Sozialgericht Osnabrück
v. 23.07.2020, Az.: S 27 BK 18/19
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 23.07.2020
- Aktenzeichen
- S 27 BK 18/19
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2020, 72408
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2020:0723.27BK18.19.00
In dem Rechtsstreit
A.,
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
B.,
B-Straße, B-Stadt
gegen
Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse A.,
C-Straße, D-Stadt
- Beklagte -
hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Osnabrück am 23. Juli 2020 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Richter am Sozialgericht H. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Leistungen nach § 6a BKGG (Kinderzuschlag) bezüglich eines Leistungsanspruchs für den Monat Juli 2019.
Die Klägerin bildet zusammen mit ihrem Ehemann und den vier Kindern eine Bedarfsgemeinschaft. Am 28.06.2019 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen nach § 6a BKGG. Für Juni 2019 wurden ihr mit Bescheid vom 15.08.2019 Kinderzuschlag i. H. v. insgesamt 450,- € gewährt.
Mit einem weiteren Bescheid vom 15.08.2019 wurde der Antrag hingegen ab Juli 2019 abgelehnt, da das zu berücksichtigende Einkommen den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft übersteige. Der Widerspruch vom 14.09.2019, der damit begründet wurde, dass die tatsächlichen Einnahmen ab Juni 2019 stark gesunken seien und es nicht verständlich sei, dass das Durchschnittseinkommen zur Berechnung herangezogen würde, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2019 zurückgewiesen, wobei klargestellt wurde, dass die Ablehnung nur den Juli 2019 betreffe. Für diesen Monat bestehe kein Anspruch auf Kinderzuschlag, da der Durchschnitt des Einkommens der sechs Monate vor Beginn des Anspruchsmonats i. H. v. 1991,38 € den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1838,- € decken würde. Auf die in der Anlage beiliegenden Berechnung wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 23.10.2019 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass auch die Heizkosten, die am 01.10.2018 i. H. v. 1.200,23 € sowie am 28.12.2018 i. H. v. 1.080,53 € angefallen sind, als monatlicher Durchschnitt zu berücksichtigen seien. Zudem sei die Berechnung des Erwerbseinkommens fehlerhaft. Schließlich hätte die Beklagte die Leistungsablehnung nicht auf den Juli 2019 beschränken dürfen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2019 i. G. d. Widerspruchsbescheides vom 23.09.2019 zu verurteilen, der Klägerin Kinderzuschlag für den Zeitraum von Juli 2019 bis Dezember 2019 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf die angefochtenen Bescheide. Die Beklagte ist der Ansicht, dass nach § 6a Abs. 8 Satz 2 BKGG als Bedarf der Unterkunftskosten nur der laufende Bedarf für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums maßgeblich sei.
Die Kammer hat die Beteiligten mit Verfügung vom 28.05.2020 zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt im entscheidungsrelevanten Umfang geklärt ist und die Beteiligten angehört wurden (§ 105 SGG).
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 15.08.2019 i. G. d. Widerspruchsbescheides vom 23.09.2019 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kinderzuschlag für den streitgegenständlichen Zeitraum von hinsichtlich ihres Antrags vom 28.06.2019.
Die Kammer weist jedoch bereits an dieser Stelle darauf hin, dass die Ablehnung nur den Leistungsanspruch für den Monat Juli 2019 betrifft und dass, wie bereits von der Beklagten im Widerspruchsbescheid ausgeführt, ein neuer Antrag ab August 2019 möglich war. Zwar hätte die Klägerin - wenn die Voraussetzungen für den Monat Juli 2019 erfüllt gewesen wären - einen Anspruch für einen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten nach § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG. In einem solchen Fall wären Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nach § 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG nicht zu berücksichtigen gewesen. Die von der Beklagten lediglich für einen Monat getroffene Entscheidung ermöglicht es der Klägerin, bereits im Folgemonat einen neuen Antrag zu stellen, der bei Änderung der Verhältnisse z. B. durch ein gesunkenes Durchschnittseinkommen Aussicht auf Erfolg hat. Ein solches Vorgehen ist - auch wenn es in dem Wortlaut des § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG nicht erwähnt ist - rechtmäßig. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, wonach eine vollständige Ablehnung nur für den ersten Monat gelte (Bundestagsdrucksache 19/7504, S. 36).
Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG a. F. (gültig ab 01.07.2019 bis 31.12.2019) sind für den Monat Juli 2019 nicht erfüllt.
Nach § 6a Absatz 1 BKGG a. F. (gültig ab 01.07.2019 bis 31.12.2019) erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn
1. sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind,
3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch verfügen, das höchstens dem nach Absatz 5 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 4 entspricht, und
4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vermieden wird. Bei der Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit vermieden wird, bleiben die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht. Das Gleiche gilt für Mehrbedarfe nach den §§ 21 und 23 Nummer 2 bis 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, wenn kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beantragt hat oder erhält oder alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum, für den Kinderzuschlag beantragt wird, auf die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch verzichten. In diesem Fall ist § 46 Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch nicht anzuwenden. Der Verzicht kann auch gegenüber der Familienkasse erklärt werden; diese unterrichtet den für den Wohnort des Berechtigten zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Verzicht.
Im vorliegenden Fall ist für den Monat Juli 2019 der Anspruch ausgeschlossen, da die Klägerin und ihre Bedarfsgemeinschaft über ein durchschnittliches Einkommen verfügen, mit dem der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist, so dass entgegen § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nicht vermieden wird.
Gemäß § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG ist dabei für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Demgegenüber sind nach Satz 2 bei Personen, die selbst genutzten Wohnraum mieten, als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen.
Diese Regelungen korrespondieren mit Absatz 7, nach der über den Gesamtkinderzuschlag für sechs Monate zu entscheiden ist und Änderungen vor allem zu Gunsten der Leistungsbeziehenden i. d. R. nicht zu berücksichtigen sind. Durch diese Regelung soll die Verwaltung entlastet werden. Nach der Gesetzesbegründung ist eine Unter- bzw. Überdeckung durch die zeitlich überschaubaren Bewilligungszeiträume vertretbar (Bundestagsdrucksache 19/7504, S. 38). Zudem ist bei Bedarfsunterdeckung ein SGB II Bezug möglich.
Darin liegt für die Klägerin zumindest auf lange Sicht kein Nachteil, da sie für den Monat, in dem die Heizkosten anfallen einen entsprechend höheren Bedarf hat und somit, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Monat erfüllt sind, sie für den gesamten Bewilligungszeitraum von sechs Monaten Leistungen nach § 6a BKGG erhalten kann, ohne dass die Änderung der wegfallenden Heizkosten berücksichtigt werden könnte, wie es in § 6a Abs. 7 BKGG geregelt ist.
Es kommt also hinsichtlich der Berechnung des Einkommens auf die Monate Januar 2019 bis Juni 2019 an - bezüglich des dem gegenüber stehenden Bedarfes jedoch auf den Juli 2019. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Berechnungsbögen Bezug genommen.
Der Bedarf für den Monat Juli 2019 bestimmt sich dabei - entgegen der Auffassung der Klägerin - ohne Heizungskosten, da diese im Rahmen des § 11 SGB II deshalb nicht berücksichtigt werden können, da diese nicht im Juli 2019, sondern im Oktober und Dezember 2018 angefallen sind. Aufwendungen für eine jährliche Heizmaterialbevorratung sind im Rahmen der Bedarfsberechnung nach § 22 SGB II im Fälligkeitsmonat in tatsächlicher Höhe als Bedarf für Heizung anzuerkennen (siehe u. a. BSG, Urteil vom 08. Mai 2019 - B 14 AS 20/18 R -). Es handelt sich dabei um einen Bedarf für den jeweiligen Fälligkeitsmonat, eine Verteilung auf die einzelnen Monate eines Bewilligungszeitraums kommt nicht in Betracht.
Ein Fehler in der Berechnung des Erwerbseinkommens ist für die Kammer entgegen dem nicht substantiierten Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung ergeht aus § 193 SGG.
Der SGB II Träger war nicht notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen, da die Beklagte nur für den Monat Juli 2019 Leistungen abgelehnt hat und für diesen Monat kein Anspruch nach dem SGB II bestand.
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, obwohl die Beklagte nur für den Monat Juli 2019 die Leistungen abgelehnt hat, da die Klägerin Leistungen für sechs Monate entsprechend dem Bewilligungszeitraum bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für den Monat Juli 2019 beantragt hat.