Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 16.06.2004, Az.: 6 A 1016/03
Anerkennung eines armenischen Volkszugehörigen aus Syrien als Asylberechtigter; Feststellung von Abschiebungshindernissen ; Einreise aus einem sicheren Drittstaat ; Gefahr politischer Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Syrien ; Angehörigkeit zur kommunistischen Partei unter Riad al Turk (CPPB); Verurteilung in Syrien in Abwesenheit ; Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen durch die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland ; Erhebliche konkret-individuelle Gefahr bei einer Rückkehr nach Syrien
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 16.06.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 1016/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 15223
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0616.6A1016.03.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 16a Abs.1 GG
- § 51 Abs. 1 AuslG
- § 53 AuslG
- § 26a AsylVfG
Verfahrensgegenstand
Asyl, §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG,
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
Prozessführer
Herr A.
Staatsangehörigkeit: syrisch
Rechtsanwälte C.
Prozessgegner
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
- Außenstelle Oldenburg -, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg
Sonstige Beteiligte
Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten,
Rothenburger Straße 29, 90513 Zirndorf
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bleibt der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaates auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein.
- 2.
Allein die Mitgliedschaft zur kommunistischen Partei unter Riad al Turk (CPPB), reicht für die Annahme einer vor der Ausreise nach Syrien unmittelbar bevorstehenden politischen Verfolgung nicht aus.
- 3.
Eine bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische Verfolgung läßt sich weder durch eine angebliche Verurteilung in Syrien in Abwesenheit mit lediglich allgemein gehaltenen Ausführungen begründen noch begründet die Stellung eines Asylantrages in der BRD für sich genommen Anlass für Verfolgungsmaßnahmen durch den syrischen Staat.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2004
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der am 25. Januar 1980 geborene Kläger stammt nach eigenen Angaben aus Syrien. Er ist armenischer Volkszugehöriger.
Der Kläger reiste eigenen Angaben zufolge am 21. September 2002 aus Istanbul kommend über einen ihm unbekannten Flughafen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23. September 2002 meldete er sich in Dortmund als Asylsuchender.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 30. September 2002 führte er aus, dass ihm vorgeworfen worden sei, der Kommunistischen Partei unter Riad Al - Turk anzugehören. An seinem Arbeitsplatz in einer Juwelierwerkstatt habe er eine von ihm gefertigte Auftragsarbeit dem Meister zur Abnahme vorlegen wollen. Er sei deshalb in das Büro seines Meisters gegangen. Dieser sei nicht da gewesen. Im Büro des Meisters habe er auf dem Tisch einen Stapel Papier entdeckt. Es habe sich dabei um Publikationen der Kommunistischen Partei unter Al - Turk gehandelt. Diese Unterlagen habe er sich angeschaut, als der Meister zurückgekehrt sei. Der Meister habe sich darüber sehr aufgeregt und ihn nach Hause geschickt. Er habe sich zu seiner Schwester begeben und dort übernachtet, weil ihr Ehemann in der Woche unterwegs gewesen sei. Als er am nächsten Morgen zur Arbeit gegangen sei, sei eine Tochter des Nachbarn zu ihm gekommen und habe erklärt, Angehörige des Nachrichtendienstes seien erschienen und würden nach ihm suchen, weil sie in einer Schublade Publikationen des Riad Al Turk entdeckt hätten.
Er habe sich daraufhin zunächst in der Wohnung einer Nachbarin versteckt gehalten und sei dann mit einem Taxi nach Kamishli gefahren. Er habe dort einen Araber gebeten, herauszubekommen, welcher Vorwurf ihm gemacht werde. Dann habe er verstanden, dass ihm der Vorwurf der Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei gemacht worden sei. Er habe ferner erfahren, dass sie zu seinem Vater ins Geschäft gegangen seien und ihn festgenommen hätten. Sein Vater würde so lange als Pfand in Haft bleiben bis er sich stellen würde. Es habe für ihn dann keine andere Lösung gegeben als Syrien zu verlassen.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind. Ferner wurde der Kläger zur Ausreise aufgefordert und für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihm die Abschiebung nach Syrien angedroht.
Dagegen hat der Kläger mit einem am 1. Juli 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der er geltend macht, dass er seinen Arbeitskollegen in der Juwelierwerkstatt angerufen habe. Sein Arbeitskollege habe ihm berichtet, dass der Meister eine Woche inhaftiert gewesen sei. Es sei dem Chef aber gelungen, den Sicherheitsbehörden darzustellen, dass er selbst mit den bei ihm gefundenen Papieren nichts zu tun gehabt habe. Weiter habe ihm der Arbeitskollege mitgeteilt, dass der Vater des Klägers weiterhin inhaftiert sei. Seit seiner Flucht habe er keinen direkten Kontakt zu seiner Familie. Bei seiner Mutter habe er aus Angst, dass diese ansonsten Nachteile erleiden würde, nicht angerufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten im Sinne des Art. 16 a Abs.1 GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Am 16. Juni 2004 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises Rotenburg (Wümme) Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - zu noch hat er einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 51 Abs.1 AuslG.
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Hierauf kann sich gemäß Art. 16 a Abs. GG, § 26 a AsylVfG aber nicht berufen, wer aus einem sicheren Drittstaat und damit auf dem Landweg nach Deutschland einreist.
Behauptet der Asylbewerber - wie hier - , über einen ihm unbekannten Flughafen auf dem Luftweg eingereist zu sein, keine schriftlichen nachweise über den Flug zu haben, so führen zwar weder die damit verbundene Selbstbezichtigung einer Verletzung der asylverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten noch der fehlende urkundliche Nachweis der Luftwegeinreise zum Verlust des Asylrechtes; den Asylbewerber trifft insoweit keine Beweisführungspflicht. Das Gericht kann aber bei der Feststellung des Reiseweges die behauptete Weggabe wichtiger Beweismittel wie bei einer Beweisvereitelung zu Lasten des Asylbewerbers würdigen (Nds. OVG, Urteil vom 20. August 2002 , Az: 11 LB 44/02). Bleibt der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaates i.S.d. Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein (BVerwG, Urt. v. 29.6.1999 - 9 C 36.98 -, NVwZ 2000, 81). Ein derartiger Fall liegt hier vor.
Der Kläger hat bei der Bundesamtsanhörung angegeben, der Flughafen, auf dem er mit einem Flug aus Istanbul angekommen sein will, sei ihm nicht bekannt, er will die Durchsage, wo man gelandet sei, nicht verstanden haben. Auch hat er auf dem Flughafen selbst keinen Asylantrag gestellt.
Unter diesen Umständen bestand für das Gericht keine Möglichkeit, die behauptete Einreise auf dem Luftweg weiter aufzuklären.
Damit trägt der Kläger die Beweislast mit der Folge, dass ein Asylanspruch nach Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG ausscheidet. Die Ausnahmetatbestände des § 26 a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG sind nicht gegeben.
In Syrien war der Kläger vor seiner Ausreise nicht aus individuell in seiner Person liegenden Gründen politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG ausgesetzt. Eine solche hat ihm auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gedroht. Ebenso wenig droht dem Kläger gegenwärtig und in absehbarer Zukunft im Falle einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Politische Verfolgung i.S.v. Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (vgl. BVerfG, Beschluss. v. 10. Juli 1989 - 2 BvR 502 u.a./86 - BVerfGE 80, 315, 334). Ihr steht die Verfolgung durch eine Organisation mit staatsähnlicher Herrschaftsgewalt gleich. Sie besteht entweder in einer vom Staat kraft seiner Gebietsgewalt unmittelbar vorgenommenen oder in einer zwar von Dritten begangenen, vom Staat aber trotz Innehabung der Gebietsgewalt nicht verhinderten und damit mittelbar vorgenommenen Rechtsgutsverletzung. Das Merkmal "politisch" kennzeichnet die Verfolgung als Verhalten einer organisierten Herrschaftsmacht, vorrangig eines Staates, welcher der Betroffene unterworfen ist (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497 m.w.N.). Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d.h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (BVerfG, Beschluss v. 10. Juli 1989, a.a.O., 333), gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, a.a.O., 334 f.). Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, a.a.O., 335). Nicht jede gezielte Verletzung von Rechten, die etwa nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist, begründet schon eine asylerhebliche politische Verfolgung. Erforderlich ist, dass die Maßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, a.a.O., S. 335 unter Bezugnahme auf BVerfGE 76, 143, 157, 166 f.). Schließlich muss die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben. Es muss der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, a.a.O., S. 335 unter Bezugnahme auf BVerfGE 74, 51, 64 [BVerfG 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85], und allgemein auf BVerfGE 54, 341, 357; 76, 143, 158 ff., 163 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass dem Kläger eine politische Verfolgung vor seiner Ausreise nicht drohte und eine solche ihm auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr bevorsteht. Der vom Kläger vorgetragene Vorwurf, der kommunistischen Partei unter Riad al Turk (CPPB) anzugehören, reicht nach Auffassung des Gerichts für eine dem Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung nicht aus.
Syrien befindet sich seit 1963 ununterbrochen im Ausnahmezustand. Der Ausnahmezustand setzt sich über das Strafgesetzbuch hinweg, welches willkürliche Verhaftungen untersagt, und gibt staatlichen Sicherheitsdiensten praktisch unlimitierte Befugnis, Verdächtige festzunehmen und ohne Kontakt zur Außenwelt über längere Zeit ohne Gerichtsverfahren festzuhalten. Regierung und staatliche Sicherheitskräfte werden für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter Folter und Misshandlung von Häftlingen, schlechte Haftbedingungen, willkürliche Festnahmen und ausgedehnte Inhaftierungen ohne Anklage, extrem unfaire Verfahren vor den Sicherheitsgerichten, ineffiziente Justiz, Korruption sowie Eingriffe in die Privatsphäre (vgl. dazu im Einzelnen, Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 07.Oktober 2002, 11. März 2002, 17. Juli 2003 und 7. Mai 2004). In der Vergangenheit wurden insbesondere auch Mitglieder der CPPB politisch verfolgt (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 7. Mai 2004). In seiner Auskunft an das VG Saarlouis vom 11. Oktober 2001 führt das Auswärtige Amt aus, dass die Anschuldigung, der kommunistischen Bewegung Riad Al - Turks angehört zu haben, in der Vergangenheit Verfolgungsmaßnahmen ausgelöst habe. Allerdings habe sich die Verfolgungssituation dieser Gruppe in den letzten Jahren entspannt. Auch aus der erneuten Inhaftierung Riad - Al - Turks, der am 16. November 2002 begnadigt wurde (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 7. Mai 2004), im September 2001 lasse sich keine gezielte Kampagne gegen Angehörige der Kommunistischen Partei ablesen.
Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass auch zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers eine Mitgliedschaft in der kommunistischen Bewegung allein und für sich genommen regelmäßig noch nicht zu einer politischen Verfolgung führte (VG Düsseldorf, Urteil vom 4. April 2003 - 21 K 4768/01.A -). Im vorliegenden Fall war der Kläger zudem weder Mitglied noch Sympathisant der CPPB, noch war er durch Aktivitäten für die CPPB in Erscheinung getreten. Allein wegen des ihm untergeschobenen Besitzes von Publikationen dieser Partei war er für die syrischen Sicherheitskräfte nicht interessant. Dass an seinem Arbeitsplatz entsprechende Publikationen gefunden sein sollen, bewertet das Gericht nicht zwingend als Auslöser für eine unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung, denn die Sicherheitsbehörden werden die Werkstatt sicher nur durchsucht haben, nachdem sie zuvor einen Verdachtshinweis auf die Zugehörigkeit zur CPPB erhalten haben. Da der Kläger aber nach eigenen Angaben kein Interesse an der CPPB hatte, konnte ein entsprechender Verdacht nur bezüglich seines Chefs bestehen, der der CPPB angehörte. Von daher bestand keine unmittelbare Veranlassung mit dem Auffinden der Publikationen auf eine entsprechende Zugehörigkeit des Klägers zur CPPB zu schließen. Für den Kläger hätte mithin die Möglichkeit bestanden, mit Aussicht auf Erfolg, aufzuklären, wem die Publikationen gehörten, wenn die Sicherheitskräfte bereits einen Anfangsverdacht hatten, der sich auf den Chef des Klägers bezog.
Letztlich musste nur derjenige mit Verfolgung seitens des syrischen Stellen rechnen, der maßgeblich an Aktionen teilnimmt, die aus Sicht des syrischen Staates und des Geheimdienstes als politisch oppositionell erscheinen und die stillschweigende Toleranzgrenze übersteigen, die für alle nicht zugelassenen politischen Gruppierungen gilt (VG Düsseldorf, Urteil vom 4. April 2003 - 21 K 4768/01.A -, vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25. September 2000 - 9 A 4534/00.A -). Dies trifft auf den bloßen Besitz von Publikationen der CPPB, ohne dass man für diese Gruppe in irgendeiner Weise aktiv geworden ist oder sich zu ihr bekennt, nicht zu.
Auch bei einer Rückkehr nach Syrien droht dem Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes hat die Unterdrückung der letzten Jahre in Syrien zu einer weitgehenden Zerstörung des organisierten Widerstands gegen das Regime geführt. Daher orientierten sich Willkürhandlungen der Sicherheitsdienste aktuell weniger an Fragen der Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen oder Gruppen, sondern vielmehr an der Einschätzung des Bedrohungspotentials, das von einer Person oder Gruppe ausgehe (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Syrien vom 7. Mai 2004). Mithin erfolgen Verhaftungen nicht zwingend allein wegen der bloßen Parteimitgliedschaft, sondern eher wegen aktiver politischer Betätigung (vgl. nachrichtlich Schweizerische Flüchtlingshilfe - Bachmann Mai 2004: Syrien Update der Entwicklung September 2001 bis Mai 2004). Eine solche hat der Kläger aber gerade nicht entfaltet.
Für eine dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische Verfolgung lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht seine von ihm in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene angebliche Verurteilung in Abwesenheit anführen, denn das Gericht glaubt dem Kläger nicht, dass er in Syrien in Abwesenheit verurteilt worden ist.
Nach syrischem Strafprozessrecht ist die Verurteilung eines Abwesenden durchaus zulässig. Bei Rückkehr des Betreffenden sieht das syrische Strafprozessrecht dann die Wiederaufnahme des Verfahrens vor, d. h. der in Abwesenheit Verurteilte wird dann so behandelt, als finge das Verfahren von neuem an (Deutsches Orient - Institut an VG Würzburg vom 29. Februar 2000). Nach einer Verurteilung in Abwesenheit werden die Urteile den Familienangehörigen am ehemaligen Wohnort des Verurteilten zugestellt (Deutsches Orient - Institut an VG Würzburg vom 29. Februar 2000; Auswärtiges Amt an VG Berlin vom 16. Februar 1999).
Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er von seiner Verurteilung gehört habe und seine Eltern aber lediglich eine Nachricht erhalten hätten, dass er sich stellen müsse und seine Eltern nicht wüssten, welche Strafe er bekommen habe, für völlig unglaubhaft. Wenn gegen den Kläger in Abwesenheit ein Urteil ergangen wäre, hätten seine Eltern das Urteil erhalten und wären über die gegen den Kläger angeblich verhängte Strafe informiert gewesen. Zudem hat der Kläger auf die ausdrückliche Frage, ob es richtig sei, dass seinen Eltern kein Urteil über eine Verurteilung bekannt geworden oder vorgelegt worden sei, ausweichend lediglich erklärt, sie wüssten nicht, wie die Strafe aussehe. Bei einer tatsächlich erfolgten Verurteilung in Abwesenheit mit anschließender Zustellung des Urteils an seine Eltern hätte der Kläger dazu konkrete Angaben machen können. Stattdessen waren die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu seiner angeblichen Verurteilung auffallend vage, geradezu ausweichend und derart allgemein gehalten, dass sie eine Verurteilung des Klägers nicht glaubhaft belegen.
Ferner droht dem Kläger wegen seiner Asylantragstellung oder seines Auslandsaufenthalts keine politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG, auch nicht aus dem Umstand, dass sich abgeschobene Personen bei ihrer Einreise nach Syrien in der Regel einem Verhör durch die Sicherheitsbehörden unterziehen müssen (vgl. die Lageberichte Syrien des a.A. vom 8. Februar 2001, 11. September 2001, 11. März 2002, 07. Oktober 2002, 17. Juli 2003 und 1. April 2004).
Nach der Auskunftslage (vgl. die bereits angeführten Lageberichte des a.A. und dessen Auskunft an das VG Sigmaringen vom 13. Januar 1997 sowie die Stellungnahmen des Deutschen Orient-Instituts vom 07. August 1995 an das VG Koblenz, vom 18. August 1995 an das VG Wiesbaden, vom 23. November 1995 an das VG Münster, vom 8. Mai 1996 an das VG Ansbach und vom 28. Februar 1997 an das VG Sigmaringen) besteht bei Asylbewerbern aus Syrien keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland für sich genommen vom syrischen Staat zum Anlass für Verfolgungsmaßnahmen genommen wird. Diese Auffassung wird auch vom Nds. OVG in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. den Beschluss vom 16. Juli 1998 - 2 L 7064/96 - und das Urteil vom 22. Juni 1999 - 2 L 670/98 -), ebenso vom VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19. Mai 1998 - A 2 S 28/98 -. Obwohl gem. § 287 des syrischen Strafgesetzbuches mit Gefängnis bestraft wird, wer "unzutreffende oder überzogene Informationen verbreitet, welche das Ansehen des syrischen Staates gefährden können", sind keine Fälle bekannt, in denen die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Verurteilung nach dieser Strafvorschrift führte (vgl. die Lageberichte des a.A. vom 13. März 1996, 24. Oktober 1996, 22. Januar 1997, 21. August 1997, 16. Januar 1998, 3. Juli 1998, 13. Januar 1999, 24. Januar 2000, 19. Juli 2000, 8. Februar 2001, 11. September 2001,11. März 2002, 07. Oktober 2002, 17. Juli 2003 und 1. April 2004).
Vielmehr gilt der Antrag auf politisches Asyl in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland als legitimes Mittel, den Aufenthalt in diesem Land zu erreichen. Insbesondere ist den syrischen Behörden bekannt, dass der Asylantrag eine der wenigen Möglichkeiten für einen aus Syrien Stammenden ist, eine vorübergehende Aufenthaltsgestattung in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen, und sie werten den Asylantrag nicht als Anhaltspunkt für eine gegen den syrischen Staat gerichtete oppositionelle Betätigung. Außerdem kommen Asylbewerber - seien diese nun anerkannt oder nicht - über kurz oder lang als Devisenbringer in Betracht, weil sie in aller Regel ihre Familien in Syrien in Hartwährung unterstützen können und dies auch tun. Schließlich entschärft jeder Syrer, der sein Auskommen - und sei es auch nur zeitweise - im Ausland zu finden weiß, die angespannte wirtschaftliche Lage in Syrien. An diesem "Entlastungseffekt" der Asylbeantragung sind die Syrer durchaus interessiert (vgl. Deutsches Orient-Institut, Stellungnahmen vom 07. und 18. August 1995 und vom 23. November 1995).
Ebenso wenig droht dem Kläger für den Fall einer Abschiebung eine Beeinträchtigung der in § 51 Abs. 1 AuslG aufgeführten Rechtsgüter durch syrische Stellen wegen seines Auslandsaufenthalts. Selbst ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt eines erwachsenen Syrers ist für sich in der Regel kein Anknüpfungspunkt für ein erhöhtes Interesse der syrischen Geheimdienste (vgl. die Lageberichte des a.A. vom 13. März 1996, 24. Oktober 1996, 22. Januar 1997, 21. August 1997, 16. Januar 1998, 3. Juli 1998, 13. Januar 1999, 24. Januar 2000, 19. Juli 2000, 8. Februar 2001, 11. September 2001,11. März 2002, 07. Oktober 2002, 17. Juli 2003 und 1. April 2004). Das Asylverfahren eines nicht verfolgten Syrers in Deutschland hat in den Augen der syrischen Staatsorgane die Bedeutung einer puren Formalie (vgl. die Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts vom 8. Mai 1996), ebenso der damit verbundene zeitweilige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Danach drohen syrischen Asylbewerbern allein wegen der illegalen Ausreise, der Stellung eines Asylantrags und des zeitweiligen - ggfs. auch mehrjährigen - Auslandsaufenthaltes bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen, die im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevant sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. Dezember 2002 - 2 LA 2358/01 -). Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, bei den syrischen Behörden den Verdacht zu begründen, dass sich die Betreffenden in Syrien oder im Ausland gegen das syrische Regime politisch betätigt haben, besteht für Rückkehrer die Gefahr, politisch verfolgt zu werden (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 22. Juni 1999 - 2 L 666/98 und 2 L 670/98 -, vom 27. März 2001 - 2 L 2505/98, vom 12. Dezember 2001 - 2 L 5428/97 - und vom 28. Oktober 2003 - 2 L 3458/99 -). Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis, der danach gefährdet wäre. Er hat nicht glaubhaft gemacht, sich in Syrien in einer Weise aktiv politisch betätigt zu haben, die im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Gefährdung begründen würde. Der bloße unberechtigte Vorwurf, der CPPB anzugehören, ist insoweit - wie aufgezeigt - nicht ausreichend.
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG greifen zugunsten des Klägers ebenfalls nicht ein. Seiner Abschiebung nach Syrien stehen nicht Abschiebungshindernisse nach
§ 53 Abs. 1 AuslG bzw. § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Nach diesen Vorschriften darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) bzw. der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) unterworfen zu werden. Dafür sind im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte ersichtlich.
Auch in Bezug auf die Bestimmung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist im Fall des Klägers das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses zu verneinen.
Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. In die Beurteilung, ob dem betreffenden Ausländer eine i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erhebliche konkrete Gefahr droht, sind grundsätzlich nur solche Umstände einzubeziehen, die sein besonderes, individuelles Schicksal betreffen (BVerwG, Urt. v. 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 - NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - 9 C 9/95]). Allgemeine Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, in diesem Staat allgemein ausgesetzt ist, wie beispielsweise Krieg, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen, können dagegen grundsätzlich nur im Rahmen der humanitären Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG Berücksichtigung finden (vgl. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 17. Oktober 1995 a.a.O. und vom 18. April 1996 - 9 C 77.95 -) ausgeführt, dass für den Fall, dass dem einzelnen Ausländer ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht zusteht, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren ist. Das ist der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren. In solchen Fällen ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass derartige Gefahren im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen sind.
Eine erhebliche konkret-individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien nicht, denn irgendwelche ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass gerade dem Kläger aus in seiner Person liegenden Gründen in Syrien landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahren für die genannten Rechtsgüter drohen, denen die übrige Bevölkerung in dieser Weise nicht ausgesetzt ist, sind nicht erkennbar.
Auch die gegen den Kläger gerichtete Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG, 50 AuslG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.