Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.12.2010, Az.: 4 W 196/10

Darlegungslast und Beweislast hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers eines Grundstücks

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.12.2010
Aktenzeichen
4 W 196/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33897
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1217.4W196.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Rinteln - 05.10.2010

Fundstellen

  • FGPrax 2011, 111
  • ZEV 2011, 200-201

Amtlicher Leitsatz

Grundsätzlich ist bei der Überprüfung der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers im Beurkundungszeitpunkt vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit auszugehen. Ergeben sich daran auf Tatsachen gegründete Zweifel, können diese - durch ein ärztliches Gutachten - ausgeräumt werden, wobei der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit nicht geführt werden muss (Anschluss an OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 450).

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten N. vom 8. Oktober 2010 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Rinteln vom 5. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte N. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Wert für das Beschwerdeverfahren: 3.000,00€.

Gründe

1

Die Beteiligte wendet sich gegen die in einer Zwischenverfügung geäußerten Auffassung des Grundbuchamtes, ihr verstorbener Lebensgefährte sei bei der Beurkundung eines Schenkungsvertrages nicht geschäftsfähig gewesen.

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I. Die Beurkundung fand am 15. September 2010 statt. Der Erblasser verstarb drei Tage später am 18. September 2010. Der den Erblasser seit 1984 behandelnde Hausarzt hat in einer vom Sohn des Erblassers eingereichten Stellungnahme vom 1. Oktober 2010 ausgeführt, am 9. September habe er sich im Hinblick auf die gesundheitlichen Probleme des Erblassers gegenüber der Beteiligten N. dahin geäußert, dieser wäre wohl in der Lage, ein Schriftstück zu unterzeichnen, obwohl dies in erster Linie ein juristisches Problem sei. Am 13. September 2010 hat er dem Erblasser Blut abgenommen. Am 15. September 2010 erfolgte eine erneute Einweisung des Erblassers in die Klinik. Der Hausarzt hat Folgendes zum Zustand des Erblassers am 15. September 2010 ausgeführt: "Zu diesem Zeitpunkt der offensichtlichen Unterzeichnung bestand hochgradige Anämie und respiratorische Insuffizienz mit daraus folgender zerebraler Hypoxie, die - aus ärztlicher Sicht - zumindest eine Minderung des Urteilsvermögens zur Folge haben musste. So sehe ich zu diesem Zeitpunkt eine eingeschränkte Geschäftsfähigkeit gegeben."

3

Aufgrund dieser Stellungnahme hat das Grundbuchamt dem beurkundenden Notar mitgeteilt, es könne nicht mehr positiv vom Vorliegen der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden und ihm aufgegeben, das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit des Eigentümers bei Beurkundung des Vertrages nachzuweisen. Der Notar hat hierzu einen vom 15. September 2010 datierenden Aktenvermerk zu den Akten gereicht. Dies hat dem Grundbuchamt nicht ausgereicht. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

4

II. Die gemäß den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Grundbuchamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass hinreichende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bestehen, die nicht ausgeräumt worden sind.

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1. Grundsätzlich ist bei der Überprüfung der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers im Beurkundungszeitpunkt vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit auszugehen. Ergeben sich daran auf Tatsachen gegründete Zweifel, können diese - durch ein ärztliches Gutachten - ausgeräumt werden, wobei der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit nicht geführt werden muss (OLG Frankfurt NJWRR 2006, 450 aus Juris. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 18 Rn. 3 m. w. N.). Gemessen an diesen Maßstäben durfte das Grundbuchamt zu Recht bestehende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers äußern, die in der Folgezeit nicht ausgeräumt worden sind.

6

2. Nach der Stellungnahme des Hausarztes des Erblassers vom 1. Oktober 2010 sind, gestützt auf eine fachlich fundierte Stellungnahme, Bedenken an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers vorhanden. Diese sind durch die Stellungnahme des Notars nicht ausgeräumt worden. Der Notar hat in seinem Aktenvermerk niedergelegt, der Erblasser habe ihm erzählt, er sei zunächst in D. bei der Armee gewesen und habe dann bei H. gearbeitet. er habe weiter erklärt, er wolle, dass seine Wohnung die Beteiligte N. bekomme und er nicht an Schläuche müsse. Dies erscheint dem Senat mit dem Grundbuchamt nicht ausreichend. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Erblasser die Tragweite der Schenkung der Wohnung bewusst gewesen ist, da er damit die Wohnung seinem Sohn entziehen würde. Abgesehen davon besteht an sich auch kein Anlass für diesen Schenkungsvertrag, da der Erblasser in seinem Testament vom Frühjahr 2010 bereits bestimmt hat, dass die Wohnung an seine Lebensgefährtinübergehen soll. Es wäre Sache des Notars gewesen zu hinterfragen, ob dem Erblasser bewusst ist, welche Konsequenzen aus der Schenkung der Wohnung folgen, selbst wenn er nicht von dem Sohn oder dem Testament gewusst haben sollte, um sich so von der - vollen - Geschäftsfähigkeit zuüberzeugen. Dies ergibt sich aus dem Aktenvermerk nicht.

7

Dabei ist überdies anzumerken, dass in der Schenkungsurkunde der Vermerk, der Notar habe sich durch eine der Beurkundung vorausgegangene Unterredung von der erforderlichen Geschäftsfähigkeit des Erschienenen überzeugt, fehlt. Dieser Vermerk ist in der zeitlich unmittelbar sich an die Schenkungsurkunde anschließenden Beurkundung einer General und Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung hingegen enthalten. Soweit der Notar in seiner Stellungnahme zur Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt hat, er habe sich davonüberzeugt, dass Herr B. voll orientiert gewesen sei, ist diese Stellungnahme mangels Vortrags eines tatsächlichen Geschehens nicht aussagekräftig und bleibt hinter dem vom Notar gefertigten Aktenvermerk zurück. Sie besagt insbesondere nichts darüber, auf welche Art und Weise sich der Notar von der Geschäftsfähigkeit hat Gewissheit verschaffen können.

8

3. Die Ausführungen der Beteiligten N. geben ebenfalls keinen Anlass, die bestehenden Zweifel einer Geschäftsfähigkeit zu zerstreuen. Sie sind fachlich nicht fundiert und beruhen auf den Wahrnehmungen eines medizinischen Laien. Soweit die Beteiligte weiter ausführt, der Notar habe den Veräußerer vor der Beurkundung umfassend befragt, ergibt sich dies aus dem vom Notar gefertigten Aktenvermerk nicht.

9

III. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 84 FamFG. Der Streitwert in Höhe von 3.000,00 € ist mangels anderer Anhaltspunkte gemäß den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO auf den Regelbetrag von 3.000,00 € festzusetzen. Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 78 GBO bot dieser Sachverhalt nicht.