Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 06.12.2010, Az.: 74 IE 1/10
Für die Glaubhaftmachung des besonderen Interesses an der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens genügt die Darlegung des wesentlichen Vermögens; Darlegung des wesentlichen Vermögens in Deutschland für die Glaubhaftmachung des besonderen Interesses an der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens; Instabile politischen Lage und Zweifel am Funktionieren der Gerichtsbarkeit im Wohnsitzland des Schuldners; Anforderungen an die Bemühungen zur Recherche hinsichtlich der Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen im Wohnsitzland
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 06.12.2010
- Aktenzeichen
- 74 IE 1/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 37947
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2010:1206.74IE1.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 354 InsO
- § 355 InsO
Fundstellen
- NZI 2011, 160
- ZIP 2011, 190-191
- ZInsO 2011, 239-240
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für die Glaubhaftmachung des besonderen Interesses an der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens (§ 354 Abs. 2 InsO) genügt die Darlegung, dass der Grundbesitz in Deutschland das wesentliche Vermögen des Schuldners bildet und die Tatsache, dass im Wohnsitzland des Schuldners eine instabile politischen Lage herrscht mit daraus resultierenden Zweifeln am Funktionieren der dortigen Gerichtsbarkeit.
- 2.
Für die Eröffnung eine Partikularinsolvenzverfahrens genügt weiter die Feststellung, dass sich weder durch Internetrecherche noch durch Anfrage bei der Handelskammer klären lässt, ob im Wohnsitzland überhaupt ein Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen möglich ist.
Tenor:
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des ... wird heute um 18:30 Uhr gemäß §§ 2,3,11,16 ff., 354 Abs. 2 InsO wegen Zahlungsunfähigkeit das Partikularinsolvenzverfahren über das im Inland belegene Vermögen des Schuldners eröffnet.
Zum Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt ...
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 28.06.2010 beantragte die Gläubigerin wegen Forderungen aus einem Darlehen über 13.773,39 EUR und einem Girokonto von 16.747,58 EUR die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens gem. § 354 Abs. 2 InsO. Die Forderungen wurden durch Faxschreiben vom 13,04.2010 an den Antraggegner in Thailand fällig gestellt, der Antragsgegner antwortete mit Faxschreiben vom 21.06.2010. Bereits mit Schreiben vom 26.08.2009 hatte der Schuldner mitgeteilt, die monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr aufbringen zu können. Die Antragstellerin legte weiter eine Meldebestätigung vom 15.06.2010 vor, wonach der Schuldner nach Thailand verzogen ist, und einen Grundbuchauszug über ein im Miteigentum des Schuldner stehendes Grundstück in Göttingen. Im Zusammenhang mit der Eintragung des Verfügungsverbotes für dieses Grundstück teilte das Grundbuchamt mit, dass ein weiteres Grundstück in Reinhausen im Eigentum des Schuldners steht.
In seinem Abschlussgutachten vom 26.10.2010 regt der vorläufige Insolvenzverwalter die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens gem. § 354 InsO an, da der Schuldner in Anbetracht der Verbindlichkeiten von ca. 210.000 EUR zahlungsunfähig sei, andererseits die voraussichtliche Insolvenzmasse von 8.128,50 EUR die voraussichtlichen Verfahrenkosten abdecke. Nach den Feststellungen lebt der verbeamtete Schuldner nach seiner Beurlaubung ohne Bezüge im September 2001 seit Januar 2006 in Thailand und erhält eine Privatrente von 633,32 EUR.
II.
Das Insolvenzverfahren ist als Partikularinsolvenzverfahren zu eröffnen.
1.)
Der Schuldner hat seinen Wohnsitz in Thailand, jedoch Grundvermögen im Inland. Gem. § 354 Abs. 1 InsO ist ein Partikularinsolvenzverfahren zulässig. Das inländische (Grund)Vermögen befindet sich im Bezirk des Insolvenzgerichtes Göttingen, so dass dieses gem. § 354 Abs. 3 InsO zuständig ist.
2.)
Weiter liegt das besondere Interesse i.S.d. § 354 Abs. 2 InsO vor, das die Antragstellerin auch glaubhaft gemacht hat. In ihrem Antrag hat sie darauf hingewiesen, dass der Grundbesitz in Deutschland das wesentliche Vermögen des Schuldners bildet. Aus dem Schreiben vom 26.08.2009, in dem der Schuldner sein Unvermögen zur Erbringung der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen einräumte, ergibt sich, dass er in Thailand über kein freies Vermögen verfügt. Zutreffend weist die Antragstellerin weiter auf die zumindest vorübergehend instabile politischen Lage in Thailand und daraus resultierende berechtigte Zweifel am Funktionieren der dortigen Gerichtsbarkeit hin.
Das besondere Interesse an der Durchführung eines Partikularinsolvenzverfahrens liegt vor. Nach den Feststellungen des vorläufigen Insolvenzverwalters bezieht der Schuldner eine Privatrente von 633,32 EUR. Nach den ergänzenden Angaben ließen sich weder durch Internetrecherche noch durch Anfrage bei der deutsch-thailändishcen Handelskammer klären, ob in Thailand überhaupt ein Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen möglich ist. Weiter bestehen Zweifel an der Verwertungsmöglichkeit des in Deutschland belegenen, mit einem Nießbrauchsrecht und Absonderungsrechten belasteten Grundeigentums, das im Miteigentum der Ehefrau des Schuldners steht. Nach Auskunft der Außenhandelskammer sind die Anerkennung deutscher Titel z.B. in einem Zwangsversteigerungsverfahren und Zustellungen nahezu unmöglich.
3.)
Folglich ist das Verfahren zu eröffnen. Erfasst ist nur das inländische Vermögen des Schuldners. Das ist im Tenor des Eröffnungsbeschlusses klargestellt worden durch den Zusatz, dass ein Partikularinsolvenzverfahren über das im Inland belegene Vermögen des Schuldners eröffnet wird.
4.)
Eine Restschuldbefreiung ist nicht möglich, § 355 Abs. 1 InsO, ein Hinweis gem. § 20 Abs. 2 InsO daher entbehrlich.