Sozialgericht Hannover
Urt. v. 01.03.2013, Az.: S 2 KR 657/12

Anspruch eines Klinikums auf Vergütung für Leistungen stationärer Krankenhausbehandlung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
SG Hannover
Datum
01.03.2013
Aktenzeichen
S 2 KR 657/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 60509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHANNO:2013:0301.S2KR657.12.0A

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.196,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 18.01.2012 bis 22.07.2012 und ab dem 23.07.2012 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Vergütung für Leistungen stationärer Krankenhausbehandlung.

Die klagende Gesellschaft betreibt ein gemäß § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenes Krankenhaus. Der bei der Beklagten versicherte Patient G. wurde in der Zeit vom 17.10.2011 bis 31.10.2011 im Haus der Klägerin vollstationär behandelt. Mit Datum vom 03.11.2011 wurde der Beklagten seitens der Klägerin eine Rechnung über einen Betrag in Höhe von 5.228,74 Euro übersandt. Diesen Betrag glich die Beklagte zunächst vollständig aus. Mit Datum vom 22.11.2011 übersandte der MDK Hessen eine Prüfanzeige an die Klägerin und bat um Übersendung näher bezeichneter Unterlagen. In jenem Schreiben wies der MDK darauf hin, dass die Wiedervorlage eine Befristung vorsehen und -sollte bis zum 20.12.2011 kein Eingang der Unterlagen beim MDK zu verzeichnen sein- der Auftrag an die Krankenkasse zurückgegeben werde. Mit Schreiben vom 16.01.2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der Begutachtungsauftrag unbearbeitet vom MDK zurückgereicht worden sei und bat erneut um Übersendung näher bezeichneter Unterlagen an den MDK. Zugleich wies die Beklagte in jenem Schreiben darauf hin, dass -wenn die angeforderten Unterlagen nicht binnen 14 Tagen beim MDK eingehen würden- das Prüfverfahren als abgeschlossen angesehen werde. Mit Datum vom 18.01.2012 verrechnete die Beklagte mit anderen nicht streitigen Forderungen in Höhe von 1.196,10 Euro. Die angeforderten Unterlagen gingen am 19.04.2012 beim MDK ein. Mit Schreiben vom 11.06.2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass aufgrund des Schreibens vom 16.01.2012 und der verspäteten Übersendung der angeforderten Unterlagen in Verbindung mit dem BSG Urteil vom 17.12.2009 die streitige Krankenhausbehandlung des Patienten Michl als abgeschlossen angesehen werde; der MDK werde nicht erneut mit einer Begutachtung beauftragt. Mit ihrer bei Gericht am 23.07.2012 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des verrechneten Betrages.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe den Betrag zu Unrecht verrechnet; die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das MDK- Prüfverfahren einseitig abzubrechen; eine Frist innerhalb derer angeforderte Unterlagen an den MDK übersandt oder ein Widerspruch verfasst sein müsse, existiere nicht.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    an sie 1.196,10 Euro,

  2. 2.

    sowie Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus vom 18.01.2012 bis zur Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Rechtsprechung des BSG (B 1 KR 11/09 R und B 3 KR 12/08 R) zum Ausschluss von Nachberechnungen auf der Grundlage von Treu und Glauben sei zu berücksichtigen; zwar handele es sich vorliegend nicht um eine Nachberechnung, doch seien die Grundsätze zu übertragen; zur professionellen Zusammenarbeit gehöre es auch das MDK- Prüfverfahren zeitnah abzuschließen, nach Ablauf von 6 Wochen könne die Klägerin nicht mehr auf Zahlung bestehen; der Beklagten sei es dann nicht mehr zuzumuten, sich erneut mit dem Fall zu befassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig.

In Verfahren, bei denen der Anspruch eines Leistungserbringers gegen die Krankenkasse auf Zahlung einer Vergütung für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten streitbefangen ist, bedarf es weder der Durchführung eines Vorverfahrens noch der Einhaltung einer Klagefrist. Denn der Anspruch wird von der Klägerin zutreffend mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemacht, da es sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt. Aufgrund des koordinationsrechtlichen Gefüges scheidet eine Regelung durch Verwaltungsakt aus (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R mit weiteren Nachweisen zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung).

Die Klage ist auch begründet.

Zu beachten ist zunächst, dass der ursprüngliche Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten G. in der Zeit vom 17.10.2011 bis 31.10.2011 nicht streitig ist, da dieser durch die Zahlung der Beklagten vollständig erloschen ist und nicht erneut geltend gemacht werden kann. Streitbefangen ist vorliegend ein im Aufrechnungswege geltend gemachter Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die - nach Art und Höhe unstreitige - Rechnungen der Klägerin. Entscheidend ist demnach, ob die Beklagte berechtigt ist, gegen die spätere Forderung der Klägerin nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.196,10 Euro aufzurechnen, weil die Klägerin im Hinblick auf ihre ursprüngliche Forderung zumindest teilweise keinen Anspruch auf die Vergütung des stationären Krankenhausaufenthaltes besaß.

Der im vorliegenden Fall unstreitig entstandene Vergütungsanspruch für die Behandlung anderer bei der Beklagten versicherter Patienten ist nicht durch eine Aufrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen Erstattungsforderung der Beklagten gemäß § 387 BGB analog untergegangen (zur Aufrechnung mit einer Forderung aus dem öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch siehe: BSG, Urt. v. 22.07.2004, B 3 KR 21/03 R).

Der Klägerin stand ein Anspruch auf Vergütung gegen die Beklagte für die ursprüngliche Krankenhausbehandlung des Versicherten G. in der Zeit vom 17.10.2011 bis 31.10.2011 mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 5.228,74 Euro zu, so dass die Vergütung für diesen Aufenthalt mit Rechtsgrund erfolgte und nicht teilweise in Höhe der Klageforderung verrechnet werden durfte.

Rechtsgrundlage für den ursprünglich geltend gemachten Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs.1 KHEntgG i.V.m. dem zum 01.11.1992 in Kraft getretenen niedersächsischen Landesvertrag nach § 112 Abs.2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V. Nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG orientiert. Gemäß § 17b Abs. 6 S. 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem verbindlich zum 01.01.2004 für alle Krankenhäuser eingeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (vgl. BSG, Urt. v. 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R, mit weiteren Nachweisen). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird.

Im Hinblick auf die zwischen Krankenhaus und Krankenkasse bestehenden Sonderrechtsbeziehung, die in besonderem Maße einen wechselseitigen partnerschaftlichen Umgang unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben gebietet (siehe dazu mwN BSG, Urt. v. 22.06.2010, B 1 1/10 R), ist der Klage stattzugeben (1). Die Kammer ist im vorliegenden Fall nicht gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen (2).

(1) Die Beklagte hat dem Prüfverfahren ein besonderes Gepräge verliehen und die weitere Prüfung des Vergütungsanspruchs für die klägerseits durchgeführte Krankenhausbehandlung abgebrochen, mit der Folge, dass durch diesen Abbruch des Überprüfungsverfahrens die weitere Ermittlung des medizinischen Sachverhalts durch die Beklagte vereitelt wurde (a). Der mit dem Abbruch des Prüfverfahrens und der Zurückweisung des Vergütungsanspruchs einhergehenden und als solcher zu qualifizierende Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, schließt die Beklagte mit Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin aus (b).

a) Die Vorgehensweise der Beklagten scheint von dem Gedanken motiviert gewesen zu sein, eine spiegelbildliche Entsprechung für den für die Beklagte bestehenden Fristlauf des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V zu schaffen. Hinsichtlich der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V hat das BSG in den Entscheidungen vom 16.05.2012 (Az: B 3 KR 12/11 R, B 3 KR 14/11 R) klargestellt, dass diese lediglich für die dritte Stufe des (formalen) Prüfverfahrens greift. Danach gilt für den Ablauf des Prüfverfahrens Folgendes (siehe dazu auch bereits BSG, Urt. v. 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R): Das Prüfverfahren findet seinen Anfang darin, dass das Krankenhaus zunächst alle nach § 301 SGB V erforderlichen Daten vollständig an die Krankenkasse sendet, insbesondere die Stammdaten des Versicherten, Detailangaben über Aufnahme, Verlegung, Art der Behandlung und Entlassung einschließlich der Angabe des einweisenden Arztes mit Einweisungs- und Aufnahmediagnose, med. Begründung für Verlängerung der Verweildauer, Datum und Art der durchgeführten Operationen und Prozeduren (Stufe 1). Kann die Richtigkeit der Rechnung auf dieser Grundlage nicht hinreichend beurteilt werden, ist durch die Krankenkasse ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten und sämtliche vom Krankenhaus erhaltene Informationen beizufügen (Stufe 2). Während es sich bei der zweiten Stufe um ein rein verwaltungsinternes Prüfverfahren handelt, wird der MDK auf der dritten Stufe auf Veranlassung der Krankenkasse mit Außenwirkung tätig und fordert beim Krankenhaus erforderliche Unterlagen an, wenn auf der Basis der vorhergehenden Stufen immer noch kein abschließendes Ergebnis gefunden werden kann. Das Krankenhaus hat auf die Anforderung des MDK alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden (§ 276 Abs. 2 S. 1, 2 SGB V- Stufe 3).

Die erste und die zweite Stufe des Prüfverfahrens wurden im vorliegenden Fall unproblematisch durchlaufen. Seitens der Beteiligten werden diesbezüglich weder vorprozessual noch im Laufe des Gerichtsverfahrens Rügen erhoben (siehe dazu: BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R). Mangels erfolgter Rüge sieht sich die erkennende Kammer nicht dazu veranlasst diesbezüglich weitere Unterlagen anzufordern bzw. Ermittlungen anzustellen (zum Umstand, dass das Gericht mangels entsprechenden Vortrags keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" anstellen muss: BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R; allgemein: Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.A. 2012, § 103, Rn. 4, 7ff).

Auf der dritten Stufe des Prüfverfahrens verknüpft die Beklagte Fristsetzungen gegenüber der Klägerin mit einer einseitig statuierten Präklusion nach fruchtlosem Fristablauf und führt daran anknüpfend das Überprüfungsverfahren einem Ende ohne weitere Sachverhaltsermittlung zu.

Konkret wurde im vorliegenden Fall zunächst durch den MDK im Zusammenhang mit dessen Prüfanzeige nach § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V eine 4- wöchige Frist zur Übersendung angeforderter Unterlagen gesetzt und zugleich angekündigt, dass der Auftrag an die Krankenkasse zurückgereicht würde, wenn Unterlagen nicht eingehen (hier: Prüfanzeige vom 22.11.2011). Läuft die genannte Frist fruchtlos ab, so werden die Akten an die Krankenkasse zurückgereicht und diese setzt in einem weiteren Schreiben eine "Nachfrist" von 2 Wochen zur Aktenübersendung an den MDK und weist darauf hin, dass bei Nichtbeachtung der Frist, das Prüfungsverfahren als abgeschlossen angesehen werde (hier: Schreiben vom 16.01.2012). Verstreicht auch diese Frist, folgt ein weiteres Schreiben, mit dem die Krankenkasse mitteilt, dass das Prüfverfahren als abgeschlossen betrachtet und eine erneute Beauftragung des MDK zum Zwecke der Begutachtung nicht erfolgen werde (hier: Schreiben v. 11.06.2012). Die vom MDK zuvor angeforderten Unterlagen des Krankenhauses wurden demgemäß nach erfolgter Übersendung durch die Klägerin (hier am 19.04.2012) an diese zurückgesandt ohne dass eine weitere Prüfung durch den MDK stattfand.

Die Beklagte war im vorliegenden Fall nicht berechtigt, einseitig Ausschlussfristen zu setzen (aa). Als Folge dieser Vorgehensweise verletzte die Beklagte die ihr aus dem Untersuchungsgrundsatz erwachsenden Verpflichtungen und handelte zudem in Widerspruch zu § 20 Abs. 3 SGB X (bb).

aa) Die Beklagte greift hier einseitig in das gegenseitige Pflichtengefüge ein. Auf Seiten der Krankenhäuser besteht die gesetzlich normierte Pflicht zur Übermittlung von Sozialdaten im Rahmen des Prüfverfahrens auf Stufe 3 (siehe zu den Anforderungen § 276 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB V). In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber hingegen keine gesonderte von den Krankenhäusern zu beachtende Frist bestimmt, nach deren Ablauf die Krankenkasse berechtigt ist, die weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung abzulehnen und die Befriedigung des Anspruchs auf Vergütung zu verweigern bzw. die Vergütung durch Aufrechnung rückabzuwickeln. Erschafft die Beklagte aber nunmehr eine eigene Frist mit Ausschlusswirkung, geht sie über die gesetzlich vorgegebenen Erfordernisse hinaus.

Für ein solches Vorgehen mangelt es der Beklagten aber an einer Ermächtigungsgrundlage. Zwar befinden sich die Beteiligten einer Vergütungsstreitigkeit nicht im subordinationsrechtlichen sondern im koordinationsrechtlichen Gefüge, doch ist Grundlage des bestehenden Gefüges eine öffentlich- rechtliche Rechtsbeziehung (siehe § 69 SGB V). Eine gesetzliche Ermächtigung oder eine niederrangige Befugnis zur Fristsetzung mit einhergehender Ausschlusswirkung ist nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Schaffung derlei Ausschlussfristen auch nicht zwischen den Beteiligten (weder auf Bundes- noch auf Landesebene) vereinbart sondern einseitig bestimmt wurde (siehe zu der Konstellation einer (zulässig) vereinbarten Ausschlussfrist z.B. §§ 8, 10 Arznei- Liefervertrag Niedersachsen sowie BSG, Urt. v. 03.07.2012, B 1 KR 16/11 R; Urt. v. 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R). Solch weitreichende Folgen können aber nicht einseitig von einem der Beteiligten statuiert werden, da dies dazu führen würde, dass es ein Beteiligter über die inhaltliche Prüfung der Rechnung hinaus in der Hand hätte auch die Regelungen zum Verfahren der Überprüfung einseitig (zu seinen Gunsten) zu bestimmen. In letzter Konsequenz würde dadurch die Möglichkeit geschaffen durch Anpassung der Verfahrensregelungen die eigentlich inhaltlich gebotene Prüfung zu umgehen (so wie hier geschehen).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Pflicht zur beschleunigten Rechnungsabwicklung. Die grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur beschleunigten Rechnungsabwicklung besteht nicht lediglich auf Seiten der Krankenkassen sondern gilt auch für die Krankenhäuser (BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R, mwN auf die ständige Rspr.). Ein diesbezüglicher Verstoß der Klägerin ist im vorliegenden Fall aber nicht festzustellen. Es ist zu beachten, dass die Klägerin zunächst auf der ersten Stufe gehalten war den Datensatz nach § 301 SGB V zu übersenden. Während Stufe 2 ohne weitere Mitwirkung des Krankenhauses abläuft, ist das Krankenhaus erst auf Stufe 3 verpflichtet, vorhandene Unterlagen an den MDK zu versenden. Binnen welcher Frist die Übersendung zu realisieren ist, wurde durch den Gesetzgeber nicht bestimmt, so dass Zurückhaltung geboten ist, um nicht durch ungeschriebene Grundsätze das gesetzlich vorgegebene Verfahren zu beeinflussen. Entscheidend für die Beurteilung sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

Soweit sich die Beklagte an dieser Stelle auf die in der Rechtsprechung zur nachträglichen Rechnungsstellung enthaltenen Gedankengänge beruft (BSG, Urt. v. 17.12. 2009, B 3 KR 12/08 R; Urt. v. 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R), kann sie daraus im vorliegenden Fall keine für sie günstige Rechtsfolge herleiten. Dies bereits eingedenk der Tatsache, dass es im vorliegenden Fall gerade nicht um eine Rechnungskorrektur mit Nachforderung durch das Krankenhaus geht, sondern einzig und allein die ursprünglich in Rechnung gestellte Krankenhausbehandlung ohne Veränderungen der Forderung durch die Klägerin im Streit stand.

Die von der Beklagten gemachten Ausführungen, dass es sich mit dem vom BSG aufgestellten Grundsatz der wechselseitigen Treue- und Obhutspflichten jedenfalls nicht vertrage, "wenn die Klägerin durch langzeitiges Untätigbleiben bei der Beklagten den Eindruck erweckt, als akzeptiere sie die Bewertung des Sachverhalts durch den MDK" sowie die Ausführungen zwar gebe "es in der vorliegenden Rechtsbeziehung zwischen den Parteien kein formalisiertes Widerspruchsverfahren, die Beklagte durfte jedoch darauf vertrauen, dass die Klägerin nach so langer Zeit diesen Fall nicht wieder aufgreift." (Schriftsatz vom 07.02.2013, S. 3 letzter Absatz) gehen an der Sache vorbei. Die Argumentation der Beklagten stellt sich als Zirkelschluss dar und kann demgemäß nicht überzeugen. Wenn durch die konkrete Gestaltung des Prüfverfahrens seitens der Beklagten eine Prüfung des medizinischen Sachverhalts durch den MDK auf der dritten Stufe nicht stattgefunden hat, kann die Beklagte auf der anderen Seite keinen für sie günstigen Rechtscheinstatbestand ableiten, wonach das Krankenhaus einer Bewertung des Sachverhalts durch den MDK durch langzeitiges Untätigbleiben nicht entgegengetreten sei. Die Beklagte versucht Rechtsfolgen an Tatsachen zu knüpfen, die niemals eingetreten sind.

Die Argumentation der Beklagten verliert auch aus dem Blick, dass es die Beklagte selbst verhinderte, eine Prüfung durch den MDK durchzuführen. Mitnichten verhält es sich so, dass die Klägerin den Fall "nach so langer Zeit wieder aufgegriffen hat". Vielmehr hat die Beklagte einseitig das Verfahren abgebrochen. Im Ergebnis hätte es sich der Beklagte in Kenntnis der gegenseitigen Interessenstruktur (siehe BSG, Urt. v. 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R) aufdrängen müssen, dass ein derartiges Vorgehen -zumal es seitens der Beklagte in großer Zahl hinsichtlich diverser Abrechnung angewandt wurde- seitens der Leistungserbringer nicht akzeptiert würde. Dieser Erkenntnis hat sich die Beklagte indes offenbar verschlossen. Ein Vertrauenstatbestand -wie er von der Beklagten skizziert wird- konnte jedoch demgemäß nicht entstehen.

bb) Im Verbund mit der durch die statuierte Ausschlussfrist verweigerten Prüfung des medizinischen Sachverhalts, genügte die Beklagte den Anforderungen des Untersuchungsgrundsatzes nicht. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach § 20 Abs. 2 SGB X hat die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Der Untersuchungsgrundsatz beruht darauf, dass das öffentliche Interesse an der Feststellung des wahren Sachverhalts Vorrang vor dem Privatinteresse der Beteiligten hat (v. Wulffen in: v. Wulffen, SGB X, 7. A., 2010, § 20, Rn. 3). Außerdem entspricht im Verwaltungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz den rechtsstaatlichen Erfordernissen am besten, da die richtige Entscheidung eine vollständige und zutreffende Aufklärung des Sachverhalts voraussetzt (v. Wulffen, aaO). Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist aus diesen Vorschriften ersichtlich, dass die Behörde grdsl. verpflichtet ist, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln.

Zumal im Rahmen der bestehenden Sonderrechtsbeziehung zwischen den Leistungserbringern und der Krankenkasse die Beklagte als "Herrin" des Begutachtungsverfahrens fungiert (BSG, Urt. v. 28.02.2007, B 3 KR 12/06) und durch konkrete Ausgestaltung des Verfahrens darauf hinwirken muss, dass eine umfassende Tatsachengrundlage für die Überprüfung einer Krankenhausbehandlung besteht.

Anknüpfend an diese Steuerungsfunktion der Krankenkasse begegnet es grundsätzlich keinen Bedenken, dass diese -z. T. vermittelt durch den MDK- im Rahmen des Prüfverfahrens auf der dritten Stufe (unverbindliche) Fristen zur Aktenübersendung gegenüber den Krankenhäusern bestimmt. Es ist an dieser Stelle zu beachten, dass es letztlich der Beschleunigung des Abrechnungsverfahrens bzw. des diesbezüglichen Prüfverfahrens dient. Diese Vorgehensweise kann nach Auffassung der Kammer als Ausdruck der den Krankenkassen auferlegten Verpflichtung zur beschleunigten Rechnungsabwicklung verstanden werden (zu letzterer: BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R, mwN auf die ständige Rspr.). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn der MDK den Prüfauftrag an die Krankenkasse zurückreicht, sofern Unterlagen nicht bei ihm eingehen. Dies ergibt sich daraus, dass die Krankenkasse "Herrin" des Prüfungsverfahrens ist und sich lediglich des MDK bedient um medizinische Umstände klären zu lassen. Weiterhin ist es nicht zu beanstanden, wenn die Krankenkasse die Krankenhäuser darauf hinweist, dass die Bearbeitung des Falles durch den MDK mangels Aktenübersendung nicht erfolgen konnte und um erneute Aktenübersendung an den MDK bittet.

Zu beanstanden ist allerdings die mit der zweiten Fristversäumung verbundene, durch die Krankenkasse einseitig bestimmte Präklusion des Krankenhauses und die damit korrespondierende Weigerung den medizinischen Sachverhalt weitergehend aufzuklären. Dieses Verhalten führt zu einer Verzerrung der bestehenden Amtsermittlungspflichten sowie einer willkürlichen Reduktion der Tatsachsengrundlage und steht nicht in Einklang mit § 20 Abs. 3 SGB X.

Gemäß § 20 Abs. 3 SGB X darf die Behörde die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Zweck der Regelung ist es, dass die Behörde nicht die Möglichkeit haben soll, Informationen, die aus der Sphäre eines Beteiligten in das Verwaltungsverfahren gelangen, abzuwehren (Rixen/ Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. A., 2011, § 20, Rn. 14). Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Beteiligte eine in formellrechtlicher Hinsicht ordnungsgemäße Entscheidung erhält und sein Anliegen ernsthaft geprüft bzw. nicht grundlos abgelehnt wird (Luthe in: jurisPK-SGB X, § 20, 1. A., 2013, Rn. 30; ähnlich: Rixen/ Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. A., 2011, § 20, Rn. 14)

Dieser durch den Gesetzgeber vorgegebene Zweck wurde von der Beklagten (als zuständige Behörde) vollständig missachtet, indem sie unter Berufung auf eine einseitig geschaffene Präklusion die Entgegennahme der am 19.04.2013 beim MDK eingegangenen medizinischen Unterlagen verweigerte.

Denn eine Entgegennahme ist unter Berücksichtigung des Sinn und Zweck der Regelung nur dann anzunehmen, wenn zumindest die Kenntnisnahme erfolgt (Rixen/ Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. A., 2011, § 20, Rn. 14). Kenntnisnahme meint in diesem Zusammenhang nach Auffassung der erkennenden Kammer, dass die eingehenden Anträge oder Erklärungen tatsächlich Berücksichtigung finden müssen, mithin zumindest Einfluß auf die Sachentscheidung haben können. Daran mangelt es hier hingegen. Denn unter Beachtung der Besonderheiten, dass lediglich der MDK die medizinischen Umstände der Krankenhausbehandlung begutachten darf und demgemäß die Aktenübersendung an ihn zu erfolgen hat (§ 276 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB V), hätte unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 3 SGB X eine Prüfung durch den MDK durchgeführt werden müssen, um eine Kenntnisnahmemöglichkeit des medizinischen Sachverhalts zu eröffnen. Zumal in der Parallelvorschrift des § 24 Abs. 3 VwVfG nicht lediglich eine Mitwirkungslast der Behörde, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenpflicht gesehen wird (Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7.A., 2008, § 24, Rn. 71). Überträgt man diese dogmatische Erwägung auf die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB X besteht auf Seiten der Beklagten eine Verletzung dieser verfahrensrechtlichen Nebenpflicht.

(b) Die Beklagte hat nicht nur rechtswidrig die weitere Sachverhaltsermittlung abgebrochen sondern zudem auch einseitig bestimmt, dass das gesamte Prüfungsverfahren abgeschlossen sei und in der Folge den streitigen Betrag verrechnet. Diese Umstände zusammengenommen stellen einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben dar.

Die Wendung von "Treu und Glauben" gelangt über § 69 SGB V gemäß des Rechtsgedankens des § 242 BGB in die Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten hinein (vgl. statt vieler: BSG, Urt. v. 17.12.2009, B 2 KR 12/08 R).

Der Ausdruck "Treu und Glauben" ist einer fest umgrenzten Definition nicht zugänglich. Der Gesetzgeber gibt einen Maßstab vor, der als allgemeiner Rechtsgedanke eine Orientierung an bestimmte Gesichtspunkte nahelegt (zum Vorgenannten: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.A., 1991, S. 291, 292). Der Maßstab von "Treu und Glauben" weist auf den Gesichtspunkt der Einlösung des entgegengebrachten und in Anspruch genommen Vertrauens, wie auf den der gegenseitigen Rücksichtnahme im Verhältnis der Partner hin (Larenz, aaO, S. 292).

Das BSG hat diese wertungsabhängige Generalklausel für den Bereich der Beziehung von Krankenkassen und Krankenhäusern weiter ausgefüllt. Zu berücksichtigen sind die bestehenden bereichsspezifischen Besonderheiten in den Leistungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus, welche durch eine ständige professionelle Zusammenarbeit innerhalb eines dauerhaften Vertragsrahmens geprägt sind (BSG, Urt. v. 22.06.2010, B 1 KR 1/10 R). Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich zudem, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichten und dass diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen kann (BSG, Urt. v. 22.06.2010, B 1 KR 1/10 R mwN, BSG, Urt. v. 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R).

Dieser durch den Gesetzgeber vorgenommene und durch die Rechtsprechung des BSG geprägte Wertungsmaßstab führt im vorliegenden Fall zu einem bestehenden Vergütungsanspruch der Klägerin und einem Ausschluss der Beklagten mit deren dagegen erhobenem Einwand eines klägerseitigen Verstoßes gegen Treu und Glauben.

Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Beklagte als "Herrin" des Begutachtungsverfahrens dafür Sorge tragen muss, dass dieses ordnungsgemäß abläuft und insbesondere die aus dem Amtsermittlungsgrundsatz erwachsenden Verpflichtungen berücksichtigt werden. Diesem Maßstab wurde die Beklagte nicht gerecht. Das Begutachtungsverfahren auf der dritten Stufe verlief nicht ordnungsgemäß und die Beklagte führte die medizinische Sachverhaltsaufklärung nicht durch. Bereits vor dem Hintergrund, dass der Beklagten im Ausgangspunkt ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Nebenpflichten (§ 20 Abs. 3 SGB X) vorzuwerfen ist (siehe 1. a. bb, S. 11), konnte ein schutzwürdiges Vertrauen auf ihrer Seite nicht entstehen (Gedanke: exceptio doli praeteriti, siehe: Roth/Schubert, Münchener Kommentar zum BGB, 6.A, 2012, § 242 BGB, Rn. 241ff).

Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass der Grund für den Abbruch des Prüfverfahrens nicht aus der Sphäre der Klägerin rührt, sondern Folge der von der Beklagten unzutreffend statuierten Ausschlussfrist ist.

Die Beklagte beließ es allerdings nicht bei der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung sondern fingierte darüber hinaus einseitig, dass das Prüfverfahren abgeschlossen sei, mit dem Ergebnis, dass der Anspruch der Klägerin für den stationären Aufenthalt nicht bestehe (siehe Schreiben vom 11.06.2012) und verrechnet wurde.

Wenn die Beklagte aber in Fortsetzung ihrer unrichtigen Rechtsauffassung unter Verstoß gegen gesetzlich vorgegeben Pflichten der Amtsermittlung die Klägerin aufgrund einer einseitigen Fiktion mit deren Vergütungsanspruch ausschließt, kann sie keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da das gesamte Verhalten eine Rücksichtnahme auf die Interessen des Krankenhauses vermissen lässt und letztlich auf eine einseitige Bevorzugung der eigenen Rechtsposition hinaus läuft.

Bei einem derart schwerwiegenden Verstoß gegen die wechselseitig bestehenden im dauerhaften Vertragsrahmen professioneller Zusammenarbeit zu berücksichtigenden Interessen, verliert die Beklagte ihr Recht Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch geltend zu machen und einen Erstattungsanspruch durchzusetzen (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation, BSG, Urt. v. 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R). Die erkennende Kammer sieht in diesem Ergebnis kein Widerspruch zu der Entscheidung des BSG mit Urteil vom 16.05.2012 (B 3 KR 14/11 R- Rn. 17 und 23 aE- ). Im Rahmen dieser Entscheidung hat das BSG dafür gehalten, dass ein Verstoß der Krankenkasse gegen die Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V keinen Einwendungsausschluss gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses begründet. Vielmehr ist die Krankenkasse hinsichtlich der Rechnungsprüfung auf die Daten beschränkt, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten jeweils zur Verfügung gestellt hat; die Regelung des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V hindert jedoch nicht daran, die Abrechnung des Krankenhauses auf dieser Grundlage überhaupt sachlich und rechnerisch zu überprüfen (BSG, aaO, Rn. 17). Der medizinische Sachverhalt darf nur nicht mehr durch Ermittlungen des MDK gemäß § 276 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB V überprüft oder weiter aufgeklärt werden (BSG, aaO, Rn. 23).

Der vorliegende Sachverhalt ist indessen nicht vergleichbar. Anders als in der genannten Entscheidung des BSG hat die Beklagte die gesetzliche Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V eingehalten. Der Verstoß der Beklagten liegt in dem nachgelagerten Verhalten, indem diese einseitige Präklusionswirkungen bestimmte und den Sachverhalt nicht weiter medizinisch ermittelte. Die Beklagte hatte es anders als in dem durch das BSG entschiedenen Fall gerade in der Hand den medizinischen Sachverhalt aufzuklären, da die maßgebliche Frist (§ 275 Abs. 1c S. 2 SGB V) eingehalten wurde. Wenn sich die Beklagte aber sehenden Auges dieser Möglichkeit begibt, unter Verstoß gegen Amtsermittlungspflichten das Prüfverfahren abbricht und die Klägerin mit deren Vergütungsanspruch ausschließt, missachtet sie nachhaltig die Grundsätze von Treu und Glauben. Zu beachten ist -wie bereits ausgeführt- maßgeblich der Umstand, dass nicht nur die medizinischen Ermittlungen seitens der Beklagten abgebrochen wurden, sondern diese darüber hinaus den Behandlungsfall als abgeschlossen betrachte (Schreiben vom 11.06.2012), mithin also keinerlei weitergehende Überprüfung vornehmen wollte. Auch im gerichtlichen Verfahren beruft sich die Beklagte ausschließlich auf einen klägerseitigen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, ohne überhaupt inhaltliche Einwendungen in Bezug auf den abgerechneten Behandlungsfall zu formulieren und bringt damit -nach Auffassung der Kammer- zum Ausdruck eine medizinische Überprüfung des Falles vollumfänglich endgültig und fortgesetzt zu verweigern.

(2) Der Amtsermittlungsgrundsatz schränkt sich in Anbetracht vorgenannter Erwägungen einer nachhaltig unterlassenen Aufklärung des medizinischen Sachverhalts auch im gerichtlichen Verfahren ein. Gemäß § 103 S. 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Genauso wie die im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu beachtende Vorschrift des § 20 SGB X, gilt der gerichtliche Amtsermittlungsgrundsatz vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an der Aufklärung des Sachverhalts und der Richtigkeit der Entscheidung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 103, Rn. 1). Im Hinblick auf die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG eine wirksame Kontrolle durch die Gerichte sicherzustellen (Gebot effektiven Rechtsschutzes, vgl. z.B. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 11.A., 2011, Art. 19, Rn. 50), ist grundsätzlich eine vollständige Nachprüfung der angefochtenen Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht geboten (Jarass, aaO, Rn.67).

Die Garantie zur vollständigen Nachprüfung eines Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht findet allerdings seine Einschränkung dort, wo Beteiligte ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen (Leitherer, aaO, Rn. 16; BSG, Urte. v. 20.11.2008, B 3 KN 1/08 KR R, B 3 KN 4/08 KR R).

Bricht die Krankenkasse die Fortsetzung des zuvor eingeleiteten Prüfverfahrens ab, obwohl die Akten beim MDK eingehen und eine Prüfung möglich wäre (hier unstreitig Eingang der Unterlagen beim MDK am 19.04.2012) und verstößt sie dadurch gegen die aus § 20 Abs. 3 SGB X resultierende verfahrensrechtliche Nebenpflicht, genügt sie ihren Mitwirkungspflichten nicht. Das Gericht ist nicht gehalten, die von der Beklagten vereitelte Sachverhaltsermittlung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nachzuholen bzw. zu ersetzen.

Würde die Kammer hier weitere Ermittlungen anstellen, wäre der Verstoß der Beklagten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im Ergebnis folgenlos. In der Folge würde das Gericht erstmals die von der Beklagten vereitelte aber an sich gebotene Amtsermittlung im gerichtlichen Verfahren vornehmen und dadurch nachhaltig in den Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen eingreifen (siehe für die Begrenzung der Amtsermittlungspflicht bei Verstoß gegen die Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V: BSG, Urt. v. 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R).

Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich für die Zeit vom 18.01.2012 bis 22.07.2012 aus § 13 Abs. 6 und 7 des niedersächsischen Landesvertrages in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Für die Zeit ab dem 23.07.2012 (Beginn der Rechtshängigkeit) folgt der Anspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 291, 288 Abs. 1 BGB (zur Anwendung des § 291 BGB auf Leistungserbringerstreitigkeiten: BSG, Urt. v. 04.03.2004, B 3 KR 4/03 R; zur Höhe, BSG, Urt. v. 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R). Eine Begrenzung des Anspruchs auf Prozesszinsen in Höhe des Anspruchs auf Verzugszinsen scheidet aus (so auch SG Hannover, Urt. v. 31.01.2012, S 44 KR 290/11; anders: Schleswig- Holsteinisches LSG, Urt. v. 14.01.2010, L 5 KR 119/08), da Verzugszinsen wesensverschieden zu Prozesszinsen sind (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 6.A., 2012, § 291, Rn. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.