Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.03.1998, Az.: 5 W 35/98

Begehren der Klägerin der Zahlung der Kosten für ihre Betreuung in einem Altenpflegeheim und von Taschengeld von ihrem Sohn; Vertragliche Unterhaltsregelungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundbesitz, allgemeiner Vermögensauseinandersetzung oder vorweggenommener Erbfolge; Modifizierung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs durch einen vertraglichen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.03.1998
Aktenzeichen
5 W 35/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 28905
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0303.5W35.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1998, 1120 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 197

Amtlicher Leitsatz

Ein Altenteilsvermächtnis begründet keine Zuständigkeit gemäß § 23 a Nr. 2 GVG.

Gründe

1

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Übertragung der weiteren Behandlung und Entscheidung auf das Landgericht.

2

1.

Das Landgericht hat der Antragstellerin mit dem hiermit in Bezug genommenen Beschluss vom 29.1.1998 (Bl. 62 ff. d.A.) Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, für die Entscheidung über die beabsichtigte Klage sei nicht nach § 23 Nr. 1 i.V.m. § 71 Abs. 1 GVG das Landgericht, sondern nach § 23 a Nr. 2 GVG das Amtsgericht sachlich zuständig.

3

Die hiergegen gerichtete Beschwerde macht demgegenüber zu Recht geltend, dass es sich bei der beabsichtigten Klage nicht um eine Streitigkeit handelt, die eine durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht i.S.v. § 23 a Nr. 2 GVG betrifft.

4

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner, ihrem ältesten Sohn, Übernahme der 1.900,- DM übersteigenden Kosten für ihre Betreuung in einem Altenpflegeheim und Taschengeld. Zur Zahlung des in diesem Rechtsstreit nicht geltend gemachten Betrages in Höhe von 1.900,- DM hat sich der Antragsgegner bereits mit Vergleich vom 11.8.1997 in dem Rechtsstreit 11 C 1705/96 AG Vechta verpflichtet (Bl 93 f BA), der - im Gegensatz zu dem im Termin vom 14.4.1997 protokollierten, von der Antragstellerin widerrufenen Vergleich (Bl 69 f BA) - ausdrücklich nur die damals streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin erledigt. In dem Vorprozess hat die Antragstellerin nach einem Hinweis des Amtsgerichts (Bl 50 BA) Unterhalt mit dem ausdrücklichen Zusatz geltend gemacht (Bl 53 BA), sie stütze sich insoweit nicht auf die testamentarischen Anordnungen ihres verstorbenen Ehemannes.

5

Die Antragstellerin stützt die nunmehr vor dem Landgericht Oldenburg beabsichtigten Klage auf das notarielle Testament vom 16.7.1964 (Bl 10 f d.A.) mit den Ergänzungen vom 4.8.1970 (Bl 12 f d.A.) und vom 10.10.1972 (Bl 14 f d.A.). Darin hat der verstorbene Ehemann der Antragsstellerin den Antragsgegner, den ältesten gemeinsamen Sohn, zum Alleinerben bestimmt und u.a. angeordnet, dass der Nießbrauch an dem Vermögen bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres des Erben der Antragstellerin gebührt und dass der Antragsgegner seine Mutter danach in gesunden und kranken Tagen standesgemäß unterhalten muss, dass diese insbesondere das Recht hat, weiterhin in dem Wohnhaus zu bleiben, und dass sie neben Kleidung und Verpflegung ein Taschengeld erhält, das zunächst auf 500,- DM monatlich festgesetzt und später auf 700,- DM monatlich erhöht worden ist.

6

Die auf diese testamentarischen Anordnungen des Erblassers gestützte Klage betrifft keine gesetzliche Unterhaltspflicht i.S.v. § 23 a Nr. 2 GVG.

7

In Rechtsprechung und Literatur ist zwar anerkannt, dass § 23 a Nr. 2 GVG nicht nur gesetzliche, sondern auch Unterhaltsansprüche aus Vertrag umfasst, wenn der vertragliche Anspruch - wie typischerweise bei Scheidungsfolgenvereinbarungen - an die Stelle des gesetzlichen tritt und diesen lediglich ergänzt oder modifiziert. Diese mit Sinn und Zweck, d.h. mit einer Zuständigkeitskonzentration und der dadurch bedingten besonderen Sachkunde des zur Entscheidung über gesetzliche Unterhaltsansprüche aus Ehe oder Verwandtschaft berufenen Gerichts, motivierte weite Auslegung erfasst aber nicht vertragliche Unterhaltsregelungen, die untrennbar mit einer Vermögensauseinandersetzung vermengt sind, und erst recht nicht vertragliche Unterhaltsregelungen z.B. im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundbesitz, allgemeiner Vermögensauseinandersetzung oder vorweggenommener Erbfolge, denen keine gesetzliche Unterhaltspflicht zugrunde liegt (vgl. BGH NJW 1978, 1531, 1533 [BGH 03.05.1978 - IV ARZ 26/78]; BGH NJW 1979, 2517, 2518 [BGH 29.05.1979 - IV ARZ 30/79]; BGH NJW 1979, 2046; Kissel, GVG, 2.Aufl., § 23 a Rdn. 14; Wolf in: MüKo-ZPO, § 23 a GVG Rdn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 56. Aufl., § 23 a GVG Rdn. 3).

8

Dementsprechend ist das Amtsgericht vorliegend nicht nach § 23 a Nr. 2 GVG sachlich zuständig. Denn Grundlage der testamentarischen Anordnungen zugunsten der Antragstellerin war nicht die - einer derartigen einseitigen Ergänzung oder Modifikation ohnehin nicht zugängliche - gesetzliche Unterhaltspflicht des Antragsgegners, sondern dessen Einsetzung zum Alleinerben. Die Antragstellerin sollte nach dem Willen des Erblassers zwar nicht Erbin werden; ihre ,standesgemäße" Lebensführung sollte aber - bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres des Antragsgegners durch einen umfassenden Nießbrauch an dem Nachlass, danach durch Anordnung eines Altenteilvermächtnisses (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., vor § 2147 Rdn. 6) - gesichert werden. Im Übrigen weichen die ausdrücklichen Anordnungen des Erblassers zum Umfang des Altenteils - entgegen der Auffassung des Landgerichts - von dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch ab. So hat er u.a. bestimmt, dass die Antragsstellerin in dem Wohnhaus bleiben darf und dass sie ein zunächst auf 500,- DM festgesetztes, später entsprechend den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auf 700,- DM erhöhtes Taschengeld erhält. Darüber hinaus ist maßgeblich für die Höchstgrenze der Verpflichtungen des Antragsgegners aus dem Altenteilsvermächtnis nicht dessen Leistungsfähigkeit i.S.v. § 1603Abs. 1 BGB, sondern ggf. der Nachlass (§§ 1990, 1992 BGB).