Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.02.2009, Az.: 8 LA 4/09

Verletzung der Rechte eines Ausländers bereits durch eine Erklärung der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden (ZAAB) Niedersachsen gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur übergangsweisen Tragung der im Heimatland eines Ausländers anfallenden Medikamentenkosten; Notwendigkeit einer Gewährung von verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz bereits gegen eine Kostenübernahmeerklärung der ZAAB des Landes Niedersachsen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.02.2009
Aktenzeichen
8 LA 4/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 11376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0217.8LA4.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 24.11.2008 - AZ: 5 A 222/08

Fundstelle

  • AUAS 2009, 142-143

Amtlicher Leitsatz

Die von der ZAAB Niedersachsen gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgegebene Erklärung, im Heimatland eines Ausländers anfallende Medikamentenkosten übergangsweise zu tragen, verletzt keine Rechte des Ausländers.

Ausländerbehördliche Übernahme von Medikamentenkosten im Heimatland

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig angesehen. Die vom Kläger angegriffene Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 27. Juni 2008 kann ihn ersichtlich nicht in seinen Rechten verletzten kann, so dass die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis nicht gegeben ist.

2

Die Beklagte hat in ihrer gegenüber der Beigeladenen abgegebenen Erklärung vom 27. Juni 2008 Kosten in Höhe von 240 EUR für die Versorgung des Klägers mit Medikamenten in seinem Heimatland übernommen. Es kann hier offen bleiben, ob sich diese Erklärung gegenüber dem Kläger als Zusage oder - wie von ihm vorgetragen - als (sonstiger) Verwaltungsakt darstellt und ob sie ihm gegenüber dann überhaupt wirksam geworden ist. Selbst wenn man die letztgenannte Frage bejaht, so stellt sich die Kostenübernahmeerklärung für den Kläger doch als lediglich begünstigend dar und kann ihn schon deshalb nicht in seinen Rechten i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO verletzten. Denn dem Kläger werden durch die Erklärung keine Pflichten auferlegt oder bestehende Rechte aufgehoben oder geschmälert, wie dies für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung erforderlich ist (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 20.12.1989 - 7 B 188/89 -, NJW 1990, 930 f.). Ihm steht es zudem frei, auf die ihm angebotene Leistung zu verzichten. Im Übrigen gibt es den vom Kläger sinngemäß geltend gemachten und vom ihm als verletzt angesehenen allgemeinen Rechtssatz ohnehin nicht, wonach grundsätzlich auf Zuwendungen verzichtet werden könne. Es ist vielmehr Aufgabe des jeweiligen Normgebers, die Zulässigkeit und die Grenzen des Verzichts zu regeln, wie dies für bundesgesetzliche, dem Sozialgesetzbuch unterfallende Sozialleistungen etwa in § 46 SGB I geschehen ist. Schließlich kann die nach den vorherigen Ausführungen den Kläger begünstigende Kostenübernahmeerklärung auch Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzen. Art. 19 Abs. 4 GG setzt eine mögliche Rechtsverletzung voraus und gewährleistet unter dieser Voraussetzung einen effektiven Rechtsschutz, beinhaltet aber keinen Anspruch auf eine gerichtliche Kontrolle aller (auch begünstigenden) hoheitlichen Maßnahmen.

3

Art. 19 Abs. 4 GG gebietet die Gewährung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bereits gegen die Kostenübernahmeerklärung auch nicht wegen der faktischen Wirkungen dieser Erklärung für eine daran ggf. anknüpfende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (vgl. allgemein Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, § 42, Rn. 102). Ob auf Grund einer Kostenübernahmeerklärung die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht oder nicht mehr gegeben sind, ist nicht Regelungsgegenstand der Kostenübernahmeerklärung, sondern wird vom Bundesamt in eigener Verantwortung entschieden. Die Kostenübernahmeerklärung steht ferner nicht unter der Bedingung einer entsprechenden Folgeentscheidung des Bundesamtes. Vielmehr kann nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 23. Januar 2006 auch die freiwillige Ausreise durch die Übernahme von Medikamentenkosten unterstützt werden. Schließlich ist in diesem Verfahren auch nicht die vom Kläger ergänzend aufgeworfene Frage zu klären, ob und in welchem Umfang bei einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in einem sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren inzident auch die Rechtmäßigkeit einer ausländerbehördlichen Kostenübernahmeerklärung zu überprüfen ist. Hierüber wäre allenfalls in einem etwaigen gegen die Beigeladene gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden. Die vom Kläger insoweit pauschal bemängelten Rechtsschutzdefizite sind der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls nicht zu entnehmen (vgl. Nds. OVG - Beschl. v. 22.5.2008 - 13 LA 42/08 -, und v. 13.11.2006 - 1 LB 116/06 -; VGH München, Urt. v. 6.3.2007 - 9 B 04.31031 -; OVG Münster, Beschl. v. 22.1.2007 - 18 E 274/06 -, NVwZ 2007, 611 f.; VGH Kassel, Beschl. v. 23.2.2006 - 7 ZU 269/06 -, NVwZ 2006, 1203 f.).

4

Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass gegen die Abgabe der hier streitigen Kostenübernahmeerklärungen keine rechtlichen Bedenken bestehen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers handelt es sich bei der Kostenübernahme durch die Beklagte nicht um eine "Sozialleistung" in Form der "Krankenhilfe", sondern - wie etwa bei der Gewährung sonstiger finanzieller Rückkehrhilfen nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 10. Februar 2006 (Nds. MBl. 147) oder aus Mitteln des durch Entscheidung 575/2007/EG vom 23. Mai 2007 eingerichteten Europäischen Rückkehrfonds (Abl. EG L 144, S. 45 ff.) - um eine Maßnahme zur Förderung der Rückkehr von Ausländern in ihre Heimatländer (vgl. allgemein zu solchen Maßnahmen der Rückkehrförderung: Kreienbrink, u. a., Rückkehr aus Deutschland, 2008, sowie: Dünnwald, Angeordnete Freiwilligkeit, Zur Beratung und Förderung freiwilliger und angeordneter Rückkehr durch Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, 2008). Dass die behördliche Zuständigkeit zur Gewährung solcher Zuwendungen auch den kommunalen Ausländerbehörden und hilfsweise auf Grund des Erlasses vom 23. Januar 2006 der Beklagten als zentraler Landesbehörde übertragen worden ist, ist ebenso wenig zu beanstanden (vgl. § 71 Abs. 1 AufenthG). Schließlich besteht für diese Gewährung auch kein Gesetzesvorbehalt. Die Bereitstellung der dafür bestimmten Mittel in dem von der Beklagten benannten Kostentitel des Landeshaushaltsplanes und die ergänzende Steuerung durch den wiederholt zitierten Erlass vom 23. Januar 2006 reichen aus (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 17.1.1996 - 11 C 5/95 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 101).