Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.01.2009, Az.: 1 B 4702/08

Rechtmäßigkeit i.R.d. Erteilung von Zuwendungen an Fraktionen im Kreistag zu deren sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung; Rechtmäßigkeit einer Rüge durch die Kommunalaufsichtsbehörde i.R.d. Höhe von Geschäftsführervergütungen; Beschluss des Kreistags i.R. eines Verteilungsmodus für die Fraktionszuwendungen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.01.2009
Aktenzeichen
1 B 4702/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 36059
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2009:0121.1B4702.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 09.06.2009 - AZ: 10 ME 17/09

Verfahrensgegenstand

Kommunalrecht, Fraktionszuwendungen

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer -
am 21. Januar 2009
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Beschluss des Kreistages des Landkreises Hildesheim vom 01.10.2008 zum Tagesordnungspunkt Nr. 13 (Zuwendungen an die Fraktionen des Kreistages des Landkreises Hildesheim; Vergütung der Geschäftsführer; hier: Zustimmung zum Abschluss eines Vergleichs) vorläufig bis zur Entscheidung des Gerichts über die hierzu erhobene Klage (1 A 4700/08) nicht zu vollziehen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 EURO festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Umsetzung eines Beschlusses des Kreistages des Landkreises Hildesheim durch den Antragsgegner.

2

Der Landkreis Hildesheim gewährt den Fraktionen und Gruppen im Kreistag bereits seit vielen Jahren Zuwendungen zu deren sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung; insbesondere übernahm er die Bezahlung der Fraktionsgeschäftsführer auf der Grundlage des BAT und gewährte darüber hinausgehende übertarifliche Leistungen.

3

Bereits in der vorangegangenen XV. Wahlperiode (2001 bis 2006) hatte die Kommunalaufsichtsbehörde insbesondere die Höhe der Geschäftsführervergütungen gerügt und eine Änderung der entsprechenden Regelungen angemahnt. Der Landkreis Hildesheim kam mit der damaligen Bezirksregierung Hannover überein, die bestehenden Verhältnisse bis zum Ablauf der XV. Wahlperiode zu belassen und mit Beginn der XVI. Wahlperiode am 01.11.2006 neue Regelungen zu schaffen, welche die Vorstellungen der Aufsichtsbehörde umsetzen würden.

4

Gegen Ende der XV. Wahlperiode verfügte nur noch die Beigeladene mit Herrn Schäfer über einen Geschäftsführer, welcher übertariflich bezahlt wurde. Dieser war bereits seit 1985 für die jeweilige Fraktion Bündnis 90/Die Grünen tätig. Die übrigen Fraktionen hatten bereits im Laufe der XV. Wahlperiode bei ohnehin anstehenden Geschäftsführerwechseln die Vergütungen entsprechend den Anforderungen der Kommunalaufsicht neu geregelt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde mit Schreiben des Landkreises vom 12.06.2006 daran erinnert, dies zu Beginn der XVI. Wahlperiode ebenfalls tun zu müssen.

5

In seiner Sitzung am 18.12.2006 beschloss der Kreistag gegen die vier Stimmen der Beigeladenen einen Verteilungsmodus für die Fraktionszuwendungen, wonach die Beigeladene im Verhältnis zur vorangegangenen Wahlperiode erheblich geringere Zuwendungen erhalten sollte, welche eine Weiterbeschäftigung ihres Geschäftsführers Herrn Schäfer zu den bisherigen Konditionen unmöglich gemacht hätte.

6

Der Verteilungsmodus unterscheidet zwischen Fraktionen unter 20 Personen und solchen ab 20 Personen und gewährt jeweils Sockelbeträge und Zuschläge in Abhängigkeit von der Zahl der Mitglieder.

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Die Beigeladene erklärte ihrem Geschäftsführer gegenüber mit Schreiben vom 15.11.2006 eine Änderungskündigung, mit welcher sie dessen bisherige wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden auf 12,43 Stunden reduzieren und die bisherige Vergütungsgruppe III BAT in die Vergütungsgruppe TVÖD E 11 umwandeln wollte.

8

Gegen diese Änderungskündigung erhob E. Klage vor dem Arbeitsgericht Hildesheim, welches mit Urteil vom 11.10.2007 (1 Ca 587/06) der Klage stattgab und die Kündigung für unwirksam erklärte. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beigeladenen und ihrem Geschäftsführer aufgrund dessen langer Beschäftigungszeit unkündbar sei und nur bei Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes beendet werden könne. Ein solcher sei nicht substantiiert dargelegt worden, da die Nichtfinanzierbarkeit bestritten worden sei. Der Einwand der Beigeladenen, dass Fraktionen nur für die Dauer einer Legislaturperiode bestünden und keine rechtlichen Verpflichtungen für nachfolgende Legislaturperioden eingehen könnten, sodass für die hier maßgebliche XVI. Wahlperiode erst am 01.11.2006 ein Arbeitsverhältnis mit Herrn Schäfer zustande gekommen sei, welches sehr wohl gekündigt werden könne, wurde vom Gericht nicht beachtet.

9

Die von der Beigeladenen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 20.02.2008 (15 Sa 1720/07) zurück, da es die Änderungskündigung der Beigeladenen vom 15.11.2006 als eine unzulässige Teilkündigung ansah. Die Beigeladene habe nie gewollt, das Arbeitsverhältnis zu Herrn Schäfer wirklich zu beenden. Eine wirksame Änderungskündigung bestehe jedoch aus zwei Elementen: der Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses und dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Der Wille, das bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden, müsse unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck kommen. Daran fehle es vorliegend, da das Schreiben vom 15.11.2006 nicht erkläre, was geschehen solle, wenn E. den Änderungsvertrag nicht unterschreibe. Es komme deshalb nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis inzwischen unkündbar geworden sei oder ob der Mangel an zugewiesenen Finanzen ein wichtiger Kündigungsgrund sei, obwohl die Beigeladene Teil des Kreistages und dieser Organ des Landkreises sei, dem die Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln für einen unkündbaren Angestellten nicht unmöglich sei.

10

Die Beigeladene sprach daraufhin ihrem Geschäftsführer gegenüber eine ordentliche Kündigung aus, gegen welche dieser erneut Klage vor dem Arbeitsgericht Hildesheim erhob. Dieses Verfahren ruht zurzeit.

11

Aufgrund der beiden arbeitsgerichtlichen Urteile befürchtete der Landkreis von der Beigeladenen auf Erstattung des Gehaltes ihres Geschäftsführers in Anspruch genommen zu werden, um dessen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Weiterbezahlung zu den bisherigen Bedingungen erfüllen zu können. Um einen diesbezüglichen evtl. Rechtsstreit zu vermeiden, entschloss sich der Landkreis dazu, mit der Beigeladenen und deren Geschäftsführer eine Vereinbarung zu treffen, wonach dem Geschäftsführer der Beigeladenen bis zum Ende der XVI. Wahlperiode das Gehalt gezahlt werde, was er in der XV. Wahlperiode erhalten habe, jedoch abzüglich der aufsichtsbehördlich gerügten übertariflichen Leistungen. Die Beigeladene und E. sollten einen entsprechenden befristeten Arbeitsvertrag schließen. Für den Verlust seines Dauerarbeitsplatzes erhalte E. noch zusätzlich eine einmalige Abfindung i.H.v. 10.000 Euro (brutto).

12

Das vom Landkreis zur Frage der Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung angeschriebene Niedersächsische Ministerium des Innern erklärte in einer Verfügung vom 15.07.2008, die vorgesehene Regelung könnte ausnahmsweise als geeignet angesehen werden, das Arbeitsverhältnis des Herrn Schäfer an die Regelungen für die übrigen Beschäftigten des Landkreises anzupassen.

13

Ein für die FDP-Fraktion des Niedersächsischen Landtages eingeholtes Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtages (GBD) vom 07.08.2008 zu der Frage, ob der Kreistag im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Fraktion für deren finanzielle Verbindlichkeiten aus einem von der Fraktion geschlossenen Arbeitsvertrag einstehen müsse, verneint dies.

14

In seiner Sitzung vom 01.10.2008 fasste der Kreistag des Landkreises Hildesheim gegen die Stimmen der Antragstellerin folgenden Beschluss:

"Der Kreistag des Landkreises Hildesheim ermächtigte den Landrat, mit der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, vertreten durch den Vorsitzenden Holger Schröter-Mallohn, Hauptstraße 121, 31171 Nordstemmen, und dem Geschäftsführer der Fraktion, Klaus Schäfer, Schneidemühler Straße 39, 31141 Hildesheim, nachfolgende Vereinbarung abzuschließen:

Infolge der zu Beginn der XVI. Wahlperiode des Kreistages des Landkreises Hildesheim getroffenen Regelungen über Zuwendungen an die Fraktionen des Kreistages und im Hinblick auf die damit auch getroffenen Regelungen über die Vergütung der Fraktionsgeschäftsführer war ein Konflikt entstanden, der in einen arbeitsgerichtlichen Streit zwischen dem Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion mündete. Die rechtskräftig zugunsten des Geschäftsführers getroffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 20.02.2008 (15 Sa 1720/07) birgt im Hinblick auf die über 20jährige ununterbrochene Beschäftigung des Geschäftsführers und im Hinblick auf die seit mehreren Jahrzehnten beim Landkreis Hildesheim gültige kommunale Praxis auf dem Gebiet der Finanzierung der Fraktionsarbeit die Gefahr in sich, dass neben dem noch anhängigen arbeitsgerichtlichen Verfahren 2 Ca 340/07 ein weiterer, in einen Verwaltungsprozess mündender Konflikt entsteht. Wegen des nicht absehbaren Ausgangs dieser Verfahren und zur Abwendung weiterer Belastungen der kommunalpolitischen Arbeit beim Landkreis Hildesheim wird der entstandene Streit um die Zuwendungen an die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bzw. um die darin enthaltenen Gelder für das Gehalt des Fraktionsgeschäftsführers nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen beigelegt:

  1. a)

    Die mit Beginn der XVI. Wahlperiode durch Kreistagsbeschluss vom 18.12.2006 getroffenen Regelungen hinsichtlich der Zuwendungen an Fraktionen und hinsichtlich der Gehälter der Fraktionsgeschäftsführer bleiben unter Beachtung der nachfolgenden Regelungen bestehen.

  2. b)

    Wegen eines rechtskräftig zugunsten des Geschäftsführers der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgeschlossenen Arbeitsrechtsstreits zwischen der Fraktion und ihrem Geschäftsführer (Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20.02.2008 - 15 Sa 1720/07 -) wird für die gesamte XVI. Wahlperiode (Beginn 01.11.2006) an den Geschäftsführer der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Klaus Schäfer, ein Gehalt gezahlt, das die arbeitsvertraglichen Regelungen der XV. Wahlperiode zugrunde legt, jedoch die von der Aufsichtsbehörde gerügten übertariflichen Leistungen in Abzug bringt. Danach erfolgt die Bezahlung des Geschäftsführers nach Entgeltgruppe 11, Stufe 6, auf der Grundlage von 65 % der Arbeitszeit (zur Zeit 25,35 Stunden), der Anlage 3 zum TVÜ-VKA i.V.m. §17 TVÜ-VKA. Der Landkreis stellt der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen jene dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung, soweit sie über die nach dem Kreistagsbeschluss vom 18.12.2006 gewährten Zuwendungen für Personalkosten hinausgehen.

  3. c)

    Als Ausgleich für den Verlust des arbeitsgerichtlich dem Grunde nach bestätigten Dauerarbeitsplatzes und die damit erforderliche soziale Absicherung wird an den Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Klaus Schäfer, aus Mitteln des Landkreises eine Abfindung von 10.000 Euro (brutto) gezahlt.

  4. d)

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nimmt die den Gegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 2 Ca 340/07 bildende Kündigung zurück. Das Verfahren wird durch übereinstimmende Erklärungen der Erledigung der Hauptsache beendet. Die der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Landkreis gegebene Kostenzusage gilt auch für dieses Verfahren und mithin für die Konsequenzen der das Verfahren beendenden Erklärungen.

  5. e)

    Die Beschäftigung des Herrn Klaus Schäfer zu den hier festgelegten Konditionen erfolgt bis zum Ende der XVI. Wahlperiode, so dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, vertreten durch den Vorsitzenden, einen entsprechenden befristeten Arbeitsvertrag mit Herrn Schäfer abschließt. Der Abschluss dieses befristeten Arbeitsvertrages zu den unter b) dieses Vergleichs genannten weiteren Konditionen ist Wirksamkeitsvoraussetzung für diese Vereinbarung insgesamt und wird diesem Vertrag als Anlage beigefügt.

  6. f)

    Nach Erfüllung der durch diese Vereinbarung getroffenen Abreden sind für die Zeit der XVI. Wahlperiode des Kreistages des Landkreises Hildesheim die vom Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Klaus Schäfer, gegen seine Fraktion und gegen den Landkreis Hildesheim bestehenden Forderungen aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Fraktion abgegolten. Ebenso sind etwaige in Bezug auf das Geschäftsführergehalt bestehende Forderungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen den Landkreis Hildesheim für die Zeit der XVI. Wahlperiode des Kreistages des Landkreises Hildesheim abgegolten."

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Die Antragstellerin hat am 01.10.2008 Klage erhoben gegen den Kreistag des Landkreises Hildesheim, um feststellen zu lassen, dass der o.a. Beschluss rechtswidrig ist (1 A 4700/08). Gleichzeitig hat sie um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, mit welchem sie dem Antragsgegner untersagen lassen möchte, den o.a. Beschluss bis zur Entscheidung über die Klage zu vollziehen. Zur Begründung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, der Beschluss sei rechtswidrig, da er den Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen/Gruppen verletze. Sie selbst bestehe, ebenso wie die Beigeladene, aus vier Mitgliedern. Nach dem Beschluss des Kreistages vom 18.12.2006 müssten daher beide Zuwendungen in gleicher Höhe erhalten. Durch den o.a. Beschluss erhalte die Beigeladene jedoch jährlich ca. 21.000 Euro zusätzlich und darüber hinaus noch eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 10.000 Euro. Auf die gesamte Wahlperiode gerechnet erhalte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen damit rd. 115.000 Euro zusätzlich und mehr als die gleichstarke Antragstellerin. Die Beigeladene könne damit auf einen hauptberuflichen Geschäftsführer mit jedenfalls 25 vollen Wochenstunden zurückgreifen und dementsprechend ihre Kreistags- und Öffentlichkeitsarbeit sehr viel professioneller gestalten als die Antragstellerin selbst, welche für ihre Geschäftsstelle lediglich Minijob-Kräfte beschäftige. Dies stelle einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar, welcher auch nicht durch den Arbeitsgerichtsprozess gerechtfertigt werden könne. Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung des Landkreises, das Geschäftsführergehalt zu zahlen. Dies werde durch das Gutachten des GBD bestätigt. Zudem habe es die Beigeladene selbst in der Hand gehabt, rechtzeitig und wirksam eine Änderung des Arbeitsvertrages mit ihrem Geschäftsführer herbeizuführen. Die Problemlage sei seit langem bekannt gewesen.

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Da der Antragsgegner im Vorfeld erklärt habe, den Beschluss ausführen zu wollen, sei einstweiliger Rechtsschutz geboten.

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Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Beschluss des Kreistages des Landkreises Hildesheim vom 01.10.2008 zum Tagesordnungspunkt 13 (Zuwendungen an die Fraktionen des Kreistages des Landkreises Hildesheim; Vergütung der Geschäftsführer; hier: Zustimmung zum Abschluss eines Vergleichs) vorläufig bis zur Entscheidung des Gerichts über die hierzu erhobene Klage (1 A 4700/08) nicht zu vollziehen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung trägt er vor, Klage und Antrag seien bereits unzulässig, da der Antragstellerin ein eigenes Rechtschutzinteresse fehle. Eine Rechtsverletzung liege nicht vor. Die Antragstellerin erhalte genau die Zuwendungen, die sie nach dem Beschluss des Kreistages vom 18.12.2006 erhalten müsse. Diese Zuwendungen seien auskömmlich, was auch dadurch bewiesen werde, dass die Antragstellerin im Jahr 2007 die ihr ausgezahlten Zuwendungen nicht voll verbraucht habe. Dass eine andere Fraktion mehr Geld erhalte, verletze die Antragstellerin nicht. Der Antrag sei jedoch auch unbegründet, da kein Anordnungsanspruch bestehe. Es handele sich vorliegend um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises, sodass für den Kreistag ein breiter Handlungsspielraum bestehe, welcher nur durch eine ordnungsgemäße Ermessensausübung begrenzt werde. Ein Ermessensfehler liege hier nicht vor. Die Grundsatzentscheidung vom 18.12.2006 bleibe bestehen, und die nunmehr getroffene Sonderreglung durch den o.a. Beschluss sei sachlich gerechtfertigt. Der beabsichtigte Vergleich beruhe nur auf dem Ausgang des Arbeitsgerichtsverfahrens und dem danach bestehenden Vergütungsanspruch des Geschäftsführers der Beigeladenen. Um ein Gerichtsverfahren der Beigeladenen gegen den Landkreis auf ausreichende Finanzausstattung zur Befriedigung dieses Vergütungsanspruchs zu vermeiden, hätte sich der Kreistag mit großer Mehrheit für den nun beabsichtigten Vergleich entschieden, um eine endgültige Lösung zu finden. Das Gutachten des GBD stehe dem nicht entgegen. Selbst wenn es keine Verpflichtung für ein finanzielles Einstehen des Landkreises gebe, so sei der nun beabsichtigte Vergleich zumindest vom eingeräumten Ermessensspielraum gedeckt. Dies würde auch das Nds. Innenministerium so sehen. Der o.a. Beschluss sei daher sachlich gerechtfertigt und insgesamt rechtmäßig, sodass er vom Antragsgegner auszuführen sei.

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Mit Beschluss vom 02.10.2008 hat das Gericht die Beigeladene beigeladen. Sie stellt keinen Antrag und schließt sich im Wesentlichen dem Vortrag des Antragsgegners an.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Arbeitsgerichtsakten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

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II.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag Erfolg.

23

Der Antrag ist im Rahmen des hier vorliegenden Kommunalverfassungsstreitverfahrens statthaft und zulässig. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entsprechend §42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis für die Antragstellerin vor. Sie kann hier eine mögliche Verletzung eines wehrfähigen subjektiven Rechtes geltend machen, welches ihr als Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung durch die Kommunalverfassung zugewiesen ist (vgl.: Wefelmeier in KVR Niedersachsen, Stand August 2008, NGO, §39 Rnr. 25). Ein solches der Antragstellerin als Organteil zustehendes Recht stellen das sich aus §35 b Abs. 3 NLO ergebende Recht auf Gleichbehandlung und der Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen bei der Zuwendungsvergabe dar. Geltend gemacht werden kann in diesem Zusammenhang sowohl, dass die eigenen Zuwendungen zu gering seien, als auch, andere konkurrierende Fraktionen würden gleichheitswidrig begünstigt (vgl.: OVG Münster, Urt. v. 08.10.2002 - 15 A 4734/01 -, zitiert nach [...]; Wefelmeier, a.a.O. §39 b Rnr. 76). Durch den streitgegenständlichen Beschluss des Kreistages des Landkreises Hildesheim ist eine Verletzung dieses Rechts zumindest möglich. Dass die Antragstellerin im Jahr 2007 die ihr zugewiesenen Zuwendungen nicht voll verbraucht hat, ist hierfür unerheblich, da sie gerade nicht geltend macht, sie würde zuwenig bekommen, sondern, die Beigeladene bekomme zu viel.

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Der Antrag ist auch begründet.

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Die mit ihm verfolgte Sicherungsanordnung nach §123 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist vorliegend der Fall.

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Ein Anordnungsgrund liegt vor, da der Antragsgegner erklärt hat, er werde den o.a. Beschluss des Kreistages zeitnah ausführen und den beabsichtigten Vergleich mit der Beigeladenen und deren Geschäftsführer schließen, sodass dieser weiterhin im bisherigen Umfang für die Beigeladene tätig bleiben könnte. Hierdurch würden vollendete Tatsachen geschaffen, welche sich nicht wieder rückgängig machen ließen. Zwar könnten ggf. zu viel geleistete Zuwendungen zurückgefordert werden, bei bereits geleisteten Diensten des Geschäftsführers wäre dies jedoch nicht möglich. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist daher für die Antragstellerin unzumutbar. Effektiver Rechtsschutz ist alleine durch die begehrte einstweilige Anordnung zu erlangen.

27

Es liegt schließlich auch ein Anordnungsanspruch vor.

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Der o.a. streitgegenständliche Beschluss des Kreistages des Landkreises Hildesheim vom 01.10.2008 ist rechtwidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren subjektiven Organrechten aus §35 b Abs. 3 NLO. Der Antragsgegner müsste daher gem. §59 Abs. 1 NLO gegen diesen Beschluss Einspruch einlegen und dürfte ihn zunächst nicht gem. §57 Abs. 1 Nr. 2 NLO ausführen.

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Gem. §35 b Abs. 3 NLO kann der Landkreis den Fraktionen und Gruppen Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewähren. Diese Regelung entspricht der für Gemeinden geltenden Regelung des §39 b Abs. 3 NGO, sodass die zu dieser Regelung ergangene Rechtsprechung und Kommentierung hier entsprechend berücksichtigt werden kann.

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Die Regelung begründet für die Fraktionen und Gruppen keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen. Die Entscheidung, ob der Landkreis Zuwendungen gewährt, steht in seinem Ermessen. Entscheidet sich der Landkreis dafür, den Fraktionen und Gruppen Zuwendungen zu gewähren, so steht auch grundsätzlich die Höhe dieser Zuwendungen im Ermessen des Landkreises. Bei der Ausübung dieses Ermessens unterliegt der Landkreis zum einen dem das gesamte öffentliche Haushaltsrecht prägenden Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (vgl.: Wefelmeier, a.a.O., §39 b Rnr. 64 ff.). Die Verletzung dieses Grundsatzes hatte u.a. zu der oben geschilderten Rüge der Kommunalaufsicht bezüglich der früheren Zuwendungspraxis des Landkreises Hildesheim geführt. Vorliegend ist eine Verletzung dieses Grundsatzes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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Zum anderen wird der Ermessensspielraum des Landkreises bei der Zuwendungsvergabe durch den Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen begrenzt (vgl.: Wefelmeier, a.a.O., §39 b Rnr. 69). Dieser ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, der jenseits des Art. 3 Abs. 1 GG als objektivrechtliches Rechtsprinzip Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht (vgl.: OVG Münster, a.a.O.). Alle Fraktionen und Gruppen haben danach einen Anspruch auf sachgerechte und willkürfreie Teilhabe an der Vergabe von Haushaltsmitteln (vgl.: VGH Kassel, Beschl. v. 11.05.1995 - 6 TG 331/95 - und v. 21.11.1997 - 8 TG 3806/97 -, beides zitiert nach [...]). Zulässig ist hierbei eine sog. abgestufte Chancengleichheit, wonach sich die Höhe der Zuwendungen an der Fraktions- bzw. Gruppengröße orientiert. Zulässig und üblich ist die Gewährung eines Grundbetrages und eines Pro-Kopf-Betrages je Fraktions- bzw. Gruppenmitglied (vgl.: Wefelmeier, a.a.O., §39 b Rnr. 70, m.w.N.).

32

Die von dem Kreistag des Landkreises Hildesheim mit Beschluss vom 18.12.2006 getroffene Regelung über die Zuwendungsvergabe entspricht diesen Vorgaben und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Antragstellerin wendet sich nicht gegen diese grundsätzliche Regelung, sondern begehrt gerade ihre Anwendung auf die Beigeladene.

33

Aber der hier streitgegenständliche Beschluss des Kreistages vom 01.10.2008 verstößt gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Durch den beabsichtigten Vergleich zwischen dem Landkreis Hildesheim und der Beigeladenen und deren Geschäftsführer würde zugunsten der Beigeladenen von der Vergaberegelung des 18.12.2006 abgewichen und die Beigeladene würde für die gesamte XVI. Wahlperiode eine erheblich höhere finanzielle Zuwendung als die gleichgroße Antragstellerin erhalten. Durch diese höhere finanzielle Zuwendung und die damit verbundene Weiterbeschäftigung ihres Geschäftsführers hätte die Beigeladene die Möglichkeit, ihre Arbeit professioneller zu gestalten als die Antragstellerin. Es liegt auf der Hand, dass ein Geschäftsführer, der 25 Stunden in der Woche arbeitet, qualitativ und quantitativ eine andere Leistung erbringt, als jemand, dessen Bezahlung durch die Fraktionszuwendungen des Kreistages gemäß Beschluss vom 18.12.2006 begrenzt ist. Auch die Gesamtsumme der zusätzlichen Zuwendungen von ca. 115.000 Euro, die die Beigeladene in der XVI. Wahlperiode nach dem beabsichtigten Vergleich erhalten soll, zeigt, dass es sich hierbei nicht um einen zu vernachlässigenden Kleinbetrag handelt, welcher im Ergebnis die Chancengleichheit der Fraktionen nicht nachhaltig beeinträchtigen könnte. Es läge hier vielmehr eine erhebliche Besserstellung der Beigeladenen mit greifbaren Folgen vor. Nur das Vorliegen eines sachlichen Grundes könnte diese Abweichung von der Vergaberegelung und damit die finanzielle und personelle Besserstellung der Beigeladenen rechtfertigen (vgl.: VGH Kassel, Beschl. v. 21.11.1997, a.a.O.; VGH München, Urt. v. 16.02.2000 - 4 N 98.1341 -, zitiert nach [...]; Wefelmeier, a.a.O., §39 b Rnr. 69). Für die Besserstellung der Beigeladenen liegt jedoch entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein sachlich rechtfertigender Grund vor.

34

Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen den Arbeitsgerichtsprozess gegen die Beigeladene gewonnen und damit einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen die Beigeladene erlangt hat, stellt keinen sachlichen Grund für die Besserstellung der Beigeladenen dar. Zunächst wirkt das dort ergangene Urteil nur zwischen den Beteiligten Parteien, nämlich der Beigeladenen und deren Geschäftsführer. Unmittelbare Auswirkungen für den Landkreis Hildesheim ergeben sich daraus nicht.

35

Der Landkreis Hildesheim wäre jedoch auch nicht verpflichtet, für die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beigeladenen aufzukommen. Dies sieht auch der GBD in seinem Gutachten vom 07.08.2008 so. Zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben können Fraktionen am Privatrechtsverkehr teilnehmen und z.B. Arbeitsverträge mit Fraktionspersonal abschließen. Sie sind insoweit teilrechtsfähig. Die Fraktionen haften zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus solchen Geschäften entsprechend den zum Vereinsrecht entwickelten Grundsätzen auf das Fraktionsvermögen beschränkt. Eine persönliche Haftung der Fraktionsmitglieder besteht daneben nicht (vgl.: Wefelmeier, a.a.O. §39 b Rnr. 9, m.w.N.). Durch diese Teilrechtsfähigkeit handeln die Fraktionen bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen gerade nicht als Teil des Landkreises. Alleiniger Arbeitgeber des Fraktionspersonals ist die Fraktion selbst und nicht der Landkreis. Das Fraktionspersonal gehört nicht zum Personal des Landkreises und ist nicht dem Landrat weisungsunterworfen. Eine personalrechtliche Verantwortung des Landkreises besteht nicht, zumal der Landkreis an der Begründung der Arbeitsverträge und der daraus folgenden Verbindlichkeiten nicht beteiligt ist. Für diese Verbindlichkeiten haftet entsprechend nur die Fraktion selbst mit ihrem eigenen Vermögen. Für eine Einstandspflicht des Landkreises ist keine rechtliche Grundlage ersichtlich. Würde eine solche Einstandspflicht bestehen, könnten die Fraktionen durch Eingehung nicht bezahlbarer Verpflichtungen eine vom Kreistag beschlossene Begrenzung der Zuwendungen umgehen. Dies würde zu einer Benachteiligung der übrigen Fraktionen führen. Dementsprechend könnten die Gehaltsforderungen des Geschäftsführers der Beigeladenen von dieser nur soweit erfüllt werden, wie sie über eigene Mittel verfügt. Der darüber hinausgehende Anspruch ginge ins Leere. Eine Einstandspflicht des Landkreises Hildesheim besteht nicht.

36

Ein sachlicher Grund für die Besserstellung der Beigeladenen liegt damit nicht vor. Bei Ausführung des streitgegenständlichen Beschlusses durch den Antragsteller würde somit zu Lasten der Antragstellerin gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen verstoßen, sodass dem Antragsgegner die Ausführung des Beschlusses bis zum Abschluss des Klageverfahrens einstweilen zu untersagen war.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. §162 Abs. 3 VwGO nicht aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §53 Abs. 3 Nr. 1, §52 Abs. 1 GKG.

38

...

Makus
Peters
Döpp