Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 24.03.1998, Az.: 5 U 6/98
Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung eines Unterschenkelbruches; Versorgung im Rahmen des geschuldeten fachärztlichen Behandlungsstandards nach ausreichender Eingriffsaufklärung; Vergleich zwischen der Plattenosteosynthese oder zur Stabilisation mit einem sog. Fixateur externe bei der Wahl der richtigen Operationsmethoden zur Behandlung einer Fraktur; Anforderungen an die Risikoaufklärung bzw. Eingriffsaufklärung; Aufklärungsumfang hinsichtlich der Möglichkeit eines Folgeeingriffs nach Eintritt von Komplikationen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.03.1998
- Aktenzeichen
- 5 U 6/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 28956
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0324.5U6.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 847 BGB
Fundstellen
- MedR 1998, 418
- OLGReport Gerichtsort 1998, 202-203
Amtlicher Leitsatz
Keine Aufklärung über andere Operationsmethoden bei einer Unterschenkelverriegelung einer Mehretagenfraktur
Tatbestand
Der Kläger begehrt Ersatz immaterieller Schäden und Feststellung der Ersatzpflicht sonstiger Schäden im Zusammenhang mit der Behandlung seiner am 02.10.1993 bei dem Sturz von einer Leiter erlittenen Mehretagenfraktur des linken Unterschenkels (kompletter Zweietagenunterschenkelstückbruch ohne Knie- und Sprunggelenksbeteiligung).
Nach Einlieferung in den von der Beklagten zu 1) ... wurde der zunächst eingerichtete und ruhig gestellte Bruch am folgenden Tag vom Beklagten zu 2) - Facharzt für Chirurgie - mittels einer Unterschenkelverriegelungsnagelung mit einem sog. ungebohrten Tibianagel (UTN) operativ versorgt. Kontrolluntersuchungen ergaben eine achsengerechte Frakturstellung mit einem nach vorn verschobenen Bruchfragment und einer Frakturspalte von 1 cm. Nach der Entlassung des Klägers am 14.10.1993 in hausärztliche Behandlung kam es zu Verzögerungen des Heilungsprozesses. Anfang Januar 1994 wurde im ... der Marknagel entfernt und der Bruch wegen der im oberen Frakturteil festgestellten unzureichenden Callusbildung erneut gerichtet und mittels einer Plattenosteosynthese operativ versorgt.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe die falsche Operationsmethode gewählt, die Operation fehlerhaft durchgeführt und ihn vor dem Eingriff nicht ausreichend aufgeklärt.
Die Beklagten haben behauptet, Ursache der eingetretenen Komplikationen sei die Verletzung und nicht die Operationsmethode.
Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen fachunfallchirurgischen Gutachtens die Klage abgewiesen, da der Beklagte zu 2) nach ausreichender Eingriffsaufklärung den Kläger fachgerecht mit der Methode der Wahl versorgt habe.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger stehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung seines Unterschenkelbruches durch den Beklagten zu 2) im Krankenhaus der Beklagten zu 1) zu.
Zu Recht hat das Landgericht unter Auswertung des ausführlichen und nachvollziehbar und überzeugend begründeten Sachverständigengutachten und der Behandlungsunterlagen festgestellt, dass der Kläger dem geschuldeten fachärztlichen Behandlungsstandard entsprechend nach ausreichender Eingriffsaufklärung versorgt worden ist. Dazu kann zur Vermeidung von einer rein wiederholenden Darstellung auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, gemäß § 543 Abs. 1 2. Halbs. ZPO Bezug genommen werden.
Lediglich im Hinblick auf die Berufungsbegründung sei zusätzlich auf Folgendes hingewiesen: Das Sachverständigengutachten lässt keine Zweifel daran, dass die gewählte Operationsmethode bei Frakturen dieser Art auch aus heutiger Sicht im Vergleich zur sog. Plattenosteosynthese oder zur Stabilisation mit einem sog. Fixateur externe im Hinblick auf etwaige Komplikationen das risikoärmere Verfahren ist und deswegen als modernes, zukunftsweisendes erfolgreiches Behandlungsverfahren zu Recht vom Beklagten zu 2) angewandt worden ist. Etwaige Fehler bei der Durchführung dieser Operation werden vom Kläger in der Berufung ausdrücklich nicht mehr behauptet und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Nachfolgeoperation die Plattenosteosynthese gewählt worden ist, und dem postoperativ erkannten Bruchspalt. Die dahingehenden Ausführungen in der Berufung - insbesondere, wegen des Bruchspalts hätte die Marknagelung ,rückgängig" und eine Plattenosteosynthese vorgenommen werden müssen - werden durch das Sachverständigengutachten unmissverständlich und überzeugend widerlegt. Zu Recht weist auch die Berufungserwiderung insoweit daraufhin, dass erst die Stabilisierung des unteren Bruchbereichs die plattenosteosynthetische Korrektur des oberen Bruchverlaufs ermöglicht hat, ohne die sonst bei offener Reponierung bestehenden hohen Infektionsgefahren in Kauf nehmen zu müssen.
Die Behandlung ist mithin insgesamt nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für die weiterhin vom Kläger gerügte Risiko- bzw. Eingriffsaufklärung. Ausweislich des von ihm unterschriebenen schriftlichen Aufklärungsbogens hat er eine sorgfältige Aufklärung über die wesentlichen handschriftlich von dem behandelnden Arzt eingetragenen Risiken erfahren. Das wird von ihm auch nicht ernsthaft angegriffen. Die Möglichkeit von Folgeeingriffen brauchte dabei nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden; sie ergibt sich zwangsläufig aus der im Falle des Eintritts von Komplikationen dann notwendigerweise bestehenden Behandlungsbedürftigkeit eben dieser Komplikationen. Über die Wahl der Operationsmethode - d.h. hier das Vorgehen bei der osteosynthetischen Stabilisierung - hat der Arzt selbst nach den medizinischen Gegebenheiten und seinen Erfahrungen sowie Fähigkeiten zu entscheiden, ohne dass er insoweit Aufklärung über andere mögliche Vorgehensweisen schuldet. Lediglich wenn völlig andere Behandlungswege mit unterschiedlichen Risiken - wie beispielsweise bei einer konservativen Behandlung im Verhältnis zur operativen - möglich sind, besteht insoweit Aufklärungsbedarf, um dem Patienten eine selbstbestimmte Entscheidung darüber zu ermöglichen. Das ist hier aber offensichtlich nicht der Fall. Da der Kläger behandlungsfehlerfrei nach ordnungsgemäßer medizinischer Aufklärung versorgt worden ist, war die Berufung insgesamt mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO zurückzuweisen.