Sozialgericht Aurich
Urt. v. 03.12.2013, Az.: S 13 SO 49/11
Anspruch auf höhere Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 03.12.2013
- Aktenzeichen
- S 13 SO 49/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 60762
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2013:1203.S13SO49.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 29 SGB XII
- § 41 SGB XII
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers, vom Beklagten höhere Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte zu beanspruchen.
Der Kläger ist am H. geboren und aufgrund einer Multimorbidität seit frühester Kindheit schwerstbehindert. Bei ihm ist ein GdB von 100 anerkannt mit den Merkzeichen aG, H, RF und B. Von der sozialen Pflegeversicherung erhält er Leistungen der Pflegestufe III. Er lebt seit seinem 3. Lebensmonat in der Familie seiner Betreuerin. Die Familie besteht aus der Betreuerin und ihrem Ehemann, zwei leiblichen Kindern und fünf Pflegekindern. Jedes der Pflegekinder ist mehr oder minder erkrankt bzw. behindert. Jedes Kind nutzt ein eigenes Kinderzimmer in der großen Immobilie der Pflegeeltern des Klägers. Dies ist zum Teil wegen des Erkrankungsbildes erforderlich.
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Bescheid vom 27.10.2011, mit dem auf Antrag vom 12.09.2010 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte für die Zeit vom 12.09.2010 bis 31.12.2010 bewilligt wurden. Dem ursprünglichen Bescheid wurde der Regelsatz einer haushaltsangehörigen Person zugrunde gelegt und an Bedarfen für Leistungen für die Unterkunft und Heizung anteilige Kosten in Höhe von 27,63 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2011 wurde dem Widerspruch des Klägers insoweit abgeholfen, als dass der Beklagte für den streitigen Zeitraum den höheren Regelsatz eines Haushaltsvorstandes zugrunde legte.
Der Kläger hatte, vertreten durch seine Betreuerin, seine Pflegemutter, am 10.08.2010 einen Mietvertrag zum 13.09.2010 über eine Wohnung im Haus der Pflegeeltern geschlossen. Die Wohnfläche beträgt ausweislich dieses Mietvertrages ca. 34,64 qm und umfasst ein Zimmer, eine Küche, ein Bad mit Dusche und WC sowie einen Flur. Gemeinsam genutzte Räume sind Wohnzimmer und Garten. Der Mietzins beträgt monatlich 178 Euro zzgl. Nebenkosten in Höhe von 30,00 Euro pro Monat. Bei Vorsprache der Betreuerin des Klägers am 27.09.2010 teilte diese dem Mitarbeiter des Beklagten mit, dass kein Mietvertrag für den Kläger geltend gemacht werden solle. Nachweise für Hausnebenkosten werden nachgereicht. Des Weiteren wurde vermerkt, dass sie für mehrere Dinge einen Sonderbedarf geltend machen wollte.
Nach einem Hilfeplangespräch erfolgte der Abschluss einer Zielvereinbarung nach § 4 Budgetverordnung für ein persönliches Budget (§ 17 des neunten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB IX) des Klägers vertreten durch seine Betreuerin, die Pflegemutter, welches ein persönliches Budget von 696,00 Euro zugrunde legte. Diese Zielvereinbarung wurde zum 30.09.2010 geschlossen. Sie behielt ihre Gültigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte der Kläger vertreten durch seine Betreuerin einen neuen Wohnungseinheitsmietvertrag vom 18.11.2010 vor. Dieser war vom Ehemann der Betreuerin als Vermieter sowie der Betreuerin für den Kläger als Mieter unterzeichnet. Dieser Mietvertrag umfasste als Mietgegenstände ein Zimmer, ein Bad, eine Toilette mit Bad/Dusche mit einer Wohnfläche von ca. 28,5 qm im Haus der Pflegeeltern. Hinzu kamen gemeinsam genutzte Waschküche, Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und Garten. Beginn des Mietverhältnisses sollte der 12.09.2010 sein, ein Mietzins von 100,00 Euro netto Kaltmiete war vereinbart zzgl. Betriebskostenvorschuss in Höhe von 27,63 Euro.
Der Kläger begehrt im gerichtlichen Verfahren die Übernahme von monatlich weiteren 100,00 Euro an netto Kaltmiete Kosten als Bedarf für seine Unterkunft. Er ist der Auffassung, dass der Mietvertrag vom 18.11.2010 ein ernsthafter Mietvertrag im Sinne der Rechtsprechung sei, der einen Bedarf für Leistungen der Unterkunft begründe. Des Weiteren ist er der Auffassung, dass bis zur Vollendung seiner Volljährigkeit im Rahmen der bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Jugendhilfeleistungen monatlich ein Wohnkostenzuschuss von ca. 87,50 Euro erbracht worden sei, der mit Eintritt in die Volljährigkeit aus seiner Sicht grundlos entfallen sei. Ein entsprechender Bedarf liege durchgängig vor. Er beruft sich des Weiteren darauf, dass ihm von der Betreuungsstelle des Beklagten der Abschluss eines solchen Mietvertrages empfohlen worden sei.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Bescheid vom 27.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 insoweit abzuändern, als dass dem Bedarf weitere Unterkunftskosten von 100,00 Euro monatlich zugrunde gelegt werden.
- 2.
die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung weiter der Auffassung, dass es sich bei dem Mietvertrag des Klägers nicht um einen ernsthaften Mietvertrag unter Verwandten im Sinne der Rechtsprechung der Obergerichte handelt. Ein über die kopfanteiligen Nebenkosten hinausgehender Bedarf für Kosten der Unterkunft sei nicht nachgewiesen.
Die Kammer führte in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung am 03.12.2013 durch. In der mündlichen Verhandlung nahm die Betreuerin des Klägers, seine Pflegemutter, umfangreich zur tatsächlichen Situation des Klägers Stellung. Bezüglich des Inhaltes dieser Einlassung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung genehmigte die weitere Betreuerin des Klägers den Abschluss des Mietvertrages vom 18.11.2010 ausdrücklich. Es wurde dabei Bezug genommen auf eine bereits im Jahre 2010 vorgenommene Genehmigung. Die teilweise Betreuung durch die weitere Betreuerin sei anlässlich des Abschlusses des Mietvertrages zwischen dem Kläger und dem Ehemann seiner Betreuerin eingerichtet worden.
Gegenstand der Entscheidungsfindung war neben dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2013 der Inhalt der Gerichtsakte und der Inhalt der vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann für den streitigen Zeitraum vom Beklagten keine weiteren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches Sozialhilfe (SGB XII) für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung verlangen. Der streitige Bescheid vom 27.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beteiligten haben den Inhalt des Rechtsstreits in nach ständiger Rechtsprechung zulässiger Weise auf die Höhe der zu übernehmenden Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung beschränkt. (vgl. BSG vom 18.03.2008 B 8/9b SO 11/06 R; BSG vom 11.12.2007 B 8/9b SO 21/06 R zit. nach )
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen für die Bedarfe seiner Unterkunft als die bereits im streitigen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides bewilligten Beträge. Es besteht kein Anspruch auf Zahlung von monatlich weiteren 100,- Euro Kosten für die vom Kläger zu zahlende Kaltmiete.
Unstreitig und nach Auffassung des Gerichts in zutreffender Weise festgestellt, liegen beim Kläger die grundsätzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Leistung der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen gemäß dem Vierten Kapitel des SGB XII vor. Der Kläger ist eine im Inland wohnende dauerhaft voll erwerbsgeminderte und über 18 Jahre alte Person. Dementsprechend steht ihm gem. § 19 Abs. 2 i. V. m. § 41 SGB XII ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen dem Grundsatz nach gegen dem Beklagten zu. Er konnte während der streitigen Zeit seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten. Anhaltspunkte für vorhandenes Vermögen oder nicht berücksichtigte Einkünfte vermag das Gericht nicht zu finden.
Neben den Grundsicherungsleistungen, die nach dem Widerspruchsbescheid vom 12.07.2011 die Höhe der Regelleistungen für einen Haushaltsvorstand erreichen, kann der Kläger Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gem. § 29 SGB XII beanspruchen. Jedoch keine über die bereits mit den streitigen Bescheiden bewilligten Leistungen hinausgehenden Leistungen. Diejenigen Aufwendungen, die dem Kläger tatsächlich entstehen, sind durch den Beklagten im streitigen Bescheid aufgenommen und ausgezahlt worden. Dem Kläger sind im sozialhilferechtlichen Sinne nicht die von ihm behaupteten Aufwendungen für Unterkunft durch Zahlungsverpflichtungen aus dem mit seinem Pflegevater als Vermieter geschlossenen Vertrag vom 18.11.2010 entstanden. Dieser Vertrag ist nicht von einem rechtlichen Bindungswillen getragen und daher nicht als ernsthafter Mietvertrag anzusehen, der einen grundsicherungsrechtlichen Bedarf bedingt.
Leistungsansprüche bestehen nur in Höhe derjenigen Unterkunftskosten, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Tatsächliche Aufwendungen für eine Wohnung liegen zwar auch vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete nicht bezahlt hat, aber einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung der Unterkunft. (BSG vom 09.03.2009, Az.: B 4 AS 37/08 R, zitiert nach ) Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern.
Spiegelbildlich besteht jedoch kein Anspruch, wenn ein wirksamer Mietvertrag mangels Bindungswillens gem. § 117 Abs. 1, § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht geschlossen wurde (BSG vom 25.08.2011, Az.: B 8 SO 29/10 R, zitiert nach ). Dann droht kein Verlust des Wohnraums bei Nichterfüllung der diesbezüglichen Pflichten. Bezüglich des Bestehens eines Bindungswillens ist dabei nicht streng auf die Maßstäbe eines finanzgerichtlichen Fremdvergleiches abzustellen, aber jeder Einzelfall ist sorgfältig zu prüfen (vgl. BSG vom 03.03.2009, Az.: B 4 AS 37/08 R; vgl. BSG vom 07.05.2009, Az.: B 14 AS 31/07 R; vgl. BSG vom 25.08.2011, Az.: B 8 SO 29/10 R, zitiert nach ). Bezüglich der konkreten einzelfallbezogenen Prüfung kann man im Grundsatz davon ausgehen, dass wenn über einen längeren Zeitraum folgenlos nicht gezahlt wird, kein ernsthaftes Mietverlangen vorliegt. Ebenso ist die Annahme eines wirksamen Mietvertrages nur schwer zu rechtfertigen, wenn nach Eintritt der Volljährigkeit ein Mietvertrag über das bislang bewohnte Kinderzimmer geschlossen wird (Landessozialgericht Schleswig-Holstein vom 29.06.2011, Az.: L 9 SO 16/10, zitiert nach , vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 26.08.2010, Az.: L 8 SO 52/08).
Die Kammer ist nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2013 zu der Überzeugung gelangt, dass im Falle des Mietvertrages des Klägers vom 08.11.2010 kein ernsthaftes Mietzinsverlangen zu sehen ist. Diese Überzeugung wird nicht darauf gegründet, dass der Mietvertrag bereits wegen fehlender Zustimmung eines Betreuers als sogenanntes "Insich-Geschäft" gem. § 181 BGB unwirksam ist. Ausweislich des überzeugenden Vorbringens der Betreuerinnen des Klägers in der mündlichen Verhandlung wurde der Abschluss des Mietvertrages des Klägers durch die eine Betreuerin mit ihren Ehemann als Vermieter und damit mit dem Pflegevater des Klägers durch die andere berufsmäßig zur Vermögenssorge bestellte Betreuerin genehmigt. Das Gericht sieht keinen Anlass, an dieser Genehmigung zu zweifeln.
Auch die Tatsache, dass zunächst ein anderer Mietvertrag vorgelegt wurde, steht der Annahme eines wirksamen Mietverhältnisses durch Vertrag vom 08.11.2010 nicht entgegen. Zivilrechtlich ist es rechtswirksam möglich, einen Mietvertrag abzuändern, bzw. neu abzuschließen. Hinzu macht der Kläger ausdrücklich keine Verpflichtung aus dem ersten Vertrag mit Vereinbarung eines höheren Mietzinses geltend.
Ebenso stellt die erste Mitteilung der Betreuerin, dass keine Miete beansprucht werden solle, kein Hindernis für die Annahme einer wirksamen Verpflichtung dar. Hierbei handelte es sich schon nach dem Wortlaut nicht um eine wirksame Verzichtserklärung der Betreuerin für den Kläger.
Gegen die Annahme eines ernsthaften Mietvertrages spricht jedoch die Tatsache, dass ausweislich des Vorbringens der Vertreter des Klägers bereits seit dem Jahre 2010 bis zum heutigen Tage keine Mietzinsleistungen erbracht worden sind. Diese Nichtzahlung des Mietzinses hatte keinerlei zivilrechtliche Folgen seitens des Vermieters. Man mag zwar erkennen, dass aufgrund der besonderen persönlichen Beziehung des Klägers als Mieter zu seinem Vermieter und seiner gesundheitlichen Disposition eine Kündigung oder gar Räumung der bewohnten Räumlichkeiten schon aus moralischen Erwägungen nicht abzuverlangen wäre. Nichtsdestotrotz bleibt jedoch festzustellen, dass im streitigen Mietvertrag ein geringer Mietzins von weiteren 100,- Euro Netto-Kaltmiete vereinbart war. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger laufend Grundsicherungsleistungen zumindest in Höhe der Regelleistungen für einen Haushaltsvorstand erhielt und dennoch nicht einmal anteilige Mietzahlungen erbracht worden sind, ist eine fehlende Ernsthaftigkeit im Sinne der obigen Rechtsprechung zu erkennen. Ein Bindungswillen im Sinne der §§ 117, 133 BGB ist nicht erkennbar. Dem Kläger wäre es finanziell in Anbetracht seiner geringeren Ausgaben zumutbar gewesen, bei Ernsthaftigkeit des Mietvertrages zumindest Teilbeträge aus seinen Regelleistungen zu bezahlen. Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ausweislich des hier streitigen Widerspruchsbescheides vom Juli 2011 aufgrund der höheren bewilligten Regelsatzleistungen eine nicht unerhebliche Nachzahlung erbracht worden sein dürfte. Diese hätte beispielsweise ohne Einbußen in der Lebenshaltung für die Kosten der Unterkunft verwendet werden können. Von daher erkennt die Kammer keinen ernsthaften Zahlungswillen des Klägers bezüglich der dargetanen Mietverpflichtung.
Weiterer Aspekt, der gegen die Ernsthaftigkeit des Mietvertrages spricht, ist die Tatsache, dass der Mietvertrag zum Zeitpunkt des Erreichens der Volljährigkeit des Klägers geschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich an der Wohnsituation des Klägers ausweislich des Vorbringens seiner Betreuerin nichts geändert. Der Kläger bewohnte als Minderjähriger die gleichen Räumlichkeiten wie nach Erlangung der Volljährigkeit.
Es ist für das Gericht nicht zu erkennen, dass neben der Erlangung der Volljährigkeit und dem damit einhergehenden Wechsel im Leistungsanspruch von Jugendhilferecht zum Sozialhilferecht ein anderer Grund für den Abschluss des Mietvertrages besteht. Vielmehr bestätigte die Betreuerin des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass in der Zeit des Leistungsbezuges nach dem Jugendhilferecht monatlich circa 87,50 Euro für Unterkunftskostenbeihilfen geleistet worden waren, die nach Erlangung der Volljährigkeit nunmehr wegfielen. Der Mietvertrag scheint der Kammer demnach vor allem deswegen abgeschlossen worden zu sein, um die geringere Höhe der Leistungsbewilligung der Eingliederungshilfe im Vergleich zum Jugendhilferecht auszugleichen. Diese Motivation zum Abschluss des Mietvertrages führt jedoch nicht zu einem grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Ausweislich des Vorbringens der Betreuerin des Klägers bereits im Jahre 2010, welches aktenkundig wurde, bestand ein Interesse des Klägers beziehungsweise seiner Betreuerinnen dahingehend, nach Eintritt in die Volljährigkeit in der Summe Sozialleistungen in gleicher Höhe wie zuvor zu erhalten. Der Abschluss des Mietvertrages und damit die eventuelle Konstruktion eines Bedarfes für Kosten der Unterkunft sollte die geringeren Eingliederungshilfeleistungen kompensieren. Ein Bedürfnis für solche Kompensation entsteht jedoch nicht aufgrund höherer tatsächlicher Unterkunftsbedarfe, sondern aufgrund von höheren allgemeinen vom Kläger wahrgenommen Leistungsbedarfen. Es besteht eben kein Bedarf an Leistungen der Unterkunft, sondern wie bereits aus dem Vorbringen der Betreuerin des Klägers in den Akten ersichtlich, ein Bedarf an Leistungen für andere Bedarfe. Dieser andere Leistungsbedarf, der eventuell in den Bereich der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII fallen könnte, ist in diesem Verfahren nicht streitig. Hier sind alleine die Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte Gegenstand des Verfahrens. Bezüglich der geltend gemachten Unterkunftskosten geht es allein um grundsicherungsrechtliche Bedarfe im Sinne der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen. Die Motivation zum Abschluss des Mietvertrages zur Erhöhung der insgesamt erlangten Sozialleistungen vermag die Kammer unter Umständen nachzuvollziehen. Sie führt jedoch nicht dazu, dass ein Bedarf aufgrund eines ernsthaften Mietverlangens für Kosten der Unterkunft im Sinne des § 29 SGB XII angenommen werden kann.
Gegen die Annahme eines ernsten Mietverlangens spricht auch die Tatsache, dass nach Vorbringen der Betreuerin des Klägers es sich bei den vom Kläger im Jahre 2010 bewohnten Räumlichkeiten nicht um eine separate Wohnung gehandelt hat. Vielmehr handelte es sich um einen Teil des Familienheimes. Auch die Tatsache, dass ein kleines Bad für den Kläger alleine gelegentlich genutzt worden ist, kann eine besondere Abtrennbarkeit der Wohnung nicht rechtfertigen. Es ist für die Kammer erkennbar, dass diese Räumlichkeiten außer an enge Familienangehörige nicht separat vermietet hätten werden können. Anders formuliert hätten nach einem Auszug des Klägers aus diesen Räumlichkeiten (der erst im Jahre 2012 stattfand) diese Räumlichkeiten nicht zur Erzielung von Mieteinnahmen verwendet werden können.
Der Ansatz von kopfanteiligen Kosten der Immobilie in Höhe von 27,63 Euro beim Kläger ist rechtmäßig erfolgt. Zumindest nach einhelliger Rechtsprechung der Obergerichte bestehen die angemessenen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft in jenem Teil der Gesamtaufwendungen, der seinem Kopfanteil entspricht (Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, a. a. O.; Landessozialgericht Schleswig-Holstein, a. a. O., jeweils m. w. N.). Die Berechnung dieser anteiligen Kosten ist von Klägerseite nicht gerügt worden, entspricht auch in der Höhe den vorgelegten Nachweisen jedenfalls im streitigen Zeitraum.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Berufung war wegen fehlender Erreichung des Streitwertes des § 144 Abs. 1 SGG nur bei Zulassung möglich. In Anbetracht der Tatsache, dass im konkreten Einzelfall des Klägers beziehungsweise seiner Pflegeeltern signifikante weitere leistungsrechtliche Zeiträume sowohl für den Kläger als auch für weitere Pflegekinder der Pflegeeltern im Raum stehen, war nach Auffassung der Kammer die Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle, oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Aurich, Hoher Wall 1, 26603 Aurich, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Aurich, Hoher Wall 1, 26603 Aurich, schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der obengenannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.