Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.03.1998, Az.: 5 W 49/98

Voraussetzungen einer Sorgerechtsentziehung; Gefährdung des geistigen und seelischen Wohls eines Kindes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.03.1998
Aktenzeichen
5 W 49/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 28961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0320.5W49.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 38 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 262-263

Amtlicher Leitsatz

Sorgerechtsentziehung, weil im Familienverband die soziale Grundentwicklung des Kindes nicht zu erreichen ist.

Gründe

1

Durch den angefochtenen hiermit in Bezug genommenen Beschluss hat das Landgericht die Entziehung des Sorgerechts der Beteiligten zu 1) und Bestellung des Beteiligten zu 2) als Vormund durch Beschluss des Amtsgerichts ... vom 27. Mai 1997 bestätigt.

2

Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

3

Nicht ganz zu Unrecht weist allerdings die weitere Beschwerde daraufhin, dass die Beschlussgründe des Landgerichts ganz wesentlich auf die in indirekter Rede wiedergegebenen Erläuterungen der in den Tatsacheninstanzen hinzugezogenen Sachverständigen abstellen.

4

Die darauf auf den weiteren Ermittlungsergebnissen beruhenden Feststellungen, dass gemäß §§ 1666, 1666 a BGB das geistige und seelische Wohl der Kinder durch ein unverschuldetes Erziehungsversagen der Eltern nachhaltig gefährdet ist und diese Gefährdung durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Entzug des Sorgerechts nicht begegnet werden kann (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluss vom 6.1.1998 - 5 W 226/97), ist jedoch aus Rechtsgründen, worauf sich die Überprüfungskompetenz des Senats beschränkt, nicht zu beanstanden. Die Entscheidung ist rechts- und verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Insbesondere hat das Landgericht die erforderlichen Beteiligungen - Kindeseltern, Vertreter des Kreisjugendamtes, Großeltern und weitere Verwandte - vorgenommen, sich umfangreicher sachverständiger Beratung versichert und - wie der Sachverhaltswiedergabe zu entnehmen ist - auch die Erkenntnisse aus den bisher für die Betroffenen und die Kindeseltern erfolgten Hilfs- und Förderungsmaßnahmen berücksichtigt. Einer Anhörung der Kinder selbst bedurfte es gemäß § 50 b Abs. 1 FGG nicht Mit der weiteren Beschwerde werden insoweit relevante Fehler im Verfahren oder bei der materiellen Rechtsanwendung nicht aufgezeigt, sondern im Kern lediglich die eigene Sicht der Dinge der der Vorinstanzen entgegengesetzt.

5

Die nachhaltige Gefährdung des Wohls der Kinder infolge unverschuldeter unzureichender Erziehungskompetenz wird von beiden gerichtlichen Sachverständigen im Einzelnen dargelegt und nachvollziehbar und überzeugend begründet. Die Gutachter kommen entgegen der weiteren Beschwerde auch nicht etwa nach Art und Gründen zu einer unterschiedlichen Bewertung. Vielmehr geben sie in sicherlich differenzierter verbaler Ausformung die Ergebnisse ihrer eingehenden Untersuchungen wieder. Sie stimmen dabei aber völlig überein, dass bei einem Verbleib zu Hause die Betroffenen keine ausreichenden Chancen für eine eigenständige Lebensführung erhalten. Auf diese nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls beziehen sich die Sachverständigen, wenn sie in ihren zusammenfassenden Beurteilungen darauf verweisen, dass die Kinder in dem gegebenen Familienverband ohne verlässliche Bezugspersonen emotional zu verwahrlosen drohen (so der Sachverständige Dipl. Psychl. ...) bzw. die Kindeseltern nicht ausreichend in der Lage sind, die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder im Hinblick auf eine im Normbereich liegende leibliche, seelische und gesellschaftliche Tüchtigkeit anzuregen und voranzubringen (so der Sachverständige Dipl. Psychl. Psychotherapeut Prof. ...). Damit werden entgegen der weiteren Beschwerde keine bloßen Hypothesen bzw. unbelegte Prophezeiungen aufgestellt und auch nicht nur die Vermittlung ungenügender kognitiver Fähigkeiten durch die Eltern als Gefährdungspotenzial erkannt. Es geht gerade nicht um bloße Intellektuelle - oder Bildungsdefizite, die sich bei den Kindern fortsetzen könnten, sondern darum, dass ihnen nicht die Chancen auf eine normale Lebenstüchtigkeit genommen werden. Die dafür auch und gerade notwendige "emotionale" ,seelische" Förderung, die in dem bisherigen Familienverband nicht besteht, wird von beiden Sachverständigen hervorgehoben.

6

Dass diese Chancen auf Sicherstellung der sozialen Grundentwicklung nur in einem anderen Pflegeverband zu erhalten sind, wird ebenfalls von beiden Gutachtern unmissverständlich bejaht. Darin stimmen auch die psychologischen bzw. psychologisch geschulten Fachkräfte der Clearingstelle und des Beteiligten zu 2) nahezu deckungsgleich überein. Die von den Beschwerdeführern eingeschaltete Dipl. Psychologin des Deutschen Kinderschutzbundes vermag insoweit zwar auf die anerkennenswerten Qualifizierungsbemühungen der Kindesmutter zu verweisen, die einen erneuten ambulanten Förderungsversuch nicht sinnlos erscheinen ließen. Diese Einschätzung haben die Sachverständigen bei ihrer anders lautenden Beurteilung mit einbezogen und auch die in dem Anhörungstermin vor dem Amtsgericht eingeräumte Erfolglosigkeit der seit 1994 durchgeführten Maßnahmen stehen einer solchen Prognose entgegen. Die Stellungnahme der Hausärzte vermögen die daher bestehen bleibenden, nicht zu verantwortenden Risiken für das Kindeswohl nicht auszuräumen.

7

Das gilt gleichermaßen für die von der weiteren Beschwerde abstrakt aufgezählten Maßnahmen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Diese Maßnahmen greifen nicht, da gerade der Verbleib im elterlichen Haushalt die Gefährdung des Kindeswohls bestehen lässt. Auch die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts sind durch die ausführlich begründeten Ergebnisse der Sachverständigen gedeckt und rechtlich nicht zu beanstanden.