Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.12.2010, Az.: 10 WF 362/10

Ermittlung des anrechenbaren Einkommens im Rahmen der Prozesskostenhilfe; Berücksichtigung von Mietnebenkosten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.12.2010
Aktenzeichen
10 WF 362/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1202.10WF362.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 04.10.2010 - AZ: 621 F 3877/10

Fundstellen

  • FamRZ 2011, 911
  • FuR 2011, 175-176
  • JurBüro 2011, 145-146
  • MDR 2011, 257-258

Amtlicher Leitsatz

Zu den nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO i.V. mit § 76 Abs. 1 FamFG in Abzug zu bringenden Kosten der Unterkunft und Heizung zählen im Falle eines Mietverhältnisses neben der Nettomiete (Kaltmiete) auch weitere Betriebskosten, jedoch weder die Kosten für Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung) noch für die Wasserver- und -entsorgung, da diese bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf nach § 28 SGB XII abgedeckt werden. Dementsprechend sind die Aufwendungen für Strom, Gas (soweit jeweils nicht zum Beheizen der Wohnung verwendet) und Wasser in dem nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO mit derzeit 395 abzusetzenden Freibetrag enthalten und können daher nicht gesondert abgezogen werden.

Tenor:

Die Beschwerde wird, soweit ihr das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein am 9. August 2010 beim Amtsgericht - Familiengericht - Hannover anhängig gewordenes einstweiliges Anordnungsverfahren zur Regelung des persönlichen Umgangs mit dem gemeinsamen Sohn der beteiligten Eltern, T. S., geb. am ... 2005, der seit der Trennung der Eltern bei dem Antragsgegner lebt, welcher seit August 2010 auch das Kindergeld bezieht.

2

Das Amtsgericht hat der nunmehr in L. lebenden Antragstellerin, die dort als Sozialpädagogin auf Teilzeitbasis zu einem Nettoeinkommen von 1.018,20 € beschäftigt ist, Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihr ihre Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Dabei hat es auf die Verfahrenskosten zu zahlende Raten in Höhe von monatlich 45 € angeordnet. Es hat hierbei von dem vorgenannten Nettoeinkommen der Antragstellerin neben den gesetzlichen Freibeträgen von monatlich 395€ und 180 € als zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft die sich aus dem vorgelegten Mietvertrag ergebende Kaltmiete von monatlich 290€ sowie den unmittelbar an die Stadtwerke L. zu entrichtenden Abschlag für Gas in Höhe von monatlich 16 € abgezogen. Die in § 6 des Mietvertrags ebenfalls vereinbarte Betriebskostenvorauszahlung von monatlich 80 € hat das Amtsgericht hingegen nicht in Abzug gebracht.

3

Gegen die angeordnete Ratenzahlung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie die Nichtberücksichtigung der mietvertraglich geschuldeten Betriebskostenvorauszahlung rügt. Darüber hinaus macht sie nunmehr auch konkrete berufsbedingte Fahrtkosten für die Fahrten zu ihrer 5 km entfernten Arbeitsstätte geltend. Sie ist der Auffassung, diese seien mit monatlich 66 € anzusetzen (5 km x 2 x 22 Tage x 0,30 €/km).

4

Ferner seien noch die Beiträge für ihre Kraftfahrzeugversicherung (monatlich 21,30 €), eine Privathaftpflicht (monatlich 4,66 €) und eine Hausratsversicherung (monatlich 3,05 €) einkommensmindernd zu berücksichtigen.

5

Das Amtsgericht hat daraufhin die Fahrtkosten und die Versicherungsbeiträge in der geltend gemacht Höhe anerkannt und der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4. November 2010 dahingehend abgeholfen, dass es die zu zahlenden Raten auf monatlich 15 € herabgesetzt hat. Die teilweise Nichtabhilfe hat es damit begründet, dass Betriebskosten nicht abzugsfähig seien.

6

II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Höhe der zu zahlenden Raten auf die Verfahrenskosten im Ergebnis zutreffend lediglich auf monatlich 15 € herabgesetzt.

7

Zu Recht wendet die Antragstellerin allerdings ein, dass zu den nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO i.V. mit § 76 Abs. 1 FamFG in Abzug zu bringenden Kosten der Unterkunft und Heizung neben der Nettomiete (Kaltmiete) auch weitere Betriebskosten zählen (OLG Koblenz, FamRZ 1997, 679. ZöllerPhilippi, ZPO28, § 115 Rdnr. 34). Dies gilt jedoch nicht für sämtliche im Einzelfall mietvertraglich vereinbarten Betriebs oder Mietnebenkosten, denn maßgeblich ist in diesem Zusammenhang weder die mietvertragliche Regelung noch der Betriebskostenbegriff des Mietrechts (vgl. die Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten - BetrKV - vom 25.11.2003, BGBl. I S. 2346, 2347). Vielmehr knüpft die Bestimmung des§ 115 Abs. 1 S. 3 ZPO, wie sich bereits aus dessen Nr. 1 Buchst. a ergibt, an das System der Sozialhilfe und damit an die Vorschriften des SGB XII an (BGH, Beschluss vom 08.01.2008 - VIII ZB 18/08 - FamRZ 2008, 781 = NJWRR 2008, 595 [Tz. 8]). Der dortige Begriff der Kosten der Unterkunft und Heizung umfasst jedoch weder die Kosten für Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung) noch für die Wasserver und entsorgung, da diese vielmehr bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf nach§ 28 SGB XII abgedeckt werden (BGH, aaO. LSG NiedersachsenBremen, Urteil vom 31.03.2006 L 7 AS 343/05 ER. LSG Bad.Württ., Urteil vom 30.08.2005 - L 12 AS 2023/05. Thomas/PutzoReichold, ZPO30, § 115 Rdnr. 11. Linhart/AdolphPletscher, SGB II/SGB XII, § 22 SGB II Rdnr. 36, § 29 SGB XII Rdnr. 4). Dementsprechend sind die Aufwendungen für Strom und Wasser in dem nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO mit derzeit 395 € abzusetzenden Freibetrag enthalten und können daher nicht gesondert abgezogen werden.

8

Da sich im Übrigen weder aus der mietvertraglichen Regelung erkennen lässt noch von der Antragstellerin sonst dargelegt wurde, wie hoch der Anteil der in dem Betriebskostenvorauszahlungsbetrag von monatlich 80 € offenkundig enthaltenen Wasserkosten ist, geht der Senat hier im Wege einer maßvollen Schätzung insoweit von einem Anteil von 10 € monatlich aus. Von dem Einkommen der Antragstellerin ist daher über die Nettomiete hinaus ein Betrag von 70 € für Mietnebenkosten abzusetzen.

9

Ebenfalls nicht gesondert abzusetzen sind im vorliegenden Fall auch die Abschlagszahlungen für Erdgas. Auch insoweit handelt es sich nämlich um - im Freibetrag enthaltene Aufwendungen für Haushaltsenergie, soweit sie also nicht zur Beheizung der Wohnung genutzt wird. Dass letzteres der Fall wäre, ist von der Antragstellerin weder im Einzelnen dargelegt worden noch - angesichts der geringen Höhe des Abschlagsbetrages von lediglich 16 € monatlich - sonst ersichtlich. Ein Abzug dieser Kosten ist daher entgegen der Berechnung des Amtsgerichts hier nicht gesondert vorzunehmen.

10

Trotz der abzusetzenden Mietnebenkosten ist die Ratenzahlungsanordnung gerechtfertigt, denn das Amtsgericht hat zu hohe berufsbedingte Fahrtkosten berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 21.07.2008 - 10 WF 254/08 NdsRpflege 2009, 104. vom 03.12.2009, 10 WF 349/09) ist für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO i.V. mit § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII und § 3 Abs. 6 Nr. 2a der DurchführungsVO zu § 82 SGB XII nur ein Betrag von 5,20 € monatlich je Entfernungskilometer einzustellen. Geht man, obwohl auch dies von der Antragstellerin nicht näher dargelegt ist, zu ihren Gunsten davon aus, dass es ihr nicht zumutbar ist, ihren Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, wäre bei einer angegebenen Entfernung von 5 Kilometern nur ein Betrag von (5 km x 5,20 €/km =) 26 € monatlich zu berücksichtigen.

11

Hinsichtlich der abzusetzenden Versicherungsbeiträge sind zwar diejenigen zur Privathaftpflichtversicherung (monatlich 4,67 €) sowie zur Hausratversicherung (monatlich 3,05 €) anzuerkennen, nicht jedoch die vom Amtsgericht ebenfalls abgezogenen Beiträge zur Kraftfahrzeugversicherung (monatlich 21,30 €), da diese bereits durch die oben berücksichtigte Fahrtkostenpauschale abgedeckt sind.

12

Daraus folgt folgende Berechnung der Ratenhöhe:

13

Durchschnittliches Nettoeinkommen (Bruttoverdienst einschl. Sonderzuwendungen abzüglich Steuern und Sozialversicherung. § 115 I 1, 3 Nr. 1a ZPO iVm § 82 II Nr. 1, 2 SGB XII) 1.018,20 €

14

abzüglich gesetzlich vorgeschriebene oder angemessene Versicherungsbeiträge (§ 115 I 3 Nr. 1a ZPO iVm § 82 II Nr. 3 SGB XII) Privathaftpfl. 4,67 € (26 VKH1), HRV 3,05 € (25 VKH1). KfzHaftpfl.(),da bereits FK 7,72 €

15

abzüglich notwendige konkrete berufsbedingte Aufwendungen (§ 115 I 3 Nr. 1a ZPO iVm § 82 II Nr. 4 SGB XII) 5 km x 5,20 €/km (Bl. 16 VKH I) 26,00 €

16

abzüglich Freibetrag für Erwerbstätige [1/2 RS] (§ 115 I 3 Nr. 1b iVm I 46 ZPO sowie VO vom 10. Juni 2010, BGBl I 795) 180,00 €

17

Anzurechnendes Erwerbseinkommen 804,48 €

18

Sonstige Einkünfte

19

Kindergeld seit 08/2010 (), 23 VKH I 0,00 €

20

Unterhalt 0,00 €

21

Gesamte Einkünfte 804,48 €

22

abzüglich Freibetrag d. Antragst. [110 % RS] (§ 115 I 3 Nr. 2a iVm I 46 ZPO iVm VO vom 10. Juni 2010, BGBl I 795) 395,00 €

23

abzüglich Kosten für Unterkunft/Heizung soweit nicht in auffälligem Missverhältnis zu Lebensverhältnissen (§ 115 I 3 Nr. 3 ZPO) 290 € KM, 80 € NK - 10 € Wasser. Gas hier (), da = FB 360,00 €

24

Einzusetzendes Einkommen (abgerundet: § 115 I 4 ZPO) 49,48 49,00 €

25

Ratenhöhe danach (Tabelle zu § 115 I 4 ZPO) 15,00 €

26

Zwar ist die Ermittlung der von dem Einkommen nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO abzusetzenden berufsbedingten Fahrtkosten umstritten (wie hier ZöllerPhilippi, ZPO28, § 115 Rn. 25, sowie OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 158. OLG Koblenz, FamRZ 2009, 531. OLG Karlsruhe, NJWRR 2009, 1233. der 12. und der 18. Senat des Oberlandesgerichtes Celle (Beschluss vom 09.07.2009 - 12 WF 132/09 - veröffentlicht in der Internetsammlung des OLG Celle. Beschluss vom 29.10.2008 - 18 W 12/08 NdsRpflege 2009, 103) vertreten etwa eine Ermittlung der Fahrtkosten unter Heranziehung der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien dahin, dass 0,30 € je gefahrenen Kilometer anzusetzen seien). Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde hat hier gleichwohl nicht zu erfolgen, da es im vorliegenden Fall auf diesen Gesichtspunkt nicht entscheidend ankommt. Denn selbst bei Abzug konkreter Fahrtkosten von ([5 km x 2 x 220 Tage x 0,30 €/km] : 12 =) 55 € monatlich verbliebe ein einzusetzendes Einkommen von 20 €, was ebenfalls zur Festsetzung einer Ratenhöhe von 15 € monatlich führen würde.