Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 24.06.2004, Az.: 6 A 804/04
Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Asylanerkennung ausländischer Flüchtlinge; Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat; Widerruf nur bei einer Änderung der Sachlage, nicht aber bei der bloßen Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichender Würdigung; Kurdische Volkszugehörige aus dem Nordirak; Gebietsgewalt des irakischen Staates unter Saddam Hussein im Nordirak seit der Einrichtung der Flugverbotszone nördlich des 36. Breitengrades und des Rückzugs der irakischen Truppen im Jahre 1991; Auswirkungen des Irakkrieges auf das Gebiet des Nordiraks
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 24.06.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 804/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 25359
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0624.6A804.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs. 1 AuslG
- § 53 AuslG
- § 27 AsylVfG
- § 26 Abs. 1 AsylVfG
- § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
- § 48 VwVfG
- § 47 Abs. 3 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Widerruf der Asylanerkennung, §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG
Prozessgegner
Die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Außenstelle Oldenburg -,
Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg,
- F. -
Sonstige Beteiligte
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten,
Rothenburger Straße 29, 90513 Zirndorf,
- F. -
Redaktioneller Leitsatz
Ein Widerruf gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt in Betracht, wenn bei einer allgemein vorhandenen Verfolgungsgefahr eine Anerkennung ausgesprochen wurde, obwohl einzelne Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorlagen, im Nachhinein die allgemeine Verfolgungsgefahr aber insgesamt entfallen ist.
In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die beiden Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004 werden aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
I.
Die Kläger sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit.
Der Kläger zu 1. ist am 20. Dezember 1955 in Arbil/Irak geboren. Die Klägerin zu 2., seine Ehefrau, ist am 1. Juli 1965 in Arbil geboren. Die Klägerin zu 3., die Tochter der Kläger zu 1. und 2., ist - nach den korrigierten Angaben - am 24. November 1991 ebenfalls in Arbil zur Welt gekommen. Der Kläger zu 4., der Sohn der Kläger zu 1. und 2., ist am 15. März 1996 in Hamburg geboren.
Die Klägerin zu 2. stellte für sich und die Klägerin zu 3. am 19. Dezember 1995 in Oldenburg Asylanträge. Am 11. Januar 1996 wurde die Klägerin zu 2. in Oldenburg vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu ihren Asylgründen angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Anhörungsniederschrift verwiesen.
Mit Bescheid vom 15. Februar 1996 erkannte das Bundesamt die Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte an und stellte fest, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - vorliegen. Zur Begründung führte das Bundesamt aus: Aufgrund des von den Klägerinnen zu 2. und 3. geschilderten Sachverhaltes und der dem Bundesamt vorliegenden Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit asylrechtlich relevanten Maßnahmen rechnen müssten. Sie würden von der irakischen Regierung schon allein deshalb verfolgt, weil sie kurdische Volkszugehörige seien und sich im Nordirak, dem sogenannten befreiten Gebiet, aufgehalten hätten. Eine Gruppenverfolgung liege vor, wenn die Gruppe als solche Ziel einer politischen Verfolgung sei, so dass im landesweiten, regionalen oder lokalen Bereich jedes einzelne Gruppenmitglied allein schon deswegen, weil es die gruppenspezifischen Merkmale aufweist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten habe. Die irakische Regierung habe in den letzten Jahren im Nordirak gegen die Kurden einen Vernichtungskampf geführt, mit dem Ziel, diese auszurotten. Zu diesem Zweck habe sie u.a. international geächtete chemische Kampfstoffe eingesetzt. Die irakische Regierung wolle die Kurden im Nordirak bestrafen, weil sie ihnen die Schuld dafür gebe, dass es seinerzeit zum Abkommen von Algier gekommen sei und daraus resultierend zum irakisch-iranischen Krieg. Zwar stehe derzeit das Gebiet des Nordirak unter UNO-Mandat. Die Kurden aus diesen Gebieten hätten jedoch weiterhin vonseiten der irakischen Regierung, sofern irakische Behörden ihrer habhaft werden sollten, massivste Verfolgung zu befürchten. Ob das UNO-Mandat für den Nordirak auch in der Zukunft weiter verlängert werde, sei zudem fraglich. Beim Wegfall des Schutzes durch die UNO sei mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Irak seinen Vernichtungskampf fortführen werde. Auch erkenne die Regierung in Bagdad die Flugverbotszonen im Norden des Irak nicht an. Daher sei der Asylanspruch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerinnen zu 2. und 3. darauf verwiesen werden könnten, dass sie im Nordirak sicher vor Verfolgung vonseiten der irakischen Behörden gewesen seien. Zum einen sei nicht abzusehen, wann der UNO-Schutz entfallen würde, zum anderen setze eine inländische Fluchtalternative voraus, dass ein wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sein müsse. Diese Voraussetzung sei für den Nordirak, der auf Hilfslieferungen aus den westlichen Ländern angewiesen sei, ebenfalls zu verneinen. Darüber hinaus sei die politische Lage aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Strömungen der Kurden im Nordirak als äußerst labil anzusehen. Kurdische Volkszugehörige aus dem Nordirak hätten daher gegenwärtig und in absehbarer Zukunft mit politischer Verfolgung zu rechen. Der Aufenthalt der Klägerinnen zu 2. und 3. in der Türkei stehe einer Asylanerkennung hier nach § 27 AsylVfG nicht entgegen. Denn die Situation irakischer Flüchtlinge in der Türkei sei nicht sicher, da nicht auszuschließen sei, dass die Türkei sie in den Irak abschiebe. Sicherheit im Sinne des § 27 AsylVfG setze aber auch die Sicherheit vor Abschiebung in den Heimatstaat oder einen Drittstaat, in dem politische Verfolgung droht, voraus. Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG stehe den Klägerinnen zu 2. und 3. ebenfalls zu. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lägen gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG bei Asylberechtigten vor.
Der Bundesamtsbescheid vom 15. Februar 1996 ist seit dem 22. März 1996 bestandskräftig.
Der Kläger zu 1. stellte am 24. April 1996 in Oldenburg ebenfalls einen Asylantrag. Am 25. April 1996 wurde er vom Bundesamt in Oldenburg zu seinen Asylgründen angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Anhörungsniederschrift verwiesen.
Mit Bescheid vom 26. April 1996 erkannte ihn das Bundesamt gemäß § 26 Abs. 1 AsylVfG als Asylberechtigten an. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Die Ehefrau des Klägers zu 1., die Klägerin zu 2., sei bestandskräftig als Asylberechtigte anerkannt worden. Die Ehe habe schon im Irak bestanden. Der Kläger zu 1. habe seinen Asylantrag rechtzeitig gestellt. Die Anerkennung der Ehefrau sei derzeit auch nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen.
Dieser Bescheid ist seit dem 18. Mai 1996 bestandskräftig.
Mit Erklärung vom 9. August 1996, die am 10. September 1996 beim Bundesamt einging, stellten die Kläger zu 1. und 2. auch für ihren am 15. März 1996 in Hamburg geborenen Sohn, den Kläger zu 4., einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1996 erkannte das Bundesamt den Kläger zu 4. gemäß § 26 AsylVfG ebenfalls als Asylberechtigten an. Dieser Bescheid ist seit dem 12. November 1996 bestandskräftig.
Am 9. Februar 2004 leitete das Bundesamt das Widerrufsverfahren bezüglich der Kläger ein. Mit Schreiben vom 9. März 2004 setzte das Bundesamt die Kläger hiervon in Kenntnis. Hintergrund sei die Lageänderung im Irak. Es seien der Widerruf der Asylanerkennung und die Feststellung, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG nicht vorliegen, beabsichtigt. Das Bundesamt gab den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kläger äußerten sich mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2004: Die Lage im Irak habe sich in den letzten Tagen wieder verschärft. Nicht einmal die Rückkehr der Baath-Partei an die Macht sei auszuschließen. Ein Abzug der US-Streitkräfte sei möglich. Es handele sich um einen offenen Kriegszustand. Unter diesen Umständen sei nicht einmal eine Rückkehr der Baath-Partei an die Macht, ggf. zusammen mit anderen brutalitären Kräften, völlig auszuschließen. Die US-Streitkräfte könnten aus dem Irak abziehen wie seinerzeit aus Somalia. Angesichts dessen sei ein Widerruf der Asylanerkennung nicht zu rechtfertigen. Eine fundierte Gefahrenprognose hinsichtlich politischer Verfolgung sei zurzeit nicht möglich. Sicher sei aber, dass weiterhin Abschiebungshindernisse bestünden. Im März 2004 hätten Anschläge in Arbil und Kerbela mit jeweils sehr hohen Opferzahlen weltweit Aufmerksamkeit erregt. Aber auch die alltäglichen Gewalt, ob politisch motiviert oder nicht, fordere ununterbrochen Todesopfer. Es werde darum ersucht, von einem Widerruf abzusehen, weil die Betroffenen sich auf zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe berufen könnten, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Selbst wenn im Irak rechtsstaatliche Verhältnisse hergestellt werden sollten, wäre den Klägern eine Rückkehr in den Irak wegen Verlustes des familiären, sozialen und ökonomischen Umfelds nicht zumutbar. Die Verwandten der Familie (beide Seiten) lebten in Europa. Die Kläger hätten im Irak keine nahen Verwandten mehr. Das Wohnhaus der Familie sei gesprengt worden. Eine Unterkunft sei deshalb nicht vorhanden. Die Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft sei unter den ohnehin äußerst schwierigen Bedingungen im Lande ausgeschlossen. Dies sei Folge der früheren Verfolgung der Familie, ebenso die Entwurzelung der Kinder aus der irakischen Gesellschaft. Die zwölfjährige Klägerin zu 3. beherrsche nur die deutsche Sprache.
Mit Bescheid vom 26. April 2004 widerrief das Bundesamt die Anerkennung des Klägers zu 1. als Asylberechtigter (Ziffer 1. des Bescheides). Zugleich stellte das Bundesamt fest, dass bei dem Kläger zu 1. weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse des § 53 AuslG vorliegen (Ziffern 2. und 3. des Bescheides).
Mit weiterem Bescheid vom 26. April 2004 widerrief das Bundesamt die Anerkennung der Kläger zu 2. bis 4. als Asylberechtigte (Bescheid vom 15. Februar 1996 - Klägerinnen zu 2. und 3. - und Bescheid vom 18. Oktober 1996 - Kläger zu 4. -) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen.
Zur Begründung führte das Bundesamt in den Bescheiden aus: Die Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, seien gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - zu widerrufen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte bzw. für den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht mehr vor, weil sich die erforderliche Prognose drohender politischer Verfolgung nicht mehr treffen lasse. Die KDP und die PUK übten mit Duldung der alliierten Besatzungsmächte in den Gebieten der ehemals autonomen Zone de facto quasistaatliche Macht aus. Die kurdische autonome Zone im Nordirak sei von der militärischen Intervention der sog. Koalition der USA und Großbritanniens weitgehend unberührt geblieben. Es sei dort nicht zu größeren Kampfhandlungen gekommen. Die traditionellen Machtstrukturen hätten sich in der ehemals kurdischen autonomen Zone - im Folgenden: Nordirak - nicht verändert. Die dominierenden Parteien, in den Provinzen Arbil und Dohuk die KDP unter Massud Barzani und in der Provinz Sulaimaniya die PUK unter Jalal Talabani, kontrollierten den Nordirak genau wie vor der militärischen Intervention. Die stammes- und politischen Strukturen seien gleich geblieben. Dafür spreche auch, dass die kurdischen Peshmerga von einem Befehl zur Entwaffnung der Bevölkerung seitens der amerikanisch geführten Truppen ausgenommen wurden. Auch nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes hätten diese Strukturen den Krieg und seine Folgen im Wesentlichen überdauert. Die CPA halte sich deshalb im Nordirak mit dem Aufbau neuer Strukturen zurück. Es gebe demnach keine Anhaltspunkte dafür, dass sich an der Situation, die vor der militärischen Intervention in den Irak im Kurdengebiet bestanden habe, nämlich, dass beide Gebiete über ein voneinander unabhängiges Gerichtswesen, über ein Polizeiwesen, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten verfügen, etwas geändert habe. Derzeit würden die beiden Regionalregierungen wieder zusammengelegt, das Parlament sei bereits seit Oktober 2002 wieder vereint. Die Kurden hätten sich mit den alliierten Besatzungsmächten im Irak arrangiert. Sie seien mit fünf Mitgliedern im 25-köpfigen Übergangsrat vertreten. Weiterhin seien sie auch in dem am 1. September 2003 bestimmten neuen irakischen Kabinett präsent. Neben dem Außenministerium seien noch die Ministerien für Öffentliche Arbeit, Wasser, Umwelt und Industrie und Bergbau mit Kurden besetzt. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Verhältnisse im Nordirak ändern werden. Die Sicherheitslage sei in der ehemals kurdischen autonomen Zone entspannter und stabiler als in anderen Regionen des Irak. An dieser Einschätzung änderten die Selbstmordanschläge am 1. Februar 2004 auf die Zentralen der KDP und PUK in Arbil nichts. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei derzeit ausreichend. Die medizinische Versorgungslage im Irak bleibe zwar insgesamt angespannt, dürfte aber nach wie vor in den kurdischen Gebieten besser sein, da dort die Strukturen nicht zusammengebrochen seien. Zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, aus denen der Ausländer die Rückkehr in seinen Heimatstaat ablehnen kann, seien - zumal angesichts der dargestellten Entwicklung in der Heimatregion der Kläger - nicht ersichtlich. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen nicht vor. Über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen sei erstmalig zu entscheiden gewesen, weil im Erstverfahren bei den Klägerinnen zu 2. und 3. eine Vollanerkennung bzw. bei den Klägern zu 1. und 4. eine Anerkennung im Rahmen des Familienasyls stattgefunden habe. Das Vorliegen einer individuell konkreten Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG sei hinsichtlich des Irak von den Klägern nicht dargelegt worden. Es bestehe für sie bei einer Rückkehr in den Nordirak auch keine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG. Die Sicherheitslage sei allgemein ruhig und stabil. Die Lebensmittelversorgung sei derzeit im Rahmen des "Oil-for-Food"-Programmes gewährleistet, ebenso sei eine medizinische Grundversorgung gegeben. Insgesamt sei die wirtschaftliche und soziale Lage in den nordirakischen Gebieten besser als im Zentral- und Süd-Irak. Darüber hinaus sei eine Abschiebung aufgrund der derzeitigen Beschlusslage der Innenministerkonferenz zu irakischen Staatsangehörigen im vorliegenden Fall nicht zu befürchten.
Die Kläger haben gegen die Widerrufsbescheide am 10. Mai 2004 die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung machen sie geltend:
Die Widerrufsbescheide seien rechtswidrig und verletzten sie in ihren Rechten. Ein Widerruf sei aus den in der Stellungnahme vom 10. April 2004 dargelegten Gründen nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls sei hier gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG von einem Widerruf abzusehen.
Der Kläger zu 1. beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004, soweit dieser entgegensteht, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, vorliegen.
Die Klägerinnen zu 2. und 3. beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004, soweit er sie betrifft, aufzuheben,
hilfsweise,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004, soweit dieser entgegensteht, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Der Kläger zu 4. beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004, soweit er den Kläger zu 4. betrifft, aufzuheben,
hilfsweise,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004, soweit dieser entgegensteht, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger zu 1. und 2. sind in der mündlichen Verhandlung informatorisch gehört worden. Wegen des Ergebnisses dieser Anhörung wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 24. Juni 2004 verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 A 804/04 und auf die Bundesamtsakten sowie auf die Ausländerakten des Landkreises Stade Bezug genommen.
II.
Die Klage hat mit den Hauptanträgen Erfolg.
Die beiden Widerrufsbescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. April 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte und für einen Widerruf des ihnen mit dem Anerkennungsbescheid vom 15. Februar 1996 zugleich gewährten Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG - die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes bezieht sich bei den Klägerinnen zu 2. und 3. ihrem Inhalt nach auch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG - liegen nicht vor.
Nach der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, auf die sich der angefochtene Widerrufsbescheid des Bundesamtes ausdrücklich stützt, sind die Asyl und/oder Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zusprechenden Entscheidungen unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Dies ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich entscheidungserheblich geändert haben (BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12/00 -, BVerwGE 112, 80 ff = Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 37). Ändert sich hingegen im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht, selbst wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neu erstellten Erkenntnismitteln beruht (BVerwG, a.a.O.). Vielmehr schreibt § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG den Widerruf nur bei einer Änderung der Sachlage, nicht aber bei der bloßen Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichender Würdigung vor (BVerwG, a.a.O.). Dies legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe ("wenn die Voraussetzungen für sie (sc. die Anerkennung) nicht mehr vorliegen"). Insbesondere ergibt sich dieses Verständnis aber aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung und aus gesetzessystematischen Erwägungen, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 2000, a.a.O., im Einzelnen ausgeführt hat.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung liegen danach dann im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vor, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach Ergehen des bestandskräftigen Anerkennungsbescheides erheblich geändert haben und die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG deswegen nunmehr ausgeschlossen ist (BVerwG, a.a.O.). Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich dabei nicht allein nach dem im Anerkennungsbescheid vom Bundesamt zugrunde gelegten Sachverhalt, sondern nach den damals im Verfolgerstaat tatsächlich herrschenden Verhältnissen (BVerwG, a.a.O.). Neue Einschätzungen und neue Erkenntnisse über eine objektiv unveränderte Lage sind hingegen - wie bereits festgestellt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. September 2000, a.a.O.), der das erkennende Gericht folgt, kein Widerrufsgrund im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Gemessen an diesen Maßstäben konnte der Widerruf der Asylanerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. und des ihnen gewährten Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt werden. Denn die zum Zeitpunkt der Anerkennung - 15. Februar 1996 - maßgeblichen Verhältnisse im Nordirak haben sich nicht nachträglich entscheidungserheblich verändert.
Das Bundesamt hat den Klägerinnen zu 2. und 3. Asyl - und gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG auch Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak - mit der Begründung zugesprochen, die Klägerinnen zu 2. und 3. würden von der irakischen Regierung im Falle einer Rückkehr schon allein deshalb verfolgt, weil sie kurdische Volkszugehörige aus dem Nordirak, dem so genannten befreiten Gebiet, seien. Kurdische Volkszugehörige aus dem Nordirak hätten gegenwärtig und in absehbarer Zukunft mit politischer Verfolgung durch das irakische Regime von Saddam Hussein zu rechnen. Die irakische Regierung habe in den letzten Jahren im Nordirak gegen die Kurden einen Vernichtungskampf geführt, mit dem Ziel, diese auszurotten. Zwar stehe derzeit das Gebiet des Nordirak unter UN-Mandat. Die Kurden aus diesen Gebieten hätten jedoch weiterhin vonseiten der irakischen Regierung, sofern irakische Behörden ihrer habhaft werden sollten, massivste Verfolgung zu befürchten. Ob das UN-Mandat für den Nordirak auch in der Zukunft weiter verlängert werde, sei zudem fraglich. Beim Wegfall des Schutzes durch die UN sei mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Irak seinen Vernichtungskampf fortführen werde. Auch erkenne die Regierung in Bagdad die Flugverbotszonen im Norden des Irak nicht an. Daher könnten die Klägerinnen zu 2. und 3. nicht auf den Nordirak als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Zudem setze eine inländische Fluchtalternative voraus, dass ein wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sein müsse. Diese Voraussetzung sei für den Nordirak, der auf Hilfslieferungen aus den westlichen Ländern angewiesen sei, ebenfalls zu verneinen.
Diese Einschätzung des Bundesamtes in dem Anerkennungsbescheid vom 15. Februar 1996 traf jedoch nicht zu. Vielmehr drohte den Klägerinnen zu 2. und 3. bereits bei Erlass des Anerkennungsbescheides im Februar 1996 im Nordirak, ihrer Heimatregion, nicht die Gefahr politischer Verfolgung durch das damals im Zentralirak herrschende Regime von Saddam Hussein.
Nach der Rspr. des Nds. OVG (Urteil vom 08. September 1998, 9 L 2142/98) übte der irakische Staat schon ab 1991 im Nordirak keine Gebietsgewalt mehr aus. Seit der Einrichtung der Flugverbotszone nördlich des 36. Breitengrades und des Rückzugs der irakischen Truppen im Jahre 1991 hat der irakische Staat im Nordirak eine auf Dauer ausgerichtete, organisierte staatliche Herrschaftsmacht nicht mehr durchsetzen können. Auch die irakische Verwaltung und die irakischen Sicherheitsbehörden haben sich seinerzeit aus diesen Gebieten zurückgezogen (vgl. die Auskünfte des Auswärtigen Amtes - a.A. - vom 11.Oktober 1995 und 30. Oktober 1995). Sie hatten deshalb mit einem eigenen Apparat keinen direkten Zugriff mehr auf Einwohner im Nordirak. Die Kurden kontrollierten und verwalteten den Nordirak. Sie übten dort eine de - facto - Autonomie aus. Für aus dem Nordirak stammende Kurden - wie hier die Klägerinnen zu 2. und 3. - bestand daher bereits zum Zeitpunkt des Bescheides vom 15. Februar 1996 eine inländische Fluchtalternative, die zur Rechtswidrigkeit der Anerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte und der Zuerkennung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG im Bescheid vom 15. Februar 1996 führt. An dieser Einschätzung änderte die kurzfristige militärische Operation der irakischen Streitkräfte im Nordirak Ende August/September 1996 nichts. Sie diente nicht der Wiederherstellung einer dauerhaften Gebietshoheit der damaligen irakischen Zentralregierung in Bagdad über den Nordirak (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 8. September 1998 - 9 L 2142/98 -; Hess. VGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - 10 UE 2497/02.A -).
Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. September 2000, a.a.O.) im Hinblick auf den Regelungszweck der Widerrufsbestimmung, die an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpft, ein Widerruf gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Betracht, wenn bei einer allgemein vorhandenen Verfolgungsgefahr eine Anerkennung ausgesprochen wurde, obwohl einzelne Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorlagen, im Nachhinein die allgemeine Verfolgungsgefahr aber insgesamt entfallen ist. Wurde etwa eine Anerkennung rechtswidrig gewährt, weil eine nachträglich vorhandene ausländische Fluchtalternative nicht beachtet oder eine Gruppenverfolgung rechtlich unzutreffend angenommen wurde, lässt aber ein späterer politischer Systemwechsel die zugrunde gelegte Verfolgungsgefahr nunmehr eindeutig landesweit entfallen, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) kein Grund erkennbar, weshalb § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf solche Fälle nachträglicher Sachlageänderungen nicht anwendbar sein sollte. Insbesondere eröffnet dies die Möglichkeit eines Widerrufs bereits dann, wenn jedenfalls unzweifelhaft eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse feststeht, ohne dass es noch der unter Umständen schwierigen Prüfung und Entscheidung bedürfte, ob die ursprüngliche Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig war (BVerwG, a.a.O.).
Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, weil sich die Lage im Nordirak durch den Sturz des Regimes von Saddam Hussein nicht nachträglich entscheidungserheblich verändert hat.
Wie das Bundesamt in den angefochtenen Bescheiden zu Recht ausführt, hat sich die Lage im Nordirak seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein nicht grundlegend verändert. Im Nordirak hatte der Krieg insgesamt deutlich weniger negative Auswirkungen als für die anderen Landesteile. Die kurdische autonome Zone im Nordirak blieb von der militärischen Intervention weitgehend unberührt; es kam dort nicht zu größeren Kampfhandlungen. Die traditionellen Machtstrukturen haben sich in der ehemals kurdischen autonomen Zone auch nach Einschätzung des Bundesamtes in den angefochtenen Bescheiden vom 26. April 2004 nicht verändert. Die dominierenden Parteien, die Demokratische Partei Kurdistans (KDP, Provinzen Arbil und Dohuk) unter Massud Barzani und die Patriotische Union Kurdistans (PUK, Provinz Sulaimaniya) unter Jalal Talabani, kontrollieren den Nordirak genauso wie vor der militärischen Intervention. Auch die administrativen Strukturen mit funktionierender Verwaltung, Polizei und Justiz haben den Krieg und seine Folgen im Wesentlichen überdauert (AA, Ad - hoc - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 7. Mai 2004). Die Übergangsbehörde der Koalition (CPA) hielt sich deshalb im Nordirak mit dem Aufbau neuer Strukturen zurück. Die KDP und PUK üben mit Duldung der alliierten Besatzungsmächte in ihren Gebieten der ehemals autonomen Zone de facto quasistaatliche Macht aus. Die alliierten Soldaten sind im Norden weitaus weniger präsent als in anderen Teilen des Landes. Die CPA handelte durch die kurdischen Institutionen (Bundesamt, Der Irak nach dem 3. Golfkrieg, Stand: 03. Februar 2004 (Fortschreibung der 'Information - Der Irak nach dem 3. Golfkrieg' vom 27. Oktober 2003)). Kurdische Sicherheitskräfte kontrollieren das seit 1991 unter kurdischer Kontrolle stehende Gebiet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak, Die aktuelle Lage, Bericht vom 24. Mai 2004). PUK und KDP sollen Tausende Peshmerga - Kämpfer entlang der Grenze zu den irakischen Provinzen eingesetzt haben (United Kingdom / Immigration and Nationality Directorate Home Office, Iraq - Country Report - April 2004).
Auch wenn die kurdischen Vertreter aus dem Nordirak ein föderalistisches Modell im Irak anstreben, ist derzeit festzustellen, dass der seit Jahren bestehende kurdische Status quo fortbesteht. Die Kurden im Nordirak behalten nach derzeitigem Erkenntnisstand ihr Kurdistan Regional Government. Sie verfügen weiterhin über Peshmerga - Milizen, eine eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit sowie Steuereinnahmen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak, Die aktuelle Lage, Bericht vom 24. Mai 2004, S. 3). Zudem treten viele Kurden weiterhin für eine Unabhängigkeit des kurdischen Nordirak ein.
Vor diesem Hintergrund ist derzeit nicht erkennbar, dass die irakische Übergangsregierung die Gebietsgewalt über den Nordirak innehat. Vielmehr betont auch das Bundesamt in den angefochtenen Widerrufsbescheiden vom 26. April 2004, dass die KDP und PUK mit Duldung der alliierten Besatzungsmächte in ihren Gebieten der ehemals autonomen Zone de facto quasistaatliche Macht ausüben.
Hiernach rechtfertigt allein die Änderung der politischen Verhältnisse im Zentralirak durch den Sturz des Regimes von Saddam Hussein einen Widerruf der Anerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte sowie einen Widerruf des ihnen gewährten Abschiebungsschutzes nicht. Zwar ist durch den Sturz des Regimes von Saddam Hussein die im Anerkennungsbescheid vom 15. Februar 1996 zugrunde gelegte Verfolgungsgefahr durch dieses Regime entfallen. Wie bereits ausgeführt, bestand die vom Bundesamt im Februar angenommene Verfolgungsgefahr seinerzeit jedoch im Nordirak bereits aufgrund der dort fehlenden Gebietsgewalt der damaligen irakischen Zentralregierung in Bagdad nicht. Daher bleibt der im Zentralirak eingetretene politische Systemwechsel auf die damals - zu Unrecht - angenommene Verfolgungsgefahr für Kurden aus dem Nordirak ohne Einfluss. Insoweit haben sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse im Nordirak nicht entscheidungserheblich geändert.
Die Aufhebung der Anerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte und des ihnen gewährten Abschiebungsschutzes (§ 51 Abs. 1 AuslG) lässt sich somit nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stützen.
Auch § 73 Abs. 2 AsylVfG kommt als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung nicht in Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie aufgrund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Satz 1 findet auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, entsprechende Anwendung. Die Voraussetzungen dieser Rücknahmevorschrift liegen hier nicht vor. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Anerkennungsbescheid vom 15. Februar 1996 erteilt worden wäre, weil die Klägerinnen zu 2. und 3. unrichtige Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen haben.
Die Aufhebung der Anerkennung der Klägerinnen zu 2. und 3. als Asylberechtigte und des ihnen gewährten Abschiebungsschutzes (§ 51 Abs. 1 AuslG) lässt sich auch nicht auf § 48 VwVfG stützen.
Zwar wird die ergänzende Anwendung dieser allgemeinen Rücknahmevorschrift auf von Anfang an rechtswidrige Anerkennungsbescheide nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. September 2000, a.a.O.) nicht durch § 73 Abs. 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen. Der gegen die Klägerinnen zu 2. und 3. gerichtete Widerrufsbescheid kann jedoch deshalb nicht auf § 48 VwVfG gestützt oder entsprechend umgedeutet werden, weil die Rücknahme eine behördliche Ermessensausübung voraussetzt, die vom Bundesamt in dem als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufsbescheid nicht vorgenommen wurde (vgl. § 47 Abs. 3 VwVfG; BVerwG, a.a.O.).
Das in § 48 VwVfG eröffnete Rücknahmeermessen war im Falle der Klägerinnen zu 2. und 3. auch nicht auf Null reduziert, so dass die fehlende Ermessensentscheidung unschädlich wäre. Bereits der Vergleich mit der spezialgesetzlich angeordneten Rücknahmepflicht in § 73 Abs. 2 AsylVfG zeigt, dass der Gesetzgeber die anfängliche Rechtswidrigkeit in anderen Fällen nicht als so gewichtig ansieht, dass generell kein Rücknahmeermessen eingeräumt wird (BVerwG, a.a.O.). Erkennt das Bundesamt die Rechtswidrigkeit einer Asylgewährung oder einer Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, steht ihm vielmehr regelmäßig ein weites, auch etwaige Erwägungen zur Verfahrensökonomie einschließendes Ermessen bei der Frage zu, ob es überhaupt ein Rücknahmeverfahren einleitet (BVerwG, a.a.O.). Bei der Entscheidung über die Rücknahme hat das Bundesamt ferner stets auch zu erwägen, ob die Asylanerkennung mit Rückwirkung oder nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden soll (BVerwG, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung bestehen danach auch im Falle der Klägerinnen zu 2. und 3. nicht.
2.
Der Widerruf der Anerkennung des Klägers zu 1. und des Klägers zu 4. als Asylberechtigte in den beiden Bescheiden vom 26. April 2004 ist gleichfalls rechtswidrig und verletzt diese Kläger in ihren Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anerkennung der Kläger zu 1. und 4. als Asylberechtigte mit Bescheiden vom 26. April 1996 - Kläger zu 1. - und 18. Oktober 1996 - Kläger zu 4. - beruht auf § 26 AsylVfG. Dabei ist die Gewährung des Familienasyls von der Anerkennung der Klägerin zu 2. - der Ehefrau des Klägers zu 1. und Mutter des Klägers zu 4. - als Asylberechtigte abgeleitet worden. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG ist in den Fällen des § 26 AsylVfG die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer aus anderen Gründen nicht als Asylberechtigter anerkannt werden könnte. Zwar ist die Anerkennung der Klägerin zu 2. als Asylberechtigte widerrufen worden. Dieser Widerruf hat jedoch, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter 1. ergibt, keinen Bestand. Damit ist auch für einen Widerruf der auf § 26 AsylVfG gestützten Anerkennung der Kläger zu 1. und 4. als Asylberechtigte kein Raum.
3.
Da die Widerrufsentscheidungen des Bundesamtes - die sich bei den Klägerinnen zu 2. und 3. ihrem Inhalt nach auch auf den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG beziehen - hiernach keinen Bestand haben, sind die negativen Feststellungen zu §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG - Kläger zu 1. und 4. - bzw. zu § 53 AuslG - Klägerinnen zu 2. und 3. - gegenstandslos und zur Klarstellung ebenfalls aufzuheben.
Einer Entscheidung über die hilfsweise verfolgten Verpflichtungsbegehren zu §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG - Kläger zu 1. und 4. - bzw. zu § 53 AuslG - Klägerinnen zu 2. und 3. - bedarf es nicht.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.