Sozialgericht Hannover
Urt. v. 27.06.2013, Az.: S 64 R 1165/11

Zahlung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit zwischen einer Integrationsmaßnahme und einer stationären Rehabilitationsmaßnahme

Bibliographie

Gericht
SG Hannover
Datum
27.06.2013
Aktenzeichen
S 64 R 1165/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55820
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHANNO:2013:0627.S64R1165.11.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Wortlaut von § 51 Abs. 1 SGB IX lässt keinen Raum für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Fälle zu, in denen im Anschluss von Leistungen eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

  2. 2.

    Die Gewährung von Übergangsgeld zwischen einer Maßnahme und einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme kommt nicht in Betracht, wenn bei Abschluss der bewilligten Maßnahme eine weitere auf Grund eines neuen medizinischen Sachverhalts erforderlich wird.

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Übergangsgeld.

Die am 25. September 1978 geborene Klägerin nahm vom 1. März 2010 bis zum 31. Oktober 2010 an einer Integrationsmaßnahme teil. Diese Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben war ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 26. Februar 2010 bewilligt worden. Für Zeit der Teilnahme an dieser Maßnahme bezog die Klägerin von der Beklagten Übergangsgeld.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. An der Maßnahme nahm die Klägerin für die Zeit ab dem 1. Februar 2011 teil.

Am 16. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Zahlung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum Beginn der Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Sie erinnerte am 10. Januar 2011 telefonisch an den gestellten Antrag. Mit Bescheid vom 13. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Zahlung von Zwischenübergangsgeld für die Zeit zwischen der Integrationsmaßnahme und der stationären Rehabilitationsmaßnahme ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass auf Grund der Maßnahme der medizinischen Rehabilitation kein Zwischenübergangsgeldanspruch bestehe. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 2011 am 26. Januar 2011 Widerspruch. Sie bat um Überprüfung der angefochtenen Entscheidung. Man habe ihr seinerzeit mitgeteilt, dass der Anspruch auf Zwischenübergangsgeld von Amts wegen geprüft werde. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr das Zwischenübergangsgeld gewährt werde. Daher habe sie auch keinen Antrag auf die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim zuständigen Jobcenter gestellt. Ausdrücklich wies die Klägerin darauf hin, dass wenn ihr der Sachverhalt entsprechend eher mitgeteilt worden wäre, dass grundsätzlich kein Anspruch auf Übergangsgeld zwischen einer beruflichen und einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bestehe, sie beim Jobcenter vorstellig geworden wäre und einen entsprechenden Antrag dort gestellt hätte. Mit Schreiben vom 30. Mai 2011 ergänzte die Klägerin ihre Begründung. So führte sie aus, dass wenn die Beklagte sie korrekt beraten hätte, sie dann ihren bestehenden Bausparvertrag (Wert seinerzeit ca. 7.470,00 EUR) hätte auflösen können und somit einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende hätte prüfen lassen können. Denn die Bausparsumme habe über der entsprechenden Vermögensfreigrenze gelegen. Sie wies ausdrücklich auf die Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches hin. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2011 zurück.

Am 28. September 2011 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hannover Klage erhoben.

Sie trägt vor, dass zwar auf Grund der Formulierung im Gesetzestext Zwischenübergangsgeld nur dann zu zahlen sei, wenn sich nach Beendigung des Zwischenzeitraumes eine Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben anschließe. Dies bedeute jedoch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Weder der Kommentarliteratur noch dem Gesetzestext ist eine plausible Erklärung zu entnehmen, welche die Ungleichbehandlung legitimiere. Im Übrigen bestehe zumindest ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen entnimmt das Gericht den Antrag der Klägerin,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2011 aufzuheben und

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011 Übergangsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17. Mai 2013 zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher gehört wurden.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011 gemäß § 20 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. m. § 51 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Die Kammer sieht gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 13. Januar 2011 und im Widerspruchsbescheid vom 30. August 2011.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wortlaut von § 51 Abs. 1 SGB IX keinen Raum für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Fälle, in denen im Anschluss von Leistungen eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation erforderlich ist, zulässt (vgl. Haines/Liebig in: Dau/Düwel/Haines, Sozialgesetzbuch IX, 2. Auflage 2002, § 51, Rn. 8). Zwar hat das Bundessozialgericht früher in diesen Konstellationen eine planwidrige Regelungslücke gesehen, die es durch einen Analogieschluss zu Gunsten von Rehabilitationspausen auch zwischen Leistungen der medizinischen Rehabilitation geschlossen hat (vgl. Schütze in: Hauck/Noftz, SGB IX, Grundwerk IX/01, K § 51, Rn. 8 m. w. N.). Dies kann jedoch nicht auf die nunmehr in § 51 SGB IX getroffenen Regelungen übertragen werden. Teilweise hat der Gesetzgeber die in den Vorgängervorschriften bestandenen Lücken geschlossen, z. B. mit Abs. 5. Da der Gesetzgeber nach wie vor für die vorliegende Konstellation keine ausdrückliche Regelung getroffen hat, kann nun nicht (mehr) der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handele. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine entsprechende Regelung nicht vorgenommen. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 80/00 R, Rn. 22 ff. nach [...]) an den Ausnahmefall höhere Anforderungen gestellt, die hier ohnehin nicht vorliegen. So kommt die Gewährung von Übergangsgeld zwischen einer Maßnahme und einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme nicht in Betracht, wenn bei Abschluss der bewilligten Maßnahme eine weitere auf Grund eines neuen medizinischen Sachverhalts erforderlich wird (vgl. ebenda, Rn. 23). Vorliegend hat sich die Erforderlichkeit der weiteren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erst nach Abschluss der vorherigen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben herausgestellt.

Die Geltendmachung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches scheidet im vorliegenden Fall aus. Denn mit dem geltend gemachten Anspruch kann nicht die Gewährung von Übergangsgeld erreicht werden. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie auf Grund der - vermeintlich falschen - Beratung durch die Beklagte keinen Antrag beim Jobcenter auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II gestellt habe. Für die Gewährung dieser Leistungen ist die Beklagte jedoch nicht zuständig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.