Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.12.2008, Az.: 1 A 404/06

Aufwendungsersatz; Brandschutz; Fahrlässigkeit, grobe; Feuerwehrkosten; Widerklage

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.12.2008
Aktenzeichen
1 A 404/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45338
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:1210.1A404.06.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Nds. Brandschutzgesetz enthält ein geschlossenes System von Rechtsgrundlagen, das die finanziellen Folgen des Feuerwehreinsatzes für eine Vielzahl von Fallgruppen abschließend regelt (wie Nds. OVG vom 28.10.1998 - 13 L 4668/96-Nds. VBL. 1999, 67).

  2. 2.

    Zu den Voraussetzungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG

  3. 3.

    Zur Zulässigkeit einer Widerklage

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Kosten, die anlässlich zweier Feuerwehreinsätze im Juli 2005 entstanden sind.

2

Der Beklagte ist Eigentümer von Waldflächen, die sich nördlich des Ortsteils Elvershausen der Gemeinde Katlenburg-Lindau im sog. "Mandelbecker Forst" befinden. Die Verwaltung der Flächen erfolgt durch das Klosterforstamt Westerhof, das zum Klosterkammerforstbetrieb der Klosterkammer Hannover gehört. Das Klosterforstamt Westerhof ist wiederum in acht Revierförstereien untergliedert, unter ihnen die Klosterrevierförsterei Koppenberg. Innerhalb des Zuständigkeitsbereichs dieser Revierförsterei wurden in der ersten Jahreshälfte 2005 an sieben Schwerpunkten, zu denen auch eine in der Gemarkung der Ortschaft Lagershausen der Klägerin gelegene, etwa 1,2 ha große Teilfläche der Abteilung 114c gehörte, Entnahmen aus einem 129-jährigen Fichtenaltholzbestand durchgeführt. Danach waren die betreffenden Flächen mit einer dichten Auflage von sog. "Schlagreisig" bedeckt, das bereits durch den Borkenkäfer befallen war. Um dem Borkenkäferbefall entgegenzutreten und die weitere Ausbreitung des Schädlings zu verhindern, entschied der Leiter der Revierförsterei Koppenberg, das Schlagreisig zu verbrennen. Zu diesem Zweck wurden an den sieben Schwerpunkten 52 einzelne Reisighaufen gebildet. Das Entzünden der Reisighaufen begann am 07.07.2005 und war am Abend des 08.07.2005 abgeschlossen. In den Folgetagen führten der Revierleiter und mehrere Forstwirte eine Überwachung der Brandorte durch.

3

Am Nachmittag des 10.07.2005 entdeckte der Revierleiter an der Brandstelle in der Abteilung 114c Rauch. Er benachrichtigte die Feuereinsatzleitstelle Northeim und bat um den Einsatz eines Löschzugs. Bei dessen Eintreffen hatte sich ein Flächenbrand im Schlagreisig und in der Humusauflage entwickelt, der zum Einsatz von ca. 70 Feuerwehrleuten mehrerer Feuerwehren mit sieben Löschzügen führte, die bis 22.00 Uhr mit dem Löschen des Brandes befasst waren. In der Folgezeit wurde die Fläche weiterhin kontrolliert, zuletzt am Mittag des 12.07.2005, ohne dass Anzeichen für ein erneutes Aufflammen erkannt wurden. Gegen 15.30 Uhr erhielt der Revierleiter sodann von der Polizei Northeim den Anruf, dass die Fläche in der Abteilung 114c wiederum brenne. Es entwickelte sich ein Flächenbrand, der die Hinzuziehung umfangreicher Feuerwehrkräfte nach sich zog. Ergänzend wurden zwei Hubschrauber der Bundeswehr zur Unterstützung der Löscharbeiten aus der Luft angefordert.

4

Mit Schreiben vom 11.04.2006 und vom 15.05.2006 forderte die Klägerin den Beklagten zum Ersatz der bei den Feuerwehreinsätzen entstandenen Aufwendungen in Höhe von 31 390,87 Euro auf. Der Beklagte wies die Zahlungsaufforderung zurück.

5

Am 25.10.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe Kostenersatz gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 des Nds. Brandschutzgesetzes (NBrandSchG) i.V.m. dem Institut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Der verantwortliche Revierförster habe beim Verbrennen des Schlagabraums die erforderlichen Sorgfaltspflichten grob fahrlässig nicht beachtet. Zur Zeit der Brände hätten seit mehreren Tagen Trockenheit, Wind und Temperaturen um 30 Grad Celsius geherrscht. Die Mitarbeiter des Beklagten hätten eine unkontrollierte Verbrennung an 52 Brandstellen durchgeführt und dabei auch Stuken und Baumstämme mitverbrannt. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Wetterumschwungs am 10.07.2005 sei es voraussehbar gewesen, dass es selbst unter Aufbietung aller personellen Reserven nicht möglich sein würde, derart viele Brandherde unter Kontrolle zu halten. Es hätte Alternativen zur Verbrennung des Reisigs wie den Einsatz von Gift oder den Abtransport des Holzes gegeben. Die Brenngenehmigung der Gemeinde Kalefeld habe den betroffenen Bereich nicht erfasst. Die im Rahmen der beiden Feuerwehreinsätze entstandenen Kosten hätten eine Höhe von insgesamt 37 714,63 Euro. Im Kosteninteresse werde mit der Klage nur ein Teilbetrag für den Personaleinsatz am 10.07.2005 in Höhe von 1 872,00 Euro geltend gemacht.

6

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage geändert und die Erstattung der Aufwendungen für die den Feuerwehrleuten am 10.07.2005 zur Verfügung gestellten Getränke begehrt. Im Übrigen hat sie die Klage zurückgenommen.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 100,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2006 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen

  2. und (im Wege der Widerklage)

  3. festzustellen, dass die Klägerin gegen den Beklagten über den mit der Klage verfolgten Anspruch hinaus keinerlei Kosten- und Erstattungsansprüche bezüglich der bei den Waldbränden im Bereich Elvershausen am 10.07.2005 und am 12.07.2005 entstandenen Kosten und Aufwendungen hat.

9

Zur Begründung macht er geltend, seine Mitarbeiter hätten die Brände am 10. und 12.07.2005 nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Es habe seinerzeit für die Zeit vom 01. bis zum 10.07.2005 die Waldbrandstufe 1 und für die Zeit vom 11. bis 14.07.2005 die Waldbrandstufe 2 und somit keine erhöhte Waldbrandgefahr bestanden. Zwischen dem 05. und dem 08.07.2005 habe es im fraglichen Bereich täglich geregnet. Insbesondere am 07. und 08.07.2005, als das Reisig verbrannt worden sei, habe nasse Witterung geherrscht. In der Nacht zum 09.07.2005 habe das Klosterforstamt eine Niederschlagsmenge von 13 mm gemessen. Am 10.07.2005 hätten die Einsatzfahrzeuge Probleme gehabt, die matschigen Waldwege zu befahren. Der Revierleiter habe sich zum Verbrennen und damit laut Gutachten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt vom 13.11.2006 zur Anwendung eines Standardverfahrens zur Borkenkäferbekämpfung entschlossen, weil die auf der streitbefangenen Fläche befindlichen Resthölzer im Frühjahr 2005 durch den Borkenkäfer befallen worden seien. Die Siedlungsintensität und Entwicklung der Käfer habe Anfang Juli 2005 eine Gefährdung der angrenzenden Fichtenbestände erwarten lassen. Ein Gifteinsatz sei wegen der Topografie des Geländes (Steilhang) und seiner Bachnähe nicht in Betracht gekommen. Der Revierleiter habe die Aktion auch ordnungsgemäß überwacht. Das Reisig sei nicht an 52 unterschiedlichen Stellen im Wald, sondern an sieben Schwerpunkten verbrannt worden. Die Bildung einzelner Haufen habe dem Ziel gedient, die Größe der Feuer zu beschränken. Die Überwachung mehrerer Feuerstellen durch eine einzige Person sei möglich gewesen. Der Revierleiter habe die Kontrolle der Brandstellen durch Ablaufpläne geregelt. Die Verbrennung sei zeitlich gestaffelt gewesen. Nach der Durchführung der Maßnahme seien die Brandstellen zunächst bis zum 10.07.2005 überwacht und die Feuerstellen zum Teil umgegraben worden. Der Revierleiter habe auch seine Anzeigepflicht nicht verletzt. Er habe eine Brenngenehmigung durch die Gemeinde Kalefeld eingeholt und die Einsatzleitstelle der Feuerwehren in Northeim und Osterode sowie die Polizei in Bad Gandersheim über die Verbrennung in Kenntnis gesetzt. Die Verbrennung von Stuken sei nicht veranlasst worden; diese seien beim Flächenbrand verbrannt. Die Ursache für den ersten Brand sei nach dem Ablauf der Ereignisse unklar; möglicherweise sei der Brand durch Dritte herbeigeführt worden. Die Verantwortung des Revierleiters für den zweiten Brand sei bereits deshalb zu verneinen, weil am 10.07.2005 eine große Anzahl von Feuerwehrkräften den Brand auf der Fläche gelöscht habe. Die Notwendigkeit, derart viele Feuerwehrkräfte sowie Hubschrauber der Bundeswehr hinzuzuziehen, werde bestritten.

10

Die Klägerin beantragt,

  1. die Widerklage abzuweisen.

11

Sie ist der Auffassung, eine grobe Fahrlässigkeit der Mitarbeiter des Beklagten liege bereits in dem Herbeiführen eines 1,2 ha großen Kahlschlags mit der Folge des Entstehens großer Mengen von Schlagabraum im Hochsommer bei Temperaturen bis 36 Grad Celsius und großer Trockenheit. Grob fahrlässig sei sodann das Anzünden der 52 Reisighaufen gewesen. Danach habe der Revierleiter an den Brandstätten nicht permanent Feuerwachen aufgestellt, sondern nur eine sporadische, oberflächliche Kontrolle aus dem Auto heraus durchgeführt. Es hätte die Möglichkeit bestanden, das Reisig zu hacken und zu mulchen. Dies habe man lediglich aus Kostengründen nicht getan. Der Vortrag, zur fraglichen Zeit habe Waldbrandstufe 1 geherrscht, werde bestritten. Auch am 07. und 08.07.2005 habe extreme Trockenheit mit Temperaturen bis 36 Grad Celsius geherrscht. Der Vortrag, erneut auftretende Feuer seien von Dritten gelegt worden, sei als Schutzbehauptung zu bewerten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Brand unterirdisch fortbewegt habe. Das vom Beklagten eingeholte Gutachten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt sei ungeeignet und im Ergebnis unzutreffend. Die Widerklage sei unzulässig; die Frage des grob fahrlässigen Handelns könne im vorliegenden Verfahren geklärt werden.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten und die Strafakte der Staatsanwaltschaft Göttingen (11 Js 28799/05) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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Die in der mündlichen Verhandlung geänderte Klage hat keinen Erfolg.

15

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG ist der Einsatz der Feuerwehren der Gemeinden und der Kreisfeuerwehren bei Bränden, bei Notständen durch Naturereignisse und bei Hilfeleistungen zur Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr unentgeltlich. Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen nach allgemeinen Vorschriften bei vorsätzlicher oder groß fahrlässiger Verursachung von Gefahr oder Schaden und gegen Verursacher in Fällen der Gefährdungshaftung bleiben gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG unberührt. Für andere als die in Absatz 1 der Vorschrift genannten Leistungen können die Landkreise und die Gemeinden nach § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandSchG Kostenersatz nach Maßgabe einer Satzung verlangen.

16

Die Klägerin stützt ihr Begehren zutreffend auf § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG i.V.m. dem Institut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB in entsprechender Anwendung). Demgegenüber kommt die Zuerkennung von Kostenersatz gemäß § 26 Abs. 2 NBrandSchG i.V.m. der Feuerwehrkostensatzung der Klägerin nicht in Betracht. Denn § 26 Abs. 2 Satz 1 NBrandSchG ermächtigt die Gemeinden lediglich, für andere als die in Absatz 1 genannten Leistungen Kostenersatz nach Maßgabe einer Satzung zu verlangen. Vorliegend geht es indessen nicht um eine solche andere Leistung, weil der hier in Rede stehende Kostenersatz für den Einsatz der Feuerwehren bei Bränden gerade in § 26 Abs. 1 NBrandSchG geregelt ist (vgl. zur Abgrenzung von Kosten- und Aufwendungsersatz gemäß § 26 Abs. 1 und 2 NBrandSchG das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28.10.1998 - 13 L 4668/96 -, NdsVBl. 1999, 67). Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich des Weiteren auch nicht aus §§ 26 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG i.V.m. den §§ 64 Abs. 2 Nr. 1, 66 Abs. 1 Nds. SOG über die Kostentragung bei einer Ersatzvornahme. Das Nds. Brandschutzgesetz enthält ein geschlossenes System von Rechtsgrundlagen, das die finanziellen Folgen des Feuerwehreinsatzes für eine Vielzahl von Fallgruppen eigenständig regelt und sowohl kommunale Abgaben, insbesondere Gebühren, als auch Entgelte auf privatrechtlicher Grundlage umfasst. Damit wäre es nicht vereinbar, für Feuerwehreinsätze zusätzlich auch noch eine Kostenerstattung für eine Ersatzvornahme gemäß § 66 Abs. 2 Nds. SOG zuzulassen. Denn dadurch würde der abgestufte und hinsichtlich Einsatzgrund, Verantwortlichkeit und Verschulden differenzierte Regelungsgehalt des § 26 NBrandSchG aus den Angeln gehoben, weil nach den polizeirechtlichen Regelungen der Ersatzvornahme eine Kostenerstattung in erheblich weitergehendem Umfang verlangt werden könnte. Ein Kostenersatz für Feuerwehreinsätze kommt deshalb nur im Rahmen der Regelung des § 26 NBrandSchG in Betracht (Nds. OVG, a.a.O., m.w.N.).

17

Die Forderung der Klägerin findet auch in § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG i.V.m. den §§ 677 ff. BGB keine tragfähige Grundlage. § 26 Abs. 1 Satz 2 setzt die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verursachung von Gefahr oder Schaden und damit für den zu entscheidenden Fall voraus, dass der Beklagte bzw. die für ihn handelnden Personen die Brände am 10.07.2005 und am 12.07.2005 mindestens grob fahrlässig herbeigeführt haben. Dies ist nach Bewertung des Inhalts der Akten und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht der Fall.

18

Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass derjenige, dem der Vorwurf fahrlässigen Handelns gemacht wird, durch sein Verhalten die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2003 - IV ZR 173/01 -NJW 2003, 1118 [BGH 29.01.2003 - IV ZR 173/01]). Diese Definition der groben Fahrlässigkeit setzt in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit voraus. Aber auch unbewusste Fahrlässigkeit kann grob sein, denn für die Schwere des Vorwurfs macht es keinen Unterschied, ob eine Gefahr erkannt, aber unterschätzt wird oder ob sie aus Gedankenlosigkeit nicht erkannt wird (BGH, Urteil vom 08.02.1989 - IVa ZR 57/88 -VersR 1989, 582). Neben dem besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt muss der Vorwurf eines subjektiv nicht entschuldbaren Fehlverhaltens treten, das ebenfalls erheblich über das gewöhnliche Mindestmaß hinausgeht (BGH, Urteil vom 29.01.2003, a.a.O.).

19

Eine grobe Fahrlässigkeit liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits darin, dass in der ersten Jahreshälfte 2005 im Bereich des "Mandelbecker Forsts" in größerem Umfang Holz geschlagen worden ist. Bei der Entscheidung, Entnahmen aus dem Fichtenaltholzbestand durchzuführen, handelte es sich um eine forstwirtschaftliche Maßnahme, die der Beklagten bzw. ihren hierfür verantwortlichen Mitarbeitern oblag und als solche grundsätzlich weder durch die Klägerin noch durch das Gericht zu bewerten ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Bedienstete der Beklagten durch die Entscheidung, den Holzeinschlag durchzuführen, im konkreten Fall eine grobe Verletzung von Sorgfaltspflichten im Sinne der o.g. Definition begangen haben. Zwar fällt infolge des Holzeinschlags naturgemäß Schlagreisig an. Bei normalem Verlauf ist jedoch nicht davon auszugehen, dass es im Rahmen der Beseitigung des Reisigs zu einem Waldbrand kommt. Die Entstehung eines Waldbrands stellt vielmehr einen - bezogen auf das Schlagen des Holzes - atypischen Verlauf dar, mit dem die für den Holzeinschlag Verantwortlichen keinesfalls rechnen mussten und der ihnen daher nicht vorwerfbar ist.

20

Der Umstand, dass der Revierleiter des Beklagten seine Absicht, an den fraglichen Tagen pflanzliche Abfälle zu verbrennen, zwar der Gemeinde Kalefeld und den Einsatzleitstellen der Feuerwehr in Northeim und Osterode sowie der Polizei in Bad Gandersheim, nicht jedoch der Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Beseitigung von pflanzlichen Abfällen durch Verbrennen außerhalb von Abfallbeseitigungsanlagen (BrennVO, Nds. GVBl. 2004, 2) angezeigt hat, hat für die Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit keine Bedeutung. Es ist nicht auszuschließen, dass die Anzeige deshalb unterblieben ist, weil der Revierleiter irrtümlich davon ausging, dass auch die streitbefangene Fläche im Gemeindegebiet von Kalefeld liege. Man mag ihm vorwerfen, dass er sich insoweit nicht ausreichend informiert und daher eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit gemäß § 6 Nr. 1 BrennVO begangen hat. Dieser Umstand steht jedoch in keinem ersichtlichen Zusammenhang zu der Frage, ob er hinsichtlich des Herbeiführens von Schaden bzw. Gefahr im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG mindestens grob fahrlässig gehandelt hat.

21

Dem Beklagten kann grob fahrlässiges Verhalten seines Revierleiters auch nicht im Hinblick auf dessen Entscheidung vorgehalten werden, das Schlagreisig zu verbrennen. Nach den Ausführungen im Gutachten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) vom 13.11.2006 (Beiakte C, Blatt 126 ff.) ist die Kammer davon überzeugt, dass das nach der Durchführung forstbetrieblicher Maßnahmen auf der streitbefangenen Fläche vorhandene Restholz im Frühjahr 2005 durch die Borkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher befallen war und dass die Besiedelungsintensität und die Entwicklung der Käferbrut eine Gefährdung der angrenzenden, noch lebenden Fichtenbestände erwarten ließ. Nach dem Gutachten hatte die Käferbrut bis zum Juli 2005 die Entwicklung im Schlagabraum nahezu abgeschlossen (Puppen- bzw. Jungkäferstadium beim Reifungsfraß) und stand somit kurz vor dem Ausflug. Gemäß § 13 Abs. 2 des Nds. Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) hat die waldbesitzende Person Gefahren, die von ihren Waldflächen für benachbarte Waldflächen anderer Waldbesitzer durch Schadorganismen ausgehen, nach den bewährten Regeln der forstlichen Praxis entgegenzuwirken. Der Beklagte bzw. der für ihn handelnde Revierleiter der Revierförsterei Koppenberg war daher gehalten, die bestehende Gefahr abzuwenden. Hierfür standen ihm mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Neben dem Verbrennen des Reisigmaterials hätte er die Fläche mit Insektiziden behandeln bzw. das Material mulchen oder von der Fläche entfernen können. Die Behandlung mit Insektiziden wurde im Hinblick darauf verworfen, weil die Fläche extrem geneigt ist und in Bachnähe liegt, so dass eine Umweltgefährdung zu befürchten gewesen wäre. Das Mulchen erheblicher Reisigmengen war nach der überzeugenden Darstellung des Revierleiters in der mündlichen Verhandlung im Jahr 2005 im betreffenden Bereich noch nicht üblich und die entsprechenden Gerätschaften standen nicht zur Verfügung. Die Entfernung des Reisigs von der Fläche wäre sehr aufwändig gewesen und wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen abgelehnt. Stattdessen entschied sich der Revierleiter, das Material zusammenzuschichten und zu verbrennen. Diese Handhabung bezeichnet der Gutachter der NW-FVA als Standardverfahren im Rahmen einer integrierten Borkenkäferbekämpfung sowie als fachlich nachvollziehbar. Auch die BrennVO sieht in § 3 Abs. 1 das Verbrennen von Pflanzen oder Pflanzenteilen, die mit den in der Anlage zugeordneten Schadorganismen (u.a. dem Borkenkäfer) befallen sind, sowie in § 3 Abs. 2 aus Gründen des Forstschutzes oder aus kulturtechnischen Gründen das Verbrennen im Wald anfallender pflanzlicher Abfälle ausdrücklich vor.

22

Bei Anwendung eines "Standardverfahrens" könnte dem Beklagten zumindest grob fahrlässiges Verhalten seines Revierleiters im Sinne der o.g. Definition nur vorgehalten werden, wenn der Revierleiter im Hinblick auf die konkreten Umstände und insbesondere die Wetterlage und eine bestehende Waldbrandgefahr durch die Entscheidung, das Schlagreisig zu verbrennen, die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet hätte, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass dem Revierleiter des Beklagten angesichts dieses strengen Maßstabes grobe Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen ist. Ungeachtet der Tatsache, dass in der zweiten Junihälfte des Jahres 2005 bei Tageshöchsttemperaturen von zwischen 25 und 36 Grad Celsius im Bereich Northeim kaum Niederschlag gefallen war, stufte der Deutsche Wetterdienst die Waldbrandgefahr für den Bereich Göttingen in der Zeit vom 01.bis zum 10.07. als sehr gering (Stufe 1 von fünf Stufen) und in der Zeit vom 11. bis zum 14.07.2005 als gering (Stufe 2) ein. Am 30.06.2005 sank die Tageshöchsttemperatur im Bereich Northeim laut Monatsbericht der Northeimer Neuesten Nachrichten (NNN) vom 05.07.2005 auf etwa 18 Grad ab und es fielen 3 mm Niederschlag. Laut Monatsbericht der NNN vom 03.08.2005 regnete es auch am 01. und 02.07.2005 (2,5 bzw. 3,4 mm). Die Tageshöchsttemperatur stieg am 04.07.2005 auf 32 Grad Celsius an, sank jedoch am 05.07.2005 bereits wieder auf 22 Grad ab und betrug am 07.07.2005 nur noch 17 Grad Celsius. Am 07. und 08.07.2005 fielen wiederum Niederschläge (2,4 bzw. 6 mm). Nach Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes vom 05.12.2008 fiel an der nur wenige Kilometer vom Brandort entfernten Messstation Berka in der Zeit vom 29.06.2005 bis zum 07.07.2005 nur an zwei Tagen kein Niederschlag. Erst danach stiegen die Temperaturen wieder an und es blieb weitgehend trocken.

23

Der Revierleiter hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, er habe sich vor dem Verbrennen des Reisigs sehr viele Gedanken über den Einsatz gemacht und dabei alle ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen genutzt. Im Hinblick auf die Wetterlage habe er den Einsatzzeitpunkt mehrfach verschoben. Das Gericht ist nach Bewertung der Wetterverhältnisse und insbesondere auch der seinerzeit zur Verfügung stehende Wettervoraussagen für den betreffenden Bereich zu der Auffassung gelangt, dass der Revierleiter diejenigen Tage für das Verbrennen ausgewählt hat, die prognostisch als kühl und zumindest teilweise regnerisch anzusehen waren. Der Wetterbericht der NNN vom 04.07.2005 sagte für jenen Tag Wolken und gebietsweise kräftige Regengüsse und Gewitter sowie zum Teil Sturmböen und Hagel sowie für den 06. und 07.07.2005 weitere Regenfälle bei Werten um 15 Grad Celsius voraus. Der Bericht vom 05.07.2005 schloss Regen nicht aus und sagte für den 06. und 07.07.2005 Niederschläge und Temperaturen von 17 bis 18 Grad Celsius und für die Folgetage wechselhaftes Wetter voraus. Auch der Wetterbericht vom 06.07.2005 kündigte bis zum 09.07.2005 wechselhaftes Wetter mit Regenschauern und Gewittern bei langsam ansteigenden Temperaturen an. Danach ist der Vortrag der Klägerin, die Wetterlage sei am 07. und 08.07.2005 seit Wochen trocken bei hohen Temperaturen gewesen, als widerlegt anzusehen.

24

Angesichts der Entwicklung des Wetters und der niedrigen Waldbrandstufe bezeichnet der Gutachter der NW-FVA die Entscheidung des Revierleiters, eine durch Borkenkäfer drohende akute Gefährdung gesunder Fichtenbestände durch das Verbrennen des befallenen Materials zu beseitigen, als legitim, fachlich korrekt und nachvollziehbar. Das Gericht folgt dieser Auffassung. Sie wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gutachten im Auftrag des Beklagten erstellt worden ist. Bei der NW-FVA handelt es sich um eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Einrichtung der Länder Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt mit der Aufgabe der praxisnahen forstlichen Forschung und der Beratung der in der forstlichen Praxis Tätigen (vgl. www.nw-fva.de). Dabei obliegt die Aufgabe der Beratung vorrangig der Abteilung "Waldschutz", deren Leiter das Gutachten vom 13.11.2006 verfasst hat. Es entbehrt jeglichen Anhaltspunktes dafür, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens gegenüber der Klägerin voreingenommen gewesen sein könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er die zur Begutachtung stehenden Fragen mit dem ihm zur Verfügung stehenden forstfachlichen Sachverstand nach bestem Wissen beantwortet hat.

25

Nach alledem war die Entscheidung des Revierleiters, das Schlagreisig zu verbrennen, nicht grob fahrlässig. Auch die Durchführung der Maßnahme wird vom Gutachter der NW-FVA als planmäßig, sorgfältig und umsichtig bezeichnet. Dieser Einschätzung folgt das Gericht. Es spricht nichts für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, der Revierleiter habe neben dem Reisig auch Stuken und Baumstämme verbrannt. Soweit auf den gefertigten Fotos Stuken sichtbar sind, ist davon auszugehen, dass sich diese auf der Fläche befunden haben und bei den in Streit stehenden Brandereignissen entzündet worden sind. Hierfür spricht auch die glaubhafte Einlassung des Revierleiters in der mündlichen Verhandlung. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat der Revierleiter auch nicht an 52 verstreuten Stellen gleichzeitig unkontrolliert Brände entzündet. Vielmehr handelte es sich um sieben Schwerpunkte, in denen vier, fünf, sechs, sechs, acht (auf der streitbefangenen Fläche), elf bzw. zwölf Reisighaufen dicht nebeneinander lagen (vgl. den Bericht des Revierleiters vom 15.11.2006 mit anliegendem Kartenmaterial, Beiakte D). Diese Reisighaufen wurden nicht gleichzeitig, sondern über eine Zeit von zwei Arbeitstagen hinweg nacheinander entzündet. Der Revierleiter hat die Schwerpunkte regelmäßig und auch nachts kontrolliert bzw. kontrollieren lassen und hierfür einen Ablaufplan entwickelt. Der Kammer erscheint es durchaus möglich, die an sieben Orten nach und nach angelegten Brände durch - nach der von der Klägerin nicht bestrittenen Darstellung des Revierleiters in der mündlichen Verhandlung - sechs, zeitweise auch sieben Forstbedienstete nach Ablaufplan zu kontrollieren. Auch der Gutachter des NW-FVA schließt eine zu geringe oder fachlich falsche Betreuung der Brennaktion aus. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass Mängel in der Überwachung der Brände für die Entstehung oder das Ausmaß des Schadens ursächlich waren. Denn der Revierleiter hat nach seiner nachvollziehbaren Schilderung den Brand am 10.07.2005 frühzeitig entdeckt. Ein größerer Brand entwickelte sich nach Aktenlage erst in der Zeit zwischen der Kontrolle und dem Eintreffen der Feuerwehr. Am 12.07.2005 befanden sich ein Maschineneinsatzleiter der Forstverwaltung und ein Forstunternehmer in der Zeit zwischen 11.00 und 12.00 Uhr auf der Fläche, ohne Anzeichen für ein erneutes Aufflammen des Brandes zu erkennen. Um 12.05 Uhr fand eine Kontrolle durch zwei Feuerwehrleute statt, ohne dass diese Brandzeichen vorfanden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Feuerwehr bereits am 10.07.2005 auf dieser Fläche einen größeren Einsatz durchgeführt und die Fläche als gelöscht zurückgelassen hat, ohne es für notwendig zu halten, dort Brandwachen aufzustellen (vgl. das Einsatzprotokoll in der Beiakte A, Blatt 131). Die Kammer kann daher auch im Hinblick auf die Durchführung der Kontrollen grobe Fahrlässigkeit nicht erkennen und schließt aus, dass bei umfangreicheren Kontrollmaßnahmen kein oder ein geringerer Schaden entstanden wäre.

26

Die Klage ist deshalb abzuweisen.

27

Die Widerklage des Beklagten ist zulässig. Gemäß § 89 Abs. 1 VwGO kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ist die Widerklage gemäß § 89 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen; die Vorschrift ist vorliegend nicht anzuwenden, weil es sich um eine allgemeine Leistungsklage handelt. Das Gericht bejaht die Zulässigkeit einer Widerklage auf Feststellung, dass der mit der Hauptklage geltend gemachte Anspruch nicht besteht, bzw. einer Widerklage, mit der der Widerkläger eine im Vergleich zur Hauptklage umfassendere Entscheidung begehrt, z.B. wenn mit der Hauptklage nur ein Teil einer Forderung eingeklagt ist, der Widerkläger nunmehr jedoch die Feststellung begehrt, dass er überhaupt nichts schuldet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 89 Rn. 1a). Eine solche Konstellation liegt hier vor. Die Klägerin macht lediglich noch Aufwendungen für die Versorgung des Personals mit Getränken beim Einsatz der Feuerwehr am 10.07.2005 geltend. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage die Feststellung, dass die Klägerin über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinaus keinerlei Kosten und Erstattungsansprüche bezüglich der bei den Waldbränden am 10. und am 12.07.2005 entstandenen Kosten und Aufwendungen gegen ihn hat. Dieser Klageantrag steht in dem notwendigen Zusammenhang mit dem Anspruch der Hauptklage. Dieser Zusammenhang ist rechtlicher Art, denn sowohl für die Klage als auch für die Widerklage ist die Frage einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verursachung von Gefahr oder Schaden (§ 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG) ausschlaggebend.

28

Die Widerklage ist auch begründet; insoweit nimmt die Kammer auf die vorstehenden Darlegungen Bezug.