Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.12.2010, Az.: 14 W 36/10
Streitwerterhöhung durch Aufrechnung bei Abschluss eines Vergleichs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.12.2010
- Aktenzeichen
- 14 W 36/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33896
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:1217.14W36.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 21.09.2010 - AZ: 24 O 21/10
Rechtsgrundlage
- § 45 GKG
Fundstellen
- BauR 2011, 886-887
- BauR 2011, 730
- HRA 2011, 22
Amtlicher Leitsatz
Auch wenn ein Rechtsstreit insgesamt nicht streitig durch Urteil, sondern einvernehmlich durch Vergleich beendet wird, erhöhen (mitverglichene) hilfsweise zur Aufrechnung gestellte bestrittene Gegenforderungen den Streitwert für das Verfahren (jeweils) bis zur Höhe des Klagebetrags. Denn sämtliche Gegenforderungen sind endgültig und mit ebensolchen Wirkungen wie bei einer Verfahrensbeendigung durch Urteil in diesem Prozess erledigt worden.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 28. September 2010 wird der Streitwertbeschluss der Einzelrichterin der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 21. September 2010 abgeändert:
Der Streitwert des Verfahrens beträgt 20.959,33€.
Der Gegenstandswert des Vergleichs beträgt 25.785,67€.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, eingelegt worden.
2. Streitwert des Verfahrens:
Zunächst war hier der Wert der Klageforderung von 8.291,12€ zu berücksichtigen (vgl. Bl. 2 d. A.). Darüber hinaus waren in die Berechung - allerdings nicht gemäß den zunächst wiedergegebenen ungeminderten Beträgen - diese Gegenforderungen in der von der Beklagten angegebenen Reihenfolge (Bl. 124 d. A.) einzustellen:
4.149,26 € (vgl. S. 24 des Schriftsatzes vom 9. Februar 2010, Bl. 45 d. A.),
502,52 € (vgl. S. 26 des genannten Schriftsatzes, Bl. 47 d. A.),
8.086,18 € (vgl. S. 26 des Schriftsatzes vom 12. August 2010, Bl. 117 d. A.),
833,49 € (vgl. S. 29 des genannten Schriftsatzes, Bl. 50 d. A.) und
2.137,90 € (vgl. S. 29 des zuvor genannten Schriftsatzes, Bl. 120 d. A.).
Die Gegenforderungen summieren sich auf 15.709,35 €. Sie waren jedoch nicht alle in voller Höhe bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Denn die Beklagte hat 1.623,04 € der Klageforderung für berechtigt erachtet (S. 33 des Schriftsatz vom 12. August 2010, Bl. 124 d. A.). Gegenüber dieser Restforderung von 1.623,04€ hat die Beklagte nicht hilfsweise, sondern unbedingt aufgerechnet ("Primäraufrechnung"). Eine derartige Aufrechnung erhöht nicht den Gebührenstreitwert (vgl. § 45 Abs. 3 GKG). Die Primäraufrechnung vermindert allerdings die Summe der Gegenforderungen um 1.623,04 € auf 14.086,31 €.
Mit den verbliebenen Gegenforderungen hat die Beklagte überdies hilfsweise die Aufrechnung erklärt gegenüber der noch streitigen Klageforderung von 6.668,08 € (8.291,12 € abzüglich 1.623,04 €). Bei der Wertberechnung waren nun - insoweit entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht der Gesamtbetrag der Gegenforderungen bis zur Höhe der Klageforderung, soweit sie noch streitig ist, werterhöhend zu berücksichtigen, sondern jede einzelne Gegenforderung bis zur Höhe der verbliebenen streitigen Klageforderung von 6.668,08 €. Auch wenn der Rechtsstreit insgesamt nicht streitig durch Urteil, sondern einvernehmlich durch Vergleich beendet wird, erhöhen hilfsweise zur Aufrechung gestellte bestrittene Gegenforderungen den Streitwert für das Verfahren (jeweils) bis zur Höhe des Klagebetrags. Denn sämtliche Gegenforderungen sind endgültig und mit ebensolchen Wirkungen wie bei einer Verfahrensbeendigung durch Urteil in diesem Prozess erledigt worden (vgl. OLG München, MDR 1998, 680. OLG Köln, MDR 1979, 412. LG Köln, Beschl. v. 2. April 2004 - 10 T 42/04, juris. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rdnr. 16´Aufrechnung/Prozessvergleich´).
Damit ist von der bei der Primäraufrechnung an erste Stelle gesetzten Gegenforderung über 4.149,26 € (Bl. 124 d. A.) zunächst der durch die Primäraufrechnung "verbrauchte" Betrag von 1.623,04 € abzuziehen. Es verblieben hier somit 2.526,22 €. Die weiteren Gegenforderungen über 505,52 €, 833,49 € und 2.137,90 € waren unvermindert hinzuzurechnen, weil sie keine Minderung über die Primäraufrechnung erfuhren und nicht den Wert der verbliebenen Klageforderung von 6.668,08 €überschritten.
Hingegen war die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung über 8.086,18 € (vgl. auch Bl. 124 d. A. und Anlage B 31) nur in Höhe von 6.668,08 € in die Wertberechnung einzustellen, weil sie nur insoweit einer rechtskraftfähigen Entscheidung hätte zugänglich sein können. Denn nur dieser Betrag blieb nach der Primäraufrechnung noch übrig und konnte Gegenstand der Hilfsaufrechnung sein.
Der Wert des Verfahrens setzt sich damit wie folgt zusammen:
8.291,12 € aus der Klage und
2.526,22 € gemäß Rechnung Anlage B 15 über 4.149,26 € abzüglich 1.623,04 € für die Primäraufrechnung und
502,52 € gemäß Rechnung Anlage B 17, weiter
6.668,08 € gemäß Rechnung Anlage B 31, soweit sie die Klageforderung noch zum Erlöschen hätte bringen können, außerdem
833,49 € gemäß Anlage B 20 sowie
2.137,90 € gemäß Rechnung Anlagen B 33 bis B 36 (s. je auch Bl. 124 d. A.).
Die Beträge summieren sich auf den Verfahrensstreitwert von 20.959,33 €.
Der Senat war nicht an die Streitwertfestsetzung der Kammer gebunden und hat von Amts wegen auch über den begehrten Verfahrenswert hinaus den Streitwert festsetzen können (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 68 GKG, Rdnr. 16 a. E.. s. zur Wertberechnung in diesen Fällen auch BGH, Urt. v. 30. Januar 1979 VI ZR 154/78, NJW 1979, 927 [BGH 30.01.1979 - VI ZR 154/78], jurisRdnr. 4. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rdnr. 16 "Aufrechnung/Primäraufrechnung/mehrere Gegenforderungen". Prütting/Gehrlein/Gehle, ZPO, § 5 Rdnr. 11 - je m. w. N.).
3. Gegenstandswert des Vergleichs:
Mit dem im Verhandlungstermin vom 7. September 2010 zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich (Protokoll Bl. 128 d. A.) haben die Parteien zusätzlich auch nicht rechtshängige Sicherheitseinbehalte von insgesamt 3.408,24 € erledigt (wie im angefochtenen Beschluss erwähnt, Bl. 138 d. A.). Diese mit dem Vergleich erledigten nicht rechtshängigen Sicherheitseinbehalte waren dem Wert des Verfahrens von 20.959,33 € hinzuzurechnen, sodass sich der Gegenstandswert des Vergleichs demgegenüber um 3.408,24 € erhöhte. Darüber hinaus war hier nicht die Grenze des § 45 Abs. 3 GKG zu berücksichtigen, so dass die Gegenforderung von 8.086,18 € nun ungemindert angesetzt werden konnte (und nicht lediglich in Höhe von 6.668,08 €). Damit erhöhte sich der Vergleichswert um weitere 1.418,10 € auf insgesamt 25.785,67 €.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.