Sozialgericht Osnabrück
v. 24.09.2020, Az.: S 17 U 193/18

Anerkennung des Sturzes von der Leiter bei der Reparatur des Hochsitzes als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitnehmerähnlichkeit der Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
24.09.2020
Aktenzeichen
S 17 U 193/18
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2020, 55495
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2018 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass das Ereignis, von welchem der Kläger am 21.05.2018 betroffen war, einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt.

  3. 3.

    Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 21.05.2018 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1943 geborene Kläger ist als Kfz-Meister selbstständig tätig. Am 21.05.2018 stürzte er bei der Reparatur eines Hochsitzes von einer Leiter. Der Kläger wollte die Reparatur mit seinem Werkzeug durchführen. Jagdwaffen trug der Kläger nicht bei sich.

Als Erstdiagnose hielt Dr. C. undislozierte Querfortsatzfrakturen L1 bis L5 links und L4 und L5 rechts, eine frische deutlich klaffend stehende, symphysennahe vordere Beckenringfraktur rechts, begleitend eine dislozierte Fraktur rechts Massa lateralis des Kreuzbeines und eine frische, leicht klaffend stehende Fraktur des linken Os ilium ISG-nah fest.

Am 22.05.2018 meldete sich der Zeuge C. telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, dass sein Jagdaufseher gestern bei der Reparatur des Hochsitzes von der Leiter gefallen sei und sich hierbei einen Beckenbruch zugezogen habe. Es werde eine stationäre Behandlung durchgeführt.

Ausweislich eines weiteren Gesprächsvermerks in der Verwaltungsakte der Beklagten vom 28.05.2018 meldete sich der behandelnde Arzt bei der Beklagten und teilte mit, dass der Kläger bei der ersten Befragung verneint habe, Jagdpächter, Schweißhundführer oder Treiber zu sein. Daher sei kein Durchgangsarztbericht erstellt worden. Erst bei der Visite sei angegeben worden, dass der Kläger ein bezahlter Jagdaufseher gewesen sei.

In einem Fragebogen vom 27.05.2018 gab der Kläger an, dass ihm von dem Zeugen C. ein Begehungsschein für die Eigenjagd C. erteilt worden sei. Es habe keine Verpflichtungen gegeben, aber die Hege und Pflege des Wildes, Instandsetzung und Neubau von jagdlichen Einrichtungen sollten in Absprache und auf freiwilliger Basis erfolgen. Gewöhnlich nehme der Kläger die Jagdaufsicht wahr. Er habe diese Tätigkeit nicht mehr als 21 Tage im Jahr ausgeführt und dafür keine Entlohnung erhalten. Abschüsse könne er nicht nach eigener Verantwortung vornehmen. Der Kläger jage 20 Tage im Revier des Zeugen. Der Unfall habe sich bei der Reparatur eines Hochsitzes ereignet. Der Kläger habe den Austausch eines Sitzes vornehmen wollen. Dafür sei ein Zeitaufwand von 30 Minuten veranschlagt worden. Die Arbeiten und den zeitlichen Umfang habe der Kläger selbst angesetzt. Er habe auch die Materialien und das Werkzeug zur Verfügung gestellt. Es seien bereits vor dem Unfall unabhängig vom Jagen im Revier Tätigkeiten verrichtet worden. Eine Entlohnung für die Tätigkeit habe es nicht gegeben.

In der am 01.06.2018 erstatteten Unfallanzeige gab der Zeuge C. an, dass der Kläger bei der Reparatur eines Hochsitzes von der Leiter gestürzt sei.

Mit Schreiben vom 11.06.2018 wandte sich die Beklagte an die den Kläger behandelnden Ärzte sowie die gesetzliche Krankenversicherung des Klägers und teilte mit, dass der Kläger nach ihren abschließenden Ermittlungen nicht zum Kreis der in der Unfallversicherung versicherten Personen gehöre. Da ein Arbeitsunfall nicht vorliege, solle das Heilverfahren zu Lasten der Beklagten abgebrochen werden.

Mit Bescheid vom 22.06.2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 21.05.2018 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt aufgrund einer vom Jagdunternehmer ausgestellten Jagderlaubnis im Jagdrevier als Begehungsscheininhaber tätig geworden. Begehungsscheininhaber seien bei der Jagdausübung und bei Tätigkeiten, die der Jagdausübung unmittelbar sachlich zuzuordnen seien, als sogenannte Jagdgäste nach der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nummer 1 SGB VII versicherungsfrei und unterlägen insoweit nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Eine Ausnahme ergebe sich, wenn der Begehungsscheininhaber bei Revierarbeiten eine Tätigkeit verrichte, die Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als "Wie-Beschäftigter" begründe. Hierbei müsse es sich um eine arbeitnehmerähnlich ausgeübte Tätigkeit handeln, die nicht der Jagdausübung zuzurechnen sei und die im Wesentlichen den Zwecken des Jagdunternehmers und seines Unternehmens diene und nicht dem grundsätzlichen Jagdinteresse des Begehungsscheininhabers. Bei der Durchführung der Reviertätigkeit sei das arbeitnehmerähnliche Verhältnis zum Jagdunternehmer (Revierinhaber) von entscheidender Bedeutung. Ihm gegenüber müsse der Begehungsscheininhaber ein Beschäftigter hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Durchführung der Reviertätigkeit weisungsgebunden sein.

Eine weisungsgebundene Tätigkeit sei im Fall des Klägers nicht festzustellen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei festzustellen, dass der Kläger hinsichtlich seines Aufenthaltsrechtes im Revier keinen Handlungsbeschränkungen durch den Jagdunternehmer (Revierinhaber) unterlegen habe. Er habe ohne vorherige Abstimmung mit ihm in freier Entscheidung Ort, Zeit und Art der Reviertätigkeit selbst bestimmen und durchführen können. Dieser Handlungsfreiheit stehe im Ergebnis einer arbeitnehmerähnlich ausgeübten - und damit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII unfallversicherten - Tätigkeit entgegen.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.07.2018 Widerspruch. Er sei seit dem 31.12.1998 Inhaber eines von dem Zeugen C. ausgestellten unentgeltlichen Jagderlaubnisscheins. Seinerzeit sei die generelle mündliche Absprache getroffen worden, dafür als Gegenleistung im Eigenjagdrevier C. den Bau und die Unterhaltung der Hochsitze und Ansitzleitern zu besorgen, die Wildäcker zu bearbeiten, die Wildfütterung vorzunehmen und allgemein die Jagdaufsicht wahrzunehmen. Diese Absprache sei nicht zuletzt deshalb erfolgt, weil der Zeuge C. ca. 50 km entfernt von dem Eigenjagdrevier in C-Stadt wohne. Zu Beginn jedes Jagdjahres würden die Einzelheiten zwischen dem Zeugen C. und ihm abgesprochen. Die nur skizzenhaften Angaben in dem Fragebogen könnten nicht zu rechtlichen Schlussfolgerungen führen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 11.03.2003 (Aktenzeichen B 2 U 41/02 R) ausgeführt, dass die Beurteilung nach objektiven Merkmalen unter Einbeziehung der Gesamtumstände des Einzelfalls - insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der verrichteten bzw. vorgesehenen Tätigkeit(en) zu erfolgen habe. Unter Zugrundelegung der Anforderungen dieses Urteiles sei der Kläger wie ein Beschäftigter versichert gewesen. Von Beginn der Ausstellung des unentgeltlichen Jagderlaubnisscheines an hätten die von ihm ausgeführten Tätigkeit dem Unternehmen des Eigenjagdrevierinhabers gedient und seinem Willen entsprochen. Dass ihm in zeitlicher Hinsicht freie Hand gelassen worden sei, stehe einer arbeitnehmerähnlich ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen.

Am 29.08.2018 erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid, mit welchem sie den Widerspruch des Klägers zurückwies. Zur Begründung wiederholte und vertiefte die Beklagte die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Mit der Widerspruchsbegründung habe der Kläger letztlich bestätigt, dass die zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Geschehens ausgeübte Tätigkeit der Reparatur eines Hochsitzes mit einem im Feststellungsverfahren angegebenen zeitlichen Umfang von etwa 30 Minuten faktisch als Gegenleistung für den erteilten Jagderlaubnisschein ausgeführt worden sei. Eine abgrenzbare Tätigkeit mit Arbeitnehmercharakter und wesentlichen Umfang habe nicht vorgelegen.

Mit der am 17.09.2018 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobenen Klage verfolgt der Kläger - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - sein Begehren weiter.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Zu Beginn eines jeden Jagdjahres würden die Einzelheiten der erforderlichen Maßnahmen zwischen dem Zeugen C. und dem Kläger abgesprochen, wobei der Kläger sich an die Weisungen und Vorgaben des Zeugen C. zu halten habe. Lediglich in der zeitlichen Gestaltung sei der Kläger frei, sofern zwischen ihm und dem Zeugen nicht ausdrücklich ein genauer Zeitpunkt oder Zeitraum verabredet werde. Der Kläger sei im Interesse des Eigenjagdrevierinhabers tätig geworden, weil er mit der Reparatur des Hochsitzes eine dem Revierinhaber obliegende Aufgabe mit dessen Willen erfüllt habe. Aus der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (vom 24.07.2014, Aktenzeichen L 10 U4760/12) ergebe sich, dass er in der Vorgabe eines detaillierten Zeitplanes für den 21.05.2018 nicht erforderlich gewesen sei. Am Unfalltag habe der Kläger keine Jagd ausgeübt. Sein Aufenthalt habe allein der Reparatur des Hochsitzes gedient. Der Kläger habe eben nicht als Jagdgast gehandelt.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.09.2018 (Aktenzeichen B 2 U 18/17 R) stütze die Ansicht des Klägers.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2018 aufzuheben,

  2. 2.

    festzustellen, dass das Ereignis vom 21.05.2018 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Beklagte die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Auch unter Kenntnis der vorliegenden Klagebegründung habe eine weisungsgebundene Tätigkeit des Klägers nicht vorgelegen. Auch nach der Klagebegründung unterliege der Kläger hinsichtlich seines Aufenthaltsrechts im Revier keinen Handlungsbeschränkungen durch den Revierinhaber. Der Kläger könne vielmehr ohne vorherige Abstimmung mit dem Jagdunternehmer in freier (eigener) Entscheidung Ort, Zeit und Art der Reviertätigkeit selbst bestimmen und durchführen. Die zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Geschehens ausgeübte Tätigkeit der Reparatur eines Hochsitzes mit einem zeitlichen Umfang von ca. 30 Minuten sei faktisch als Gegenleistung für den erteilten Jagderlaubnisschein anzusehen. Eine abgrenzbare Tätigkeit mit Arbeitnehmercharakter und wesentlichem Umfang habe aus Sicht der Beklagten nicht vorgelegen. Des Weiteren falle die Tätigkeit des Klägers aus der Sicht der Beklagten unter den Jagdbegriff nach § 1 des Bundesjagdgesetzes und sei damit rechtlich - auch bei der hier vorliegenden Konstellation ohne Waffe - der Jagd selbst zuzuordnen. Inhaber von Begehungs- scheinen seien aber bei der Ausübung der Jagd selbst - aber auch bei Tätigkeiten, die der Jagdausübung unmittelbar sachlich zuzuordnen seien und damit unter den Jagdgriff nach § 1 Bundesjagdgesetz fielen - als sogenannte Jagdgäste im Sinne des § 4 Abs. 1 Nummer 1 SGB VII versicherungsfrei und fielen damit nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dass der Gesetzgeber die an sich schon nach allgemeinen Grundsätzen bestehende Versicherungsfreiheit des Jagdgastes im Gegenstand einer gesonderten Regelung gemacht und für Jagdgäste überdies eine Versicherungsberechtigung mittlerweile in den §§ 3 Abs. 2 Nummer 3,6 Abs. 1 Nummer 1 SGB VII ausdrücklich ausgeschlossen habe, mache deutlich, dass der betreffende Personenkreis keinen Unfallversicherungsschutz erhalten solle, und zwar auch dann nicht, wenn bei der Ausübung der Jagd zugleich Aufgaben des Jagdpächters, beispielsweise die Hege des Wildbestandes wahrgenommen würden (vgl. BSG vom 11.11.2003, Aktenzeichen B 2 U 41/02 R).

Alles, was in der Jagderlaubnis geregelt oder daneben vereinbart oder festgelegt sei als Gegenleistung für den Jagderlaubnisschein sei versicherungsfrei. Das Urteil des BSG vom 06.09.2018 (Aktenzeichen B 2 U 18/17 R) betreffe einen anderen Sachverhalt. Der Kläger sei bis auf eine einmal jährlich stattfindende grundsätzliche Absprache gerade nicht weisungsgebunden tätig geworden.

Der Zeuge C. habe keine konkrete Kenntnis von der vom Kläger vorgenommenen Reparatur des Hochsitzes gehabt. Der Kläger sehr selbst wisse, was zu tun sei und könne selbst entscheiden, wie es repariert und wann es repariert werde. Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit habe nicht vorgelegen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2020 Herrn C. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Inhaltes der Aussage wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1,55 Abs. 1 Nummer 1 SGG zulässig und begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Ereignis vom 21.05.2018 stellt einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit.

I.

Zunächst besteht keine Versicherungsfreiheit aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 2 Nummer 1 SGB VII, wonach Personen, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagen, versicherungsfrei sind. Zwar gehört zum Jagdrecht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Bundesjagdgesetzes auch die Pflicht zur Hege. Vorliegend verunfallte der Kläger jedoch nicht bei der Hege des Wildes.

Nach den Angaben des Klägers lässt sich zur Überzeugung der Kammer feststellen, dass der Kläger am Unfalltag nicht bei der Jagd, sondern bei der Reparatur eines Hochsitzes verunfallt ist. Jagdwaffen oder sonstiges Jagdzubehör trug der Kläger nicht bei sich. Entsprechend der mit dem Zeugen C. getroffenen und seit 1988 nach übereinstimmender Bekundung ohne Meinungsverschiedenheiten gelebten Vereinbarung, wollte der Kläger seiner Verpflichtung, die baulichen Anlagen im Eigenjagdrevier des Zeugen C. Instand zu halten, nachkommen.

Daher führt auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.11.2003 (Aktenzeichen B 2 U 41/02 R) zu keiner anderen Einschätzung. Dort wird ausgeführt, dass auch derjenige, der Hegemaßnahmen durchführt ein versicherungsfreier Jagdgast sein kann. Eine solche Hege hat der Kläger jedoch gerade im Unfallzeitpunkt nicht vorgenommen.

Vielmehr ergibt sich aus der angesprochenen Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass dann, wenn keine Jagd ausgeübt wurde und der Aufenthalt im Revier im Wesentlichen den Zwecken des Jagdpächters gedient hat die in Rede stehende Tätigkeit als sogenannter "Wie-Beschäftigung" (zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nach § 539 Abs. 2 in Verbindung mit § 539 Abs. 1 Nummer 1 RVO) versichert sein kann.

II.

Ein Versicherungsschutz des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Nummer 1 SGB VII besteht nicht, da kein abhängiges Arbeits- und/oder Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen C. bestand.

III.

Ein Versicherungsschutz des Klägers zum Unfallzeitpunkt lässt sich jedoch aus § 2 Abs. 2 SGB VII herleiten. Danach sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nummer 1 Versicherte tätig werden. Diese Vorschrift erstreckt den Versicherungsschutz aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen auch auf Tätigkeiten, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (Urteil des BSG vom 13.09.2005, Az.: B 2 U 6/05 R, juris Rdnr. 7 m.w.N.). Die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses muss als Versicherungsgrund im Vordergrund stehen (BSG vom 20.03.2018, Az.: B 2 U 16/16 R - juris Rdnr. 29).

Die Tätigkeit des Klägers an sich ähnelte nach Auffassung des Gerichts eher einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit.

Entgegen der Darstellung der Beklagten geht das Gericht davon aus, dass der Kläger nicht völlig frei war, in Art und Weise, Umfang und ausgeübtem Zeitpunkt über anfallende Tätigkeiten zu entscheiden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist für das Gericht deutlich geworden, dass die Arbeiten des Klägers auf generellen Absprachen und einem sehr großen, gegenseitigen Vertrauen zwischen dem Kläger und dem Zeugen C. basieren. Insoweit war der Kläger - abgesehen von dringenden und eiligen Angelegenheiten im Eigenjagdrevier - zwar frei darin, sowohl den konkreten Zeitpunkt der Ausübung sowie auch die Art und Weise der Ausübung einer Reparatur zu bestimmen. Jedoch bewegten sich alle Maßnahmen, die der Kläger in dem Eigenjagdrevier traf, innerhalb einer von dem Zeugen C. als Revierinhaber vorgegebenen grundsätzlichen Maßgabe. Insoweit bestand die für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit typischen Weisungsgebundenheit.

Gegen diese Weisungsgebundenheit spricht nicht, dass der Kläger nicht von dem Zeugen C. konkret zu der unfallbringenden Tätigkeit der Reparatur des Hochsitzes angewiesen worden ist. Vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers und der Vernehmung des Zeugen D. in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Tätigkeit des Klägers der eines Hausmeisters vergleichbar ist. Auch dort ist es typischerweise so, dass der Arbeitgeber nicht von jedem einzelnen Schaden oder von jedem einzelnen sonstigen Tätigwerden des Hausmeisters im Vorfeld informiert ist oder gar um Erlaubnis zur Reparatur angefragt wird. Vielmehr ist es so, dass es die Aufgabe des Hausmeisters ist, den status quo zu erhalten und genau in diesem begrenzten Rahmen seinen Vorgaben entsprechend zu arbeiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass konkret erforderliche Maßnahmen im Vorfeld mangels der Kenntnis von dessen Notwendigkeit nicht besprochen werden können. Genau dies entspricht zur Überzeugung des Gerichts den Aufgaben des Klägers im Revier des Zeugen C ... Das Betroffensein von dem Weisungsrecht eines anderen bedeutet nicht, dass sich dieses bis in alle Einzelheiten einer bestimmten Arbeitsleistung erstrecken muss. Gerade bei Diensten bzw. Arbeiten, die eine besondere Qualifikation des Leistenden voraussetzen ist anerkannt, dass die dem Weisungsrecht des Arbeitgebers korrespondierende Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers zu einer sogenannten funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.03.2010, Aktenzeichen L 14 U 130/06 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

Dazu kommt, dass - ebenfalls in Parallele zu einer Hausmeistertätigkeit - der Zeuge C. und der Kläger übereinstimmend angegeben haben, dass der Zeuge über die erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Vornahme von Reparaturen nicht verfügte. Insoweit entsprach es dem über die Jahre geübten Vorgehen, das konkrete Informationen an den Zeugen erst nach Abschluss der Maßnahmen erfolgten. Tatsächlich handelte es sich aber nur um eine sehr begrenzte Entscheidungsfreiheit des Klägers. Die einer unternehmerischen Tätigkeit übliche Gestaltungsfreiheit hatte der Kläger nicht. Konkreten Weisungen des Zeugen C. hätte er folgen müssen.

Gegen die Arbeitnehmerähnlichkeit spricht zur Überzeugung der Kammer weiterhin nicht, dass der Kläger sein eigenes Werkzeug genutzt hat und auch Materialien verwendet hat, die er im Bestand auf seinem Hof hatte. Denn es ist deutlich geworden, dass es sich hierdurch um eine Vereinbarung zwischen dem Zeugen und dem Kläger gehandelt hat, welche für beide eine "win-win"-Situation ergeben sollte und ergeben hat. Der Zeuge C. verfügt weder über die erforderlichen Arbeitsgeräte noch die Kenntnisse. Außerdem hat er aufgrund seines Wohnortes keine räumliche Nähe zu seinem eigenen Jagdrevier. Der Kläger verfügt jedoch über die erforderlichen Gerätschaften und das Wissen, kann seinem Hobby der Jagd jedoch nicht ohne das entsprechende Jagdrevier nachkommen. Nichtsdestotrotz verbleibt es auch in dieser Situation an einer Weisungsgebundenheit, weil dem Kläger durch sein Tätigwerden ein Jagdrevier zur Verfügung gestellt wurde. Auch hier durfte er jedoch auch unter Beachtung der jagdrechtlichen Vorgaben nicht frei, sondern nur in Absprache mit dem Zeugen C. Wild schießen.

Weiterhin trug der Kläger keinerlei wirtschaftliches Risiko, wie es bei einer selbstständigen Tätigkeit üblich ist. Die Vernachlässigung seiner Aufgaben hätte allenfalls dazu führen können, dass der Zeuge C. ihm die Jagd in dem Eigenjagdrevier des Zeugen C. untersagt hätte. Damit wäre die Ausübung des Hobbys des Klägers beeinträchtigt gewesen, nicht jedoch die Möglichkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes durch seine selbstständige Tätigkeit.

Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung (vgl. hierzu Spellbrink/Bieresborn, Die Wie-Beschäftigung, NJW 2019, S. 3745, 3751) treten die für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte in den Vordergrund. Hat die Tätigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt zur Überzeugung der Kammer unter dem Versicherungsschutz des § 2 Abs. 2 SGB VII gestanden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung: Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle, oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht *wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Osnabrück, Hakenstraße 15, 49074 Osnabrück, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Osnabrück, Hakenstraße 15, 49074 Osnabrück, schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Erfolgt die Zustellung im Ausland, so gilt anstelle aller genannten Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei Einlegung der Berufung in elektronischer Form.