Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.12.2010, Az.: 2 W 383/10

Anrechnung durch den erstattungspflichtigen Gegner gezahlter Beträge auf das Honorar in der Beratungshilfe

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.12.2010
Aktenzeichen
2 W 383/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 32667
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1229.2W383.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 04.11.2010 - AZ: 54 T 44/10

Fundstellen

  • MDR 2011, 455
  • NJW 2011, 8
  • NJW-RR 2011, 719
  • RENOpraxis 2011, 250
  • RVGreport 2011, 134-135
  • ZAP 2011, 980
  • ZAP EN-Nr. 636/2011
  • zfs 2011, 585-586

Amtlicher Leitsatz

In Fällen der Beratungshilfe sind angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen.

Tenor:

Die am 24. November 2010 beim Oberlandesgericht Celle eingegangene weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 22. November 2010 gegen den Beschluss der 54. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 4. November 2010 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin vertrat die Interessen der Frau J. M. in einem Widerspruchsverfahren gegen einen nach dem zweiten Buch des SGB erlassenen Bescheid des JobCenters L. über die Übernahme von Heiz und Betriebskosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2009 übernahm das JobCenter die Heiz und Betriebskosten teilweise und zahlte an die Antragstellerin und Beschwerdeführerin 5/10 der Wahlanwaltsgebühren (= 154,70 €). Nachdem das Amtsgericht Hannover nachträglich Beratungshilfe für das Widerspruchsverfahren bewilligt hatte, beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung der vollen gesetzlichen Vergütung für die geleistete Beratungshilfe nach § 44 RVG aus der Landeskasse in Höhe von insgesamt 99,96 €. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Schreiben vom 25. Mai 2010 (Bl. 24 d.A.) unter Hinweis darauf zurück, dass die Zahlung des JobCenters in vollem Umfang anzurechnen sei. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. Juni 2010 zurück und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zu. Das Landgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 4. November 2010 ebenfalls zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

2

II. Die infolge Zulassung durch das Landgericht gem. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG i.V.m. § 56 Abs. 2, 55 RVG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

3

In Rechtsprechung und Rechtsliteratur ist umstritten, ob in Fällen der Beratungshilfe Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen sind (so OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Januar 2009, Az.: 4 W 171/08, zitiert nach JURIS Rdz. 4) oder aber eine Anrechnung in der Weise zu erfolgen hat, dass Zahlungen zuerst auf die Differenz zwischen der Vergütung nach Nr. 2500ff. VVRVG und einer Vergütung nach Teil 1 und 2 des VVRVG, also auf den Teil anzurechnen sind, für den ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (so LG Saarbrücken AGS 2009, 290f. [LG Saarbrücken 08.04.2009 - 5 T 172/09] und ihm folgend OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. Juli 2009, Az.: 5 W 148/09. vgl. ferner Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Auflage, § 58 Rdz. 1).

4

Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG ist eindeutig. Danach werden Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 RVG von Seiten des kostenerstattungspflichtigen Gegner seines Mandanten erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung ohne Einschränkung angerechnet. Etwas anderes gilt gem. § 58 Abs. 2 RVG nur in den Fällen, in denen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach Teil 3 des VVRVG bestimmen. Hier erfolgt eine Anrechnung in der Weise, dass Zahlungen des Gegners zunächst auf die Vergütung anzurechnen sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht. § 58 Abs. 2 RVG betrifft also nicht Vergütungsansprüche, die sich ausschließlich auf Teil 1 und 2 des VVRVG stützen. Hierzu gehört aber die Gebühren für eine Beratungshilfe gem. Nr. 2500ff. VVRVG. Angesichts dieser eindeutigen Differenzierung verbietet es sich, die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG auch auf Fälle des § 58 Abs. 1 RVG zu erstrecken. Ebenfalls nicht einschlägig ist § 59 RVG, denn diese Vorschrift erfasst - worauf die Bezirksrevisorin beim Amtsgericht Hannover in ihrer Stellungnahme vom 15. Juni 2010 zutreffend hingewiesen hat - nur den Fall, dass die Landeskasse die Anwaltsvergütung gezahlt hat und damit ein Erstattungsanspruch gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner auf die Landeskasse übergegangen ist.

5

Auch eine analoge Anwendung von § 58 Abs. 2 oder § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 RVG scheidet aus. Zu Recht haben sowohl das Amtsgericht Hannover im Beschluss vom 18. Juni 2010 als auch die Bezirksrevisorin in einer weiteren Stellungnahme vom 26. April 2010 darauf hingewiesen, dass an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt. Ausweislich der Motive zum RVG hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 RVG die Regelung aus § 9 Satz 4 BerHG und in § 58 Abs. 2 die Regelung aus § 129 BRAGO übernommen (BT Drucksache 15/1971 S. 203). Die nach altem Recht bestehenden unterschiedlichen Anrechnungsvoraussetzungen sind vom Gesetzgeber also bewusst unverändert übernommen worden. Im übrigen weist das OLG Bamberg in dem oben zitierten Beschluss zu Recht darauf hin, dass die Beratungshilfe dem Rechtsanwalt einer mittellosen Partei nur eine Mindestvergütung sichern will und mehr nicht (OLG Bamberg, aaO.). Angesichts dessen ist kein Raum für eine analoge Anwendung. Es bedürfte vielmehr einer Gesetzesänderung.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Rebell
Dr. Lübbesmeyer
Dr. Landwehr