Sozialgericht Osnabrück
v. 03.12.2020, Az.: S 19 U 191/19

Übernahme der Kosten für eine Betriebshilfe zur Weiterführung des Fleischereibetriebs während der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wie bei einem landwirtschaftlichen Betrieb durch die landwirtschaftliche Unfallversicherung

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
03.12.2020
Aktenzeichen
S 19 U 191/19
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2020, 53633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Betriebshilfe.

Der 1974 geborene Kläger erlitt am 28.03.1995 auf dem Weg zu seiner damaligen versicherten Tätigkeit als angestellter Fleischer der Firma K. GmbH einen Verkehrsunfall, bei dem er sich diverse Prellungen sowie eine Verletzung des rechten Sprunggelenkes mit Innen- und Außenbanddehnung zuzog. Die stufenweise Wiedereingliederung erfolgte im elterlichen Betrieb.

Mit Bescheid vom 17.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.1998 lehnte die Fleischerei-Berufsgenossenschaft als Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewährung einer Rente aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Im hiergegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Osnabrück (Az.: S 5 U 373/98) wurden im Rahmen eines Vergleichs als Folgen des Arbeitsunfalls eine Prellung des rechten Sprunggelenkes mit Quetschung und Stauchung des oberen und unteren Sprunggelenkes des rechten Fußes mit anhaltendem Reizzustand unterschiedlicher Intensität sowie verbliebener endgradiger Bewegungseinschränkung und Gangbehinderung anerkannt.

In der Folgezeit machte sich der Kläger mit einem eigenen Betrieb selbstständig, mit dem er bei der Beklagten versichert ist.

Im Oktober 2017 stellte er sich mit zunehmenden Belastungsschmerzen im Bereich des rechten Sprunggelenkes beim Durchgangsarzt vor und machte eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend. Am 05.02.2019 wurde eine Subtalargelenksarthrodese rechts durchgeführt. Ab dem 11.06.2019 wurde eine Arbeits- und Belastungserprobung durchgeführt.

Die Beklagte zahlte dem Kläger während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit Vorschüsse auf Verletztengeld, da eine endgültige Feststellung der Leistungsansprüche derzeit noch nicht möglich sei. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger den Arbeitsunfall als Angestellter erlitten habe. Daher sei das Einkommen im Kalenderjahr vor der Wiedererkrankung maßgeblich für die Berechnung etwaiger Leistungsansprüche.

Am 20.02.2019 berichtete der Kläger über eine schwierige Situation seines kleinen Betriebes aufgrund seines Ausfalles. Er habe eine zusätzliche Person einstellen müssen. Mit Schreiben vom 28.02.2019 beantragte er die Gewährung einer Betriebshilfe, damit der Betrieb wirtschaftlich vertretbar weitergeführt werden könne.

Mit Bescheid vom 03.04.2019 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme einer Betriebshilfe mangels Rechtsgrundlage ab. Für den Ausfall des Unternehmers durch Arbeitsunfähigkeit sei die Zahlung von Verletztengeld vorgesehen, aus welchem z.B. die Beschäftigung einer Aushilfe bestritten werden könne.

Hiergegen erhob der Kläger - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - Widerspruch. Leistungen könnten gem. § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) auch über die konkret im Gesetz genannten Leistungen erfolgen. Gerade bei Selbständigen würden besondere Umstände gelten. Maßgeblich sei die Erhaltung des Betriebes und der Arbeitsplätze der übrigen Mitarbeiter.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 09.07.2019 darauf hin, dass es sich bei § 22 Abs. 1 SGB I um eine sog. "Einweisungsvorschrift" handele, die lediglich auf die Sozialrechte hinweise, die nach den einzelnen spezifizierten Sozialgesetzbüchern bestünden. Maßgeblich für die gesetzliche Unfallversicherung sei das Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). § 22 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verweise insoweit auf die §§ 26 bis 53, 55, 55a SGB VII. Nach diesen Vorschriften sei jedoch keinerlei Anspruchsgrundlage ersichtlich, wonach die beantragte Betriebshilfe erstattet werden könne. Eine solche werde nur bei landwirtschaftlichen Unternehmen gem. § 54 SGB VII erbracht und sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht auf andere Unternehmen übertragbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2019 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Erläuterung im Schreiben vom 09.07.2019 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 09.09.2019 vor dem Sozialgericht Osnabrück erhobene Klage, mit dem der Kläger sein Begehren auf Übernahme der Kosten für eine Betriebshilfe weiter verfolgt. Er habe mit seinem Fleischereibetrieb das gleiche tatsächliche und auch rechtliche Bedürfnis für eine Unterstützung während der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wie bei einem landwirtschaftlichen Betrieb. Auch sein Betrieb hänge maßgeblich von den Qualifikationen und Tätigkeiten des Inhabers ab. Die Ungleichbehandlung sei daher nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2019 aufzuheben und

  2. 2.

    die Beklagte zu verpflichten, ihm die Kosten für in Anspruch genommene Betriebshilfe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt nach ihrem Vorbringen,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.

Die Kammer hat die Beteiligten nach Hinweis vom 14.04.2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 23.04.2020 angehört und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 105 Abs. 1 SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 105 SGG konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß unter Angabe der entsprechenden Begründung gehört wurden.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet. Es besteht kein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe auf Erstattung der Kosten für eine in Anspruch genommene Betriebshilfe.

I. Nach Eintritt eines Leistungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, §§ 7 bis 9 GB VII), haben Versicherte gem. § 26 Abs. 1 SGB VII Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Bei diesem Grundanspruch handelt es sich um die unfallversicherungsrechtliche Konkretisierung der sich für die Leistungsträger ergebenden Verpflichtung aus § 22 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII im Sinne eines vollständigen Schadensausgleiches.

Die Regelungen über Betriebs- und Haushaltshilfe finden sich unter der amtlichen Überschrift des Achten Unterabschnitts des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII ("Besondere Vorschriften für die Versicherten der landwirtschaftlichen Unfallversicherung") ausschließlich in den §§ 54, 55 SGB VII. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Leistung, die durch das Dritte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 13.08.1965 (BGBl. I, S. 801) nur für den Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung eingeführt wurde. Betriebs- und Haushaltshilfe sind aber keine speziellen unfallversicherungsrechtlichen Leistungen, sondern werden in allen Zweigen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung erbracht, also auch von der landwirtschaftlichen Krankenkasse (vgl. §§ 9 ff. des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte - KVLG 1989), der landwirtschaftlichen Alterskasse (vgl. §§ 36 ff. des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG) sowie der landwirtschaftlichen Pflegekasse (vgl. § 44 a Abs. 6 des Elften Sozialgesetzbuchs - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI). Die Betriebs- und Haushaltshilfe tritt dabei an die Stelle einer einkommensersetzenden Geldleistung (vgl. hierzu für den Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung § 55a Abs. 2 SGB VII). Beim Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit hat der Verletzte aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger keinen Anspruch auf Betriebs- und Haushaltshilfe aus der landwirtschaftlichen Krankenkasse (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 26.06.2014, Az.: B 2 U 17/13 R, juris Rdnr. 21; Köhler in: Betriebs- und Haushaltshilfe - eine funktionale Leistung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, dargestellt am Beispiel der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, Argar- und Umweltrecht 2019, S. 366, 367).

Nach § 54 Abs. 1 SGB VII erhalten Betriebshilfe landwirtschaftliche Unternehmer mit einem Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG während einer stationären Behandlung, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige nicht ständig beschäftigt werden. Betriebshilfe wird für längstens drei Monate erbracht (§ 54 Abs. 1 SGB VII). Die Satzung kann bestimmen, dass die Betriebshilfe auch an den mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner eines landwirtschaftlichen Unternehmers erbracht wird, unter welchen Voraussetzungen und für wie lange Betriebs- und Haushaltshilfe den landwirtschaftlichen Unternehmern und ihren Ehegatten oder Lebenspartnern auch während einer nicht stationären Heilbehandlung erbracht wird, unter welchen Voraussetzungen Betriebs- und Haushaltshilfe auch an landwirtschaftliche Unternehmer, deren Unternehmen nicht die Voraussetzungen des § 1 Absatz 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte erfüllen, und an ihre Ehegatten oder Lebenspartner erbracht wird, dass die Betriebs- und Haushaltshilfe auch erbracht wird, wenn in dem Unternehmen Arbeitnehmer oder mitarbeitende Familienangehörige ständig beschäftigt werden, unter welchen Voraussetzungen die Betriebs- und Haushaltshilfe länger als drei Monate erbracht wird und von welchem Tag der Heilbehandlung an die Betriebs- oder Haushaltshilfe erbracht wird (§ 54 Abs. 3 SGB VII). Die Leistungen müssen wirksam und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen, ansonsten dürfen sie von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft nicht bewilligt werden.

Die Betriebshilfe nach § 54 SGB VII setzt somit voraus, dass ein in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versichertes Unfallrisiko den Anspruch begründet (Urteil des LSG München vom 26.09.2013, Az.: L 18 U 138/11, juris Rdnr. 25). Für den landwirtschaftlichen Unternehmer muss die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig sein (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 5 SGB VII), wobei der anspruchsberechtigte Personenkreis begrenzt wird auf landwirtschaftliche Unternehmen, die ein Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 2 ALG bewirtschaften. Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das nach dem von der landwirtschaftlichen Alterskasse unter Berücksichtigung der örtlichen oder regionalen Gegebenheiten einen bestimmten Wirtschaftswert erreicht.

Es handelt sich somit bei der Betriebshilfe um eine spezielle Leistung nur der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (Urteil des BSG vom 26.06.2014, Az.: B 2 U 17/13 R, juris Rdnr. 25). Weil § 54 SGB VII nur den (Weiter-)Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens absichern soll, kommt Betriebshilfe zur Weiterführung eines anderen Unternehmens nicht in Betracht (Urteil des LSG Erfurt vom 21.03.2019, Az.: L 1 U 1289/17 - juris Rdnr. 21).

Daher hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 54 SGB VII auf Erstattung der Kosten für die in Anspruch genommene Betriebshilfe. Denn der Kläger hat den Arbeitsunfall vom 28.03.1995 nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer im obigen Sinne erlitten, sondern als Beschäftigter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Für die Folgen des Arbeitsunfalls war und ist auch nicht die landwirtschaftliche Unfallversicherung zuständig, sondern eine gewerbliche Berufsgenossenschaft. Inzwischen hat der Kläger einen eigenen Fleischereibetrieb, für den ebenfalls nicht die landwirtschaftliche Unfallversicherung zuständig ist.

II. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vorschrift des § 54 SGB VII nicht auch auf Versicherte anzuwenden, für die kein Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zuständig ist.

Das BSG hat hierzu bereits im Urteil vom 26.06.2014 (Az.: B 2 U 17/13 R, juris Rdnr. 29 m.w.N.) ausgeführt, dass sich aus der amtlichen Überschrift der §§ 54, 55 SGB VI ergebe, dass der Gesetzgeber den Geltungsbereich dieser Vorschriften nicht auf alle Gewerbezweige der gesetzlichen Unfallversicherung erstrecken wollte, sondern ausdrücklich nur auf Versicherte der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Der Gesetzgeber habe die Einführung der Betriebshilfe damit begründet, dass hierfür in der Landwirtschaft ein besonderes Bedürfnis bestünde. Die Betriebshilfe stelle die Fortführung der Arbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen sicher und verhindere zugleich den Ausfall von Einkünften (BT-Drucks VI/3012, S 29 zu § 27). Es bestünde daher kein Anhaltspunkt für einen Willen des historischen Gesetzgebers, die Betriebshilfe als Leistung für alle von Versicherungsfällen im Sinne des § 8 SGB VII betroffene Unternehmer einzuführen. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung an.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Regelung des § 54 SGB VII auch nicht verfassungskonform auszulegen. Sie verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Eine verfassungskonforme Auslegung ist geboten, wenn bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Dann verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird. Im Interesse der Normerhaltung ist es geboten, in den von der Verfassung gezogenen Grenzen das Maximum dessen zu erhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde; im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (Urteil des Bayerischen LSG vom 26.09.2013, Az.: L 18 U 138/11, juris Rdnr. 35 m.w.N.). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf. im Parlament gar nicht erreichbar war (Urteil des BSG vom 18.09.2012, Az.: B 2 U 11/11 R, juris Rdnr. 38).

Dies zugrunde gelegt, scheidet eine verfassungskonforme Auslegung des § 54 SGB VII aufgrund der eindeutigen Wertentscheidung des Gesetzgebers, nur für den Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung die speziellen Leistungen der Betriebs- und Haushaltshilfe einzuführen, aus. Der Gesetzgeber durfte diese Leistungen im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auf Unfälle beschränken, die sich in einem landwirtschaftlichen Unternehmen ereignen (Urteil des BSB vom 26.06.2014, a.a.O., juris Rdnr. 25).

Für eine verfassungskonforme Auslegung besteht entgegen der Auffassung des Klägers auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine Notwendigkeit. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Der allgemeine Gleichheitssatz ist erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Das Gewicht des Rechtfertigungsgrundes muss dabei zur Bedeutung der Benachteiligung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (Urteil des BSG vom 26.06.2014, a.a.O., juris Rdnr. 24). Zwar ist die Betriebshilfe im Rahmen des § 54 SGB VII ist eine nur für die Versicherten der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vorgesehene Leistung, so dass Landwirte insoweit gegenüber anderen Berufsgruppen privilegiert werden. Die Gruppe der Verletzten, die einen Arbeitsunfall in ihrer selbständigen Tätigkeit erleiden, das kein landwirtschaftliches Unternehmen ist, wird jedoch nicht aus sachfremden Gründen gegenüber Versicherten benachteiligt, die einen Arbeitsunfall infolge ihrer landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erleiden. Zwar kann letzteren bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gegen den landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträger (nur) ein Anspruch auf Betriebshilfe zustehen. Die anderen Berufsgruppen werden dagegen auf das Verletztengeld als Lohnersatzleistung verwiesen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 26.06.2014 die unterschiedliche Rechtsfolge für Nebenerwerbslandwirte, die wegen eines außerhalb ihres landwirtschaftlichen Unternehmens erlittenen Arbeitsunfalls keine Betriebshilfe erhalten, als sachlich gerechtfertigt erachtet und ausgeführt, dass im Hinblick auf das Gesamteinkommen eine adäquate soziale Absicherung bestünde (juris Rdnr. 23, 26). Dies gilt aus Sicht der Kammer auch für anderweitig selbstständig Tätige, die sich als freiwillig Versicherte über den Anspruch auf Verletztengeld absichern können.

Zu beachten ist zudem, dass im vorliegenden Fall der Kläger den Unfall nicht infolge seiner Tätigkeit als Selbständiger, sondern infolge seiner Tätigkeit als abhängig Beschäftigter bei einem anderen Unternehmen erlitten hat. Er hat sich erst anschließend mit dem eigenen Betrieb selbstständig gemacht. Eine Vergleichbarkeit zwischen sozialversicherten Arbeitnehmern, die im Falle eines Arbeitsunfalls Entgeltfortzahlung und Verletztengeld erhalten, und landwirtschaftlichen Unternehmerinnen bzw. Unternehmer, besteht nicht. Deren Bedarfslage geht weit über die Bedarfslage eines Arbeitnehmers hinaus. Denn sie erleiden nicht nur einen Einkommensverlust, sondern sind auch in ihrer beruflichen Existenz bedroht, weil die während der Arbeitsunfähigkeit zu verrichtenden unaufschiebbaren Betriebstätigkeiten (Versorgung des Viehs, Bestellung der Felder und Einbringung der Ernte) nicht erledigt werden können (vgl. hierzu Köhler, a.a.O., S. 367). Daher ist im vorliegenden Fall bereits aus diesem Grund keine Vergleichbarkeit gegeben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in Ansehung der bereits erlittenen Unfallfolgen selbständig gemacht hat.

III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über eine besondere Unterstützung nach § 39 Abs. 2 SGB VII. Nach dieser Vorschrift kommt es zwar auch in Betracht, Betriebs- oder Haushaltshilfen zu gewähren. § 39 Abs. 2 SGB VII regelt aber nur einen Ergänzungs- und Auffangtatbestand. Sie setzt den Ausgleich besonderer Härten - also eine planwidrige vom Gesetzgeber nicht gewollte Regelungslücke - voraus. Allein das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 54 SGB VII führt jedoch nicht zu einer besonderen Härte, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 SGB VII nicht umgangen werden dürfen (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 54 SGB VII Rdnr. 39 - Stand: 06.09.2019). Die Gewährung von Betriebshilfe über die Härteregelung des § 39 Abs. 2 SGB VII durch eine nicht landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft wäre daher systemwidrig (Urteil des Bayerischen LSG vom 26.09.2013, a.a.O., juris Rdnr. 40 m.w.N.).

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.