Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.04.2016, Az.: 11 KS 272/14
Anhörung; Benehmen; Bundeszuständigkeit; Hells Angels; verfassungsmäßige Ordnung; Prägung; Strafgesetzwidrigkeit; Vereinsverbot; Verhältnismäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.04.2016
- Aktenzeichen
- 11 KS 272/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43237
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 11 Abs 2 MRK
- Art 9 Abs 2 GG
- § 3 Abs 1 S 1 VereinsG
- § 3 Abs 2 VereinsG
- § 28 Abs 2 Nr 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Bundeszuständigkeit für das Verbotsverfahren wird nicht bereits dann begründet, wenn bei einer regional ausgerichteten Vereinstätigkeit einzelne, zeitlich begrenzte Deliktshandlungen, die verbotsbegründend sind, außerhalb des Landes Niedersachsen begangen wurden.
2. Ein von dem Präsidenten des Vereins und weiteren Vereinsmitgliedern begangener Straftatenkomplex kann im Hinblick auf den Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit derart einschlägig und schwerwiegend sein, dass er das Vereinsverbot trägt.
Tenor:
Die Verfügung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 20. Oktober 2014 wird hinsichtlich ihrer Nr. 1 aufgehoben, soweit darin in Satz 2 festgestellt wird, dass der Verein Hells Angels MC Charter Göttingen sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Adelebsen im Landkreis Göttingen. Der 2011 gegründete Verein trägt den Namen “Hells Angels MC Charter Göttingen“ (im Folgenden: HAMC Göttingen) und versteht sich als Teil der im März 1948 in San Bernardino, Kalifornien/USA, gegründeten weltweiten Hells Angels Bewegung. Der Kläger wendet sich gegen das vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport ausgesprochene Vereinsverbot.
Mit Verfügung vom 20. Oktober 2014 stellte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (im Folgenden: der Beklagte) unter Nr. 1 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Vereins HAMC Göttingen den Strafgesetzen zuwiderlaufen (Satz 1) und die Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet (Satz 2). Der Verein wurde verboten und aufgelöst (Nr. 2). Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurde untersagt (Nr. 3). Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen (Nr. 4). Sachen Dritter wurden ebenfalls beschlagnahmt und eingezogen, soweit der Berechtigte durch Überlassung der Sachen an den Verein HAMC Göttingen dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt sind (Nr. 5). Unter Nr. 6 der Verfügung wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet mit Ausnahme der unter Nr. 5 genannten Einziehungen.
Der Beklagte stellte die Verfügung am 24. Oktober 2014 zu Händen von 15 namentlich genannten Personen zu. Weiterer Adressat der Verfügung ist B. B., der Bruder des Präsidenten. Er ist nicht Mitglied des Klägers. Nach Ansicht des Beklagten ist er mitverantwortlicher Funktionsträger und deshalb in die Verbotsmaßnahme miteinzubeziehen.
Zur Begründung der Verfügung wurde ausgeführt: Der Zweck und die Tätigkeit des Vereins HAMC Göttingen liefen den Strafgesetzen zuwider. Der Präsident des Vereins stehe im Verdacht, bis zum 29. September 2014 eine versuchte räuberische Erpressung zum Nachteil des Geschädigten P. begangen zu haben. Eine Mitbeteiligung an der Tat werde den Anwärtern K. und M. sowie dem Bruder des Präsidenten, B. B., vorgeworfen. B. B. stehe im Verdacht, nach dieser Tat den Geschädigten bedroht zu haben. B. B., K. und M. werde außerdem vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem Erpressungsversuch einen räuberischen Diebstahl eines Laptops des Geschädigten begangen zu haben. Den Tatvorwürfen lägen folgende Ermittlungsergebnisse zugrunde. Bei einem Einbruchdiebstahl im Wohnhaus des Geschädigten P. am 17. September 2014 in Q. im Landkreis Kassel seien ein in zwei Tresoren befindlicher größerer Geldbetrag, der aus einer Versicherungsleistung herrühre, und ein kleinerer Tresor mit Schmuck entwendet worden. Zu dem Vorfallzeitpunkt sei der Geschädigte, der bereits längere Zeit vor dem Einbruch in Kontakt zu Mitgliedern des HAMC Göttingen gestanden habe, zu Besuch bei B. B. gewesen. Diesem gegenüber habe der Geschädigte in weiteren Gesprächen den Verdacht geäußert, dass die Tat von Mitgliedern des Vereins ausgeführt worden sei. Daraufhin habe der Präsident des Vereins den Geschädigten am 19. September 2014 wütend zur Rede gestellt und erklärt, er habe die „Hells Angels“ in Misskredit gebracht und müsse daher Schadenersatz in Höhe von mindestens 30.000 EUR zahlen, ansonsten werde er erschossen. Am 24. September 2014 hätten B. B., K. und M. den Geschädigten aufgesucht und angegeben, der Täter des Einbruchdiebstahls am 17. September 2014 sei bei den „Hells Angels“ erschienen und habe erklärt, der Geschädigte stehe doch mit den „Hells Angels“ in Verbindung. Bei diesem handele es sich um einen „Kinderficker“. Dieses ergebe sich aus Fotos, die er bei dem Einbruch entwendet habe. B. B. habe daraufhin gegenüber dem Geschädigten erklärt, durch diesen Umstand werde der Club „in den Dreck gezogen“ und es bestehe die Gefahr des Ausschlusses aus der Hells Angels-Gruppierung Hannover. Daher müsse nun Geld an die Hells Angels Hannover gezahlt werden. Mit dieser Begründung habe K. den Geschädigten aufgefordert, 100.000 EUR binnen zwei Tagen zu zahlen. Falls die Zahlung nicht erfolge, habe der Geschädigte “es hinter sich“. Beim Verlassen der Wohnung des Geschädigten hätten die drei Tatbeteiligten neben einem Holzrelief einen Laptop mitgenommen, wobei der Geschädigte auf seinen Hinweis, die Mitnahme seines Laptops passe ihm nicht, sinngemäß zur Antwort erhalten habe, er könne froh sein, dass man ihm das Holzrelief nicht auf den Kopf schlage. Am 25. September 2014 habe der Präsident des Vereins den Geschädigten angerufen und erklärt, auf dem Laptop des Geschädigten seien unter anderem “Teeniesexfotos“ gefunden worden. Falls er nicht binnen zwei Tagen 100.000 EUR zahle, werde der Laptop am Montag “zum Amt“ gebracht. Nachdem der Geschädigte sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt habe, seien der Präsident des Vereins und sein Bruder bei einer polizeilich überwachten Geldübergabe am 29. September 2014 am Wohnhaus des Geschädigten festgenommen worden. Bei seiner Festnahme habe B. B. sich sinngemäß dahingehend geäußert, dass der Geschädigte “sowieso schon tot“ sei. Einen Tag später habe er im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung dem Geschädigten angedroht, ihm „den Kopf einzuschlagen und ihn zu kastrieren“.
Zur weiteren Begründung der Verfügung wurde ausgeführt, dass der Beklagte als zuständige Behörde nach eigener Bewertung der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungsergebnisse aufgrund der glaubhaften Bekundungen des Geschädigten P., die mit den Erkenntnissen aus Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen korrespondierten, die vorstehend dargelegten Straftaten als bewiesen ansehe. Die Straftaten seien dem HAMC Göttingen zuzurechnen. Sie seien von dem Präsidenten des Vereins geplant, festgelegt und mit Beteiligung von Vereinsmitgliedern bzw. einem Funktionsträger begangen worden. Die Straftaten stünden in einem inneren Zusammenhang mit dem Verein. Unerheblich sei, dass der Präsident am 24. September 2014 nicht selbst in der Wohnung des Geschädigten zugegen gewesen sei. Er habe die Tat als verantwortlicher Hintermann gesteuert. Bei der Übergabe des erpressten Geldes sei er dann ebenfalls vor Ort gewesen. Der Zweck und die Tätigkeit des Vereins richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die dargestellten Straftaten zeigten, dass der Verein über eine eigene „Rechtsordnung“ und ein eigenes Sanktionssystem verfüge und Straftaten in Form der Selbstjustiz zur Bewahrung der eigenen Vereinsidentität ausübe. Daraus folge eine bewusste Absage an das Gewaltmonopol des Staates. Das Vereinsverbot sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne.
Der Kläger hat gegen die Verfügung am 13. November 2014 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage trägt er vor: Die Verfügung sei sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtswidrig und verletze ihn und seine Mitglieder in ihren Rechten.
Der Beklagte sei für das Vereinsverbot verfahrensrechtlich nicht zuständig. Der Schwerpunkt der angeführten strafgesetzwidrigen Tätigkeit des Vereins liege außerhalb des Landes Niedersachsen. Als Verbotsgrund werde nur eine einzige Tathandlung angegeben, die sich auf das Land Hessen beschränke. Es sei daher eine Bundeszuständigkeit gegeben. Das Benehmen des Bundesministers des Innern sei nicht eingeholt worden. Die Verbotsverfügung verletze den Anspruch auf Anhörung im Verwaltungsverfahren. Die Verbotsbehörde habe eine sofortige Entscheidung nicht für notwendig halten dürfen. Der Grund, einen „Ankündigungseffekt“ zu vermeiden, reiche nicht aus. Das Vereinsverbot sei auch mangels Abschlusses des Ermittlungsverfahrens rechtswidrig. Es stütze sich nicht auf gesicherte Erkenntnisse, sondern mache Nachermittlungen erforderlich. Die Verfügung beruhe auch nicht auf eigenständigen Ermittlungen und einer eigenen Würdigung der Verbotsbehörde. Die Verbotsbehörde sei „verlängerter Arm“ der Strafverfolgungsbehörde und exekutiere den Willen und das Bestreben anderer. Die Verbotsverfügung sei nicht vom Innenminister des Landes Niedersachsen unterzeichnet worden.
In materieller Hinsicht seien die in der Verbotsverfügung enthaltenen allgemeinen Zuschreibungen nicht verwertbar. Die in der Verbotsverfügung unterstellte Prägung des Vereins durch Macht- und Gewaltentfaltung auf kriminellem Gebiet bestehe nach den Erkenntnissen von objektiven Kriminalisten nicht. Die weitere Annahme des Beklagten, die Zugehörigkeit des verbotenen Vereins zur Dachorganisation “Hells Angels“ spreche für eine bewusst außergesetzliche Ausrichtung des Vereins und seiner Mitglieder, sei nicht haltbar. Entgegen der Ansicht der Verbotsbehörde handele es sich bei den Hells Angels nicht um eine auf die Begehung von Straftaten ausgerichtete kriminelle Organisation. Dieser insbesondere auf einem Strategiepapier zur Rockerkriminalität beruhende Vorwurf sei wissenschaftlich nicht untermauert. Die Verbotsbehörde belasse es bei verallgemeinernden Betrachtungen, die sie teilweise aus anderen vereinsrechtlichen Verbotsverfahren übernommen habe, beschränke sich auf Mutmaßungen und Gerüchte, statt den Sachverhalt einer differenzierten Einzelfallbetrachtung zu unterziehen, und lasse sich bei ihrer Verbotsentscheidung von sachfremden Erwägungen leiten, die prozessual nicht verwertbar seien. Die Bewertung von vorläufigen Ermittlungsergebnissen verstoße gegen die Unschuldsvermutung.
Weder der Zweck noch die Tätigkeit des verbotenen Vereins verletze die rechtsstaatliche Ordnung elementar, nachhaltig und für die Vereinigung prägend. In Bezug auf den Verbotsgrund, dass sich die Vereinstätigkeit gegen die Strafgesetze richte, sei der Sachverhalt unzutreffend gewürdigt worden. Bei dem in der Verbotsverfügung dargestellten Tatgeschehen handele es sich um eine Einzeltat, die vollkommen individuell veranlasst sei, mit der die Täter eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt hätten und die nicht auf einen planmäßigen Entschluss des Vereins zurückzuführen sei. Bei dem angeblich Geschädigten P. handele es sich aufgrund seiner kriminogenen Vorgeschichte um eine suspekte Auskunftsperson. Seine nicht nachgewiesenen Aussagen seien zudem anders als in der Verbotsverfügung zu bewerten. Soweit in den Einlassungen des vermeintlich Geschädigten ein Bezug zu dem HAMC Göttingen hergestellt werde, könnten die Tathandlungen nicht dem verbotenen Verein zugerechnet werden. Die Verbotsverfügung unterstelle zu Unrecht, dass der verbotene Verein durch umfassende Hilfeleistungen und gegenseitige Einstandspflichten hinsichtlich der von seinen Mitgliedern begangenen Straftaten geprägt werde. An der Tatbegehung seien außerdem nur eine geringe Anzahl von Vereinsmitgliedern und ebenso ein Nichtmitglied beteiligt gewesen, nämlich B. B., dem zu Unrecht eine Leitungsfunktion im Verein zugeschrieben werde. Bei einem unterstellten Zurechnungszusammenhang zwischen dem Tatgeschehen und dem Verein fehle es an der für die Prägung der Tätigkeit des Vereins erforderlichen Nachhaltigkeit. Bei der angeführten Straftat handele es sich lediglich um ein Vermögensdelikt. Sie habe auch nicht der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient. Die Verbotsverfügung führe auch nicht Unterstützungshandlungen anderer nicht in die unmittelbare Tatbegehung einbezogener Vereinsmitglieder auf. In Bezug auf den Verbotsgrund, dass der Zweck des verbotenen Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufe, fehle es der Verbotsverfügung an jeglicher konkreter Darlegung und der erforderlichen Beweisführung. Es komme darauf an, ob sich eine Vereinigung gebildet oder entwickelt habe, um die personelle Mitgliedschaft für ein Eindringen in organisierte Kriminalitätsfelder nutzbar zu machen. Den Beleg für eine solche Übereinkunft habe die Verbotsbehörde nicht erbracht. Der Verein strebe das Begehen von Straftaten weder als Nebenzweck an, noch nehme er dies billigend in Kauf.
Die bisherige obergerichtliche Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Strafgesetzwidrigkeit sei nicht vereinbar mit Verfassungsrecht. Die Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG werde in unverhältnismäßiger Weise beschränkt, wenn die Begehung einer oder mehrerer Straftaten zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals ausreiche. Das Vereinsverbot verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es sei systemwidrig, die Frage der Verhältnismäßigkeit auf der Tatbestandsseite der Norm abschließend zu prüfen. Stattdessen sei auf der Rechtsfolgenseite zu erwägen, ob die Vereinigungsfreiheit durch mildere Maßnahmen gewahrt werden könne. Hier bestehe kein Zusammenhang zwischen der der Verbotsverfügung zugrunde gelegten Tathandlung und dem Verein. Das Vereinsverbot sei daher nicht geeignet, künftigen Straftaten vorzubeugen. Die Verbotsverfügung verstoße gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK.
Die Zwecke und die Tätigkeit des Vereins richteten sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die von der Verbotsverfügung als Grund angeführte Selbstjustiz reiche nicht aus für die Annahme, der verbotene Verein verfolge das Ziel, den staatlichen Herrschaftsanspruch bekämpfen und beseitigen zu wollen. Da dieser Verbotsgrund nicht vorliege, sei die dahingehende Feststellung im Tenor der Verbotsverfügung selbständig aufhebbar.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 20. Oktober 2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erwidert: Mehrere Mitglieder des Vereins und der dem Verein zurechenbare B. B. seien strafrechtlich in Erscheinung getreten. Neben den in der Verbotsverfügung aufgeführten strafbaren Handlungen gebe es folgende Erkenntnisse: M. und ein Unterstützer mit dem Namen S. stünden im Verdacht, am 27. Juni 2014 eine versuchte Erpressung zum Nachteil des T. begangen zu haben. Im Ermittlungsverfahren habe der Anführer des Klägers, A. B., einen Rechtsanwalt für S. besorgt und diesen nach dessen Entlassung von der Polizei abgeholt. Das Vereinsmitglied J. stehe in dem dringenden Verdacht, in größerem Umfang mit unerlaubten Betäubungsmitteln gehandelt zu haben. Er sei am 29. November 2014 in Göttingen vorläufig festgenommen worden. Gegen A. B. laufe wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Göttingen. In diesem Zusammenhang werde auch gegen M. ermittelt. A. B. sei wegen uneidlicher Falschaussage vom Amtsgericht Göttingen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt worden. A. B. habe zudem S. mehrfach bedroht.
Die Verbotsverfügung sei formell rechtmäßig. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport sei für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig. Die erkennbare Organisation des Klägers sei auf das Land Niedersachsen begrenzt. Das Benehmen des Bundesministers des Innern mit dem Vereinsverbot sei hergestellt worden. Eine vorherige Anhörung des Klägers sei entbehrlich gewesen, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig gewesen sei. Eine vorherige behördliche Anhörung hätte einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ gehabt und dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, seine Infrastruktur, sein Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Eine persönliche Unterschrift des Innenministers sei nicht erforderlich gewesen, da die Zuständigkeit bei der obersten Landesbehörde, hier dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport, liege.
Die Verbotsverfügung sei materiell rechtmäßig. Der Kläger sei ein Verein im Sinne der verfassungsrechtlichen und vereinsrechtlichen Definition. Hervorzuheben seien der das Verhalten der Vereinsmitglieder wesentlich prägende „Ehrenkodex“, ein absolutes Aussageverbot in strafprozessualen Ermittlungsverfahren und die Ausübung einer Schutzfunktion für jedes Mitglied. Die Tätigkeit des Vereins laufe den Strafgesetzen zuwider. Diese Einschätzung beruhe im Wesentlichen auf den Straftaten der Vereinsmitglieder, zu denen jeweils hinreichende polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Erkenntnisse vorlägen. In diesem Zusammenhang seien insbesondere die Straftaten der Vereinsmitglieder zum Nachteil des Geschädigten P. von Bedeutung. Die Feststellungen zu diesen Straftaten beruhten auf den durchgängig glaubhaften Bekundungen des Geschädigten. Die Taten seien dem Kläger zuzurechnen. Die Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. seien von dem Präsidenten in seiner Eigenschaft als leitender Funktionär des Vereins geplant und zum Teil auch unter seiner Mitwirkung durchgeführt worden. Die Straftaten stünden in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers. Sowohl der Anlass, die vermeintliche Ehrverletzung des Klägers durch den Geschädigten P., als auch die Zielrichtung der Taten, nämlich die Zahlung einer erheblichen Geldsumme durch den Geschädigten an die „Hells Angels“ zum Zwecke der Wiederherstellung der verletzt geglaubten Vereinsehre, machten dies deutlich. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt von dem strafgesetzwidrigen Verhalten einzelner Mitglieder distanziert. Die dem Kläger zurechenbaren Straftaten seien für den Vereinscharakter auch prägend. Die Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. hätten zwar nicht der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient. Es liege aber eine vergleichbare Motivation der Straftatenbegehung vor, nämlich die Aufrechterhaltung der Vereinsautorität, gegenüber Dritten gleichermaßen wie gegenüber den eigenen Mitgliedern. Im Übrigen seien die Straftaten unter Beteiligung des Anführers und auch im Interesse des Vereins begangen worden. Die weiter aufgeführten Straftaten seien geeignet, das Ermittlungsergebnis zu stützen.
In den Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. komme eine bewusste Absage an das staatliche Gewaltmonopol zum Ausdruck, sodass sich der Zweck des Vereins auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.
Während des Klageverfahrens hat das Amtsgericht Kassel am 27. Oktober 2015 den Präsidenten des Klägers, A. B., und dessen Bruder, B. B., wegen versuchter gemeinschaftlicher Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl zum Nachteil des Geschädigten P. zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten bzw. von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat das Gericht jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Nach der Begründung des amtsgerichtlichen Urteils beruhen die festgestellten Taten auf den glaubhaften Geständnissen der beiden Angeklagten. Das Urteil ist rechtskräftig. K. und M. hat das Amtsgericht Kassel mit 2 Strafbefehlen vom 27. Oktober 2015 wegen versuchter gemeinschaftlicher Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl zum Nachteil des Geschädigten P. zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 EUR verurteilt. Beide Strafbefehle sind rechtskräftig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage, über die das Oberverwaltungsgericht nach § 48 Abs. 2 VwGO in erster Instanz entscheidet, ist zulässig. Der Kläger ist nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig, auch wenn es sich bei ihm um eine nichtrechtsfähige Vereinigung handelt (BVerwG, Beschl. v. 2.3.2001 - 6 VR 1/01, 6 A 1/01 -, juris, Rn. 5). Der Kläger ist im Prozess auch ordnungsgemäß durch seine 11 Vollmitglieder, den Prospect und die beiden Hangarounds vertreten, die einstimmig beschlossen haben, gegen die Verbotsverfügung Klage zu erheben (§ 62 Abs. 3 VwGO).
Die Anfechtungsklage ist im Wesentlichen unbegründet. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung vom 20. Oktober 2014 sind erfüllt (1.). In materieller Hinsicht ist die Verfügung mit Ausnahme der Feststellung unter Nr. 1 Satz 2 ihres Tenors, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, rechtmäßig. Wegen der Rechtmäßigkeit der Feststellung unter Nr. 1 Satz 1 des Tenors der Verfügung, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen, sind auch die daran anknüpfenden, in den nachfolgenden Nrn. 2 bis 5 ausgesprochenen Rechtsfolgen, insbesondere das Vereinsverbot unter Nr. 2, rechtlich nicht zu beanstanden (2.).
1. Formelle Fehler sind nicht ersichtlich.
a) Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ist zuständige Verbotsbehörde. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG ist Verbotsbehörde die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken; demgegenüber ist der Bundesminister des Innern für solche Vereine und Teilvereine als Verbotsbehörde zuständig, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Bundeszuständigkeit nicht begründet.
Die erkennbare Organisation des Klägers ist auf das Land Niedersachsen begrenzt. Der Vereinssitz des Klägers befindet sich in Adelebsen im Landkreis Göttingen. Die Vereinsmitglieder haben ihren Wohnort in Niedersachsen. Die Aufnahme der Stadt Göttingen in den Vereinsnamen deutet ebenfalls darauf hin, dass es sich bei dem Kläger um einen Orts-Charter der Hells Angels mit lokalem Bezug handelt.
Die Vereinstätigkeit ist ebenfalls auf das Land Niedersachsen beschränkt. Der Kläger verfügt in Adelebsen über eine größere Liegenschaft, die als Vereinsheim dient. Nach den Erkenntnissen des Beklagten findet in den dortigen Räumlichkeiten ein aktives Vereinsleben statt. Der Kläger veranstaltete im Jahr 2013 eine Einweihungsfeier mit 300 bis 400 Gästen. Seither lädt er auch zu offenen Clubabenden ein und bietet ein Sportangebot für Jugendliche an. Diese auf die Region Göttingen begrenzte Betätigung des Klägers wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Kläger ein Komplex von Straftaten zugerechnet wird, der im Bundesland Hessen begangen wurde. Nach dem Ermittlungsergebnis wurden zwar einzelne Tathandlungen am Wohnort des Geschädigten im Landkreis Kassel in Hessen ausgeführt. Andere Tathandlungen sollen aber in Niedersachsen stattgefunden haben, wie zum Beispiel Drohanrufe bei dem Geschädigten vor dem 29. September 2014. Abgesehen davon wird die Bundeszuständigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG nicht bereits dann begründet, wenn einzelne, zeitlich begrenzte Handlungen, die verbotsbegründend sind, einen überregionalen Bezug aufweisen. Dadurch verlagert sich nicht der Schwerpunkt der Vereinstätigkeit, soweit er - wie hier - regional ausgerichtet ist.
b) Das Benehmen mit dem Bundesminister des Innern hat der Beklagte hergestellt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG entscheidet die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 der Bundesminister des Innern zuständig ist. Ob der Kläger lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet des Landes Niedersachsen hinausgehenden größeren Vereins der “Hells Angels Bewegung“ darstellt und deshalb eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Innern erforderlich war, kann auf sich beruhen. Der Beklagte hat das Benehmen mit dem Bundesminister des Innern vorsorglich hergestellt. Er hat drei Tage vor der Zustellung der Verfügung, am 21. Oktober 2014, den Entwurf der Verbotsverfügung dem Bundesminister des Innern per E-Mail zur Kenntnis übersandt und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Nachricht enthält den Hinweis, dass beabsichtigt sei, das Verbot am 24. Oktober 2014 zu vollziehen. Dieses Vorgehen genügt den Anforderungen an die Herstellung des Benehmens. Eine Entscheidung im "Benehmen" verlangt im Gegensatz zu einer solchen im "Einvernehmen" keine Willensübereinstimmung. Es bedeutet nicht mehr als die (gutachtliche) Anhörung der anderen Behörde, die dadurch Gelegenheit erhält, ihre Vorstellungen in das Verfahren einzubringen (BVerwG, Urt. v. 29.4.1993 - 7 A 2/92 -, BVerwGE 92, 258, juris, Rn. 22). Hierzu reichte es aus, den Entwurf der Verbotsverfügung zu übersenden. Die Übermittlung der weiteren zum Vereinsverbot vorliegenden Erkenntnisquellen war nicht erforderlich. Der übersandte Entwurf der Verfügung enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesminister in die Lage zu versetzen, seinem Beteiligungsrecht nachzukommen. Wegen des zeitlichen Vorlaufs bestand auch die Möglichkeit für den Bundesminister, Nachfragen zu stellen oder um weitere Aufklärung zu bitten. Da die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde für das Verbotsverfahren nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG vorlag, bestand auch keine Veranlassung, den Bundesminister gesondert darauf hinzuweisen, dass dem Kläger strafbare Handlungen zugerechnet werden, die Vereinsmitglieder im Bundesland Hessen begangen haben.
c) Die Verbotsverfügung verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf Anhörung im Verwaltungsverfahren. Dem Betroffenen ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 NVwVfG) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Hierzu genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte (BVerwG, Urt. v. 5.8.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, juris, Rn. 13, BVerwG, Urt. v. 13.4.1999 - 1 A 3/94 -, NVwZ-RR 2000, 70, juris, Rn. 19). Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Nach der Begründung der Verbotsverfügung war eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig, um einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ zu vermeiden, der dem Kläger die Möglichkeit eröffnet hätte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, rechtfertigt in der Regel ein Absehen von der Anhörung (BVerwG, Urt. v. 13.4.1999 - 1 A 3/94 -, a.a.O., juris, Rn. 20). Die Absicht des Beklagten, einem die Wirksamkeit der Verbotsverfügung beeinträchtigenden Ankündigungseffekt zu begegnen, ging nicht ausnahmsweise ins Leere. Es bestand im Rahmen der im Zuge des Verbotsverfahrens angeordneten Durchsuchungen die begründete Aussicht, unter anderem in dem Vereinsheim des Klägers nennenswerte Vermögensgegenstände, verbotsrelevante Unterlagen oder anderes Beweismaterial zur Aufhellung der Vereinsstruktur aufzufinden. Wie in der Verbotsverfügung ausgeführt, wäre im Falle einer Anhörung die beabsichtigte Wirkung der Verbotsverfügung, nämlich das wirksame Vorgehen gegen den Verein, stark beeinträchtigt, wenn nicht sogar unmöglich gemacht worden.
d) Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, dass das Vereinsverbot mangels Abschlusses des Ermittlungsverfahrens (formell) rechtswidrig sei. Das Verbot werde nicht auf gesicherte Erkenntnisse gestützt, sondern mache Nachermittlungen erforderlich. Der Kläger macht zu Unrecht eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch mangelnde Sachaufklärung geltend. Der Untersuchungsgrundsatz des § 24 VwVfG gilt auch im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren (Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz, § 4, Rn. 9). Die Verbotsverfügung beruht auf einer umfassenden Ermittlungstätigkeit des Beklagten. Ausweislich der Begründung der Verbotsverfügung und der von dem Beklagten ausgewerteten Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Kassel standen der Präsident des Klägers, der von dem Kläger als Vollmitglied bezeichnete K., der Prospect M. und der Bruder des Präsidenten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung in dem dringenden Verdacht, unter anderem bis zum 29. September 2014 eine versuchte räuberische Erpressung zum Nachteil des Geschädigten P. begangen zu haben. Dieser Verdacht stützte sich nicht auf Mutmaßungen und Gerüchte, sondern auf handfeste Tatsachen, insbesondere auf die glaubhaften Bekundungen des Geschädigten und die Umstände der Festnahme des Präsidenten und seines Bruders am 29. September 2014. Hieraus und aus weiteren Tatsachen durfte der Beklagte auch darauf schließen, dass dem Kläger die strafbaren Handlungen vereinsrechtlich zuzurechnen sind. Abgesehen davon sind Nachermittlungen nicht ausgeschlossen. Hierzu ist die Verbotsbehörde auch nach Erlass der Verbotsverfügung berechtigt (BVerwG, Beschl. v. 9.2.2001 - 6 B 3/01 -, NJW 2001, 1663, juris, Rn. 19).
e) Der Kläger macht vergeblich geltend, dass die Verbotsverfügung nicht auf eigenständigen Ermittlungen und einer eigenen Würdigung der Verbotsbehörde beruhe. Die Verbotsbehörde habe das Ermittlungsverfahren vollständig der Polizeibehörde überantwortet, polizeilich gewonnene Erkenntnisse nicht überprüft und hinterfragt, sondern wortgleich übernommen. Ein Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Vereinsverbotes kann ausschließlich von der Verbotsbehörde, hier dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport als oberste Landesbehörde, eingeleitet und geführt werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG). Diesen Anforderungen genügt das Ermittlungsverfahren. Nach den Ausführungen auf Seite 13 der Verbotsverfügung hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport eine eigene Bewertung der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungsergebnisse vorgenommen. Die Begründung der Verfügung bestätigt dies. Für eine eigenständige Durchdringung des Tatsachenstoffes spricht auch der Inhalt des von dem Beklagten zu dem Ermittlungsverfahren angelegten Verwaltungsvorganges, der auf Seite 1 einen Vermerk über die Einleitung eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger enthält und auf den folgenden Seiten eigene Ermittlungsschritte dokumentiert, wie beispielsweise die Anforderung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte zu den Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. und die Einholung einer schriftlichen Bewertung des Landeskriminalamtes Niedersachsen unter anderem zur „Clubhistorie“ und zur Mitgliederentwicklung des HAMC Göttingen.
Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, dass sich der Beklagte im Zuge der von ihm verantworteten Ermittlungen der Hilfe anderer Behörden, insbesondere Polizeibehörden, bedient hat. Dieses Recht begründet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, wonach die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann. Es versteht sich von selbst, dass die Verbotsbehörde im Rahmen ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts auf Erkenntnisse zurückgreifen darf, die je nach dem in Rede stehenden Verbotsgrund bei anderen insoweit befassten Behörden angefallen sind. Die Einholung von Informationen bei anderen Behörden ist nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG ein wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung (BVerwG, Beschl. v. 29.1.2013 - 6 B 40/12 -, NVwZ 2013, 521, juris, Rn. 18). Ob die durch ihre Inanspruchnahme erlangten Informationen nach Gehalt, Dichte und Zuverlässigkeit bereits allein ein Vereinsverbot begründen können oder ob die Verbotsbehörde darüber hinaus weitere Ermittlungen anzustellen hat, ist nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Frage der Würdigung des Sachverhalts in jedem Einzelfall. Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das bei Einleitung des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren vorliegende Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft Kassel in Bezug auf die Untersuchung der Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. übernommen und eigenständig daraufhin gewürdigt hat, ob es ein Vereinsverbot trägt. Der Beklagte macht zutreffend geltend, dass es an einer eigenständigen Würdigung nicht deshalb fehlt, weil die Verbotsbehörde ihr überzeugend erscheinende Feststellungen anderer Behörden und Gerichte übernimmt.
f) Das Gesetz verlangt nicht, dass die Verbotsverfügung persönlich vom Innenminister des Landes Niedersachsen unterschrieben wird. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG, der ausdrücklich den Bundesminister des Innern für zuständig erklärt, ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG hinsichtlich des Verbotes des auf das Gebiet eines Landes beschränkten Vereins die oberste Landesbehörde, also das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, zuständig. Es reicht deshalb aus, dass der Landespolizeipräsident U. als Mitarbeiter der obersten Landesbehörde die Verbotsverfügung mit dem Zusatz „im Auftrage“ gezeichnet hat.
2. Die Verbotsverfügung vom 20. Oktober 2014 unterliegt in materieller Hinsicht in wesentlichen Punkten keinen rechtlichen Bedenken. Die Verfügung ist rechtmäßig, soweit mit ihr festgestellt wird, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen. Der Verein ist deshalb verboten (a). Die daran anknüpfenden Nebenanordnungen unter den Nrn. 2 bis 5 des Tenors sind ebenfalls rechtmäßig (c). Rechtswidrig ist die Feststellung unter Nr. 1 Satz 2 des Tenors, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte (b). Insoweit ist die Verfügung nach § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
a) Die Feststellung, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen, ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass der Verein einen der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt; zugleich mit dieser Feststellung ordnet die Verbotsbehörde die Auflösung des Vereins an. Der Kläger ist nach Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG verboten. Seine Zwecke und seine Tätigkeit laufen den Strafgesetzen zuwider (aa). Die hierauf gerichtete Feststellung und die an sie anknüpfende Auflösung des Klägers verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (bb). Die Verbotsverfügung ist mit der Gewährleistung der Vereinigungsfreiheit in Art. 11 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vereinbar (cc).
aa) Der Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit liegt vor. Der Kläger erfüllt angesichts der von ihm mitgeteilten Organisationsstruktur und der durch den gemeinsamen Beschluss seiner Mitglieder, gegen die Verbotsverfügung Klage zu erheben, offen zu Tage getretenen organisierten Willensbildung alle Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des Vereinsgesetzes (§ 2 Abs. 1 VereinsG). Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, da eine Vereinigung als solche nicht straffähig ist. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Eine Vereinigung erfüllt den Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit daher grundsätzlich dann, wenn ihre Mitglieder oder Funktionsträger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, juris, Rn. 38 und 39, und Urt. v. 19.12.2012 - 6 A 6/11 -, NVwZ 2013, 870, juris, Rn. 50), etwa wenn die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben, es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktion gehandelt hat, entsprechende strafbare Verhaltensweisen in großer Zahl sowie noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder aufgetreten sind oder die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (BVerwG, Beschl. v. 29.1.2013 - 6 B 40/12 -, a.a.O., juris, Rn. 32). Nach diesen Maßstäben haben Mitglieder des Klägers in einer der Vereinigung zuzurechnenden und sie prägenden Weise im September 2014 schwerwiegende Straftaten begangen.
Unerheblich ist, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 20. Oktober 2014 als dem für die Beurteilung der Verbotsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt eine strafgerichtliche Verurteilung der Täter (noch) nicht vorlag. Ein auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG gestütztes Vereinsverbot ist rechtlich unabhängig von einer strafrichterlichen Verurteilung einzelner Mitglieder oder Funktionäre der Vereinigung. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 5.8.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O., juris, Rn. 17 und 18). Dies begegnet mit Blick auf die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK keinen rechtsstaatlichen Bedenken, da ein Vereinsverbot weder eine (repressive) Strafe darstellt noch eine individuelle Schuldzuweisung enthält, sondern ausschließlich (präventiv) der Abwehr vereinsspezifischer Gefahren dient (BVerwG, Urt. v. 7.1.2016 - 1 A 3/15 -, juris, Rn. 44). Mit dem Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit soll der besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die sich daraus ergibt, dass Straftaten in einem vereinsmäßig organisierten Zusammenhang begangen werden. Entgegen der Ansicht des Klägers beruhen die Feststellungen des Beklagten weder auf Gerüchten, unbelegten Annahmen und bloßen Mutmaßungen noch auf sachfremden Erwägungen. Nach dem bei Erlass der Verbotsverfügung vorliegenden Erkenntnismaterial, das auf den polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnissen fußte, durfte der Beklagte den ermittelten Sachverhalt dahingehend rechtlich bewerten, dass A. B., der Präsident des Klägers, K., der nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers bei Erlass der Verfügung bereits Vereinsmitglied war, M. als Prospect sowie B. B., der Bruder des Präsidenten, bis zum 29. September 2014 schwerwiegende Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. begangen haben.
Auf der Grundlage der glaubhaften Bekundungen des Geschädigten R. und der Umstände der Festnahme der Brüder B. am 29. September 2014 steht folgendes fest: Bei einem Einbruchdiebstahl im Wohnhaus des Geschädigten P. am 17. September 2014 in Q. wurden ein in zwei Tresoren befindlicher größerer Geldbetrag, der aus einer Versicherungsleistung herrührte, und ein kleinerer Tresor mit Schmuck entwendet. Zu dem Vorfallzeitpunkt war der Geschädigte, der bereits längere Zeit vor dem Einbruch in Kontakt zu Mitgliedern des Vereins stand, zu Besuch bei B. B.. Diesem gegenüber äußerte der Geschädigte in weiteren Gesprächen den Verdacht, dass die Tat von Mitgliedern des Vereins ausgeführt wurde. Daraufhin stellte der Präsident des Klägers den Geschädigten am 19. September 2014 in einem Telefonat wütend zur Rede und erklärte, der Geschädigte habe die „Hells Angels“ in Misskredit gebracht und müsse daher Schadenersatz in Höhe von mindestens 30.000 EUR zahlen, ansonsten werde er erschossen. Am 24. September 2014 suchten B. B., K. und M. den Geschädigten auf. Einer der drei Tatbeteiligten gab an, der Täter des Einbruchdiebstahls am 17. September 2014 sei bei den „Hells Angels“ erschienen und habe erklärt, der Geschädigte stehe doch mit den „Hells Angels“ in Verbindung. Bei diesem handele es sich um einen „Kinderficker“. Dieses ergebe sich aus Fotos, die er bei dem Einbruch entwendet habe. Er erklärte daraufhin gegenüber dem Geschädigten, durch diesen Umstand werde der Club „in den Dreck gezogen“ und es bestehe die Gefahr des Ausschlusses aus der Hells Angels-Gruppierung Hannover. Daher müsse nun Geld an die Hells Angels Hannover gezahlt werden. Mit dieser Begründung forderte K. den Geschädigten auf, 100.000 EUR binnen zwei Tagen zu zahlen. Falls die Zahlung nicht erfolge, habe der Geschädigte “es hinter sich“. Beim Verlassen der Wohnung des Geschädigten nahmen die drei Tatbeteiligten neben einem Holzrelief einen Laptop mit. Am 25. September 2014 rief der Präsident des Vereins den Geschädigten an und erklärte, auf dem Laptop des Geschädigten seien unter anderem “Teeniesexfotos“ gefunden worden. Falls er nicht binnen zwei Tagen 100.000 EUR zahle, werde der Laptop am Montag “zum Amt“ gebracht. Nachdem der Geschädigte sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt hatte, wurden der Präsident des Klägers und sein Bruder bei einer polizeilich überwachten Geldübergabe am 29. September 2014 am Wohnhaus des Geschädigten festgenommen.
Dieser Sachverhalt ist rechtlich dahingehend zu würdigen, dass der Präsident des Klägers, A. B., das Vereinsmitglied K., der Prospect M. sowie der Bruder des Präsidenten, B. B., eine versuchte gemeinschaftliche Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl begangen haben (§§ 242, 253, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB). Diese strafbaren Handlungen, die insbesondere angesichts des angedrohten Gewalteinsatzes schwer wiegen, sind dem Kläger zuzurechnen und prägen seinen Charakter.
An der Tatbegehung war eine Person mit Leitungsfunktion im Verein in Gestalt des Präsidenten des Klägers, A. B., beteiligt. Er war Mittäter einer versuchten gemeinschaftlichen Erpressung und eines Diebstahls. Er telefonierte am 19. September 2014 mit dem Geschädigten und forderte ihn auf, einen Betrag als Schadenersatz zu leisten. Bei der verabredeten Geldübergabe am 29. September 2014 war er selbst anwesend. Wegen der durchgehenden Bezugnahme der übrigen Tatbeteiligten auf das nach ihrer Ansicht durch das Verhalten des Geschädigten gefährdete Ansehen der Hells Angels ist davon auszugehen, dass A. B. in seiner Eigenschaft als Präsident des Klägers das übrige Tatgeschehen aus dem Hintergrund geplant und gesteuert hat. Als Präsident trägt er in besonderer Weise Verantwortung für das Ansehen und die Ehre des Vereins.
Die strafbaren Handlungen wurden auch im Interesse des Klägers begangen. Die Äußerung des Präsidenten des Klägers gegenüber dem Geschädigten, er habe die „Hells Angels“ in Misskredit gebracht, die von einem weiteren Tatbeteiligten am 24. September 2014 gegenüber dem Geschädigten abgegebene Erklärung, durch das Verhalten des Geschädigten werde der Club „in den Dreck gezogen“ und es bestehe die Gefahr des Ausschlusses aus der Hells Angels-Gruppierung Hannover, und die darauf Bezug nehmende Aufforderung an den Geschädigten, binnen 2 Tagen 100.000 EUR zu zahlen, belegen diese Annahme des Beklagten. Anlass für die Straftaten war die vermeintliche Ehrverletzung des Klägers als örtlicher Repräsentant der Hells Angels durch den Geschädigten. Auch die Zielsetzung des strafbaren Vorgehens, durch eine von dem Geschädigten erpresste Geldzahlung an die Hells Angels die verletzt geglaubte Vereinsehre wiederherzustellen, deutet darauf hin, dass die Tatbeteiligten für den Kläger gehandelt haben.
Die strafbaren Handlungen stellen sich auch nach außen als Vereinsaktivitäten dar. Hierzu müssen nicht alle Mitglieder des Vereins an den Straftaten beteiligt gewesen sein. Es reicht aus, wenn - wie hier - eine Führungsperson und einzelne Mitglieder die Straftaten begehen. Der Beklagte weist in seiner Verfügung vom 20. Oktober 2014 zu Recht darauf hin, dass die Aufgabenverteilung während der Tatbegehung für die Strafgesetzwidrigkeit des Klägers spricht. Es sei der Normalfall, dass bei vereinsbezogenen Straftaten einzelne Mitglieder unterschiedliche Tatbeiträge beisteuerten, und es sei ein rockertypisches Phänomen, dass Prospects und Hangarounds mit von der Vereinsführung geplanten Straftaten beauftragt würden und sich hierdurch „hocharbeiten“ könnten, während der Präsident als verantwortlicher Hintermann bei der Tatausführung nicht zugegen sei, sondern das Geschehen aus dem Hintergrund steuere. Der Ablauf der strafbaren Handlungen im September 2014 entspricht im Wesentlichen diesem Muster. Der von dem Kläger als Vollmitglied bezeichnete K., der Prospect M. und der Bruder des Präsidenten übernahmen Tatbeiträge, indem sie den Geschädigten in dessen Wohnung am 24. September 2014 bedrohten und einschüchterten. Der Präsident hielt sich währenddessen im Hintergrund. Er zeigte sich zunächst nicht vor Ort, sondern telefonierte lediglich mit dem Opfer am 19. und 25. September 2014. In beiden Telefongesprächen forderte er eine Geldzahlung, so dass das Opfer den Eindruck haben musste, der Präsident handle für den Verein. Erst die Geldübergabe machte der Präsident zur „Chefsache“ und erschien am 29. September 2014 bei dem Geschädigten, um den geforderten Geldbetrag in Empfang zu nehmen.
Hingegen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Präsident des Klägers, das Vereinsmitglied K., der Prospect M. sowie B. B. in eigenem Interesse, beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen, die vorgenannten Straftaten begangen haben. Ein privates Motiv des Präsidenten ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht stichhaltig vorgetragen. Gleiches gilt für die drei weiteren Tatbeteiligten. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass diese den Geschädigten aus einer nicht im Zusammenhang mit dem Kläger stehenden Motivlage in strafwürdiger Weise unter Druck gesetzt haben könnten. Ihnen ging es nicht um eine Geldzahlung an sich selbst. Sie forderten vielmehr die Zahlung eines Geldbetrages für den Kläger. Der Prospect M. beteiligte sich an der Tat, um in der Hierarchie des Vereins aufzusteigen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass einer der Tatbeteiligten am 24. September 2014 gegenüber dem Geschädigten P. angegeben hat, wegen dessen Verhalten bestehe die Gefahr des Ausschlusses aus der Hells Angels-Gruppierung Hannover und daher müsse nun Geld an die Hells Angels Hannover gezahlt werden. Es ist zwar zutreffend, dass sich der Hells Angels Charter Hannover bereits im Juni 2012 aufgelöst hat. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Täter diesen Grund für die Zahlungsaufforderung nur vorgeschoben haben und tatsächlich im privaten Interesse tätig geworden sind. Einer der Tatbeteiligten hat am 24. September 2014 gegenüber dem Geschädigten auch davon gesprochen, dass durch dessen Verhalten der Club, also der örtliche Charter, in den Dreck gezogen werde. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die an der Tat beteiligten Vereinsmitglieder für ihren örtlichen Charter gehandelt haben und dass der zu erpressende Geldbetrag dem Kläger zugutekommen sollte. Als weiteres Indiz für das Eintreten der Tatbeteiligten zugunsten des Klägers ist zu werten, dass am 24. September 2014 in der Wohnung des Geschädigten eine am 19. September 2014 von dem Präsidenten des Klägers telefonisch ausgesprochene Zahlungsaufforderung unter Bezugnahme auf die von dem Präsidenten angesprochenen, vermeintlich ehrverletzenden Aussagen des Geschädigten wiederholt wurde.
Ob B. B., obwohl er nicht Mitglied des Klägers ist, als Funktionsträger des Klägers bezeichnet werden kann und in dieser Eigenschaft für den Kläger gehandelt hat, kann auf sich beruhen. Die Vereinigung erfüllt den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG nicht nur dann, wenn deren Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen (BVerwG, Urt. v. 19.12.2012 - 6 A 6/11 -, a.a.O., juris, Rn. 51, und BVerwG, Beschl. v. 19.11.2013 - 6 B 25/13 -, juris, Rn. 31). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Verbotstatbestand innerhalb des durch seinen Wortlaut gezogenen Rahmens nach seinem gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck auch dann erfüllt, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden, wobei unerheblich ist, ob die Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder, Anhänger oder Dritte begangen werden. Der Kläger hat die Tatbegehung durch B. B. wenigstens erleichtert. Obwohl er nicht Mitglied des Klägers war, konnte sich B. B. nicht nur wegen seiner verwandtschaftlichen Beziehung zum Präsidenten des Klägers, sondern auch wegen seiner zu Tage getretenen Sympathie und seines Einsatzes für die Hells Angels Bewegung der Unterstützung des Klägers und seiner Mitglieder sicher sein. Diese Solidarität verstärkte seinen Entschluss, an der Straftat mitzuwirken, und erleichterte ihm die Tatausführung.
Nach den vorstehenden Ausführungen läuft nicht nur die Tätigkeit des Klägers, sondern auch dessen Zweck den Strafgesetzen zuwider. Der Zweck des Klägers ist darauf gerichtet, dass seine Mitglieder - und auch Anhänger bzw. Dritte, wie sich im vorliegenden Fall aus den Umständen der Tatbegehung zu Lasten des Geschädigten P. ergibt - Straftaten begehen und hierbei der Bezug zum Verein hergestellt wird. Für eine solche Zweckrichtung spricht insbesondere, dass der Präsident und Anführer des Klägers unmittelbar an der Tatbegehung beteiligt war und Tatbeiträge der anderen Tatbeteiligten im Hintergrund gesteuert hat. Ob der Kläger auch einen legalen Zweck anstrebt, ist unerheblich. Zur Erfüllung des Verbotstatbestandes ist es nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, a.a.O., juris, Rn. 39).
Die Strafgesetzwidrigkeit des Zwecks und der Tätigkeit des Klägers wird bestätigt durch das Urteil des Amtsgericht Kassel vom 27. Oktober 2015 gegen den Präsidenten des Klägers, A. B., und dessen Bruder, B. B., sowie durch die beiden an K. und M. gerichteten Strafbefehle des Amtsgerichts vom selben Tag. Strafgerichtliche Verurteilungen, die nach dem Erlass der Verbotsverfügung ergehen, können bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung berücksichtigt werden, wenn sie vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftaten betreffen (BVerwG, Urt. v. 1.9.2010 - 6 A 4/09 -, juris, Rn. 38; Schlesw.-Holst. OVG, Urt. v. 26.2.2014 - 4 KS 1/12 -, NordÖR 2014, 356, juris, Rn 97). Der Kläger muss sich deshalb zurechnen lassen, dass A. B. und B. B. wegen versuchter gemeinschaftlicher Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl bis zum 29. September 2014 zum Nachteil des Geschädigten P. zu Freiheitsstrafen von 1 Jahr und 6 Monaten bzw. 1 Jahr und 3 Monaten sowie K. und M. wegen versuchter gemeinschaftlicher Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl zu Geldstrafen von jeweils 80 Tagessätzen zu je 50 EUR rechtskräftig verurteilt worden sind. Nach der Begründung des amtsgerichtlichen Urteils beruhen die festgestellten Taten auf den glaubhaften Geständnissen der beiden Angeklagten A. B. und B. B.. Der dem Strafurteil zugrunde gelegte Sachverhalt und dessen strafrechtliche Bewertung decken sich im Wesentlichen mit den Feststellungen in der Verbotsverfügung vom 20. Oktober 2014. Soweit der Beklagte abweichend von der amtsgerichtlichen Bewertung in seiner Verfügung eine versuchte räuberische Erpressung aller vier Tatbeteiligten nach §§ 255, 22, 23 StGB und einen räuberischen Diebstahl der Tatbeteiligten K., M. und B. B. angenommen hat, wird dadurch die Zurechenbarkeit und der vereinsprägende Charakter der begangenen Straftaten nicht in Frage gestellt. Hervorzuheben sind die glaubhaften Geständnisse von A. B. und B. B., mit denen sie die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kassel vom 4. November 2014 erhobenen Strafvorwürfe einräumen. Sie belegen in besonderer Weise, dass ihre Tathandlungen dem Kläger zuzurechnen sind und den Verein prägen.
In Bezug auf die Zurechenbarkeit der Straftaten kommt hinzu, dass sich der Kläger weder vor der Verbotsverfügung noch danach von den strafbaren Handlungen seiner Mitglieder distanziert, sondern diese Taten widerspruchslos hingenommen hat (vgl. zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt: BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, a.a.O., juris, Rn. 73, und Urt. v. 7.1.2016 - 1 A 3/15 -, juris, Rn. 48). Er hat auch nicht die notwendigen Schritte zur Aufklärung der Ereignisse und zur Ergreifung vereinsinterner Maßnahmen gegen die Verantwortlichen ergriffen.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen zu dem strafgesetzwidrigen Zweck und zu der strafgesetzwidrigen Tätigkeit des Klägers kommt es nicht mehr darauf, ob die von Vereinsmitgliedern begangenen Straftaten dem Kläger auch deshalb zuzurechnen sind, weil sie der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Organisationen gedient haben. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob dem Kläger zuzuordnende Unterstützungshandlungen anderer, nicht in die Tatbegehung einbezogener Vereinsmitglieder vorliegen. Da hier konkrete, dem Kläger zurechenbare Straftaten vorliegen, ist auch unerheblich, ob es sich bei den Hells Angels um eine auf die Begehung von Straftaten ausgerichtete kriminelle Organisation handelt und ob Erkenntnisse für eine Macht- und Gewaltentfaltung der Hells Angels auf kriminellem Gebiet vorliegen.
Ob aufgrund der übrigen, von dem Beklagten in der Klageerwiderung aufgeführten Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Klägers der Zurechnungszusammenhang hergestellt werden kann, ist nicht entscheidungserheblich und kann dahinstehen, da eine strafrechtswidrige Prägung eines Vereins schon aufgrund weniger Straftaten, ja sogar nur einer Tat seiner Mitglieder festgestellt werden kann (BVerwG, Urt. v. 7.1.2016 - 1 A 3/15 -, juris, Rn. 41; Schlesw.-Holst. OVG, Urt. v. 26.2.2014 - 4 KS 1/12 -, a.a.O., juris, Rn. 99; Hess. VGH, Urt. v. 21.2.2013 - 8 C 2118/11 -, juris, Rn. 61; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, VereinsG, § 3, Rn. 42). Eine solche Fallkonstellation ist hier gegeben. Im Hinblick auf den Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit ist der hier vorliegende Tatkomplex derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr von weiteren, Rechtsgüter verletzenden Handlungen, mit denen der Verein (vermeintlichen) Provokationen von Dritten und vermuteten Angriffen gegen seine Vereinsehre begegnet.
bb) Das Vereinsverbot verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger macht geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal „Strafgesetzwidrigkeit“ verfassungswidrig, insbesondere unter Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anwende und auslege. Das in Art. 9 Abs. 2 GG vorgezeichnete Merkmal der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins werde in unzulässiger Weise ausgedehnt, wenn zur Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung die Begehung einer oder mehrerer Straftaten ausreiche. Dem stehe die konstitutive Bedeutung der Vereinigungsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung entgegen. Außerdem stünden Sinn und Zweck des Vereinsverbotes sowie die sonstigen in Art. 9 Abs. 2 GG aufgezählten Verbotsgründe nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeiteten Kriterien, nach denen strafbares Verhalten ihrer Mitglieder einer Vereinigung zugerechnet werden darf und unter denen dieses Verhalten die Vereinigung zu prägen geeignet ist (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, a.a.O., juris, Rn. 38 und 39, und BVerwG, Beschl. v. 29.1.2013 - 6 B 40/12 -, a.a.O., juris, Rn. 32), bieten hinreichende Ansatzpunkte, um auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Feststellung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung zu tragen (BVerwG, Urt. v. 5.8.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O., juris, Rn. 87, und Urt. v. 16.11.2015 - 1 A 4/15 -, juris, Rn. 48). Für Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit auf der Rechtsfolgenseite des Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG ist demnach kein Raum mehr. Die Auffassung des Klägers, ein Vereinsverbot greife rechtlich erst, wenn die Verhaltensweise des Vereins strafgesetzwidrig darauf ausgerichtet sei, im Wege eines kollektiven Entschlusses und aufgrund einer gefestigten Gruppendynamik organisiert Straftaten zu begehen, läuft darauf hinaus, dass eine Vereinigung erst dann den Verbotsgrund erfüllt, wenn alle ihre Mitglieder straffällig werden und Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung ausschließlich auf die Begehung von Straftaten gerichtet sind. Das wird seinerseits der Gefährlichkeit einer Vereinigung nicht gerecht, die durch die Straftaten ihrer Mitglieder geprägt wird. Der Schutz bedrohter Rechtsgüter Dritter erfordert ein Verbot auch dann, wenn die Vereinigung neben legalen Zielen durch das Verhalten ihrer Mitglieder strafrechtlich relevante Zwecke verwirklicht und dadurch geprägt wird (BVerwG, Beschl. v. 29.1.2013 - 6 B 40/12 -, a.a.O., juris, Rn. 32).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Einzelfall ausnahmsweise auf der Rechtsfolgenseite Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit anzustellen sind. Hier fehlt es an Besonderheiten, die eine solche Prüfung erforderlich machen könnten. Die von dem Kläger in seiner Klagebegründung vom 11. Dezember 2014 unter der Gliederungsziffer „XX. Verhältnismäßigkeit“ und in dem ergänzenden Schriftsatz vom 22. März 2016 angeführten Gesichtspunkte sind, soweit sie für die Entscheidung erheblich sind, auf der Tatbestandsseite der Verbotsnorm bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vereinsverbotes vorliegen, berücksichtigt worden.
Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich selbst dann als rechtmäßig, wenn die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer besonderen Prüfung zu unterziehen wäre. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass der mit dem Verbot verfolgte Zweck durch weniger belastende und gleich wirksame Maßnahmen erreicht werden könnte. Die von dem Kläger als diskussionswürdig bezeichneten milderen Mittel, wie Warnungen, partielle Vereinsbetätigungsverbote und ein konsequentes strafrechtliches Vorgehen, sind nicht ausreichend, um den Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, namentlich für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter, bei einem Fortbestehen des Vereins wirksam zu begegnen. Die Mittel des Strafrechts sind gegenüber den Tätern des Tatkomplexes zu Lasten des Geschädigten P. hinreichend ausgeschöpft worden. Das strafrechtliche Vorgehen gegen einzelne Mitglieder des Klägers ist im Übrigen nicht gleich geeignet, um die von dem Kläger ausgehende Gefährdung zu beseitigen. Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich die strafrechtlich geahndete Tathandlung nicht aus der persönlichen Beziehung zwischen den Tätern und dem Opfer entwickelt. Ohne Einbindung der Täter in den vereinsrechtlichen Verbund des HAMC Göttingen wäre das deliktische Geschehen nicht umgesetzt worden. Deshalb kommt auch eine an den Kläger adressierte „Auflage“, straffällig gewordene Mitglieder auszuschließen, nicht in Betracht, einmal davon abgesehen, dass der Kläger eine Rechtsgrundlage, auf die eine solche Maßnahme gestützt werden könnte, nicht benennt. Eine Befristung des Vereinsverbotes aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist nicht erforderlich (BVerwG, Urt. v. 19.12.2012 - 6 A 6/11 -, a.a.O., juris, Rn. 58; Schlesw.-Holst. OVG, Urt. v. 26.2.2014 - 4 KS 1/12 -, a.a.O., juris, Rn. 149).
cc) Art. 11 Abs. 1 EMRK und die dort gewährleistete Vereinigungsfreiheit gebieten nicht eine abweichende Auslegung oder Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG. Der Kläger macht geltend, die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins seien unvereinbar mit den durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Verbotsvoraussetzungen und den nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK anzuerkennenden äußersten Grenzen eines rechtsstaatlich vertretbaren Vereinsverbotes. Nach der Rechtsprechung des EGMR müsse die Verbotsbehörde den Nachweis für das Fehlen gleich geeigneter, aber gegenüber einem Vereinsverbot weniger einschneidender Maßnahmen führen. Dieser Nachweis sei in dem vorliegenden Verfahren von der Verbotsbehörde nicht geführt worden. Mit dieser Auffassung dringt der Kläger nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Tatbestandsseite der Norm, das heißt bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen eines Vereinsverbotsgrundes vorliegen. Bei dem Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG bildet das Erfordernis, dass ein unter dem Gesichtspunkt der Strafgesetzwidrigkeit relevantes Verhalten einzelner Personen dem Verein zurechenbar sein und dessen Charakter prägen muss (BVerwG, Urt. v. 5.8.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O., juris, Rn. 87, und Urt. v. 16.11.2015 - 1 A 4/15 -, juris, Rn. 48), den Ansatzpunkt für die Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbaren Gebote (BVerwG, Beschl. v. 19.11.2013 - 6 B 25/13 -, juris, Rn. 23).
Ein Eingriff in die Ausübung des Rechts des Klägers auf Vereinigungsfreiheit wäre zudem im Sinne des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK gerechtfertigt. In Fallgestaltungen, in denen ein Vereinsverbot im Sinne der von dem Kläger bezeichneten Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 11.10.2011 - Nr. 48848/07 -, ZVR-Online, Dok. Nr. 25/2013) nicht geeignet oder nicht erforderlich ist, verbietet sich die Annahme einer strafgesetzwidrigen Prägung eines Vereins. Demgegenüber ist eine derartige Prägung gegeben, wenn von dem Verein als solchem eine Gefahr für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter ausgeht, der nur durch die Beendigung der Existenz des Vereins entgegengewirkt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 16.9.2014 - 6 B 31/14 -, juris, Rn. 9). Nach dem oben Gesagten geht von dem Kläger in Anbetracht der Schwere der begangenen, ihm zurechenbaren Straftaten eine Gefahr für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter, insbesondere eine Gefahr für Leib und Leben Dritter, aus, der nur durch ein Verbot des Klägers wirksam begegnet werden kann.
b) Rechtswidrig ist die Feststellung unter Nr. 1 Satz 2 des Tenors der Verfügung, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Sie ist daher aufzuheben (Schlesw.-Holst. OVG, Urt. v. 26.2.2014 - 4 KS 1/12 -, a.a.O., juris, Rn 157; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 3 VereinsG, Rn. 278 ff.).
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG liegen nicht vor. Danach ist eine Vereinigung verboten, wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Zu dieser Ordnung gehört vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (BVerwG, Beschl. v. 11.8.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803, juris, Rn. 11). Daran gemessen lässt sich eine verfassungsfeindliche Grundhaltung des Klägers nicht feststellen.
Der Beklagte macht zur Begründung seines gegenteiligen Standpunktes geltend, die Täter der Straftaten zum Nachteil des Geschädigten P. hätten in einer dem Kläger zurechenbaren Weise durch ihr aggressives Einwirken auf den Geschädigten bis hin zu einer Androhung von erheblicher Gewaltanwendung zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger über ein eigenes Sanktionssystem verfüge und zur Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der vereinsinternen Strukturen in Form der Selbstjustiz Straftaten begehe, mit denen er das staatliche Gewaltmonopol unterlaufe. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass einzelne Mitglieder des Klägers diesem zurechenbar bei ihren strafbaren Handlungen eine erhebliche Gewaltneigung an den Tag gelegt haben. Das Vorgehen belegt die Bereitschaft, Vereinsziele wie die Wahrung der Vereinsehre und die Aufrechterhaltung des vorhandenen Machtgefüges erforderlichenfalls mit Gewalt durchzusetzen. Daraus lässt sich aber noch nicht ableiten, dass der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Ziele kämpferisch-aggressiv verfolgt. Hierzu müssen sich die Aktivitäten gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegenden Prinzipien richten. Der Beklagte hat nicht den Nachweis geführt, dass der Kläger durch die vereinsprägenden Straftaten seiner Mitglieder das staatliche Gewaltmonopol angreifen wollte. Mit der Gewaltandrohung gegenüber dem Geschädigten P. ging es ihm lediglich darum, die vermeintlich in Mitleidenschaft gezogene Vereinsehre wiederherzustellen und die Vereinsautorität nach innen und außen zu sichern. Darin kommt eine hohe kriminelle Energie zum Ausdruck. Sie richtete sich aber nicht gegen staatliche Strukturen, sondern vorrangig gegen eine dritte Person. Würden Straftaten der vorliegenden Art ausreichen, um anzunehmen, dass der Verein nachhaltig die Zielsetzung verfolgt, verfassungsfeindliche Ziele zu verwirklichen, wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes scheidet aus, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird (Schlesw.-Holst. OVG, Urt. v. 26.2.2014 - 4 KS 1/12 -, a.a.O., juris, Rn. 155).
c) Die in der angefochtenen Verfügung neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VereinsG (Auflösung) , § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 VereinsG (Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen), § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 12 Abs. 1 und Abs. 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter). Das gleichzeitig unter Nr. 3 ausgesprochene Betätigungsverbot ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, ist mit einem Viertel der anfallenden Kosten zu bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers begründet werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.