.2010 ab, da es sich bei der aufgenommenen Ausbildung um eine Zweitausbildung handele, die nicht förderfähig sei. Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2010 als unbegründet zurückwies. Mit der dagegen gerichteten Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, die Ausbildung zur Assistentin für Automatisierungs- und Computertechnik stehe einem Berufsabschluss nicht gleich und sei daher nicht als Erstausbildung zu werten. Im Übrigen sei sie in diesem Beruf nicht vermittelbar. Mangels anderer Beratung und Förderung sei daher auch eine Zweitausbildung zu fördern.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Dauer der Ausbildung Berufsausbildungsbeihilfe ab dem 01.08.2010 zu bewilligen.
Das Gericht hat den Landkreis J. als Rechtsnachfolger der ARGE J. sowie den Landkreis L. als Rechtsnachfolger des Zentrums für Arbeit und Grundsicherung L. beigeladen. Sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen sind der Auffassung, sie seien nicht leistungspflichtig.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nach § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III bestehe nicht, da die von dem Beigeladenen zu 1) bzw. dessen Rechtsvorgängerin angedachte Förderung der beruflichen Weiterbildung vorrangig sei. Hierfür sei ausschließlich die Beigeladene zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin zuständig gewesen. Vor Antragstellung auf Berufsausbildungsbeihilfe habe mit der Klägerin kein Sozialrechtsverhältnis bestanden. Die Beigeladene zu 1) trägt vor, sie könne nach Beendigung der Arbeitsgemeinschaft mit der Beklagten nicht mehr auf die im Programm "Verbis" gespeicherten Beratungsvermerke zugreifen und daher nicht detailliert Stellung nehmen; im Übrigen sei der Beigeladene zu 2) zuständig, da die Klägerin während der Ausbildung in dessen Bezirk gewohnt habe. Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Der Beigeladene zu 2) ist der Auffassung, er sei nicht zuständig, da die Klägerin während der Ausbildung bei dem Beigeladenen nicht im Bezug von Leistungen nach dem SGB II gestanden habe. Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag. Das Gericht hat eine schriftliche Auskunft des Landes Brandenburg eingeholt und die Verwaltungsakten der beteiligten Verwaltungsträger beigezogen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die sogenannten "Verbis"-Dateien der Beklagten, in denen sämtliche Vorsprachen, Gespräche und Beratungen gespeichert werden, konnten nicht beigezogen werden, da diese nach Angaben der Beklagten mittlerweile gelöscht wurden; sie befinden sich indes auszugsweise als Ausdruck in den beigezogenen Verwaltungsakten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Der Beigeladene zu 1) ist seit dem 01.01.2012 Rechtsnachfolger des zuvor als Arbeitsgemeinschaft zwischen Bundesagentur für Arbeit und Landkreis J. betriebenen Jobcenters J. und damit grundsätzlich gem. § 75 Abs. 2 SGG passivlegitimiert. Bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform tritt der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt auch für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB II). Ausweislich der Zweiten Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 14. April 2011 (BGBl. I S. 645) wurde u. a. der Landkreis J. zur alleinigen Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen. Entsprechendes gilt für den Beigeladenen zu 2), der Rechtsnachfolger des Zentrums für Arbeit und Grundsicherung L. geworden ist. Inhaltlich ist die Klage auch begründet. Zwar handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Ausbildung zur "Staatlich geprüften Assistentin für Automatisierungs- und Computertechnik" um eine Berufsausbildung im Sinne von § 60 SGB III. Die derzeit durchgeführte Ausbildung zur Bürokauffrau ist dennoch ausnahmsweise als Zweitausbildung förderungsfähig, da nach der im Zeitpunkt der Entscheidung zu treffenden Prognose eine berufliche Eingliederung der Klägerin anders nicht erreicht werden konnte. Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem alten Pflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abschlossen worden ist, wobei grundsätzlich nur die erstmalige Ausbildung förderungsfähig ist (§ 60 Abs. 1 i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung). Dafür reicht es aus, dass der Auszubildende eine schulische Ausbildung absolviert hat, die in Ausbildungszeit und Ausbildungsabschluss einer betrieblichen Ausbildung gleichwertig ist (vgl. Urteil des BSG vom 29.01.2008 - B 7/7a AL 68/06 R; Urteil vom 29.10.2008 - B 11 AL 34/07 R). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die durchlaufende Ausbildung als rein schulische Maßnahme ausgestaltet war, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit von Ausbildungszeit und Ausbildungsabschluss. Hinsichtlich der Ausbildungszeit ist auf einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren abzustellen, hinsichtlich des Abschlusses erfüllt jedenfalls eine auf landesrechtlichen Vorschriften beruhende und landesrechtlich anerkannte Ausbildung diese Voraussetzungen (vgl. Urteil des BSG vom 29.10.2008, a.a.O.). Bei der Ausbildung zur "Staatlich geprüften Assistentin für Automatisierungs- und Computertechnik" handelt es sich um einen Ausbildungsgang, der zwar einen schulischen Schwerpunkt hat, dessen Ausbildungsdauer indes zwei Jahre beträgt und der nach der Berufsfachschulverordnung des Landes Brandenburg vom 19.06.1997 (GVBl. II/97, S. 586), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 25.06.2004 (GVBl. II/04, S. 504), zu einem nach Landesrecht des Landes Brandenburg anerkannten Berufsabschluss führt. Dies ergibt sich insbesondere aus der Anlage VI dieser Verordnung. Die Klägerin hat dennoch einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die von ihr absolvierte Ausbildung zur Bürokauffrau. Eine zweite Ausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird (§ 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung). Bei dieser Ermessensleistung ist es erforderlich im Wege einer Prognose festzustellen, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft nur im Wege der Förderung einer zweiten Ausbildung zu erreichen ist, wobei der Vorrang der Vermittlung gemäß § 4 SGB III zu berücksichtigen ist. Ferner muss geprüft werden, ob eine Eingliederung überregional möglich ist oder durch andere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung - insbesondere mittels Förderung der beruflichen Weiterbildung - erreicht werden kann (Hassel in: Brand, Kommentar zum SGB III, 6. Auflage, § 57, Rn 12; Brecht-Heitzmann in: Gagel, Kommentar zum SGB II und SGB III, Ergänzungslieferung 48, Dezember 2012, § 57, Rn 52 ff; Bundestagsdrucksache 16/8718, S. 11). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin in dem erlernten Beruf nicht vermittelt werden kann, auch nicht überregional. Das erkennende Gericht teilt diese Einschätzung angesichts von bundesweit lediglich drei angebotenen Arbeitsplätzen im Jahre 2010 (so die Auskunft der Beklagten). Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist das erkennende Gericht indes der Auffassung, dass bei der im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe zu treffenden Prognoseentscheidung, ob die Klägerin durch andere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere durch Förderung der beruflichen Weiterbildung auf Dauer eingegliedert werden kann, eine Gesamtschau der bisherigen Eingliederungsbemühungen der beteiligten Verwaltungsträger vorzunehmen ist. Diese ergibt, dass die Klägerin, obwohl sie seit Herbst 2007 bei der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) im Leistungsbezug SGB II stand, bis Juni 2010 nicht beruflich eingegliedert werden konnte. Anders als die Beklagte annimmt, kommt es dabei nicht darauf an, ob sie selbst mit der Eingliederung der Klägerin befasst war. Zum einen ist das Ziel, Arbeitslose dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern, nicht nur Gegenstand des SGB III, sondern auch tragendes Ziel des SGB II (vgl. §§ 1 Abs. 2, 14 SGB II). Zum anderen verkennt die Beklagte, dass sie selbst ausweislich § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung in den hier maßgeblichen Jahren 2007 bis 2010 Träger der Leistungen nach dem SGB II gewesen ist. Sie verkennt ferner, dass sie auch organisatorisch an der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) beteiligt war, wie sich aus § 44 b SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung sowie aus den zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen Verträgen zur Gründung der ARGE J. ergibt. Auch wenn sich aufgrund der Tatsache, dass die konkreten Abläufe in den Akten der beteiligten Verwaltungsträger unzureichend dokumentiert sind und die stattdessen geführten Computerdateien mittlerweile gelöscht wurden, der genaue Ablauf der Eingliederungsbemühungen der Beigeladenen zu 1) nicht rekonstruieren lässt, ist festzustellen, dass die Klägerin trotz vereinter Bemühungen der beteiligten Verwaltungsträger bis zum Juni 2010 nicht nachhaltig in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden konnte. Zwar waren von der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) Weiterbildungsmaßnahmen dergestalt, wie sie jetzt von der Beklagten als vorrangig angesehen werden, jedenfalls im Jahre 2009 in Erwägung gezogen worden (vgl. dazu die Gesprächsvermerke von Mai bis September 2009, Bl. 44 ff der Verwaltungsakte der Beklagten) Nachdem diese, wohl zunächst wegen der schweren Erkrankung der Klägerin, zunächst nicht weiter verfolgt wurden, erfolgte auch keine Wiederaufnahme dieser Eingliederungsbemühungen nach Wiedergenesung. Obwohl sie spätestens seit März 2010 mit dem sich inzwischen bei der Klägerin konkretisierten Wunsch nach einer Zweitausbildung konfrontiert wurde, nahm die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) die Möglichkeit der Förderung einer derartigen Ausbildung im Rahmen einer Umschulung nicht auf. Soweit dies trotz unzureichender Aktendokumentation nachvollzogen werden kann, erfolgten im Jahre 2010 auch keine sonstigen Eingliederungsansätze. Wenn mithin im Zeitpunkt der Antragstellung auf Berufsausbildungsbeihilfe im Juni 2010 im Rahmen der zu treffenden Gesamtschau das fast drei Jahre andauernde erfolglose Bemühen um eine berufliche Eingliederung der Klägerin analysiert wird, kann das Ergebnis dieser Analyse nur lauten, dass die Klägerin eben nicht auf andere Weise als durch die von ihr angestrebte und derzeit durchgeführte Zweitausbildung in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Die Prüfung der weiteren Tatbestandsvoraussetzung, dass durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung voraussichtlich erreicht werden kann, ist im Wege einer Prognoseentscheidung vorzunehmen. Der voraussichtliche Erfolg des eingeschlagenen Weges wird von den Beteiligten nicht angezweifelt und diese Prognose wird, nicht zuletzt aufgrund der nennenswerten Anzahl der in den zurückliegenden Jahren immer wieder gemeldeten freien Arbeitsplätze, vom Gericht im Ergebnis geteilt. Die sodann zu treffende Ermessensentscheidung betrifft nur die Frage, ob die Zweitausbildung gefördert wird (vgl. Brecht/Heitzmann a.a.O., Rn 56). Die bisherigen Eingliederungsbemühungen und der gesamte bisherige Ablauf des Verwaltungsverfahrens ist im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, so dass nach Überzeugung der Kammer keine Gesichtspunkte verbleiben, die im Rahmen einer solchen Entscheidung dazu führen könnten, der Klägerin eine Förderung zu versagen. Das Ermessen ist vielmehr auf null reduziert, so dass die Beklagte zu verpflichten war, der Klägerin für die Dauer der neuen, zweiten Berufsausbildung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften Berufsausbildungsbeihilfe zu zahlen. Darüber hinaus wäre der Anspruch der Klägerin auf Förderung der zweiten Berufsausbildung im Wege der Berufsausbildungsbeihilfe für den Fall, dass man eine Förderung nach Absatz 2 entgegen der Rechtsauffassung der Kammer verneinen würde, auch unter dem Aspekt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Verwaltungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung, Beratung und wohlwollenden Förderung ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. U. v. 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267; U. v. 22.10.1996 -13 RJ 69/95; U. 26.10.1976 - 12/7 RAr 78/74, SozR 4100 § 44 Nr. 9). Der Anspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15, 14 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, wobei die Korrektur durch den Herstellungsanspruch dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen darf (vgl. etwa Urteil des BSG vom 25.01.1994, - 7 RAr 50/93, SozR 3-4100 § 249e Nr. 4). Grundlage des Anspruchs ist vorliegend § 14 SGB I. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Diese umfassende Beratungspflicht der Verwaltungsträger besteht nicht nur bei einem entsprechenden Beratungsbegehren, sondern bereits dann, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. U. v. 10.12.2003 - B 9 VJ 2/02 R, SozR 4-3100 § 60 Nr. 1; BSG, U. v. 05.04.2000 - B 5 RJ 50/98 R, SozR 3-1200 § 14 Nr. 29). Eine derartige Pflicht trifft den Verwaltungsträger insbesondere im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses, was bereits durch die Arbeitslosmeldung oder Antragstellung bei der Bundesagentur zustande kommt (vgl. BSG, U. 26.10.1976 - 12/7 RAr 78/74, SozR 4100 § 44 Nr. 9; U. v. 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267). Entsprechendes gilt für die Antragstellung nach dem SGB II. Diese Pflichten haben sowohl die Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) als auch die Beklagte verletzt. Die ARGE J. als Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) wusste ausweislich des Vermerks vom 05.03.2010 seit März 2010, dass die Klägerin eine Berufsausbildung im Bereich der Berufsfelder Einzelhandelskauffrau, Hotelkauffrau bzw. Restaurantfachfrau anstrebte. Sie wusste seit Mai 2010, dass sich dieses Bestreben auf eine Ausbildung im Hotel "I." auf K. konkretisierte und sie wusste seit dem 03.06.2010, dass die Unterzeichnung eines Ausbildungsvertrages unmittelbar bevorstand. Trotz dieser Kenntnis erfolgte kein Hinweis auf die mögliche Förderung einer entsprechenden Ausbildung im Rahmen einer zweijährigen Maßnahme zur Förderung der beruflichen Weiterbildung. Es erfolgte auch kein Hinweis auf mögliche Bedenken hinsichtlich einer Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. Stattdessen ließ man die Klägerin, von der man aufgrund des SGB II-Leistungsbezuges wusste, dass sie mittellos war, sehenden Auges in eine Ausbildung laufen, die sie alleine finanziell nicht tragen konnte und untermauerte dies seitens des Rechtsvorgängers des Beigeladenen zu 2) noch durch den Abschluss der "Eingliederungsvereinbarung" vom 10.06.2010. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, eine falsche oder unterbliebene Beratung durch die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen zu 1) und 2) sei ihr nicht zuzurechnen, ist nochmals hervorzuheben, dass die Klägerin zu dieser Zeit im SGB II-Leistungsbezug stand, die Beklagte insoweit ausweislich der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuständiger Träger der Leistungen nach dem SGB II war und darüber hinaus als organisatorisch gleichberechtigter Vertragspartner an den Rechtsvorgängern der Beigeladenen beteiligt (vgl. § 44 b SGB II sowie die der Gründung der ARGE J. und des ZAG L. zugrundeliegenden Verträge) sowie personell mit eigenen Kräften in den Behörden der Rechtsvorgänger der Beigeladenen präsent war. Unabhängig von dieser unmittelbaren Zuständigkeit und Trägerschaft der Beklagten, wäre dieser aber auch ansonsten der Beratungsfehler eines SGB II - Verwaltungsträgers zuzurechnen. Beratungsfehler einer anderen Behörde sind zurechenbar, wenn die Zuständigkeitsbereiche der Behörden eng miteinander verknüpft sind (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa U. v. 22.10.1996 -13 RJ 69/95; U. v. 17.12.1980 - 12 RK 34/80, BSGE 51, 89 ff; U. v. 25.08.1993 - 13 RJ 27/92, SozR 3-1200 § 14 Nr. 9). Dies ist im Fall der Förderung der beruflichen Bildung und Weiterbildung zu bejahen, da die entsprechenden Regelungen im SGB II und SGB III eng miteinander verknüpft sind (vgl. nur § 16 SGB II) und ein ständiger Wechsel zwischen beiden Leistungsbereichen jederzeit möglich ist und auch ständig vorkommt. Die Verzahnung dieser beiden Leistungsbereiche ist damit sogar deutlich enger, als in den vom BSG entschiedenen Fällen. Somit ist jeder Beratungsfehler eines der für das SGB II oder SGB III zuständigen Verwaltungsträgers, dessen Folgen sich im Zuständigkeitsbereich der jeweils anderen Behörde realisieren, dieser zuzurechnen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im Bereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht auf ein Verschulden der Behörde ankommt (BSG, U. v. 12.10.1979 - 12 RK 47/77; Gagel, Der Herstellungsanspruch, SGb 2000, S. 517 ff, 520). Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich bei den konkret handelnden Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) um Mitarbeiter der Beklagten oder der Beigeladenen zu 1) gehandelt hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Mitarbeiter gewusst haben, dass nach der Rechtsauffassung der Beklagten ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nicht besteht. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Beratung und dem eingetreten Nachteil ergibt sich - unterstellt, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 SGB III seien nicht gegeben - unmittelbar aus dem fehlenden Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe oder eine anders geartete Förderung. Bei sachgerechter Beratung wäre dieser Nachteil nicht eingetreten. Die letzte Voraussetzung des Herstellungsanspruchs, dass der eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann und die Korrektur nicht dem jeweiligen Gesetzeszweck widersprechen darf (vgl. BSG, U. v. 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267), liegt ebenfalls vor. Der Gesetzgeber hat spätestens durch Einfügen des § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III deutlich gemacht, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch eine Zweitausbildung gefördert werden kann. Zweck des Gesetzes ist es gerade Betroffenen in besonderen Konstellationen trotz Vorliegens einer Erstausbildung noch eine zweite Ausbildung zu ermöglichen. Damit ist klargestellt, dass die Förderung einer Zweitausbildung nicht von vorneherein und generell der gesetzgeberischen Absicht widerspricht und damit grundsätzlich auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs möglich ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.