Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 06.05.2010, Az.: 71 IN 14/04
Anforderungen an das Vorliegen einer Vermögensverschwendung im Falle finanzieller Ausgaben für Spielcasinos und Nachtbars vor Stellung des Insolvenzantrages
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 06.05.2010
- Aktenzeichen
- 71 IN 14/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 20072
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2010:0506.71IN14.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO
Fundstellen
- DStR 2011, 633
- NZI 2010, 866-867
- NZI 2010, 42
- ZInsO 2010, 1012-1013
- ZVI 2010, 319-320
Amtlicher Leitsatz
Gibt ein Schuldner einen ursprünglich für den laufenden Geschäftsbetrieb vorgesehenen Betrag (hier: 19.200 EUR) in Spielkasinos und Nachtbars aus und stellt er wenige Tage später Insolvenzantrag, liegt zumindest eine Vermögensverschwendung i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO vor.
Tenor:
In dem Restschuldbefreiungsverfahren über das Vermögen des
...
wird die beantragte Restschuldbefreiung versagt. Die bewilligte Stundung wird widerrufen.
Gründe
I.
Der Schuldner beantragte unter dem 26.01.2004, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Er war zum damaligen Zeitpunkt zahlungsunfähig, seine Kreditlinie bei der Kreissparkasse Northeim war ausgeschöpft, insgesamt sah er sich Gläubigerforderungen in Höhe von ca. 270.000 EUR gegenüber. Mit Beschluss vom selbigen Tage wurde ein vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter bestellt, weil die Abwicklung des Autohauses, welches der Schuldner als Einzelfirma betrieb, vorgenommen werden musste. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 07.04.2004 eröffnet unter gleichzeitiger Bewilligung der Stundung hinsichtlich der Kosten. Die Laufzeit der Abtretungsperiode - Wohlverhaltensperiode - wurde bis zum 07.04.2010 festgesetzt. Nachdem die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen, das Verfahren aber noch nicht aufgehoben ist, beantragt nunmehr die Kreissparkasse N. unter dem 16.04.2010, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil dieser am 22.01.2004 bei ihr eine Barabhebung in Höhe von 19.200 EUR vorgenommen gehabt habe. Mit dieser Abhebung habe er die Sparkasse schuldhaft geschädigt, denn er habe bereits wenige Tage später, nämlich am 26.01.2004, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Hierin sieht die Antragstellerin den Tatbestand der Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO erfüllt.
Der Schuldner ist während des Laufes des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Strafanzeige seitens der Sparkasse durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Er hat hierzu erklärt, er habe damals diesen Barbetrag abgehoben, um den Abschluss eines Barankaufes eines Pkw's zu finanzieren. Diesen Pkw hätte er mit einem Preisvorteil von fast 4.000 EUR erwerben können, um ihn dann weiter zu verkaufen. Leider sei der Verkäufer des Fahrzeuges nach getätigter Barabhebung bei ihm nicht erschienen, so dass der Kauf und auch der Weiterverkauf nicht zustande gekommen seien. Er habe das Geld dann verbraucht, wobei er mit Schreiben vom 27.07.2005 bereits dem Insolvenzverwalter gegenüber erklärt hat, dass er den Betrag von 19.200 EUR vor Stellung des Insolvenzantrages in Spielkasinos und Nachtbars ausgegeben gehabt habe.
II.
Die Restschuldbefreiung war nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO unter gleichzeitiger Aufhebung der bewilligten Stundung auf Antrag der Gläubigerin zu versagen, denn der Schuldner hat hier im Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum einen unangemessene Verbindlichkeiten gegenüber der Gläubigerin begründet ,zum anderen das dadurch erlangte Vermögen auch verschwendet.
1.
Durch die Barabhebung des Betrages von 19.200 EUR am 22.01.2004, also drei Tage vor Stellung des Insolvenzantrages bei Gericht, begründete der Schuldner eine Rückzahlungsforderung der Bank in dieser Höhe und erlangte gleichzeitig hinsichtlich des ausgezahlten Betrages einen entsprechenden Vermögensvorteil.
Eine Begründung einer unangemessenen Verbindlichkeit i.S. § 290 Abs.1 Nr. 4 InsO liegt vor. Grundsätzlich stellt nicht jede Eingehung von Verbindlichkeiten einen Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO dar, sondern darüber hinaus muss das Merkmal der Unangemessenheit vorliegen. Dieses Attribut ist im vorliegenden Falle erfüllt, weil nach der konkreten Lebenssituation des Schuldners zum damaligen Zeitpunkt selbst unter Berücksichtigung seines vermeintlichen Beweggrundes, nämlich des Einkaufs eines Pkw, es an der Nachvollziehbarkeit seines Handels fehlt, der Schuldner handelte gegen jede wirtschaftliche Vernunft (grundsätzlich dazu FK-InsO/Ahrens, 5. Auflage, § 290 Randnr. 34 mit weiteren Nachweisen).
Bei dem hier vorliegenden Versagungsgrund ist nicht in erster Linie auf das Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis abzustellen, sondern mit Pape (Gläubigerbeteiligung, Randziffer 439) sollte diese Vorschrift dahingehend ausgelegt werden, dass dem Schuldner der Vorwurf eines schwerwiegenden unerlaubten Verhaltens im Sinne der §§ 823 ff BGB zu machen ist. Es kommt daher auf die Sicht eines wirtschaftlich vernünftig agierenden Unternehmers an, der sich in einer finanziellen Krise befindet.
Unter diesem Blickwinkel wäre es hier angezeigt gewesen, dass der Schuldner nach den von ihm behaupteten Vorverhandlungen hinsichtlich des Einkaufs des Pkw zunächst nur die entsprechende Bereitstellung des Geldes mit der Gläubigerin vereinbarte, um dann die vermeintliche Kaufsumme bei Erscheinen des Verkäufers abzuheben, oder er hätte diese Summe entsprechend sicher verwahren müssen, um sie bei Scheitern des Geschäfts der Gläubigerin zurückzuzahlen. Insoweit ist das vom Schuldner selbst vorgetragene Verhalten, er habe das Geld dann später in der Spielbank "auf den Kopf gehauen", bei der Bewertung dieses wirtschaftlichen Vorganges bereits bei dem Tatbestandsmerkmal "Begründung unangemessener Verbindlichkeiten" mit zu berücksichtigen. Sein Verhalten ist damit als unangemessen zu werten.
2.
Durch die vom Schuldner selbst vorgetragene weitere Verwendung des Geldes, nämlich Ausgabe in Spielkasinos und Nachtbars, hat er gleichzeitig die zweite Tatbestandsalternative § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO, nämlich Verschwendung seines Vermögens, verwirklicht, denn das Verspielen des Geldes stellt nicht einen sanktionslosen bloßen Vermögensverbrauch dar, sondern hierin liegt ein vom Schuldner begangenes grob unangemessenes Verschwenden von Vermögenswerten, das wirtschaftlich nicht mehr nachvollziehbar ist (vgl. grundsätzlich dazu BGH NZI 2006, 712 Tz.. 9; Landgericht Hagen ZVI 2007, 480). Mit dem vom Schuldner behaupteten Verbleib des Geldes in Spielkasinos und Nachtbars handelte er auch gegen jede wirtschaftliche Vernunft und in dem Bewusstsein, hier Werte zu vernichten, die nicht mehr beigebracht werden konnten, denn wie die Insolvenzanmeldung zeigt, war dem Schuldner wenige Tage vor Stellung des Insolvenzantrages bekannt, dass er sich Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 270.000 EUR gegenüber sah, die nicht mehr bedient werden konnten.
Damit räumt die Stellungnahme des Schuldners zu der Barabhebung den Versagungsgrund nicht aus, sondern untermauert ihn geradezu.
Weiter hat das Insolvenzgericht sein Ermessen dahingehend ausgeübt, die bewilligte Stundung gem. § 4 c Nr. 5 InsO zu widerrufen. Das Verhalten des Schuldners stellt sich als schwere Pflichtverletzung dar, die eine Aufhebung der Stundung rechtfertigt. Die Entscheidungsbefugnis hat der Richter gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 RpflG an sich gezogen.