Sozialgericht Osnabrück
v. 07.12.2020, Az.: S 30 SB 245/18
Zuerkennung des Merkzeichens RF hinsichtlich Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mangels Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aufgrund Erkrankung
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 07.12.2020
- Aktenzeichen
- S 30 SB 245/18
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2020, 53972
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV
Fundstellen
- K&R 2021, 218-219
- ZfSH/SGB 2021, 185 (Pressemitteilung)
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten noch die Zuerkennung des Merkzeichens RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).
Der am 13.09.1948 in Kasachstan geborene Kläger ist Physiker und seit 2014 berentet. Er beantragte am 02.01.2018 die Feststellung des GdB sowie die Zuerkennung der Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung), B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) und RF. Den Antrag begründete er im Wesentlichen mit einer Myasthenia gravis mit Muskelschwäche, Schluck- und Sprachstörungen, ferner eine Arthrose sowie ein Prostataleiden. Er verwies auf eine Bescheinigung der Neurologin F., die aufgrund der Myasthenia gravis einen ausgeprägten Erschöpfungszustand mit verminderter körperlicher und seelischer Belastbarkeit beschrieb.
Der Beklagte zog das Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 01.12.2017 bei, wonach seit 19.06.2017 ein Pflegegrad 1 besteht. Vom 17.05.2017 bis 01.06.2017 befand sich der Kläger zur Therapieanpassung der mäßiggradigen generalisierten Myasthenia gravis in stationärer Behandlung im Klinikum B-Stadt. Bei den nachfolgenden Vorstellungen am 29.06.2017, 24.08.2017 und 09.11.2017 gab der Kläger weiterhin eine intermittierende Sprech- und Schluckstörung an. Das Atmen falle zum Teil schwer, nach fünf Minuten falle ihm auch das Sprechen schwer. Die Sprache sei noch etwas undeutlich, der Gang etwas hinkend. Der Internist Dr. E. berichtete am 23.01.2018 über eine chronische Lumbago bei lumbaler Spondylarthrose und Osteochondrose sowie rechtsführender Gonathrose mit schmerzfreier Gehstrecke über 100 Meter. Die Neurologin F. gab in dem Bericht vom 27.02.2018 an, dass der Kläger seit Oktober 2017 über einen zunehmenden Händetremor und Kopfzittern leide, ferner bestünde eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen mit Angstsymptomatik. Es bestünde der Verdacht auf ein tremordominantes Parkinson-Syndrom.
Nach Beteiligung des Ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte den GdB ab dem 02.01.2019 mit 60 sowie das Merkzeichen G fest (Bescheid vom 03.04.2018). Der Beklagte stützte die Entscheidung auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen: - Muskelerkrankung mit Folgebeschwerden, Schluck-/Sprachstörung, Störung der Speichelsekretion, Parkinsonleiden (Einzel-GdB 50), - Kniebeschwerden, Polyarthrose (Einzel-GdB 20), - Prostataleiden, Blasenentleerungsstörung (Einzel-GdB 20) sowie - Depression (Einzel-GdB 20). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der ferner beantragten Merkzeichen RF und B lägen nicht vor. Der Kläger sei nicht infolge der Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich und andere bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen. Es bestünde kein GdB von 80 und der Kläger sei nicht ständig daran gehindert, wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass er aufgrund lauter Atemgeräuschen, unkontrollierbaren Hustenanfällen und starken Schleimabsonderungen auf andere Veranstaltungsteilnehmer störend und unzumutbar abstoßend wirke. Zudem könne er sich bei Diskussionen nicht durchsetzen, da er wegen der Sprachstörung und Muskelschwäche nach fünf Minuten nicht mehr sprechen könne. Daher seien die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF gegeben.
Nach nochmaliger Beteiligung des Ärztlichen Dienstes wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.06.2018).
Hiergegen richtet sich die am 29.06.2018 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage. Aufgrund der Muskelerkrankung habe er unkontrollierbare Hustenanfälle und starke Schleimabsonderungen, was auf Dritte abstoßend wirke. Beim Essen verschlucke er sich und müsse Essensreste ausspucken. Zudem habe er fast vollständig die Sprache verloren, so dass auch die Kommunikation mit Dritten nicht mehr möglich sei. Schließlich könne er aus psychischen Gründen auch eine Ansammlung von Menschen nicht ertragen.
Nach Annahme der Teilanerkenntnisse des Beklagten vom 27.12.2018 und 19.12.2019 begehrt der Kläger nur noch die Feststellung des Merkzeichens RF. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sie ihm aufgrund seiner Erkrankungen unzumutbar; er sei hierzu weder psychisch noch physisch in der Lage. Er verweist auf Bescheinigungen der Neurologin Frau F. vom 19.11.2018 und 18.03.2020, wonach er kaum noch aus dem Haus gehe. Er hat ferner Berichte der C. - Neurologische Klinik mit klinischer Neurophysiologie - vom 28.06.2019 sowie des Universitätsklinikums D. vom 11.11.2019 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Er leide als Folge seiner Grunderkrankung Myasthenia Gravis und der damit verbundenen Muskelschwäche unter einem vermehrten Speichelfluss sowie inzwischen unter einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Hinzu käme, dass er aufgrund seiner Vorerkrankungen und seines Alters zur Risikogruppe gehöre, an Covid-19 zu erkranken. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen könne daher nicht von ihm verlangt werden.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
den Bescheid des Beklagten vom 03.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2018 in der Fassung der Ausführungsbescheide vom 27.12.2018 und 19.12.2019 abzuändern und
- 2.
den Beklagten zu verpflichten, das Merkzeichen RF festzustellen. Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen, die Klage abzuweisen. Er verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide sowie auf die Stellungnahmen seines Ärztlichen Dienstes.
Die Kammer hat Befundberichte des Hausarztes Dr. E. vom 02.10.2018 und 27.07.2020, der Neurologin Frau F. vom 08.10.2018 sowie des Orthopäden Dr. I. vom 08.03.2019 eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Die Kammer hat ferner einen Bericht über die stationäre Behandlung des Klägers vom 14.11.2018 bis 27.11.2018 im Klinikum B-Stadt aufgrund erneuter Verschlechterung des Sprechens und Schluckens eingeholt.
Nach Auswertung der Berichte durch den Ärztlichen Dienst hat der Beklagte mit Teilanerkenntnis vom 27.12.2018 den GdB ab dem 20.09.2018 mit insgesamt 70 festgestellt. Dabei hat er die Muskelerkrankung mit einem GdB von 60 bewertet (Ausführungsbescheid vom 27.12.2018).
Sodann hat die Kammer ein nervenärztliches Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 09.07.2019 sowie ein orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Dr. C. nach Untersuchung vom 06.11.2019 eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Nach Auswertung dieser Gutachten durch den Ärztlichen Dienst hat der Beklagte am 19.12.2019 ein weiteres Teilanerkenntnis abgegeben und den GdB ab dem 03.07.2019 mit insgesamt 90 festgestellt (Ausführungsbescheid vom 19.12.2019). Diese Feststellung hat er auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen gestützt: - Muskelerkrankung mit Folgebeschwerden (allgemeine Kraftlosigkeit, Schluckstörungen, Atemstörungen, Blickstörungen (Einzel-GdB 60), - schwere Arthrose des rechten Kniegelenkes mit deutlicher Varusfehlstellung (O-Bein-Fehlstellung) und vermehrter Instabilität des medialen Kollalteralbandes (Innenband) - (Einzel-GdB 30), - organische Hirnstörung (Einzel-GdB 30), - schwere Arthrose des linken oberen und unteren Sprunggelenkes mit Valgusfehlstellung der Ferse und Senkfuß, Spreizfuß mit Hallux rigidus, rechts mehr als links (Einzel-GdB 30) sowie - skoliotische Wirbelsäulenfehlhaltung mit Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30).
Nach Hinweis vom 13.02.2020 hat die Kammer die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört, zuletzt mit Schreiben vom 24.09.2020.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 105 SGG konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß unter Angabe der entsprechenden Begründung gehört wurden. Der Kläger hat sich hiermit einverstanden erklärt.
Die Klage ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben. Sie ist aber unbegründet. Dem Kläger steht gemäß § 152 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der seit dem 01.01.2018 geltenden Fassung i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung (SchwbAwV) kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF seit dem 02.10.2018 zu.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV ist der Nachteilsausgleich RF in den Ausweis einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Gemäß § 4 Abs. 2 des in Niedersachsen geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RdfunkBeitrStVtr ND) wird der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 auf Antrag für folgende natürliche Personen auf 1/3 ermäßigt: 1. blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, 2. hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und 3. behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 RdfunkBeitrStVtr ND nicht. Er ist weder blind oder wesentlich sehbehindert noch hörgeschädigt im Sinne von § 4 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 RdfunkBeitrStVtr ND.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RdfunkBeitrStVtr ND. Bei dem Kläger ist zwar inzwischen ein GdB von 90 festgestellt; er ist aufgrund seines Leidens aber nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Unter dem Begriff "öffentliche Veranstaltung" ist die Gesamtheit der Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 10.08.1993 - Az.: 9/9a RVs 7/91, juris Rdnr. 12). Ein ständiger Ausschluss von diesen Veranstaltungen liegt erst vor, wenn der Schwerbehinderte allgemein und umfassend vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Es ist eine enge Auslegung dieser Anspruchsvoraussetzungen geboten, sie sind einer Analogie nicht zugänglich. Praktisch muss eine Bindung an das Haus bestehen (vgl. hierzu BSG vom 11.09.1991, Az.: 9a/9 RVs 15/89, juris Rdnr. 13, vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85, juris Rdnr. 10 sowie vom 16.03.1994, Az.: 9 RVs 3/93, juris Rdnr. 10). Bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des Ausschlusses von öffentlichen Veranstaltungen ist außerdem zu beachten, dass das SGB IX der Förderung aktiver Teilnahme der Behinderten am gesellschaftlichen Leben dient und nicht dem Ausschluss von behinderten Menschen. Dementsprechend darf ein Ausschluss von sämtlichen Veranstaltungen nicht vorschnell bejaht werden. Für die Beurteilung dieser Maßstäbe kommt es dabei nicht auf die individuelle Situation des behinderten Menschen an, sondern darauf, ob er objektiv gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob diejenigen Veranstaltungen, an denen der Schwerbehinderte teilnehmen kann, seinen persönlichen Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Denn das Gebührenrecht orientiert sich nicht am individuell unterschiedlichen Interesse, sondern an der Gesamtheit des Rundfunkprogrammes (BSG vom 03.06.1987, a.a.O., juris Rdnr. 13).
Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger auch unter Beachtung seiner Leiden nicht gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen ständig teilzunehmen. Dies ergibt sich bereits aus seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. D., wonach er morgens mit dem Auto zur Bäckerei fährt, um Brötchen zu holen, und sonntags regelmäßig die Messe der katholischen Kirche besucht. Eine praktische Bindung an das Haus besteht daher nicht. Der Kläger ist nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen für ihn unzumutbar sei, da er als Folge seiner Grunderkrankung Myasthenia Gravis und der damit verbundenen Muskelschwäche unter einem vermehrten Speichelfluss sowie inzwischen unter einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion leide, ist darauf hinzuweisen, dass eine Ausgrenzung der Behinderten und ein Schutz der Öffentlichkeit vor ihren Behinderten nur in äußersten Randsituationen erlaubt ist. Die Grenzen dessen, was der Öffentlichkeit an Behinderungen zumutbar ist, lässt sich nicht empirisch ermitteln. Um die Lage von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern, müssen Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung korrigieren. Weitestmögliche Einbeziehung in unser Leben sind wir Menschen mit allen Arten von Behinderungen und ihren Familien schuldig. Auch die Menschenwürde gebietet nicht die Zuerkennung des Merkzeichens RF mit der Begründung, dass Behinderte für die Öffentlichkeit nicht tragbar und daher abzusondern seien, sondern die Förderung aktiver Teilnahme der Behinderten am gesellschaftlichen Leben. Der Zweck des Nachteilsausgleichs RF wird in sein Gegenteil verkehrt, wenn er schon zuerkannt wird, um besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Der Öffentlichkeit würde dann die Ausgrenzung der Behinderten erlaubt (BSG vom 10.08.1993, Az.: 9/9a RVs 7/91, juris Rdnr. 17 f.). Zwar ist es im Einzelfall möglich, dass Entstellung und Geruchsbelästigung, unwillkürliche Bewegungen wie bei Spastikern und ähnliches den Behinderten vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausschließen. Zu beachten ist aber, dass nur ein Teil öffentlicher Veranstaltungen so geartet ist, dass bestimmte Behinderungen objektiv störend sind. Das gilt für störende akustische Nebengeräusche bei musikalischen Darbietungen, bei Geruchsbelästigungen in engen geschlossenen Räumen, z.B. Restaurants. Bei den meisten öffentlichen Veranstaltungen herrscht aber entweder Toleranz (Kirche und Politik) oder sie spielen sich ohnedies in einem lebhaften geräuschvollen Rahmen ab (Sport, Volksfeste, Messen und Märkte), so dass Störungen durch Behinderte nicht ins Gewicht fallen (BSG vom 10.08.1993, a.a.O., juris Rdnr. 19). Da der Sachverständige Dr. D. entsprechende Beeinträchtigungen nicht festgestellt und der Kläger selbst angegeben hat, regelmäßig an religiösen Gemeinschaftsveranstaltungen teilzunehmen, lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger unter Berücksichtigung dieser Vorgaben aufgrund des vermehrten Speichelflusses, den Hustenanfällen und den Schleimabsonderungen umfassend von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger aufgrund der eingeschränkten Lungenfunktion nur mit Hilfe sowohl eines Rollstuhls, ggf. auch einer Begleitperson, am kulturellen Leben teilnehmen kann. Denn selbst wenn dem so ist, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens RF. Solange ein Schwerbehinderter mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er von der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen (Urteil des BSG vom 03.06.1987, a.a.O., juris Rdnr. 11).
Zur erstrebten Gebührenbefreiung vermag auch der Hinweis des Klägers, er gehöre aufgrund seiner Vorerkrankungen und seines Alters zur Risikogruppe, an Covid-19 zu erkranken, nicht zu führen. Von den Folgen der Corona-Pandemie und der Gesundheitsgefahr durch die Infektion mit dem Corona-Virus sind eine Vielzahl von Personen betroffen. Unabhängig davon, dass der inhaltliche Vortrag des Klägers, dass im Ergebnis nur ein absolutes Kontaktverbot eine Infektion verhindern könne, pauschal und ohne hinreichenden Beleg ist, berücksichtigt er auch nicht die Schutzvorkehrungen, unter denen öffentliche Veranstaltungen aufgrund der Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie - wenn überhaupt - nur stattfinden dürfen. Grundgedanke des Befreiungstatbestandes ist, dass Behinderte, denen wegen ihres Leidens öffentliche Veranstaltungen nicht zugänglich sind, stattdessen zu Hause Rundfunk hören und fernsehen. Die dafür zu zahlenden Gebühren sind dann ein behinderungsbedingter Nachteil, von dem sie befreit werden. Finden aufgrund der Corona-Pandemie und der damit für alle verbundenen Gesundheitsgefahr Veranstaltungen nicht oder nur in einem eingeschränkten Umfang statt, liegt kein behinderungsbedingter Nachteil nur für einen schwerbehinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80 vor.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtsmittelbelehrung: Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle, oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Osnabrück, Hakenstraße 15, 49074 Osnabrück, schriftlich oder in elektronischer Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Osnabrück, Hakenstraße 15, 49074 Osnabrück, schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Erfolgt die Zustellung im Ausland, so gilt anstelle aller genannten Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei Einlegung der Berufung in elektronischer Form.