Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.11.2012, Az.: 11 A 4060/12

Feuerwehreinsatz; Rechtsweg

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.11.2012
Aktenzeichen
11 A 4060/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44484
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Anspruch des Trägers der Feuerwehr auf Kostenersatz gegen denjenigen, der den Einsatz vorsätzlich oder grob fahrlässig grundlos ausglöst hat, ist öffentlich-rechtlich.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen ein als „Rechnung über eine freiwillig erbrachte Leistung der Feuerwehr Oldenburg“ betiteltes Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2012, mit dem die Beklagte die Zahlung von 97 EUR für das Verschließen der Wohnungstür ihres Sohnes durch die Feuerwehr am 30./ 31. Dezember 2011 verlangt. Als Rechtsgrundlage der Forderung werden in dem Schreiben die §§ 677, 683 BGB genannt. Die Feuerwehr hatte die Tür der Wohnung des Sohnes der Klägerin auf Anforderung der Polizei geöffnet und wieder verschlossen, weil die Klägerin gegenüber der Polizei behauptet hatte, ihr Sohn habe telefonisch seinen Selbstmord angekündigt. Nach Auffassung der Beklagten handelte es sich dabei um eine vorsätzliche Falschangabe.

Gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG muss das Gericht vorab über die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs entscheiden, weil die Beklagte die Unzulässigkeit dieses Rechtswegs in ihrem Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 ausdrücklich gerügt hat. Nach ihrer Ansicht ist der Zivilrechtsweg gegeben.

Maßgeblich für die Entscheidung ist - wie allgemein im Feuerwehrkostenrecht - die bei Entstehung der Schuld, also beim Ausrücken der Feuerwehr am 30./ 31. Dezember 2011, geltende Rechtslage (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Dezember 2006 - 9 LA 158/03 -, NVwZ-RR 2007, 347 [VGH Baden-Württemberg 19.10.2006 - 2 S 705/04]), sodass es auf das NBrandSchG in der bis zum 26. Juli 2012 geltenden Fassung ankommt (NBrandSchG a.F.).

Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Gesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

Eine Sonderzuweisung zu einem Gericht eines anderen Rechtswegs ist hier ebenso wenig ersichtlich wie eine verfassungsrechtliche Natur des Rechtsstreits. Damit kommt es entscheidend darauf an, ob der Streit zwischen der Klägerin und der Beklagten öffentlich-rechtlich ist.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder privatrechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitige Anspruch hergeleitet wird (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 40 Rn. 6 m.w.N. auf die st. Rspr. des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes). Entscheidend ist die wirkliche Natur des behaupteten Anspruchs und nicht, ob er von demjenigen, der sich auf ihn beruft, dem öffentlichen oder dem privaten Recht zugeordnet wird (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33.91 -, BVerwGE 96, 74 ff. - zit. nach juris Rn. 15). Daher kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte ihr Schreiben vom 7. Mai 2012 subjektiv als zivilrechtliche Rechnung verstanden hat.

Öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit, die Rechtsätzen unterworfen ist, die sich als Sonderrecht des Staates darstellen (vgl. Kopp/ Schenke, aaO., § 40 Rn. 11 m.w.N.). Daher ist ein Zahlungsanspruch des Staates gegen den Bürger jedenfalls dann eindeutig öffentlich-rechtlich, wenn die Behörde befugt ist, ihn durch Kostenbescheid einseitig festzusetzen. Der Erlass eines Verwaltungsaktes ist eine typische Ausübung öffentlich-rechtlicher Hoheitsgewalt (vgl. auch Kopp/ Schenke, aaO., § 40 Rn. 8b, 11).

Vorliegend geht es um einen Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Erstattung von Kosten für einen Feuerwehreinsatz, den die Klägerin durch vorsätzliche Falschangaben über die angeblichen Selbstmordabsichten ihres Sohnes ausgelöst haben soll, obwohl es objektiv keinen Anlass für ein Einschreiten der Feuerwehr gab. Der Kostenerstattungsanspruch des Trägers der Feuerwehr gegen denjenigen, der vorsätzlich oder grobfahrlässig grundlos einen Einsatz ausgelöst hatte, war zum Zeitpunkt des hier umstrittenen Vorfalls in § 26 Abs. 2, 4 Nr. 4 NBrandSchG a.F. geregelt und in der Behördenpraxis schon damals überwiegend durch Leistungsbescheid geltend gemacht worden, ohne dass die Rechtsprechung daran Anstoß genommen hätte (vgl. z.B. VG Oldenburg, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 11 A 1760/10 - nicht veröffentlicht; VG Stade, Urteil vom 17. August 2009 - 1 A 1577/08 -, NVwZ-RR 2009, 990 ff.; VG Braunschweig, Urteil vom 28. März 2000 - 5 A 5185/98 -, NVwZ-RR 2000, 783 ff.). Diese Befugnis der Behörden zum Handeln durch Verwaltungsakt lässt den sicheren Rückschluss auf eine öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs zu.

Neben diesem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist ein Rückgriff auf die privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677 ff. BGB nicht statthaft. Nach der Gesetzgebungsgeschichte muss davon ausgegangen werden, dass sich die außervertragliche Haftung dann, wenn ein Einsatz der Feuerwehr vorsätzlich oder grob fahrlässig grundlos ausgelöst wurde, lediglich nach § 26 Abs. 4 Nr. 4 NBrandSchG a. F. richten soll. In der Begründung zu dem entsprechenden Gesetzentwurf (LT-Drs. 10/500, S. 25) wird dargelegt, dass der Gesetzgeber insbesondere eine Haftung bei niedrigerem Fahrlässigkeitsgrad ausschließen wollte, da andernfalls die Bereitschaft leiden könnte, einen Brand zu melden (vgl. VG Stade, Urteil vom 17. August 2009 - 1 A 1577/08 -, NVwZ-RR 2009, 990 ff. - zit. nach juris Rn. 26; VG Braunschweig, Urteil vom 28. März 2000 - 5 A 5185/98 -, NVwZ-RR 2000, 783 <784>). Hielte man die Vorschriften des BGB über die privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag in solchen Fällen für direkt anwendbar, würde dieses Ansinnen ins Leere laufen. Denn der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers setzt kein Verschulden des Geschäftsherrn - geschweige denn ein gesteigertes im Sinne von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit - voraus, sondern nur, dass die Übernahme des Geschäftes dem Interesse und wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach (vgl. § 683 BGB). Daran könnte auch der - hier im Übrigen nicht einschlägige (s. dazu unten) - § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG a.F. nichts ändern. Denn Landesrecht kann gem. Art. 31 GG einen verschuldensunabhängigen Anspruch, der sich aus einem Bundesgesetz ergibt, nicht verschuldensabhängig machen (vgl. auch Franßen/ Blatt, Ersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag beim Feuerwehreinsatz, NJW 2012, 1031 <1031 f.>). Gerade um solche Widersprüche zum öffentlichen Kostenrecht zu vermeiden, geht die inzwischen herrschende Meinung in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass neben einer abschließenden landesrechtlichen Regelung über die Kostenerstattung - wie sie § 26 Abs. 2, 4 Nr. 2 BrandSchG a.F. für den Fall der grundlosen Alarmierung der Feuerwehr darstellt - kein Rückgriff auf die zivilrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 70/03 - NJW 2004, 513 <514 f.>; Urteil vom 20. Dezember 2006 - IV ZR 325/05 - NJW 2007, 1205 <1206>; Palandt-Sprau, BGB, 68. Aufl. (2009), Einf v. § 677 Rn. 13).

Es liegt hier auch kein Fall des § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG vor, demzufolge Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen nach allgemeinen Vorschriften bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung der Gefahr oder des Schadens unberührt bleiben. Diese Ansprüche - die sich vor allem aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben können - konnten nach der Rechtsprechung des Nds. OVG bis zur Neufassung des NBrandSchG vom 18. Juli 2012 (vgl. nun § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NBrandSchG n.F.) nicht per Leistungsbescheid durchgesetzt werden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Oktober 1998 - 13 L 4668/96 -, NdsVBl. 1999, 67 ff. - zit. nach juris Rn. 12 ff.). Ob sie öffentlich-rechtlich (und damit von der Behörde im Wege einer Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen) oder zivilrechtlich (und damit vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen) sind, ist ausdrücklich offengelassen worden (vgl. OVG Lüneburg, aaO., - zit. nach juris Rn. 14). § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG a. F. betraf allerdings den Fall, dass eine Gefahr vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde (z.B. durch Brandstiftung), nicht den Fall, dass ein Bürger ihr Vorliegen im Rahmen eines „falschen Alarms“ schuldhaft vorgetäuscht hat. Solche Sachverhalte waren - wie oben dargelegt - schon nach alter Rechtslage in § 26 Abs. 2, 4 Nr. 4 NBrandSchG dergestalt abschließend geregelt, dass Kostenersatz durch einen Leistungsbescheid gefordert werden konnte. Hier hat die Beklagte ihren Anspruch auf einen angeblichen vorsätzlichen Fehlalarm gestützt.

Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass auch bezüglich der Ansprüche aus § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG a.F. i.V.m. den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag viel für deren öffentlich-rechtliche Natur spricht. Zum einen ist der bereits angeführte Umstand zu nennen, dass die Beschränkung der Haftung des Geschäftsherren auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG nur dann wirksam ist, wenn es sich um eine auf der Ebene des Landesrechts angesiedelte, gewohnheitsrechtliche öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, nicht aber, wenn es um eine unmittelbarer Anwendung des Bundesgesetzes BGB gehen würde. Des Weiteren hat der Gesetzgeber in die neue Fassung des NBrandSchG gerade deswegen eine Befugnis des Feuerwehrträgers zur Festsetzung auch solcher Ansprüche durch Verwaltungsakt aufgenommen (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NBrandSchG n.F.), weil er aufgrund der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 70/03 - NJW 2004, 513 ff.) davon ausging, dass sie nicht zivilrechtlicher Natur sind (vgl. LT-Drs. 16/5023, S. 17 f.). Soweit ersichtlich ging die Praxis der niedersächsischen Verwaltungsgerichte auch bislang schon dahin, für Leistungsklagen des Feuerwehrträgers gegen den Brandverursacher nach § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG i.V.m. den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag den Verwaltungsrechtsweg stillschweigend für gegeben zu halten (vgl. z.B. VG Göttingen, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 1 A 404/06 - juris).