Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.07.2012, Az.: L 3 KA 77/11
Beteiligung eines belegärztlich tätigen Nephrologen am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.07.2012
- Aktenzeichen
- L 3 KA 77/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 32314
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0725.L3KA77.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 04.05.2011 - AZ: S 24 KA 530/09
Rechtsgrundlage
- § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
Belegärztlich tätige Nephrologen haben wegen der ihnen obliegenden Verpflichtungen im Rahmen des Dialysebereitschaftsdienstes keinen Anspruch auf Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 4. Mai 2011 werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des zweiten Rechtszuges jeweils zur Hälfte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für die früheren Verfahren L 3 KA 77/11 und L 3 KA 78/11 auf jeweils 5.000,- Euro und für das verbundene Verfahren L 3 KA 77/11 auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Befreiung der Kläger von der Verpflichtung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst.
Die Kläger sind als Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die vertragsärztliche Tätigkeit üben die Kläger zusammen mit drei weiteren Nephrologen in der Organisationsform einer Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in Lingen sowie in einer Zweigpraxis in Meppen aus. Zugleich sind sie - ebenso wie ihre Gemeinschaftspraxispartner - als Belegärzte am G. in Lingen tätig.
Zusammen mit den Gemeinschaftspraxispartnern beantragten sie unter dem 27. November 2008 bei der Beklagten die Anerkennung des Bereitschaftsdienstes als fachärztlichen Bereitschaftsdienst sowie die Befreiung vom allgemeinen Bereitschaftsdienst. Die Ärzte wiesen darauf hin, dass sie bereits einen freiwilligen fachärztlichen nephrologischen Bereitschaftsdienst über 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr sicherstellen würden.
Mit ihren Bescheiden vom 25. Februar 2009 lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern den Antrag ab. Die Beklagte wies darauf hin, dass dem Befreiungsantrag eines Nephrologen mit Dialysebetrieb nur dann stattzugeben sei, wenn dieser seine Dauerbereitschaftsverpflichtung nach der "Vereinbarung zur Ausführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren (Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren (BlutreinigungsVf-VB))" allein versehe. Die Betreuung durch die Kläger könne jedoch nicht als besondere Verpflichtung angesehen werden, da diese die Betreuung jeweils zusammen mit ihren Gemeinschaftspraxispartnern durchführten. Nach § 8 Abs 5 der Bereitschaftsdienstordnung (BDO) der Beklagten entbinde ein freiwillig angebotener fachärztlicher Bereitschaftsdienst nicht von der Pflicht zur Teilnahme am allgemeinen Bereitschaftsdienst. Die beantragte Einrichtung eines fachärztlich-nephrologischen Bereitschaftsdienstes sei nach § 8 Abs 1 und 3 BDO abzulehnen, da im betroffenen Landkreis Emsland keine ausreichende Anzahl von Ärzten des Fachgebiets zur Verfügung stünde. Daher sei auch eine Befreiung vom allgemeinen Bereitschaftsdienst abzulehnen.
Die Widersprüche der Kläger vom 25. März 2009 wies die Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009 zurück. Sie begründete dies insbesondere damit, dass durch die Tätigkeit der Kläger als Belegärzte am G. kein Tatbestand für die Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst erfüllt sei. Da an dem Belegarztkrankenhaus mehr als zwei nephrologische Belegärzte tätig seien, sei eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst allein wegen der Belegarzttätigkeit gemäß § 7 Abs 3 S 2 BDO ausgeschlossen. Es bestehe kein Anspruch auf die Einrichtung eines fachärztlichen Bereitschaftsdienstes, damit den Klägern eine Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst erteilt werden könne. Es bestehe auch kein Bedarf für die Einrichtung eines fachärztlichen nephrologischen Bereitschaftsdienstes, weil jede Dialysepraxis bereits nach den BlutreinigungsVf-VB zur Vorhaltung eines Dialysebereitschaftsdienstes für die eigenen Patienten verpflichtet sei. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig davon, ob ein fachärztlich-nephrologischer Bereitschaftsdienst öffentlich-rechtlich eingerichtet werde, sodass für die zusätzliche Einrichtung eines solchen Bereitschaftsdienstes kein Bedarf gesehen werden könne. Darüber hinaus sei vorliegend auch nicht die praktische Durchführung eines nephrologischen Bereitschaftsdienstes im Landkreis Emsland gewährleistet, weil hierfür nicht genügend Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur Verfügung stünden und von den Patienten zu weite Wegstrecken zurückzulegen wären. Sonstige schwerwiegenden Gründe iS von § 7 Abs 2 Buchst b BDO, die eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst rechtfertigen könnten, seien ebenfalls nicht gegeben. Von einer unzumutbaren Doppelbelastung könne allenfalls dann ausgegangen werden, wenn ausschließlich einer der Kläger eine Dialysepraxis betriebe und allein für die Notfallversorgung sorgen müsste.
Die Kläger haben - zunächst getrennt - unter Beibehaltung ihres Begehrens am 29. September 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Die Voraussetzungen für die Errichtung eines fachärztlich-nephrologischen Bereitschaftsdienstes seien gegeben. Der Einwand der Beklagten, dass die praktische Durchführbarkeit des fachärztlich-nephrologischen Bereitschaftsdienstes nicht gewährleistet sei, könne mit dem Hinweis entkräftet werden, dass die geforderte Mindestanzahl von sechs Vertragsärzten grundsätzlich erfüllt sei. Zudem bestehe ein Bedarf an der Einrichtung eines fachärztlich-nephrologischen Bereitschaftsdienstes unabhängig vom Dialysebereitschaftsdienst aufgrund der BlutreinigungsVf-VB. Die Beklagte habe sich beim Erlass des Ablehnungsbescheides von sachfremden Erwägungen leiten lassen; sie habe die anderen nephrologischen Vertragsärzte im Landkreis Emsland, die ihr bekannt sein müssten, unberücksichtigt gelassen. Darüber hinaus sei mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz in Art 3 Grundgesetz (GG) ein Ermessensfehler festzustellen. Im Vergleich mit anderen niedergelassenen Ärzten, denen ein eigener Bereitschaftsdienst eingeräumt worden sei, käme es zu einer gleichheitswidrigen Behandlung der Kläger. Folge sei auch, dass den Anträgen der Kläger auf Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst stattzugeben sei. Zudem hätten die Kläger auf Grund ihrer Tätigkeit als Belegärzte einen Anspruch auf Befreiung. Neben der allgemeinen belegärztlichen Tätigkeit versähen sie, insbesondere an den Feiertagen und am Wochenende, Dienst auf der Belegstation des H. in Lingen. Sie stellten dabei als Belegärzte die Notdienstbereitschaft für die stationär untergebrachten Patienten sicher. Darüber hinaus würden sie die Notfallbehandlung für Patienten aus den Dialysepraxen der Städte Papenburg, Vechta und Diepholz übernehmen. Die BDO verstoße zudem gegen das Übermaßverbot des Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 S 1 GG. Es sei unzumutbar, Belegärzte am ambulanten Bereitschaftsdienst zu beteiligen, wenn diese am Wochenende und an Feiertagen während ihres Bereitschaftsdienstes im Krankenhaus auch Eilfälle behandelten und hierdurch in vergleichbarer Weise wie die am ambulanten Bereitschaftsdienst teilnehmenden anderen niedergelassenen Ärzte in Anspruch genommen würden. § 7 Abs 3 BDO stelle deshalb einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Folge der Nichtigkeit der Vorschrift sei, dass eine Befreiung von der Teilnahmepflicht weder auf diese Vorschrift gestützt noch aufgrund dieser Vorschrift versagt werden könnte. Demgegenüber sei ein sonstiger schwerwiegender Grund iS von § 7 Abs 2 BDO anzunehmen, da die Kläger praktisch rund um die Uhr als Dialysearzt tätig seien. Die Versorgung der 200 Dialysepatienten an zwei Standorten und die Versorgung von 100 nierentransplantierten Patienten in Lingen und Meppen werde ausschließlich durch die klägerische Gemeinschaftspraxis sichergestellt. Die Kläger gerieten durch die Teilnahme am allgemeinen Bereitschaftsdienst und die ihnen durch die BlutreinigungsVf-VB auferlegten Pflichten in eine unauflösbare Pflichtenkollision. Während des allgemeinen hausärztlichen Bereitschaftsdienstes müsste der diensthabende Arzt zusätzlich die Dialysepatienten behandeln. Er stünde damit immer wieder vor der Entscheidung, welche Behandlung vorzugswürdig sei. Eine Vertretung durch den gerade nicht zum Bereitschaftsdienst eingeteilten Kollegen im Bereitschaftsdienst für die Belegpatienten oder dem Dialysebereitschaftsdienst sei nicht möglich. § 7 Abs 2 BDO verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG und sei ebenfalls nichtig. Trotz der bestehenden Unterschiede hinsichtlich Art und Dauer ihrer Tätigkeit im Vergleich zu den übrigen Vertragsärzten mit fachärztlicher Ausrichtung würden die Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zum allgemeinen Bereitschaftsdienst herangezogen.
Das SG hat die beiden Klagen jeweils mit Urteil vom 4. Mai 2011 - mit überwiegend identischer Begründung - abgewiesen. Die Beklagte habe es mit Recht abgelehnt, die Kläger nach § 8 Abs 1 BDO vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst zu befreien oder einen fachärztlichen Bereitschaftsdienst für Nephrologie im Bezirk der Bezirksstelle Osnabrück der Beklagten einzurichten. Für die Einrichtung eines fachärztlich-nephrologischen Bereitschaftsdienstes bestehe kein Bedarf, da jede Dialysepraxis bereits nach der BlutreinigungsVf-VB zur Vorhaltung eines Dialysebereitschaftsdienstes für die eigenen Patienten verpflichtet sei. Ein Bedarf sei auch deshalb nicht ersichtlich, weil eine Auswertung der Abrechnungsunterlagen der Gemeinschaftspraxis der Kläger ergeben habe, dass binnen eines Jahres (Quartal IV/2008 bis III/2009) lediglich in acht Fällen die Nrn 01100 oder 01101 (unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zur Abrechnung gekommen seien. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass diese geringe Fallzahl während der üblichen Zeit des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes ein starkes Indiz dafür sei, dass kein Bedarf für die Einrichtung eines nephrologischen Bereitschaftsdienstes bestehe. Eine Befreiung allein wegen der Belegarzttätigkeit komme nicht in Betracht, wenn mehr als zwei Belegärzte des gleichen Fachgebietes an dem Krankenhaus tätig seien. Jeweils mit den Klägern und den Gemeinschaftspraxispartnern seien insgesamt fünf Nephrologen als Belegärzte am G. in Lingen tätig. Die Verpflichtung der Gemeinschaftspraxis der Kläger gem § 5 Abs 4 der BlutreinigungsVf-VB zur Vorhaltung eines Dialysebereitschaftsdienstes sei kein schwerwiegender Grund iS von § 7 Abs 2 NDO. Diese Verpflichtung teilten sich die Kläger mit ihren Praxispartnern. Es bleibe den Klägern auch unbenommen, den Notdienst durch einen von ihnen bestellten Vertreter verrichten zu lassen. Ein Verstoß der NDO gegen Art 3 Abs 1, 12 Abs 1 GG sei nicht ersichtlich. Gerade der Gleichheitssatz verbiete unter den genannten Umständen eine Bevorteilung der Kläger gegenüber ihren ebenso zum Notdienst verpflichteten Kollegen; diese wären im Falle ihrer Befreiung höher belastet. Die grundsätzlich alle niedergelassenen Ärzte treffende Pflicht Notdienste abzuleisten, sei als Ausfluss der allgemeinen Sozialbindung der vertragsärztlichen Berufsausübung anzusehen.
Gegen die am 27. Mai 2011 bzw am 30. Mai 2011 zugestellten Urteile haben die Kläger am 27. Juni 2011 bzw 29. Juni 2011 bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt. Durch Beschluss vom 25. Juli 2012 sind die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Die Kläger tragen vor: Ein Anspruch auf Einrichtung eines fachärztlichen Bereitschaftsdienstes mit der Folge eines Anspruchs auf Befreiung vom allgemeinen Notfalldienst sei zu bejahen. Unzutreffend sei die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 NDO bereits aufgrund des Tatbestandsmerkmales "Fachgebiet" abzulehnen seien. Die Auswertung der Abrechnungsunterlagen der Gemeinschaftspraxis sei keine geeignete Maßnahme zur Prüfung des Bedarfs für die Einrichtung eines nephrologischen Bereitschaftsdienstes. Die Auswertung von vier Quartalen sei nicht geeignet, um dauerhaft für die Zukunft den entsprechenden Bedarf für einen fachärztlichen Bereitschaftsdienst abzulehnen. Sofern das SG einen aus der Belegarzttätigkeit resultierenden Befreiungsanspruch ablehne, verkenne es, dass § 7 Abs 3 S 2 NDO teleologisch zu reduzieren sei. Sinn und Zweck sei es, den Belegarzt zu entlasten, da er verpflichtet sei, die Notdienstbereitschaft für seine stationär untergebrachten Patienten sicherzustellen. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig von der Anzahl der am Krankenhaus als Belegärzte tätigen Nephrologen.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 4. Mai 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. Februar 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie von der Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidungen für zutreffend und verweist im Übrigen auf die erstinstanzlichen Entscheidungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen der Kläger sind zulässig, aber unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht in seinen Urteilen vom 4. Mai 2011 einen Anspruch der Kläger auf Befreiung von der Verpflichtung des Notfalldienstes abgelehnt.
Da statthafte Klageart für das Begehren der Kläger die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl, § 54 Rn 34). Heranzuziehen ist demnach die BDO vom 17. Februar 2007 in der Fassung vom 19. November 2011, die am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist.
Grundsätzlich nehmen am Bereitschaftsdienst nach § 5 Abs 1 BDO alle zugelassenen Vertragsärzte sowie in medizinischen Versorgungszentren oder bei Vertragsärzten angestellte Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, teil. Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis werden so häufig zum Bereitschaftsdienst herangezogen, wie es der Zahl der niedergelassenen Ärzte der Gemeinschaftspraxis entspricht (§ 5 Abs 3 BDO). Eine Befreiung vom Notfalldienst kann allein unter den in § 7 BDO normierten Voraussetzungen erfolgen. Jedoch sind vorliegend sämtliche in Betracht kommende Befreiungstatbestände nicht gegeben.
1) Der Umstand, dass die Kläger durch die belegärztliche Tätigkeit im I. einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt sind, kann eine Befreiung nicht rechtfertigen. Nach § 7 Abs 3 BDO können Belegärzte auf Antrag vom Bereitschaftsdienst befreit werden, sofern sie für ihre Belegpatienten den Bereitschaftsdienst allein ausüben und ihre ambulante Bereitschaftsdienstleistung für Sicherstellungszwecke nicht erforderlich ist. Eine Befreiung kommt dagegen dann nicht in Betracht, wenn mehr als zwei Belegärzte des gleichen Fachgebietes an einem Krankenhaus tätig sind. Die Kläger üben die belegärztliche Tätigkeit und den aus dieser Tätigkeit resultierenden belegärztlichen Bereitschaftsdienst gemeinsam mit ihren Gemeinschaftspraxispartnern aus, die ebenso wie die Kläger über eine Qualifikation im Schwerpunktbereich "Nephrologie" verfügen. Insofern liegen bereits die Voraussetzungen dieses Befreiungstatbestandes nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vor.
Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift im von den Klägern beanspruchten Sinne, dass nämlich unabhängig von der Anzahl der Belegärzte allein der Entlastungsgesichtspunkt ausschlaggebend sei, kommt bereits unter Berücksichtigung der Bedeutung des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes und aufgrund des Umstandes, dass die belegärztliche Tätigkeit aufgrund einer freiwilligen Entscheidung des Arztes ausgeübt wird, nicht in Betracht (vgl so im Ergebnis auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. September 2009 - L 5 KA 20/08 - juris). Hinzukommt, dass die Befreiung aufgrund von belegärztlicher Tätigkeit ausdrücklich nicht den Befreiungstatbeständen des § 7 Abs 2 BDO, die an das Vorliegen schwerwiegender Gründe anknüpfen, zugeordnet, sondern in einem eigenen Befreiungstatbestand geregelt ist. Aus der vom Normgeber gewählten Systematik lässt sich schlussfolgern, dass der belegärztliche Bereitschaftsdienst gerade nicht mit den anderen Bereitschaftsdiensten gleichzusetzen ist, sondern nur bei Vorliegen der in § 7 Abs 3 NDO geregelten Voraussetzungen zu einer Befreiung führen kann. Den Klägern ist mit Blick auf die kooperative Ausübung der Belegarzttätigkeit und die daraus resultierende Dienstfrequenz eine uneingeschränkte Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst zuzumuten. Dieses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). So hat das BSG bereits 1977 entschieden, dass die Verpflichtung eines Vertragsarztes, am Bereitschaftsdienst eines Krankenhauses teilzunehmen, nichts an seiner Pflicht zur Mitwirkung am vertragsärztlichen Not- bzw Bereitschaftsdienst ändert. Dabei hat es klargestellt, dass die anderslautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 12. Dezember 1972 (BVerwGE 41, 261, 270 [BVerwG 12.12.1972 - BVerwG I C 30.69]) - auf die sich die Kläger berufen - wegen der gesteigerten Pflichtenstellung in der vertragsärztlichen Versorgung nicht einschlägig ist. Darüber hinaus hat es dargelegt, dass die Tätigkeit eines Vertragsarztes als Belegarzt nicht zur Beeinträchtigung seiner vertragsärztlichen Pflichten führen darf, zu denen die Teilnahme am Bereitschaftsdienst zählt (zu alledem BSG SozR 2200 § 368n Nr 13). Dieses Ergebnis hat es in seinem Urteil vom 18. Oktober 1995 (6 RKa 66/94 - juris) bestätigt, in dem es dargelegt hat, dass auch die postoperative Betreuung der von einem Chirurgen ambulant operierten Patienten keinen Grund für die Befreiung vom Bereitschaftsdienst darstellt. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine belegärztliche Tätigkeit nicht ohne Weiteres zur Befreiung von der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst führen kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. August 2011 - L 11 KA 57/11 B ER - juris), und zwar ausdrücklich auch für den Fall der Tätigkeit vertragsärztlicher Nephrologen in einer Dialyseeinrichtung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. September 2011 - L 11 KA 41/11 B ER - juris).
2) Weitere "schwerwiegende Gründe" im Sinne von § 7 Abs 2 BDO, die einen Anspruch der Kläger auf Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst rechtfertigen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Nach dieser Vorschrift ist eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst - ganz oder teilweise - nur aus schwerwiegenden Gründen möglich, insbesondere wenn a) der Arzt wegen einer nachgewiesenen Krankheit oder körperlichen Behinderung hierzu nicht in der Lage ist und sich die Krankheit oder körperliche Behinderung nachhaltig auf den Praxisumfang auswirkt, b) ihm aufgrund besonderer familiärer oder anderer Verpflichtungen die Teilnahme nicht zuzumuten ist, c) für Ärztinnen ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft und bis zu 12 Monate nach der Entbindung sowie für weitere 24 Monate, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet, d) für Ärzte an dem Tag der Geburt des Kindes für einen Zeitraum von 36 Monaten, soweit nicht der andere Elternteil die Versorgung des Kindes gewährleistet.
Zwar kann diese Vorschrift - insbesondere aufgrund der nicht abschließend gemeinten Aufzählung von Regelbeispielen - dahingehend gedeutet werden, dass eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst im Einzelfall aus (schwerwiegenden) Entlastungsgründen zulässig sein muss. Allerdings ist dem SG im Ergebnis dahingehend zuzustimmen, dass die von den Klägern geltend gemachten besonderen Pflichten, die sie ua nach der BlutreinigungsVf-VB gegenüber ihren Patienten haben, nicht zur Annahme eines schwerwiegenden Grundes im Sinne der BDO führt. Richtig ist zwar, dass den im Schwerpunktbereich tätigen Ärzte, auch an den Wochenenden und den übrigen sprechstundenfreien Zeiten eine gesteigerte Betreuungspflicht gegenüber den Patienten trifft (vgl § 5 Abs 4 BlutreinigungsVf-VB) und hierin ein Umstand zu sehen ist, der es dem Arzt im Vergleich zu anderen Ärzten erschwert, die Teilnahme am Notdienst mit den sonstigen Verpflichtungen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit in Einklang zu bringen. Das BSG hat allerdings in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (vgl ua BSGE 33, 165, 166 [BSG 19.10.1971 - 6 RKa 24/70]; 44, 252, 257 f). Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist deshalb auch dann hinzunehmen, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen "schwerwiegender Gründe" kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 6 RKa 66/94 - juris).
Solche Gründe sind hier nicht gegeben. Die Kläger führen mit drei weiteren Ärzten derselben fachlichen Ausrichtung eine Gemeinschaftspraxis. Bei dieser Sachlage besteht die Möglichkeit - trotz der anzunehmenden zusätzlichen Belastung durch den Dialysebereitschaftsdienst - durch eine längerfristige Planung und geeignete organisatorische Maßnahmen, etwa durch die - inzwischen weitgehend üblichen - Bestellung eines Vertreters, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Notfalldienst trotz anderweitiger vertragsärztlicher Pflichten wahrgenommen werden kann.
3) Rein ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit nach § 8 Abs 3 BDO in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden und vom SG zugrunde gelegten Fassung, bei Teilnahme am fachärztlichen Bereitschaftsdienst vom allgemeinen Bereitschaftsdienst freigestellt zu werden, nach der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Neufassung der BDO nicht mehr besteht. Diese Änderung beruht auf der Tatsache, dass nach der vorgesehenen Neuorganisation des Bereitschaftsdienstes die Möglichkeit zur Einrichtung fachärztlicher Bereitschaftsdienste - mit Ausnahme der augen- und kinderärztlichen Bereitschaftsdienste - vollständig entfallen ist.
4) Letztendlich kann auch der Einwand der Kläger, die anzuwendenden Vorschriften der BDO verstießen gegen höherrangiges Recht, nicht durchgreifen. Soweit die BDO generell den Bereitschaftsdienst der Vertragsärzte regelt, hat sie ihre gesetzliche Grundlage in § 79 Abs 3 Nr 1, § 81 Abs 1 S 1 Nr 10 iVm § 75 Abs 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Aus dem Zulassungsstatus als Vertragsarzt folgt die Verpflichtung des Vertragsarztes für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in zeitlicher Hinsicht umfassend zur Verfügung zu stehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 7). Der einzelne Arzt wird durch den organisierten Bereitschaftsdienst von seiner andernfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Bereitschaftsdienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte mittragen. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt dementsprechend eine Befreiung grundsätzlich nur in Betracht, wenn gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zur einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zuzumuten ist, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Regelungen des § 7 BDO den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen.
Insgesamt ist die Berufung deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 SGG), sind nicht ersichtlich.
Der Sach- und Streitstand gibt nicht genügend Anhaltspunkte, um den Streitwert nach § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen. Somit ist auf den Auffangstreitwert von 5.000,- Euro abzustellen (§ 52 Abs 2 GKG), der ab der Verbindung beider Verfahren entsprechend zu verdoppeln ist.