Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 09.11.2012, Az.: 13 A 3804/12

Entschuldigung von Fehlzeiten; regelmäßige Teilnahme; Rückforderung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.11.2012
Aktenzeichen
13 A 3804/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für die Beurteilung, ob ein Teilnehmer an einer Maßnahme regelmäßig im Sinn des § 9 Satz 2 AFGB teilnimmt, ist in der Regel die Bescheinigung des Bildungsträgers entscheidend.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen, die ihm nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) durch die Beklagte bewilligt worden sind.

Unter dem 15. Juli 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten Förderung für die Teilnahme an einer Ausbildung zum Staatlich geprüften Techniker in der Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik an der Berufskollegfachschule für Technik R. Akademie K. gGmbH (R) für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis einschließlich Juni 2011. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 25. September 2009 für den beantragten Zeitraum einen Unterhaltsbeitrag als Zuschuss i. H. v. 220 € monatlich sowie als Darlehen - abrufbar bei der KfW - i. H. v. 434,50 € monatlich. Der Bescheid erging unter dem Einstellungs- und- Rückforderungsvorbehalt, dass der Kläger gemäß § 9 AFBG zum 10. Februar 2010 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen habe sowie weitere Nachweise gefordert werden könnten.

Der Bewilligungsbescheid enthielt auf seiner letzten Seite unter dem Abschnitt „Bitte beachten Sie die folgenden ergänzenden Bestimmungen, Hinweise und Zusätze“ die folgende Formulierung:

„1.a Bestimmungen, die für Maßnahmen und Maßnahmenabschnitte ab dem 01.07.2009 gelten

Teilnahmebescheinigung

Nach § 9 S. 1 AFBG müssen die Leistungen des Teilnehmers erwarten lassen, dass die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen werden kann. Der Teilnehmer ist daher nach § 9 S. 4 AFBG verpflichtet, nach der Hälfte der Laufzeit der Maßnahme, spätestens nach 6 Monaten, einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen. Die Förderung kann eingestellt und zurückgefordert werden, wenn die Teilnahmebescheinigung nicht zu dem geforderten Termin vorgelegt worden ist. Soweit Sie nicht regelmäßig teilnehmen, kann die Förderung ebenfalls eingestellt bzw. zurückgefordert werden.“

Mitte Dezember 2009 versandte die Beklagte an den Kläger das von dem Bildungsträger auszufüllende Formblatt F „Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Lehrgangsteilnahme (§ 9 AFBG)“ (Zwischennachweis). Darauf bestätigte die R am 29. Januar 2010, bei der Beklagten am 5. Februar 2010 eingegangen, dass der Kläger in der Zeit vom 1. September 2009 bis zum 29. Januar 2010 regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen habe. Die weiteren aufgeführten Fragen bzgl. der Anzahl der angefallenen Fehlstunden und den davon entschuldigten bzw. unentschuldigten Fehlstunden füllte sie nicht im Detail aus, sondern strich diese durch. Auf der Rückseite des Formblattes F war ein Auszug mit den §§ 9, 7, 21 und § 29 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes - AFBG - abgedruckt.

Der Bewilligungsbescheid wurde hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beträge mehrfach geändert, letztmalig durch den Änderungsbescheid vom 26. Mai 2011, in dem der Bewilligungszeitraum auf Juni 2011 sowie die Zins- und Tilgungsfreiheit des bei der KfW abrufbaren Darlehens auf den 30. Juni 2013 verkürzt wurde. Die Änderungsbescheide enthielten jeweils auf ihrer letzten Seite die oben zitierten Hinweise.

Mit Anhörungsschreiben vom 22. Juni 2011 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, sie habe erfahren, dass er von 2400 Gesamtunterrichtsstunden 400 Stunden gefehlt habe. Damit ergebe sich eine Fehlzeitquote von 16, 7 %. Bei unentschuldigten Fehlzeiten von über 10 % oder einer Summe von 30 % entschuldigter und unentschuldigter Fehlzeiten sei die Förderung einzustellen und gegebenenfalls zurückzufordern. Sie gab dem Kläger bis zum 11. Juli 2011 Gelegenheit zu einer Rückforderung Stellung zu nehmen und Atteste vorzulegen.

Das durch die R am 9. Juli 2011 ausgefüllte Formblatt F wies für den Maßnahmeabschnitt vom 1. September 2009 bis 15. Juli 2011 400 Fehlstunden von insgesamt 2.400 Gesamtunterrichtsstunden aus. Es enthielt nicht die Option zu bescheinigen, dass der Teilnehmer an der Maßnahme regelmäßig teilgenommen hat, sondern lediglich die Frage nach den Gesamtunterrichtstunden und davon angefallenen Fehlstunden ohne Differenzierung danach, wie viele von diesen Fehlstunden entschuldigt waren.

Mit Bescheid vom 26. September 2011 hob die Beklagte die zuvor ergangenen Bewilligungsbescheide auf, forderte vom Kläger den gewährten Zuschuss i. H. v. 5.002,00 € zurück und verkürzte die Tilgungs- und Zinsfreiheit des von der KfW darlehensweise gewährten Unterhaltsbeitrags auf den 30. September 2011.

Noch zuvor bestand der Kläger am 13. September 2011 das Fachschulexamen und erlangte die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik“.

Mit einem als Widerspruch bezeichneten Schreiben vom 10. Oktober 2011 wandte sich der Kläger gegen die Rückforderung. Er legte dem Schreiben insgesamt fünf ärztliche Atteste sowie neun von dem Bildungsträgers für die Entschuldigung von Fehlzeiten vorgesehene und durch ihn selbst ausgefüllte Formblätter bei. Die von der R gestalteten Formblätter zur Begründung und Bescheinigung der Fehlzeiten enthielten folgende umrandete und fett gedruckte Angabe: „Geben Sie bitte Ihren Finanzierungsträger an, tragen Sie den Ort und die Bearbeitungsnummer des Finanzierungsträgers ein“. Unter dem Abschnitt „Finanzierungsträger“ war dort u.a. das AFBG (MeisterBAföG) aufgeführt, und durch den Kläger angekreuzt. Die ärztlichen Atteste bescheinigten die Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen Krankheit für insgesamt 12 Kalendertage. Die bei der R abgegebenen Formblätter weisen als Fehlzeiten des Klägers über die mit ärztlichem Attest belegten Krankheitstage hinaus weitere 28 Kalendertage und 8 Unterrichtstunden aus. 16 Kalendertage davon betrafen laut Begründung Krankheitsfälle. Alle dort mit Grund aufgeführten Fehltage bzw. -stunden wurden jeweils durch Namenskürzel des Semesterleiters der R sowie dessen Unterschrift und Datum als entschuldigt anerkannt.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2011 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass gegen den Bescheid sofort Klage zu erheben sei. Es verbleibe bei der vollständigen Einstellung der Förderung und Rückforderung. Die Toleranzgrenze von 10 % unentschuldigten Fehlzeiten sei überschritten. Die bisher eingereichten Atteste reichten nicht aus, um eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Am 29. Oktober 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Einschätzung, ob eine regelmäßige Teilnahme erfolge und Fehlzeiten entschuldigt seien, obliege dem Bildungsträger. Die R habe monatlich die Fehlzeiten erfasst und ein ärztliches Attest erst für Fehlzeiten ab dem dritten Kalendertag gefordert. Fehlzeiten von unter drei Kalendertagen seien nach dem hierfür vorgesehenen Formblatt der R zu begründen gewesen. Anschließend habe der Semesterleiter über die Anerkennung des Entschuldigungsgrundes befunden. Für ihn hätten daher zu keinem Zeitpunkt Bedenken bestanden, dass er die Voraussetzung des § 9 AFBG nicht erfülle. Die Beklagte habe ihn erst mit dem Anhörungsschreiben auf die 10%-Regelung hingewiesen. Diese sei aber von dem Gesetz nicht vorgesehen und daher nicht zwingend. Auch erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass die Beklagte ärztliche Atteste für die Rechtfertigung von Fehlzeiten verlange. Zumindest könne die Beklagte nicht für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 29. Januar 2010 die Leistung zurückfordern, nachdem sie zunächst die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nach dem ausgefüllten Formblatt F vom 29. Januar 2010 angenommen habe. Von den 400 Fehlstunden habe die Schule 230 als entschuldigt anerkannt. Daher seien nur 170 Fehlstunden unentschuldigt, so dass sich eine Quote von 7,1 % ergebe. Im Übrigen sei das mit § 9 AFBG verfolgte Ziel erfüllt. Er - der Kläger - habe alle 4 Semester ohne Unterbrechung absolviert und sei zu der Abschlussprüfung zugelassen worden. Er habe die Ausbildung bestanden. Somit ließen seine Leistungen erwarten, dass die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen werde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 26. September 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: In den Bewilligungsbescheiden sei auf das Erfordernis der regelmäßigen Teilnahme hingewiesen worden, so dass dem Kläger die Konsequenz von nicht entschuldigten Fehlzeiten bekannt gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung der seitens des Klägers eingereichten Atteste sowie bei einer für die jeweiligen Schuljahre getrennten Betrachtung, ergäben sich über der zehnprozentigen Toleranzgrenze liegende Fehlzeiten von 17,3 bzw. 12,1 %, im Durchschnitt somit 13, 67 %. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich, dass eine regelmäßige Teilnahme nicht mehr vorliege, wenn der Teilnehmer über 10 % der Gesamtstunden unentschuldigt gefehlt habe. Eine Entschuldigung von Fehlzeiten könne entsprechend der Regelung in § 7 Abs. 4 AFBG nur bei Schwangerschaft oder Krankheit erfolgen und müsse durch Vorlage eines Attests nachgewiesen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen einer Aufhebung und Rückforderung liegen nicht vor.

§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Satz 6 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (- AFBG - hier i. d. F. vom 18. Juni 2009 - BGBl. I S. 1322) bildet die Rechtsgrundlage für die Rückforderung eines Unterhaltsbeitrags wegen nicht regelmäßiger Teilnahme an der Förderungsmaßnahme. Danach ist - außer in den Fällen der §§ 44 - 50 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als die Voraussetzungen für die Leistung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, und die Förderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist.

Zwar war die dem Kläger gewährte Förderungsleistung gem. § 9 Satz 6 AFBG unter den Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung im Falle der nicht regelmäßigen Teilnahme gestellt. Jedoch lagen die Voraussetzungen für die Rückforderung nicht vor, weil der Kläger regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen hat.

Das AFBG bestimmt nicht unter welchen Voraussetzungen eine regelmäßige Teilnahme vorliegt. Zu Recht verweist die Beklagte insoweit auf die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (BT-Drs. 16/10996). Hiernach kann von einer regelmäßigen Teilnahme ausgegangen werden, wenn die Teilnehmer oder die Teilnehmerinnen nicht mehr als 10 % der Gesamtunterrichtsstunden unentschuldigt gefehlt haben (vgl. BT-Drs. 16/10996, Nr. 9 zu § 9 S. 27). Ob die in der Gesetzesbegründung genannte Fehlquote von 10 %, wie die Beklagte meint, absolut zu verstehen ist, d.h. dass mit Überschreitung der 10 % zwingend von einer nicht regelmäßigen Teilnahme auszugehen ist, kann hier offenbleiben, denn der Kläger hat weniger als 10 % der Gesamtunterrichtstunden unentschuldigt gefehlt.

Zwar hat der Kläger von 2400 Gesamtunterrichtstunden 400 Stunden gefehlt. Dies entspricht einer Quote von 16, 6 %. Auch wurden hiervon nur 12 Kalendertage durch ärztliches Attest bzw. Bescheinigung begründet, so dass bei Abzug dieser Tage, bei Ansatz von 6 Unterrichtstunden pro Kalendertag, eine Quote von 13,67 % verbleiben würde.

Allerdings hat die R insgesamt Fehlzeiten von 40 Kalendertage und 8 Unterrichtstunden als entschuldigt anerkannt. Dies entspricht 248 entschuldigten Fehlstunden. Es verbleiben somit lediglich 160 unentschuldigte Fehlstunden. Dies ergibt 6, 6 % der Gesamtunterrichtstunden.

Die Beurteilung, ob die Teilnahme regelmäßig erfolgt und damit auch die Einschätzung, ob Fehlzeiten hinreichend entschuldigt sind, ist grundsätzlich vom Bildungsträger zu treffen. Dies gilt jedenfalls soweit die geförderte Maßnahme eine Anwesenheitspflicht vorsieht und kein kollusives Zusammenwirken des Bildungsträgers mit dem Teilnehmer ersichtlich ist und soweit in dem Bewilligungsbescheid nichts anderes bestimmt ist. Dies ist hier der Fall.

Dass für die Frage der Regelmäßigkeit der Teilnahme grundsätzlich die Einschätzung des Bildungsträgers maßgeblich ist, verdeutlicht bereits der Wortlaut und die Systematik des AFBG. Nach § 9 Satz 4 AFBG hat der Teilnehmer einen Nachweis „des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme“ dem Förderungsträger zu erbringen. Dem Bildungsträger werden durch das AFBG gegenüber dem Förderungsträger bußgeldbewährte (§ 29 AFBG) Aufsichts- und Auskunftspflichten (§ 21 AFBG) auferlegt. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AFBG hat der Bildungsträger dem Finanzierungsträger u.a. die nicht regelmäßige Teilnahme unverzüglich anzuzeigen. Verstößt er gegen diese Pflicht, setzt er sich der Gefahr eines Bußgeldes gem. § 29 AFBG aus. Dies zeigt auf, dass das Gesetz von einer Dreieckskonstellation im Hinblick auf die Beurteilung der Regelmäßigkeit der Teilnahme ausgeht, bei der der Teilnehmer gegenüber seinem Fortbildungsträger seine Fehlzeiten und deren Entschuldigung anzeigt. Der Fortbildungsträger ist wiederum gegenüber dem Förderungsträger verpflichtet anzuzeigen, ob der Teilnehmer nicht mehr regelmäßig teilnimmt, d.h. übermäßig bzw. unentschuldigt fehlt. Die Frage der Entschuldigung dieser Fehlzeiten, d.h. was Fehlzeiten zu entschuldigen vermag, ist somit vom Bildungsträger, der mit den Teilnehmern einer Fortbildung in unmittelbarem Kontakt steht, zu beantworten. Wäre (allein) die Einschätzung des Förderungsträgers maßgeblich, müsste der Bildungsträger jede Fehlzeit mit den von dem Teilnehmer beigebrachten Rechtfertigungen dem Förderungsträger unverzüglich weiterleiten, um sich nicht der Gefahr eines Bußgeldes aussetzen. Dies würde zum einen jedoch den obligatorischen Teilnahmenachweis (Zwischenbericht) i. S. d. § 9 Satz 4 AFBG obsolet machen, da der Förderungsträger bereits Kenntnis von den Fehlzeiten des Teilnehmers hätte. Zum anderen sprechen für das vorstehend gefundene Ergebnis auch praktische Erwägungen. Denn der Förderungsträger, der nicht am Bildungsalltag teilnimmt, wäre kaum in der Lage, die regelmäßige Teilnahme zu kontrollieren.

Dafür, dass grundsätzlich (nur) gegenüber dem Bildungsträger Entschuldigungen von Fehlzeiten anzuzeigen und von diesem zu bewerten sind, spricht auch der Sinn und Zweck des § 9 AFBG. Nach § 9 Satz 1 AFBG sollen die Leistungen des Teilnehmers erwarten lassen, dass die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen werden kann. Nach Satz 2 wird dies in der Regel angenommen solange der Teilnehmer an der Maßnahme regelmäßig teilnimmt. Nach der Gesetzesbegründung ermöglicht nur eine regelmäßige Teilnahme eine zügige und erfolgreiche berufliche Aufstiegsfortbildung (vgl. BT-Drs. 16/10996, S. 27). Dies beinhaltet eine Prognose, die nur der Bildungsträger, der Kenntnis von der Person des Teilnehmers, seinem Verhalten und den fachlichen Anforderungen hat, abzugeben vermag.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die geförderte Maßnahme eine Anwesenheitspflicht vorsieht und kein kollusives Zusammenwirken des Bildungsträgers mit dem Teilnehmer bei der Aufsicht über und Entschuldigung von Fehlzeiten ersichtlich ist. Dies ist hier der Fall.

Die R hat die Anwesenheit des Klägers kontrolliert sowie für Fehlzeiten eine Rechtfertigung verlangt.

Nach der Verwaltungspraxis der R sollten erst ab dem dritten Kalendertag krankheitsbedingte Fehlzeiten durch ärztliches Attest bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen werden. Für Fehlzeiten von unter drei Kalendertagen waren die von der R gestalteten Formblätter zur Begründung und Bescheinigung der Fehlzeiten mit Angabe des Grundes auszufüllen. Anschließend wurde durch den Semesterleiter bzw. Bereichslehrer die Entscheidung getroffen, ob der angegebene Grund die Fehlzeit zu entschuldigen vermag. Alle von dem Kläger genannten Gründe für seine Fehlzeiten wurden ausweislich der zu den Akten gereichten Formblätter als Entschuldigung anerkannt.

Weder das AFBG noch die Gesetzesbegründung verhalten sich zu der Frage, in welcher Form die Entschuldigung von Fehlzeiten zu erfolgen hat. Dass Fehlzeiten in der Regel erst ab dem 3. Kalendertag durch ein ärztliches Attest belegt werden müssen, ist eine auch in der Arbeitswelt bekannte Regelung, die ihren Ausdruck auch im Gesetz gefunden hat (vgl. § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz - EntgFG - i.d.F. vom 1. Januar 1994) Sie stellt keine missbräuchliche Praxis dar.

Ob nur Krankheit oder Schwangerschaft, wie die Beklagte meint, als Entschuldigungsgrund anzuerkennen sind, bezweifelt die Kammer. Vielmehr erscheinen der Kammer, wie von der R gehandhabt, auch andere Gründe geeignet Fehlzeiten zu rechtfertigen (Behördengang, Vorstellungsgespräch, Termin mit dem Telefonanbieter). Dies bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn die durch die R anerkannten Krankheitstage sowie die durch ärztliches Attest ausgewiesenen Fehlzeiten genügen, um die Quote der unentschuldigten Fehlzeiten auf unter 10 % abzusenken. Denn bei Berücksichtigung der durch ärztliches Attest ausgewiesenen Tage sowie der durch die Schule anerkannten Fehlzeiten wegen Krankheiten verblieben 232 unentschuldigte Fehlstunden, somit eine Fehlquote von 9, 6 %.

Dem Einwand, dass nur ein ärztliches Attest Fehlzeiten rechtfertigt greift bereits nicht durch, weil hier die Einschätzung der R für die Anerkennung von Entschuldigungen für Fehlzeiten maßgeblich ist.

Nichts anderes ergibt sich hier aus den Bewilligungsbescheiden der Beklagten. Der Inhalt eines Verwaltungsaktes ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben nach seinem objektiven Erklärungswert zu beurteilen (vgl. BVerwG Urteil vom 5. November 2009 - 4 C 3/09 -, BVerwGE 135, 209). Maßgebend ist, wie der Empfänger die Regelung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> und vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 m.w.N.).

Eine Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB ergibt hier, dass der Empfänger den mehrfach geänderten Bewilligungsbescheid bei objektiver Würdigung aller Umstände nur so verstehen konnte, dass er zwar regelmäßig an der Maßnahme teilzunehmen habe, die Beurteilung, ob er regelmäßig teilnehme, aber vom Fortbildungsträger zu treffen sei. Denn die Beklagte hat im Bewilligungsbescheid lediglich den Gesetzestext zitiert. Der Gesetzestext überlässt jedoch dem Bildungsträger den „Nachweis über die regelmäßige Teilnahme“. Auch ging hiervon ersichtlich der Fortbildungsträger des Klägers aus. Die von der R ausgegebenen Formblätter zur Entschuldigung von Fehlzeiten gehen ausdrücklich auf den Finanzierungsträger ein. Auch das weitere Verhalten der Beklagten ließ keinen anderen Schluss zu. Die Beklagte hat die mit dem Zwischenbericht erfolgte erstmalige Bestätigung der R, dass der Kläger regelmäßig an der Maßnahme teilnehme, ohne dass die R die Fehlstunden des Klägers ausgewiesen hätte, ausreichen auslassen und die Förderung durch mehrfache Änderung des ursprünglichen Bescheids fortgesetzt. Eine Regelung dahingehend, dass Fehlzeiten nur ihr gegenüber zu entschuldigen seien oder in welcher Form (nur durch ärztliches Attest) diese zu erfolgen habe, ist weder im Bewilligungsbescheid bzw. den Änderungsbescheiden enthalten, noch lässt sie sich aus den Hinweisen zum Bescheid erschließen.

Nach alledem ist der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2011 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Daher war der Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO zum Erfolg zu verhelfen und die angefochtenen Bescheide aufzuheben.