Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 04.07.2024, Az.: 1 B 51/24
Gefahrenforschung; Hundehaltungsverbot; Maßgeblicher Zeitpunkt; Strohfrau; Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch; Vorsorglicher Verwaltungsakt; Zweckveranlasser; Hundehaltungsverbot gegenüber mutmaßlicher Strohfrau
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 04.07.2024
- Aktenzeichen
- 1 B 51/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 18183
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2024:0704.1B51.24.00
Rechtsgrundlagen
[Grunde]
Die Antragstellerin wendet sich gegen die ihr auferlegte Untersagung, den Dobermann "XXX" zu halten. Sie begehrt des Weiteren die vorläufige Herausgabe des bereits sichergestellten streitgegenständlichen Hundes.
Die Antragstellerin befindet sich seit 2015 in einer Beziehung zu ihrem Lebensgefährten, Herrn XXX; dieser erwarb 2022 den Dobermann "XXX". Beide wohnten seit September 2021 bis 11.02.2024 gemeinsam in einer Wohnung in A-Stadt.
Am 29.01.2024 stellten Polizeibeamte den Dobermann "XXX" in der gemeinsamen Wohnung der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten sicher. Mit Bescheid vom selben Tag verfügte die Antragsgegnerin gegenüber dem Lebensgefährten der Antragstellerin, dass sie den Hund "XXX" sicherstelle, anderweitig unterbringe und wenn möglich an einen anderen Halter vermitteln werde. Ferner untersagte sie ihm das Führen und Halten sowie Betreuen von Hunden für die Dauer von 5 Jahren ab Bekanntgabe des Bescheids und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an. Hiergegen gerichtete Anträge des Herrn XXX sowie der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Gericht durch rechtskräftige Beschlüsse vom 04.04.2024 (Az. 1 B 16/24 und Az. 1 B 36/24) ab.
Im Anschluss an die Sicherstellung vereinbarte Herr XXX mit der Antragstellerin am 06.02.2024, er werde ihr den Dobermann "XXX" schenken und übereignen. Die Übergabe des Hundes werde dadurch ersetzt, dass Herr XXX der Antragstellerin seinen Herausgabeanspruch gegenüber der Antragsgegnerin abtrete.
Mit Bescheid vom 29.02.2024 untersagte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin das Führen, Halten und Betreuen des streitgegenständlichen Hundes (Ziff. 1), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 des Bescheides an (Ziff. 2) und drohte gegen die Antragstellerin ein Zwangsgeld i.H.v. 500 Euro bei Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 des Bescheides an (Ziff. 3).
Zur Begründung führte sie aus, die Maßnahme stütze sich auf § 17 Abs. 4 S. 1, 2 NHundG i.V.m. § 2 NHundG i.V.m. § 11 NPOG i.V.m. § 6 Abs. 1 NPOG. Nach § 12 der Eufach0000000004VO sowie § 2 NHundG seien Tiere so zu halten, dass keine Gefahren von ihnen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgingen. Die beabsichtigte Haltung des Hundes durch die Antragstellerin begründe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Antragstellerin würde ihrem Lebensgefährten Herrn XXX den Zugriff auf den Hund ermöglichen. Von diesem sei zu erwarten, dass er den Dobermann "XXX" zum Angriff gegen Menschen einsetzen werde. Herr XXX werde seit 2016 zur Szene des islamistisch-jihadistischen Salafismus gerechnet. Er sei Mitglied einer achtköpfigen Gruppe in A-Stadt, gegen die wegen Terrorgefahr Maßnahmen vollstreckt worden seien. Herr XXX trete zudem seit 2010 regelmäßig strafrechtlich in Erscheinung und sei bereits mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Raubes. Gegenüber Rechtsgütern Dritter sei er gleichgültig, wie auch verschiedene von der Antragsgegnerin aufgeführte Vorfälle belegten. Den streitgegenständlichen Hund habe Herr XXX seit mehreren Monaten darauf trainiert, Menschen anzugreifen, dies unter anderem auf Schulhöfen und Kinderspielplätzen. Aufgrund der hohen Frequenz an Straftaten sei davon auszugehen, dass Herr XXX mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft straffällig und den Dobermann "XXX" bei Konflikten als Waffe einsetzen werde. Dass die Antragstellerin die gemeinsame Wohnung dauerhaft verlassen werde, sei angesichts der langjährigen Beziehung zu Herrn XXX und der Dauer des Zusammenwohnens sehr unwahrscheinlich. Der Auszug aus der gemeinsamen Wohnung sei ausschließlich zur Wiedererlangung des Hundes erfolgt und sei eine bloße Schutzbehauptung. Selbst bei einem tatsächlichen Auszug hätte Herr XXX weiterhin Zugriff auf den Hund.
Schließlich werde auch die Antragstellerin seit 2016 der Szene des islamistisch-jihadistischen Salafismus zugerechnet. Sie sei Mitglied der sog. Frauen-Ders-Gruppe. Sie habe zudem beabsichtigt, in Krisengebiete terroristischer Gruppierungen auszureisen, um dort Unterstützungshandlungen vorzunehmen.
Die in § 17 Abs. 4 S. 2 NHundG genannten sonstigen Maßnahmen seien gegenüber dem Hundehaltungsverbot nicht vorrangig. Eine bestimmte Reihenfolge an Maßnahmen gebe das Gesetz nicht vor. § 17 Abs. 4 S. 2 NHundG beinhalte eine lediglich beispielhafte Auflistung der Fälle, in denen die Haltung eines Hundes untersagt werden könne.
Die Antragstellerin sei als Zweckveranlasserin Verhaltensstörerin nach § 6 Abs. 1 NPOG, da davon auszugehen sei, dass sie ihrem Lebensgefährten Zugriff auf den Hund gewähren werde. Denn sie habe das bisherige Verhalten des Herrn XXX geduldet bzw. gebilligt. Sie sei insoweit "Strohfrau", da die Antragstellerin lediglich zur Umgehung des Hundehaltungsverbots ihres Lebensgefährten vorgeschoben werde.
Die Sicherstellung des Hundes sei auch weiter aufrechtzuerhalten. Denn es sei eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 26 Nr. 1 NPOG abzuwehren. Angesichts der Schwere des drohenden Schadens und der Intensität des Eingriffs seien geringere Anforderungen an die zeitliche Nähe des zu erwartenden Schadens zu stellen und eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben Dritter durch den drohenden Einsatz des Hundes als Waffe zu bejahen.
Die Anordnung sei die einzig wirksame Möglichkeit, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten. Sie sei geeignet, erforderlich und angemessen, um dieses Ziel zu verwirklichen. Das Schutzinteresse der Gesundheit von Menschen habe Vorrang vor den Rechten eines Hundehalters. Das Ermessen falle daher zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
Im Hinblick auf Ziff. 2 des Bescheids sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, § 64 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NPOG geboten, da das Leben und die Gesundheit anderer Menschen und Tiere sowie Eigentum und Vermögen anderer ein sofortiges Einschreiten der Behörde erforderten. Die Antragstellerin habe zu dieser Gefahrenprognose selbst Anlass gegeben.
Bezüglich Ziff. 3 des Bescheids sei die Zwangsgeldandrohung beruhend auf §§ 70, 64, 65, 67 NPOG geeignet, erforderlich und angemessen, die Durchsetzung der Anordnung unter Ziff. 1 zu gewährleisten. Die Antragstellerin habe das Abrichten des Hundes als Waffe und die mehrfachen Rechtsverstöße geduldet. Auch der Höhe nach sei die Zwangsgeldandrohung angemessen.
Die Antragstellerin hat am 06.03.2024 Klage (Aktenzeichen 1 A 50/24) erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist. Sie hat außerdem an demselben Tag um einstweiligen Rechtsschutz gegen die Verfügung nach dem Landeshundegesetz sowie die Zwangsgeldandrohung nachgesucht.
Sie ist der Auffassung, das Hundehaltungsverbot sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Sie trägt vor, eine Gefahr, die vom Hund ausgehe, sei nicht gegeben. Auch von ihr selbst gehe keine Gefahr aus. Sie kenne den Hund bereits lange. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin mit dem Hund nicht sachgemäß umgehe, gebe es nicht. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe seien falsch. Sie sei nicht Zweckveranlasserin. Von Herrn XXX gehe keine Gefahr aus. Herr XXX sei nicht der islamistisch-jihadistischen salafistischen Szene zurechenbar oder Mitglied einer achtköpfigen Göttinger Gruppe, bei der diverse Waffen aufgefunden worden seien. Er habe auch nicht den Hund darauf trainiert, Menschen anzugreifen. Zudem handele es sich bei der Annahme, die Antragstellerin würde den Hund dem Herrn XXX zur Verfügung stellen, um reine Spekulation. Sie habe Anfang Februar 2024 die gemeinsame Wohnung verlassen und sei zu ihrer ebenfalls in A-Stadt wohnenden Mutter gezogen. Sie beabsichtige, den Landkreis A-Stadt zu verlassen. Herr XXX habe nach Strafbefehl des AG A-Stadt vom 26.09.2023 (Az. 60 Cs 600 Js 41933/23 - 414/23) sowie Urteil des AG A-Stadt vom 21.03.2024 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (ohne Aussetzung zur Bewährung) zu verbüßen, sodass er nicht auf den Hund zugreifen könnte. Des Weiteren sei die Antragstellerin auch deshalb nicht Zweckveranlasserin, weil sie die Störung nicht bezwecke. § 17 Abs. 4 NHundG ermächtige nicht zu Anordnungen der Gefahrenvorsorge bzw. Gefahrerforschungsmaßnahmen im Vorfeld konkreter Gefahren. Die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts reiche nicht aus. Unabhängig davon gelte das Erfordernis der Zuverlässigkeit des Hundehalters, das sich in § 10 Abs. 1 Nr. 1b) NHundG finde, nur für gefährliche Hunde i.S.v. § 7 NHundG, zu denen "XXX" nicht gehöre.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziff. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 29.02.2024 wiederherzustellen und gegen Ziff. 3 anzuordnen
und
der Antragsgegnerin gem. § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO aufzugeben, ihr den Dobermann "XXX" (Chipnr.: 276095611051780) vorläufig herauszugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den Bescheid vom 29.02.2024. Ergänzend führt sie an, es sei trotz des Auszugs der Antragstellerin unglaubwürdig, dass sie die dauerhafte Wohnung mit Herrn XXX verlassen werde. Aufgrund der Dauer und Intensität der Beziehung sei davon auszugehen, dass Herr XXX auch weiterhin Zugriff auf den Hund erhielte.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten aus den Verfahren Az. 1 B 16/24 und 1 B 36/24 sowie auf den dort beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
II.
Der Eilantrag hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Antrag zu 1) ist zulässig und begründet. Der Antrag zu 2) ist unzulässig.
1.
Der Antrag zu 1) ist bezüglich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziff. 1 des Bescheids gem. § 80 Abs. 5 S. 1, Var. 2 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziff. 3 des Bescheids gem. § 80 Abs. 5 S. 1, Var. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO statthaft und auch sonst zulässig.
2.
Der Antrag zu 1) ist auch begründet. Denn die in materiell-rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Allgemeinheit aus. Das Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, da die Klage gegen die in Ziff. 1 und 3 angeordneten Maßnahmen in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird.
a)
Das in Ziff. 1 des Bescheids angeordnete Verbot des Führens, Haltens und Betreuens des Hundes "XXX" ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 17 Abs. 4 S. 1 bzw. S. 2 NHundG. Gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 NHundG können die zuständigen Behörden - hier die Antragsgegnerin gem. § 17 Abs. 1 S. 1 NHundG - die zur Einhaltung der Vorschriften des NHundG im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen. Nach § 17 Abs. 4 S. 2 NHundG kann die Gemeinde Hundehalterinnen und Hundehaltern das Halten des Hundes untersagen, insbesondere, wenn sie wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Geldstrafe von mehr als 60 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind (Nr. 1a).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 S. 1 bzw. S. 2 NHundG liegen jedoch nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob in Analogie zum Tierschutzrecht ausschließlich der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem die Verfügung erlassen worden ist (zu § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TierSchG unter Verweis auf das dort geregelte Wiedergestattungsverfahren etwa Nieders. OVG, Urt. v. 20.04.2016, Az. 11 LB 29/15, juris Rn. 35; Bay. VGH, Beschl. v. 08.05.2019, Az. 23 ZB 17.1908, juris Rn. 18 f.; zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieser Perspektive im Hinblick auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr vgl. nur Nieders. OVG, Beschl. v. 10.11.2010, Az. 11 LA 298/10, NVwZ-RR 2011, 141, 142; Weiner, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 2 Rn. 58, § 11 Rn. 14) oder nachträglich jedenfalls zugunsten des Betroffenen eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage für das gerichtliche Verfahren beachtlich sind, sodass insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz maßgebend ist (so für die Untersagung der Haltung eines Hundes aufgrund der Eigenschaft als Dauerverwaltungsakt: OVG NRW, Urt. v. 12.12.2023, Az. 5 A 3146/21, juris Rn. 38 ff. m.w.N.; VG Karlsruhe, Urteil v. 15.05.2014, Az. 3 K 2322/12, juris Rn. 43). Ebenfalls kann offenbleiben, ob ein Hundehaltungsverbot nur angeordnet werden darf, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 S. 1 als auch des S. 2 NHundG vorliegen. Denn bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung lagen die Voraussetzungen der vorgenannten Ermächtigungsgrundlagen jeweils nicht vor. Sie sind auch nicht bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren eingetreten.
aa)
Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 S. 1 NHundG im Zeitpunkt des Verfügungserlasses und liegen auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor.
(1.)
Zu den in § 17 Abs. 4 S. 1 NHundG in Bezug genommenen Vorschriften des Niedersächsischen Hundegesetzes zählt insbesondere § 2 NHundG. Hiernach sind Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Für den Gefahrenbegriff aus § 2 NHundG ist mangels spezialgesetzlicher Regelung auf das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) zurückzugreifen (vgl. Saipa in: Saipa/Beckermann/König/Reichert/Roggenkamp/Trips, NHundG, Stand: November 2021, § 2, Rn. 1). Nach § 2 Nr. 1 NPOG liegt eine Gefahr vor, wenn eine Sachlage gegeben ist, wonach im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird, wenn das Geschehen nicht rechtzeitig aufgehalten wird. Der Begriff "öffentliche Sicherheit" umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt (vgl. Ullrich in: BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Edition, Stand: 01.11.2023, § 2, Rn. 10). Der Begriff "öffentliche Ordnung" meint die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets anzusehen ist (vgl. Ullrich in: BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Edition, Stand: 01.11.2023, § 2, Rn. 41). Bei dem Begriff "hinreichende Wahrscheinlichkeit" eines Schadenseintritts handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem die Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit umso geringer sind, je höher der zu erwartende Schaden ist (vgl. Saipa in: Saipa/Beckermann/König/Reichert/Roggenkamp/Trips, NPOG, Stand: November 2021, § 2, Ziffer 2.1 unter Begriffsbestimmungen; Ullrich in: BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Edition, Stand: 01.11.2023, § 2, Rn. 56 mit Rechtsprechungsnachweisen). Umgekehrt reicht die bloße Denkmöglichkeit des Schadenseintritts für das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht aus (Isensee, in: Kischel/Kube, Handbuch des Staatsrechts, 1. A. 2023, § 16 Rn. 29). Eine Befugnis, Maßnahmen zur bloßen Gefahrenvorsorge bei reinem Gefahrenverdacht zu erlassen, besteht ohne eine spezielle gesetzliche Grundlage nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, Az. 6 CN 8/01, juris Rn. 30; ablehnend gegenüber sog. vorsorglichen Verwaltungsakten auch von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK-VwVfG, 63. Ed., Stand: 01.04.2023, § 35 Rn. 75; Saipa in: Saipa/Beckermann/König/Reichert/Roggenkamp/Trips, NHundG, Stand: November 2021, § 17, Rn. 6).
Zur Gefahrenabwehr kann nach den allgemeinen Regelungen des Niedersächsischen Poilzei- und Ordnungsbehördengesetzes insbesondere herangezogen werden, wer Verhaltensstörer gem. § 6 Abs. 1 NPOG oder Zustandsstörer gem. § 7 NPOG ist. Verhaltensstörer ist gem. § 6 Abs. 1 NPOG, wer eine Gefahr verursacht. Dies setzt eine unmittelbare Verursachung der Gefahr voraus (vgl. nur Mehde, in: Hartmann/Mann/Mehde, Landesrecht Niedersachsen, 4. A. 2023, § 4 Rn. 35; Ullrich, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 6 Rn. 15). Ausnahmsweise kann, wer nicht unmittelbarer Verursacher ist, jedoch durch sein Verhalten eine Situation herbeiführt, in der zwangsläufig von einem Dritten eine Gefahr ausgeht, als Zweckveranlasser als Verhaltensstörer herangezogen werden. Hierbei kommt es nicht auf subjektive Absichten des Betroffenen, sondern allein auf eine objektive Zwangsläufigkeit an. Die Mitveranlassung des Verhaltens und der Gefahrenerfolg müssen als natürliche Einheit erscheinen (zum Ganzen vgl. Ullrich, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 6 Rn. 19 und 24; Mehde, in: Hartmann/Mann/Mehde, Landesrecht Niedersachsen, 4. A. 2023, § 4 Rn. 35).
(2.)
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes spricht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass die Untersagung nicht erforderlich war, die Einhaltung der Vorschriften des Niedersächsischen Hundegesetzes sicherzustellen, da schon im Zeitpunkt des Verfügungserlasses keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit bzw. Ordnung im Sinne von § 2 NHundG vorlag, die von der Antragstellerin als Störerin ausgegangen wäre (zur Eigenschaft des Merkmals der "Erforderlichkeit" als Tatbestandsmerkmal in dem vergleichbar formulierten § 35 Abs. 1 GewO: Brüning, in: BeckOK-GewO, 61. Ed., Stand: 01.03.2024, § 35 Rn. 36). Von der Antragstellerin ging weder als Verhaltens- noch als Zustandsstörerin eine konkrete Gefahr aus. Die Verfügung beruht auf der rein hypothetischen Erwägung, dass die Antragstellerin die tatsächliche Gewalt über den Hund erlangen würde, und stellt insofern einen unzulässigen Gefahrerforschungseingriff dar.
(a)
Festzustellen ist zunächst, dass nicht genügend Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Antragstellerin unmittelbar durch ihr eigenes Verhalten als Verhaltensstörerin gem. § 6 Abs. 1 NPOG die öffentliche Sicherheit gefährdet, indem sie selbst den Hund zum Angriff gegen Menschen einsetzen würde. Die Angaben, die Antragstellerin sei zum Islam konvertiert, sei Mitglied der Frauen-Ders-Gruppe, habe mit der ehemaligen Ehefrau eines IS-Mitglieds einen Urlaub auf Malta verbracht und habe beabsichtigt, in ein islamisch geprägtes Land zu verreisen, genügen bei der im Eilverfahren allein möglichen und summarischen Prüfung nicht, um eine solche Schlussfolgerung mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad zu rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin selbst den Hund als Waffe gegen Menschen einsetzt, liegen nicht vor.
Die Antragstellerin konnte auch nicht als Zweckveranlasserin herangezogen werden. Die Antragstellerin hatte im Zeitpunkt des Verfügungserlasses nicht die tatsächliche Gewalt über den Hund inne und es war ihr nicht möglich, diese ihrem Lebensgefährten einzuräumen. Auch aus der ex-ante-Perspektive des handelnden Amtswalters bestanden nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die tatsächliche Sachherrschaft über den Hund erlangen würde und den Hund in der Folge an ihren Lebensgefährten weitergeben könnte. Im Zeitpunkt der Untersagung Ende Februar 2024 war der Dobermann "XXX" seit einem Monat sichergestellt und dessen anderweitige Unterbringung sowie Vermittlung an einen anderen Halter angeordnet worden. Weder der Antragstellerin noch ihrem Lebensgefährten waren Angaben darüber bekanntgegeben worden, wo der Hund untergebracht ist bzw. ob und an wen er gegebenenfalls weitervermittelt wird. Diese Informationen waren bzw. sind auch dem in den nachfolgenden Gerichtsverfahren beigezogenen Verwaltungsvorgang nicht zu entnehmen. Auch eine Erlangung der tatsächlichen Gewalt durch Erwerb im Rahmen einer möglichen öffentlichen Versteigerung des Hundes als Verwertung im Rahmen von § 28 Abs. 1 NPOG war und ist nicht zu befürchten. Nach § 28 Abs. 2 NPOG sollen zwar Personen, denen ein Recht an der Sache zusteht, vor der Verwertung gehört werden. Die Anordnung sowie die Zeit und der Ort der Verwertung sind ihnen nach dieser Norm mitzuteilen, soweit die Umstände und der Zweck der Maßnahmen es erlauben. Vorliegend lag es jedoch aufgrund der Annahmen, dass von Herrn XXX eine konkrete Gefahr ausging und dass die Antragstellerin aufgrund der engen Beziehung zu diesem den Hund an ihn weitergeben würde, nahe, derartige andere Umstände zu bejahen und die Informationen zu Zeit und Ort der Verwertung nicht an Herrn XXX oder die Antragstellerin bekanntzugeben.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte am 06.02.2024 vereinbart hatten, dass der Hund an die Antragstellerin durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ihres Lebensgefährten an sie übereignet werden solle. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt der handelnde Beamte rechtsirrigerweise davon ausging, dass die Übereignung wirksam war und ein Herausgabeanspruch des Herrn XXX und auch der Antragstellerin gem. § 29 Abs. 1 S. 1, 2 NPOG bestand (zur Unwirksamkeit der Übereignung vgl. Beschl. der Kammer v. 04.04.2024, Az. 1 B 36/24, juris Rn. 9 ff.; s. auch sogleich unter b)), stand eine Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft über den Hund durch die Antragstellerin nach erfolgter Sicherstellung des Hundes nicht bevor. Einen etwaigen ihr abgetretenen Herausgabeanspruch hätte die Antragstellerin zudem erst noch klageweise geltend machen müssen.
Die von der Antragsgegnerin zitierte höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den sog. Strohmann-Fällen im Gewerberecht lässt ebenfalls keine andere Schlussfolgerung zu. Hiernach kann eine Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 GewO in Strohmann-Fällen sowohl gegen den Strohmann als auch gegen den hinter diesem Stehenden ausgesprochen werden. Dies setzt voraus, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2003, Az. 6 C 10.03, juris Rn. 25; BVerwG, Urt. v. 02.02.1982, Az. 1 C 20.78, juris Rn. 21). Dies impliziert, dass das Gewerbe im entscheidungserheblichen Zeitpunkt tatsächlich ausgeübt wird (BVerwG, Urt. v. 14.07.2003, Az. 6 C 10.03, juris Rn. 26). Unabhängig davon, ob diese Rechtsprechung auf das Hunderecht übertragbar ist, übte die Antragstellerin im Zeitpunkt des Verfügungserlasses die tatsächliche Gewalt über den Hund nicht aus.
(b)
Die Verfügung konnte auch nicht gegen die Antragstellerin als Zustandsstörerin gerichtet werden.
Als Zustandsstörer herangezogen werden kann gem. § 7 Abs. 1 NPOG, wer die tatsächliche Gewalt über ein Tier oder eine Sache innehat, oder nach Abs. 2, wer Eigentümer oder sonst an der Sache berechtigt ist. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass die Gefahr von dem Tier bzw. der Sache ausgeht.
Es kann dahinstehen, ob § 7 NPOG überhaupt anwendbar ist, wenn die Gefahr nicht unmittelbar von der Sache selbst ausgeht, sondern - wie hier das Trainieren des an sich nicht als gefährlich festgestellten Hundes als Waffe durch Herrn XXX - erst durch den Umgang eines Dritten mit der Sache begründet wird (hiergegen jedenfalls für den Fall einer Gefährdung, die auf unbefugter oder nicht bestimmungsgemäßer Benutzung bzw. Missbrauch der Sache durch Dritte beruht: BVerwG, Urt. v. 04.10.1985, Az. 4 C 76.82, juris Rn. 20 f.; Ullrich, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 7 Rn. 10 m.w.N.).
Denn die Antragstellerin hatte im Zeitpunkt der Verfügung nicht die tatsächliche Gewalt über den Hund im Sinne von § 7 Abs. 1 NPOG inne, da der Hund bereits sichergestellt und in Verwahrung genommen war.
Sie war ferner nicht Eigentümerin des Hundes oder sonst an diesem berechtigt im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1 NPOG. Ihr wurde das Eigentum am Hund nicht am 06.02.2024 wirksam übertragen. Ein Herausgabeanspruch des Herrn XXX gem. § 29 Abs. 1 S. 1 NPOG, den dieser gem. §§ 929 S. 1, 931 BGB an die Antragstellerin hätte abtreten können, bestand nicht. Denn die Sicherstellung war voraussichtlich rechtmäßig (vgl. Beschl. der Kammer v. 04.04.2024, Az. 1 B 16/24, juris Rn 32 ff.). Zudem war eine Abtretung des Herausgabeanspruchs rechtlich nicht möglich, da der Vollzug der Sicherstellung ein relatives Veräußerungsverbot gem. §§ 135, 136 BGB begründete, ferner der Herausgabeanspruch aus § 29 Abs. 1 NPOG höchstpersönlich und daher bereits an sich nicht abtretbar ist und schließlich der Wegfall der Voraussetzungen der Sicherstellung aufgrund der Gesetzessystematik von § 29 Abs. 1 S. 1 und S. 2 NPOG gerade nicht durch Abtretung des Herausgabeanspruchs herbeigeführt werden kann (vgl. Beschl. der Kammer v. 04.04.2024, Az. 1 B 36/24, juris Rn. 9 ff.; Bay. VGH, Urt. v. 22.05.2017, Az. 10 B 17.83, juris Rn. 32 f.).
Des Weiteren hatte die Antragstellerin kein "sonstiges Recht" an dem Hund im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1, Var. 2 NPOG inne. Erforderlich ist eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache, die mit der Berechtigung verbunden sein muss. Sowohl dingliche als auch schuldrechtliche Rechte an der Sache, wie etwa ein Mietrecht, sind umfasst (Ullrich, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 7 Rn. 11; Pewestorf, in: Ders./Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht/ASOG, 2. A. 2017, § 14 Rn. 15). Ein dingliches Recht im Sinne eines Anwartschaftsrechts stand der Antragstellerin nicht zu. Ein solches setzt voraus, dass bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtsgeschäfts bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Erwerber eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, die der andere nicht mehr einseitig zerstören kann (vgl. Rövekamp, in: BeckOK-BGB, 70. Ed., Stand: 01.05.2024, § 158 Rn. 26). Da die Übereignung aufgrund des Veräußerungsverbots gem. §§ 135, 136 BGB nicht wirksam werden konnte (vgl. Beschl. der Kammer v. 04.04.2024, Az. 1 B 36/24, juris Rn. 10 f.), hatte die Antragstellerin eine solche gefestigte Rechtsposition nicht inne. Des Weiteren stand ihr auch kein obligatorisches Recht an der Sache zu. Es kann dahinstehen, ob ein Herausgabeanspruch gem. § 29 Abs. 1 S. 2 NPOG ein solches Recht im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 1 NPOG darstellt. Denn ein Herausgabeanspruch gem. § 29 Abs. 1 S. 2 NPOG bestand mangels Wegfalls der Voraussetzungen für die Sicherstellung nicht (vgl. Beschl. der Kammer v. 04.04.2024, Az. 1 B 16/24, juris Rn. 35). Auch verfügte die Antragstellerin nicht über ein obligatorisches Recht an dem Hund aufgrund der Schenkung vom 06.02.2024. Unabhängig davon, ob auch Eigentumsverschaffungsansprüche ein Recht im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 1, Var. 2 NPOG begründen, kann nicht auf den Schenkungsvertrag rekurriert werden. Denn dieser war mangels notarieller Beurkundung des Schenkungsversprechens gem. § 518 Abs. 1 S. 1 BGB formnichtig gem. §§ 125 S. 1, 128 BGB. Der Formmangel wurde nicht durch Bewirkung der versprochenen Leistung gem. § 518 Abs. 2 BGB geheilt. Ein Bewirken der Leistung ist dann anzunehmen, wenn der Schenker alle seinerseits erforderlichen Leistungshandlungen vorgenommen hat (Gehrlein, in: BeckOK-BGB, 70. Ed., Stand: 01.05.2024, § 518 Rn. 6 m.w.N.). Grundsätzlich genügt zwar bei einer Abtretung zur Heilung des Formmangels die auf den Abschluss des Abtretungsvertrags nach § 398 BGB gerichtete Erklärung des Schenkers (Harke, in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.04.2024, § 518 Rn. 32). Dies setzt jedoch voraus, dass die Forderung im Zeitpunkt der Abtretung bestand (Harke, in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.04.2024, § 518 Rn. 32). Hieran fehlte es, denn der Antragsteller besaß - wie ausgeführt - keinen Herausgabeanspruch gegen die Antragsgegnerin gem. § 29 Abs. 1 S. 1 NPOG.
bb)
Ebenfalls fehlte es nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung im Hinblick auf § 17 Abs. 4 S. 2 NHundG an der Hundehaltereigenschaft der Antragstellerin im Zeitpunkt des Verfügungserlasses. Hundehalter ist, wer die Bestimmungsmacht über das Tier innehat und die maßgeblichen Kosten des Tieres aus eigenem Interesse bestreitet. Ferner muss der Betroffene den allgemeinen Wert sowie Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nehmen sowie das Risiko des Verhaltens des Tieres und seinen Verlust tragen (Saipa, in: Ders. u.a., NHundG, Stand: 29. Nachlieferung, Nov. 2022, § 1 Rn. 5).
Unabhängig von den gegen die Haltereigenschaft der Antragstellerin sprechenden Eigentumsverhältnissen, die jedenfalls ein Indiz bilden können (Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. A. 2024, § 833 Rn. 34), ergibt sich bei der gebotenen summarischen Prüfung im Eilverfahren, dass der Lebensgefährte der Antragstellerin, welcher dieser auch am 06.02.2024 das Eigentum übertragen wollte, die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Hund innehatte. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin inzwischen eine Sachkundeprüfung durchgeführt hat, genügt nicht, um eine tatsächliche Gewalt über den Hund zu begründen. Auch bestritt die Antragstellerin nicht die maßgeblichen Kosten. Nach übereinstimmendem Vortrag der Antragstellerin und Antragsgegnerin trug Erstere allenfalls die Kosten der Haftpflichtversicherung, nicht aber die Kosten für die Lebenshaltung, wie Nahrung und Tierarztbesuche.
b)
Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich ebenfalls rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.
Gemäß § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 67 Abs. 1, 70 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 NPOG kann die Ordnungsbehörde einen Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, durch Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes durchsetzen, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.
Dies setzt für die Rechtmäßigkeit im gestreckten Verfahren nach § 64 Abs. 1 NPOG die Wirksamkeit der Grundverfügung voraus (Pewestrof, in: Ders. u.a., Polizei- und Ordnungsrecht, 2. A. 2017, S. 608 Rn. 59; Saipa/Roggenkamp/König, in: Saipa u.a., NPOG, Stand: Sept. 2020, § 64 Rn. 2). Bei der im Eilverfahren vorzunehmenden Prognose der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist aufgrund der voraussichtlichen ex tunc wirkenden Aufhebung der Untersagungsverfügung (s.o., 2. a)) vom Fehlen einer wirksamen Grundverfügung auszugehen (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 04.07.2017, Az. 12 ME 77/17, juris Rn. 21).
3.
Der Antrag zu 2) auf vorläufige Herausgabe des Hundes gem. § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO ist unzulässig. Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO. Die Möglichkeit, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf vorläufige Herausgabe des Hundes als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch gem. § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO zusteht, ist ausgeschlossen.
Nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO kann das Gericht, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist und der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO Erfolg hat, die Aufhebung der Vollziehung des Verwaltungsaktes anordnen. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch wird in der Norm selbst vorausgesetzt und hat seine Rechtsgrundlage in §§ 12, 862, 1004 BGB analog i.V.m. der Abwehrfunktion der Grundrechte bzw. dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gem. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. A. 2023, § 113 Rn. 81). Er entsteht kraft materiellen Rechts mit der Aufhebung des jeweiligen Verwaltungsaktes und ist gerichtet auf Beseitigung der unmittelbaren, noch andauernden Folgen der Vollziehung des aufgehobenen Verwaltungsaktes, d.h. auf Wiederherstellung des Zustands, der vorher bestanden hatte (Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. A. 2023, § 113 Rn. 80). Unabhängig von der Frage, ob der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch in Abgrenzung zum Herausgabeanspruch aus § 29 NPOG voraussetzt, dass die Sicherstellung von Anfang an rechtswidrig war, ist er jedenfalls nur einschlägig, wenn der Grundverwaltungsakt nichtig oder aufgehoben worden ist (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. A. 2013, S. 380). Sinn der Regelungen in § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO bzw. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO ist es insofern, in diesen Fällen dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch bereits geltend zu machen, bevor die Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsaktes rechtskräftig geworden ist. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist insofern zum Aufhebungsanspruch akzessorisch (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. A. 2013, S. 380). In Abgrenzung dazu ist der Herausgabeanspruch aus § 29 NPOG einschlägig, wenn die Voraussetzungen der Sicherstellung nachträglich wegfallen (vgl. Neuhäuser, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 29 Rn. 3a; Beckermann, in: Saipa u.a., NPOG, Stand: Okt. 2019, § 29 Rn. 1 f.). Er ist daher allein über die allgemeine Leistungsklage durchsetzbar (Neuhäuser, in: BeckOK-Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed., Stand: 01.11.2023, § 29 Rn. 29).
Ausgehend davon kommt der vorliegend allein geltend gemachte Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch offensichtlich bereits deshalb nicht zum Tragen, weil das streitgegenständliche Hundehaltungsverbot gegenüber der Antragstellerin nicht Grundlage für die Inverwahrungnahme des Hundes und letztere umgekehrt nicht Vollzugsfolge des Hundehaltungsverbotes gegenüber der Antragstellerin ist (vgl. zu diesem Kausalitätserfordernis Emmenegger, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 5. A. 2021, § 113 Rn. 78). Die Inverwahrungnahme des Hundes beruht vielmehr auf der Sicherstellung des Hundes vom 29.01.2024, die in diesem Verfahren schon nicht angegriffen wurde und die gegenüber Herrn XXX erfolgt ist.
4.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1, Alt. 2 VwGO. Die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte der Antragstellerin und der Antragsgegnerin aufzuerlegen, ist sachgerecht, da der zulässige und begründete Antrag zu 1) sowie der unzulässige Antrag zu 2) gleich zu gewichten sind. Der Antrag zu 1) enthält zwar zwei Anträge und ist Voraussetzung für den im Antrag zu 2) geltend gemachten Annexanspruch. Mit dem Antrag zu 2) verfolgt die Antragstellerin jedoch ihr hauptsächliches Interesse, den Hund (vorläufig) wiederzuerlangen.
5.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.1.1, Ziff. 1.5, Ziff. 1.7.2 und Ziff. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Für den Antrag zu 1) ist der sich für das Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Anfechtung der Untersagungsverfügung gem. §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 35.1 des vorgenannten Streitwertkatalogs ergebende Streitwert i.H.v. 5.000,-- Euro für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des vorgenannten Streitwertkatalogs auf den Betrag von 2.500,-- Euro zu halbieren. Im Hinblick auf die mit dem Antrag zu 1) zugleich angegriffene Zwangsgeldandrohung folgt aus Ziff. 1.7.2 des vorbezeichneten Streitwertkatalogs, dass diese für die Streitwertberechnung außer Betracht bleibt.
Für den mit dem Antrag zu 2) geltend gemachten Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist gem. §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 des vorgenannten Streitwertkatalogs ebenfalls die Hälfte des Auffangstreitwerts zugrunde zu legen.
Die jeweiligen Streitwerte für die Anträge zu 1) und zu 2) sind gem. § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.1.1 des vorbezeichneten Streitwertkatalogs zu addieren, da die beiden Anträge zwar aufgrund des Annexcharakters des Antrags zu 2) in Zusammenhang stehen, sie jedoch jeweils einen selbstständigen materiellen Gehalt haben. Denn der mit dem Antrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Herausgabe des Hundes geht über die Anfechtung der Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung durch den Antrag zu 1) hinaus.