Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.08.2004, Az.: 1 LA 277/03
Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs eines Nachbarn bei formeller Baurechtswidrigkeit; Beurteilung der Baurechtmäßigkeit einer Bausubstanz unabhängig von ihrer Nutzung; Zumutbarkeit Gerüchen einer Rinderhaltung; Rüge unterlassener Aufklärung bei fehlender Stellung eines Beweisantrags des Klägers im ersten Rechtszug
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.08.2004
- Aktenzeichen
- 1 LA 277/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 37146
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:0830.1LA277.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 25.07.2003 - AZ: 2 A 54/02
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs. 2 BauGB
- §§ 2 ff. BauNVO
Fundstellen
- FStNds 2005, 342-346
- NVwZ-RR 2005, 455-457 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 2005, 3279 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die formelle Baurechtswidrigkeit allein gestattet es in der Regel nicht, dem Rechtsbehelf eines Nachbarn stattzugeben.
- 2.
Die Baurechtmäßigkeit der Bausubstanz lässt sich jedenfalls in der Regel nicht unabhängig von ihrer Nutzung beurteilen.
- 3.
Eine Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben einem einzigen der in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Baugebiete zuzuordnen ist. Dazu bedarf es nicht in jedem Fall einer Ortsbesichtigung.
- 4.
Zur Zumutbarkeit von Gerüchen, die von Rinderhaltung ausgehen.
- 5.
Die Rüge unterlassener Aufklärung ist unbegründet, wenn es der im ersten Rechtszug anwaltlich vertretene Kläger unterlassen hat, dort einen Beweisantrag zu stellen.
Aus dem Entscheidungstext
Der Kläger wendet sich zum Schutze seines im Aktivrubrum genannten Wohngrundstücks gegen die Genehmigung von Milchviehhaltung auf dem westlich benachbarten Grundstück des Beigeladenen. Auf diesem unterhält der Beigeladene einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb. Dieser umfasst - neben dem parallel zum Wohnhaus des Klägers stehenden Wohngebäude - insgesamt drei Stallgebäude, von denen hier nur die Ställe 2 und 3 noch interessieren. Stall 1 schließt unmittelbar nördlich an das Wohngebäude an und war 1965 zusammen mit diesem für 20 Kopf Rindvieh genehmigt und errichtet worden. An diesen schließt sich in Richtung Nordosten der 1975 bis 1978 ohne Baugenehmigungen errichtete und erweiterte (Boxenlauf-)Stall Nr. 3 an. In diesem will der Beigeladene nach dem Inhalt der hier angegriffenen Baugenehmigung vom 5. Januar 1999 32 Kühe mit Trauf-First-Lüftung halten. Der kürzeste Abstand zwischen diesem 19 m x 24 m großen Stall Nr. 3 und dem Wohnhaus (alt) des Klägers beträgt rd. 33 m. Westlich des Komplexes aus Wohnhaus und Ställen 1 und 3 steht der Stall Nr. 2 mit einer Länge von rd. 62 m und einer Breite von etwa 10 m. Dieser hält zur Grundstücksgrenze des Klägers einen Abstand von mindestens 45 m ein und war 1966 mit Baugenehmigung als Hähnchenmaststall für 5.400 Tiere errichtet worden. 1982/83 gab der Beigeladene die Hähnchenmast ohne Baugenehmigung zugunsten der Rinderhaltung auf. In nordöstlicher Fortsetzung des Stalles 3 legte er schließlich 1995 wiederum ohne Baugenehmigung eine größere Silageplatte an.
Auf die formell illegale Bautätigkeit aufmerksam geworden, forderte der Beklagte den Beigeladenen zur Stellung eines Bauantrages auf. Mit Bauschein vom 13. Juni 1997 genehmigte er die Nutzung aller drei Ställe und der Silageplatte mit Nebenbestimmungen. Der Kläger erhob Widerspruch und war mit seinem Eilantrag erfolgreich, soweit die Baugenehmigung den Stall 3 und die Silageplatte betraf (nicht mit der Beschwerde angegriffener Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 1998 - 2 B 82/97 -).
Auf Bauantrag vom 10. Dezember 1998 genehmigte der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bauschein vom 5. Januar 1999 unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen folgende Nutzungen: Stall 1 wird nicht mehr belegt. Der (Boxen-)Stall 2 nimmt insgesamt 55 Stück Milchvieh unterschiedlicher Alterklassen auf. Im (Boxenlauf-)Stall Nr. 3 sollen 32 Kühe gehalten werden.
Das hiergegen geführte Eilverfahren ging zum Nachteil des Klägers aus. In seinem Beschluss vom 6. September 1999 (- 1 M 2569/99 - V.n.b.) nahm der Senat an, der Bauschein vom 5. Januar 1999 stelle gegenüber der Baugenehmigung vom 13. Juni 1997 ein Aliud dar. Dementsprechend stehe die Rechtskraftwirkung des Eilbeschlusses vom 18. Februar 1998 - 2 B 82/97 - der Erteilung und Ausnutzung des neuen Bauscheins nicht entgegen. In der Sache überwiege im Wesentlichen wegen des Ergebnisses des Abschlussberichtes der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan zu "Geruchsbegehungen an Rinderställen" das Interesse des Beigeladenen, die hier angegriffene Baugenehmigung ausnutzen zu dürfen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2002 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Unter dem 16. Mai 2002 verzichtete der Beigeladene gegenüber dem Beklagten auf die Baugenehmigung vom 13. Juni 1997. Daraufhin hob der Beklagte diese durch Bescheid vom 29. Mai 2002 mit der Bemerkung auf, damit werde dem Widerspruch des Klägers abgeholfen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem hier angegriffenen Urteil, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgenden Erwägungen abgewiesen:
Die Erklärung des Beigeladenen vom 16. Mai 2002 habe entgegen der Annahme des Klägers nicht zur Folge, dass die Bausubstanz "als solche" dadurch formell illegal und die angegriffene Baugenehmigung, zu deren Vorbereitung die Baurechtmäßigkeit der Bausubstanz nicht erneut überprüft worden sei, schon deshalb aufzuheben sei. Erstens habe der Beigeladene damit nur ein bestimmtes Nutzungskonzept aufgegeben. Zweitens rechtfertige allein die formelle Rechtswidrigkeit einer Anlage nicht, einem Nachbarantrag stattzugeben. Dazu bedürfe es der Verletzung materieller und nachbarschützender Vorschriften. Das sei hier nicht der Fall. Die nähere und für die Beurteilung maßgebliche Umgebung umfasse nicht den gesamten Ortsteil von E. Sie sei diffus bebaut. Das schließe eine dem Kläger günstige Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB und die Einordnung der maßgeblichen Umgebung als Mischgebiet aus. Rücksichtslos sei das angegriffene Vorhaben nicht. Die Kammer lege nunmehr ebenfalls die sog. Weihenstephaner Untersuchung zugrunde. Die dadurch sowie die gutachtlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. K. vom 22. November 2001 erhärtete Annahme, schon ab einer Entfernung von 20 m oder 30 m sei ein deutlich wahrnehmbarer Rindviehgeruch nicht mehr festzustellen, der Gesichtspunkt, dass die Entlüftung des Stalles 3 an der dem Kläger abwandten nordwestlichen Seite angebracht worden sei, sowie der Umstand, dass die Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks durch die Vorbelastung herabgesetzt sei, schlössen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes aus.
Hiergegen richtet sich der rechtzeitig gestellte, auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO gestützte Zulassungsantrag. Zu dessen Begründung macht der Kläger insbesondere geltend: Das Verwaltungsgericht habe dem Umstand nicht ausreichend Rechnung getragen, dass der Beigeladene mit seinem Schreiben vom 16. Mai 2002 insgesamt und ohne Einschränkungen auf die Baugenehmigung des Beklagten vom 13. Juli 1997 verzichtet habe. Schon aus diesem Grunde, daneben aber auch wegen des Aufhebungsbescheides des Beklagten vom 29. Mai 2002 sei die Bausubstanz formell illegal geworden. Schon aus diesem Grunde habe seinem Nachbarantrag stattgegeben werden müssen. Denn die gebotene Gesamtbetrachtung habe der Beklagte nicht angestellt. Die hier angegriffene Baugenehmigung verletze seine Rechte materiell schon deshalb, weil die Nachbarverträglichkeit des Vorhabens im Wesentlichen nur durch personenbezogene Nebenbestimmungen habe sichergestellt werden sollen. Das sei ein zur Konfliktbewältigung grundsätzlich unzureichendes Mittel. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts beurteile sich die Nachbarverträglichkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 2 BauGB. Die maßgebliche Bebauung weise eindeutig die Merkmale eines Mischgebietes auf. Dort sei eine landwirtschaftliche Nutzung von vornherein unzulässig. In verfahrensrechtswidriger Weise habe das Verwaltungsgericht davon abgesehen, sich durch Ortsbesichtigung einen verlässlichen Eindruck vom Charakter der hier maßgeblichen Umgebung zu verschaffen. Verfahrensfehlerhaft und in einer die Berufungszulassung rechtfertigenden Weise fehlerbegründend habe das Verwaltungsgericht zudem auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB die Nachbarverträglichkeit des Vorhabens unzutreffend beurteilt. Angesichts der divergierenden Gutachten hätte es die Sachlage nicht ohne Einholung eines weiteren Gutachtens beurteilen können. Die vom Verwaltungsgericht verwertete Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan reiche als Grundlage nicht aus.
Der Beklagte und der Beigeladene treten dem Zulassungsantrag entgegen.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an - "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2. Kammer des Ersten Senats , Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl 2000, 1458, 1459[BVerfG 23.06.2000 - 1 BvR 830/00][BVerfG 23.06.2000 - 1 BvR 830/00] = NVwZ 2000, 1163) die Anforderungen an die Darlegungslast der Beteiligten nicht überspannt werden und sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils schon dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Erforderlich ist allerdings, dass auf diese Weise jede die angegriffene Entscheidung selbständig tragende Erwägung angegriffen wird.
Eine danach vorgenommene Würdigung der Zulassungsantragsbegründung ergibt, dass der Zulassungsantrag keinen Erfolg haben kann. Dazu sind die folgenden Ausführungen veranlasst:
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, schon die formelle Rechtswidrigkeit der Bausubstanz hätte zum Erfolg seiner Klage führen müssen. Dem hat das Verwaltungsgericht zu Recht entgegengehalten, dass der Nachbar aus der formellen Baurechtswidrigkeit allein keine Abwehransprüche herleiten kann. So hat der Senat in seinem Beschluss vom 10. Februar 2003 - 1 LA 52/02 - (V.n.b.) u.a. ausgeführt:
"Die formelle Illegalität allein begründet ein Abwehrrecht des Nachbarn nicht. Denn die Pflicht, ein Vorhaben vor seiner Verwirklichung bauaufsichtsbehördlich überprüfen zu lassen, obliegt dem Bauherrn allein im öffentlichen Interesse. Der Umstand, dass im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens auch solche Gesichtspunkte zu prüfen sind, die (nicht nur im öffentlichen, sondern zugleich) im nachbarlichen Interesse liegen, ändert daran nichts (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29.5.1998 - 6 L 1223/97 -, V.n.b.)."
Daran ist festzuhalten. Erst wenn das angegriffene Vorhaben (auch) materiell Rechte des Nachbarn verletzt, kann seinem Antrag stattgegeben werden.
Es kommt hier folgendes selbständig tragend hinzu:
Entgegen der vom Kläger offenbar favorisierten Auffassung ist es nicht möglich, das Vorhaben auf seine Nutzung zu beschränken. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urt. v. 11.11.1988 - 4 C 50.87 -, NVwZ-RR 1989, 340 = BRS 48 Nr. 58; Urt. v. 15.11.1974 - IV C 32.71 -, BVerwGE 47, 185 = BauR 1975, 44 = BRS 28 Nr. 34) stellen Bausubstanz und ihre Nutzung auch im Falle ihrer Änderung eine unteilbare Einheit dar. Die Baurechtmäßigkeit der Substanz kann nicht unabhängig von ihrer Nutzung beurteilt werden. Nur in gewissen, hier nicht gegebenen Ausnahmefällen kann sich im Falle der Nutzungsänderung die Prüfung der Bauaufsichtsbehörde auf bestimmte Fragen beschränken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.2.2000 - 4 B 106.99 -, NVwZ 2000, 1047 = BRS 63 Nr. 172; a.A. Mampel, ZfBR 2000, 10).
Daraus folgt hier: Mit seinem Schreiben vom 16. Mai 2002 hat der Beigeladene, wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt hat, nur auf die Ausnutzung der Baugenehmigung vom 13. Juni 1997 verzichtet. Dass er die Substanz der Gebäude weiterverwenden wollte, zeigt schon der Umstand, dass er nicht auch auf die hier angegriffenen Baugenehmigungen verzichtet hat, sondern deren Ausnutzung trotz der Angriffe des Klägers weiter erstrebte. Daraus folgt zwanglos, dass die hier angegriffene Baugenehmigung vom 5. Januar 1999 nicht nur die Nutzung, sondern auch die Substanz der Gebäude umfasst, in denen die Rinder gehalten werden sollen. Selbst wenn der Beklagte vor ihrer Erteilung eine die Gebäudesubstanz erfassende Prüfung unterlassen haben sollte, könnte dieser Zulassungsangriff nur dann Erfolg haben, wenn nicht nur die Nutzung, sondern auch/gerade die Gebäudesubstanz materiell Mängel aufwiese, welche sich zum Nachteil des Rechtskreises des Klägers auswirken könnten. Das macht das Zulassungsantragsvorbringen indes nicht substantiiert geltend. Ausführungen zur Undichtigkeit der Güllekeller oder Ähnliches enthält dieses nicht.
Die "besseren Gründe" hat das Zulassungsantragsvorbringen auch nicht für sich mit der Rüge, das Verwaltungsgericht sei unzutreffend und zugleich in einer den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ausfüllenden Weise zur Auffassung gelangt, § 34 Abs. 2 BauGB sei hier nicht in einer dem Kläger günstigen Weise anzuwenden.
Eine Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB setzt voraus, dass die nähere Umgebung eindeutig einem einzigen der in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Baugebiete zuzuordnen ist. Eine "bauplanungsrechtliche Wahlfeststellung" ist unzulässig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.1991 - 4 B 1.91 -, NVwZ 1991, 982 = BauR 1991, 569 = BRS 52 Nr. 64). Das hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des vorliegenden Kartenmaterials zutreffend verneint. Eine Ortsbesichtigung bedurfte es dazu nicht. Ebenso, wie es für die Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich ausreichen kann, sich allein auf aussagekräftiges Kartenmaterial zu stützen, wenn etwa die geographischen Verhältnisse (Entfernungen, Grundstücksgrößen) bereits für sich genommen derartig eindeutig sind, dass sie mit dem mit der Materie vertrauten Tatsachengericht eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage zu geben vermögen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1991 - 4 C 1.91 -, NVwZ-RR 1992, 227 = BRS 52 Nr. 146), bedarf es für die hier zu entscheidende Frage, welchem Gebietstyp die miteinander konkurrierenden Grundstücke zuzuordnen sind, keiner Ortsbesichtigung. Die dafür maßgeblichen Umstände lassen sich gerade nach der kontrovers geführten Diskussion, welche der Kläger auf S. 9 f seiner Zulassungsantragsbegründung vom 26. September 2003 nur teilweise wiedergibt, auch ohne Ortsbesichtigung ermitteln. Denn neben dem Kartenmaterial stand der Kammer u.a. das Schreiben des Beklagten vom 4. Oktober 2000 (Beiakte A) zur Verfügung, in dem dieser auf die in der Antragsbegründungsschrift von der Bezirksregierung Weser-Ems unter dem 13. Juni 2000 geäußerten Gesichtspunkte eingegangen war, welche vorgeblich für die Annahme eines Mischgebietes und die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB sprachen. Wenn die Bezirksregierung daraufhin in ihrem hier interessierenden Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2002 die noch im Juni 2000 verfochtene Auffassung aufgab, durfte sich der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Substantiierungspflicht aus § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht darauf beschränken, schlicht auf den älteren Standpunkt der Bezirksregierung Weser-Ems zu verweisen und sich deren seinerzeit eingenommenen Standpunkt zueigen zu machen. Gerade zunächst schwierig erscheinende Gesichtspunkte können im Laufe eines längeren Verwaltungsstreitverfahrens soweit geklärt werden, dass sich der Kläger dann nicht mehr - wie hier geschehen - darauf zurückziehen kann, die früher von einer Behörde vertretene Auffassung treffe trotz ihrer Aufgabe unverändert zu. Gerade dann ist es erforderlich, dass sich der Zulassungsantragsteller den neuen Argumenten - hier enthalten in den Äußerungen des Beklagten vom 4. Oktober 2000 an die Bezirksregierung Weser-Ems, Ausführungen der Bezirksregierung Weser-Ems in ihrem Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2002 sowie schließlich in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 9 des Urteilsabdruckes - stellt und substantiiert die dort aufgelisteten Argumente kritisch angeht. Schon das fehlt in der Antragsbegründungsschrift vom 26. September 2003. Wenn der Kläger dort (S. 11) ausführt, das Verwaltungsgericht habe die Herkunft seiner "abweichenden Meinung" nicht deutlich gemacht, so bedeutet dies das qualifizierte Eingeständnis, sich mit der Argumentation auf S. 9 des Urteilsabdruckes nicht auseinandergesetzt zu haben.
Die Verfahrensrüge kann zudem aus materiellen Gründen keinen Erfolg haben. Ein Beteiligter kann nicht rügen, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, wenn er erstinstanzlich anwaltlich vertreten war und es dort versäumt hat zu beantragen, bestimmte Tatsachen durch Beweiserhebung klären zu lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.2.1993 - 2 C 14.91 -, DVBl 1993, 955[BVerwG 25.02.1993 - 2 C 14/91][BVerwG 25.02.1993 - 2 C 14/91] = NVwZ 1993, 692). Das hat der Kläger versäumt. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 25. Juli 2003 (vgl. § 165 Satz 1 ZPO, § 173 VwGO) waren neben dem Kläger auch sein damaliger Verfahrensbevollmächtigter erschienen. Einen Beweisantrag hat der Kläger ausweislich des Protokolls nicht gestellt.
Es kommt schließlich hinzu, dass die Annahme "eines" als Mischgebiet einzustufenden Baugebiets nicht in Betracht kam. Das vorliegende Kartenwerk zeigt deutlich, dass nördlich der Hauptstraße mehrere ganz unterschiedlich dicht und qualitativ unterschiedlich gestaltete Bauquartiere aufgereiht sind. Schon die Entfernungen verbieten es anzunehmen, dass die gesamte nördlich der Hauptstraße perlschnurartig aufgereihte Bebauung unterschiedlicher Tiefe "einem" Baugebiet zugehört. Allenfalls ist es gerechtfertigt, die haufenartige Bebauung beidseits des Weinkeller-Weges bis zur Straße Up de Haar als einen zusammengehörigen Gebietsteil anzunehmen. Östlich davon beginnt spätestens um die Kirche herum (An der Wüste) ein Quartier, welches möglicherweise mit der südlich davon jenseits der Hauptstraße stehenden Bebauung (dort u.a. der Schützenplatz, Schule und Friedhof), nicht jedoch mit der hier in Rede stehenden haufenartigen Bebauung noch eine Einheit zu bilden vermag.
Die Einordnung des hier maßgeblichen Bereichs als Mischgebiet scheitert zudem daran, dass hiermit ohne städtebaulich zureichendem Grund die jahrzehntelang und zum Teil mit Baugenehmigung auf dem klägerischen Grundstück betriebene landwirtschaftliche Nutzung beiseite geschoben würde. Das ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Nutzung einen Fremdkörper darstellte, welcher außer Betracht bleiben dürfte. Das ist nicht der Fall.
Richtig ist zwar, dass bei der Anwendung des § 34 BauGB die maßgebliche Umgebung eingegrenzt und auf das Wesentliche zurückgeführt werden muss. Dabei muss u.a. entschieden werden, ob Bauten trotz ihrer Existenz als ausscheidbare Fremdkörper anzusehen und bei der Ermittlung des Gebietscharakters außer Betracht bleiben dürfen/müssen. Das kommt indes erst dann in Betracht, wenn diese Baukörper nach ihrem Maß und ihrer Nutzung in der näheren, für die Beurteilung maßgeblichen Entfernung ohne jedes Beispiel sind und ihrerseits in ihrer Umgebung nicht in einem Umfang prägen, dass sie trotz ihrer Singularität bei der Gesetzesanwendung doch nicht außer Betracht(ung) gelassen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.2.1990 - 4 C 23.86 -, NVwZ 1990, 755; Beschl. v. 16.7.1990 - 4 B 106.90 -, NVwZ-RR 1991, 59 = BRS 50 Nr. 76).
Eine danach vorgenommene Würdigung ergibt, dass die landwirtschaftliche Nutzung in dem kleinen Bereich, der hier allein maßgeblich ist, nicht so vereinzelt ist, dass sie außer Betracht bleiben dürfte. Sie nimmt einen nicht unwesentlichen Teil der noch als maßgeblich einzustufenden Bebauung ein. Teils wurde sie mit bauaufsichtsbehördlicher Genehmigung betrieben, teils hatte sich die Bauaufsichtsbehörde bis zur Durchführung der Ortsbesichtigung mit ihrer Existenz abgefunden. Der Umstand, dass der Beklagte anlässlich dieser Ortsbesichtigung die Baurechtswidrigkeit einzelner landwirtschaftlicher Nutzungen festgestellt hatte, führte nicht dazu, dass sie sozusagen von Stund an als nicht existent anzusehen war. Die vom Beigeladenen daraufhin gestellten Bauanträge zeigen vielmehr deutlich, dass er die landwirtschaftliche Nutzung fortzusetzen wünschte. Die Situation war dafür aufnahmebereit, die Verkehrsauffassung rechnete dementsprechend mit der Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung. Als Fremdkörper kann diese daher nicht, die maßgebliche Umgebung somit auch nicht als "landwirtschaftsloses" Mischgebiet eingestuft werden.
Es sprechen die besseren Gründe für die Annahme, dass die angegriffene Nutzung in der sonach gemäß § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilenden, landwirtschaftliche Nutzungen grundsätzlich einschließenden näheren Umgebung nicht rücksichtslos ist, d.h. nicht zu Beeinträchtigungen führen, welche dem Kläger nicht mehr zuzumuten sind. Entgegen der von ihm durch die Annahme, er sei Eigentümer eines im Mischgebiet gelegenen Grundstücks, favorisierten Auffassung hat er keinen Anspruch darauf, überhaupt keinen landwirtschaftlichen Gerüchen ausgesetzt zu sein. Nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts sprechen zudem ganz überwiegende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Annahme, die mit der genehmigten Nutzung einhergehenden, d.h. auf die geschützten Grundstücksteile des Klägers einwirkenden Geruchsfahnen überschritten das Maß des Zumutbaren nicht.
Entgegen der Antragsbegründung (S. 15) sind sonstige, von der Genehmigung nicht umfasste Gerüche nicht in die Betrachtung einzubeziehen. Maßgeblich in diesem Verfahren ist allein, welche Gerüche die genehmigten Nutzungen zur Folge haben.
Der Kläger hat entgegen seiner Annahme auch nicht Anspruch darauf, auf jedweden Teil seines Grundstücks ständig von Geruchsbeeinträchtigungen verschont zu werden. Zu betrachten sind in erster Linie sein Wohnhaus sowie die sog. geschützten Außenwohnbereiche. Es steht nicht in freiem Belieben des Klägers, sein gesamtes Grundstück mit "Außenwohnbereichen" zu versehen und dann vom Nachbarn/Bauherrn zu verlangen, dieser habe bei der Nutzung seines Grundstücks hierauf uneingeschränkt Rücksicht zu nehmen. Vielmehr können sog. Außenwohnbereiche nur in dem Umfang gegen nachbarliche Bau- und Nutzungsabsichten in Stellung gebracht werden, wie dies eine den berechtigten Wohnerwartungen und -gewohnheiten entsprechende Nutzung des Grundstücks auch außerhalb des Gebäudes darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 - IV C 80.74 -, BVerwGE 51, 15 = DVBl 76, 779 = BayVBl 1976, 658 zu § 17 Abs. 4 FStrG).
Das Zulassungsantragsvorbringen enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine verlässliche Eingrenzung des sonach allein schützenswerten Teils außerhalb des Wohngebäudes. Der rechtlichen Würdigung kann daher nur zugrundegelegt werden, dass der Kläger sie in engem Anschluss an das Wohngebäude und entsprechend der auch ihm zuzumutenden architektonischen Selbsthilfe (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 -, DVBl 2000, 192 = BRS 62 Nr. 86) nicht ausgerechnet zur Quelle der landwirtschaftlichen Gerüche hin orientiert angelegt hat.
Die sonach anzustellende Würdigung braucht auf die Frage, ob die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen in einem Umfang "personenbezogen" sind, dass sie eine sachgerechte und verlässliche Lösung des Konfliktes nicht mehr sicherstellen, nicht einzugehen. Denn das Verwaltungsgericht hat die Verträglichkeit der hier konkurrierenden Nutzungen zu Recht auf der Grundlage der Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan "Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen", bearbeitet von Zeisig und Langenegger, gestützt. Diese stellt, wie das Verwaltungsgericht anhand der Senatsrechtsprechung zutreffend dargestellt hat, eine brauchbare Entscheidungshilfe dar. Die Bemerkung in der Antragsbegründungsschrift ist zwar richtig, dass Gerüche in Ermangelung einer geeichten "eisernen Nase" nicht in dem Maße quantifizierbar sind, wie dies für Lärm gilt, und die Beurteilung der Zumutbarkeit aufgrund Geruchsbeeinträchtigungen damit zu den schwierigeren Aufgaben gehört. Gerade aus diesem Grunde kommen so systematischen Untersuchungen, wie sie die Bayerische Landesanstalt für Landtechnik in dieser Geruchsfahnenbegehung angestellt hat, erhöhte Bedeutsamkeit zu. Sie führen zu Ergebnissen, welche nicht nur durch Zufälligkeiten belastet sind, wie sie den Erkenntniswert mancher ad-hoc-Untersuchungen schmälern, sondern zu tragfähigen und belastbaren Annahmen, welche dementsprechend nur durch substantiierte Gegenuntersuchungen entkräftet werden können.
Das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis, die nach der zitierten Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt "Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen" im Wesentlichen unabhängig von Rinderbesatz und Futterart zu verzeichnenden Geruchsschwellenabstände seien so gering, dass sie selbst in dem hier anzutreffenden Näheverhältnis nicht mit der Folge der Geruchsunverträglichkeit erreicht oder gar überschritten werden, wird durch die Antragsbegründung nicht ausreichend substantiiert in "ernstliche Zweifel" gezogen. Der bloße Hinweis, diese Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt relativiere auf ihrer Seite 60 selbst die Verwertbarkeit der zuvor aufgelisteten Ergebnisse ("Allerdings können die Werte der Abbildung 46 nicht unbedingt verallgemeinert werden, da insbesondere während der Begehungen an konventionellen Ställen in 1993 nicht die Ausbreitungsbedingungen aller Ausbreitungsklassen vorgefunden wurden".) ist nicht geeignet, ein dem Kläger günstigeres Ergebnis zu rechtfertigen. Denn die anschließend an diese Bemerkung angestellten Überlegungen der Bayerischen Landesanstalt beziehen sich lediglich auf bestimmte Ausbreitungsklassen und führen im Verfolg der sich anschließenden Erläuterungen (Konzentration der Betrachtungen auf die Ausbreitungsklassen III/1 bis V) zu der die Ergebnisse der Abbildung 46 sogar verstärkenden Annahme, dass die Geruchsschwelle (d.h. der erkennbare Tiergeruch = 3 GE/m³) bei 20 m bzw. 10 m vor dem geöffneten Stalltor auftritt (a.a.O., S. 63). Berücksichtigt man die vom Verwaltungsgericht auf S. 3 unten und 4 oben des Urteilsabdrucks ermittelten Abstände und den Umstand, dass nur der geschützte Außenwohnbereich vor unzumutbar starken Geruchseinträgen zu schützen ist, so wird schon dadurch deutlich, dass das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis die besseren Gründe für sich hat.
Selbst wenn man noch die 8%ige "Restunsicherheit" berücksichtigte, von der auf S. 60 oben der zitierten Untersuchung die Rede ist, rechtfertigte auch dies nicht die Annahme, der Kläger werde aufgrund der genehmigten landwirtschaftlichen Tätigkeit doch unzumutbar starken Geruchsbelästigungen ausgesetzt sein. Denn zu dieser 8%igen Überschreitungshäufigkeit führt die Bayerische Landesanstalt aus, diese sei nur dann bedeutsam, wenn sie in der Hauptwindrichtung liege. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, der in dieser Hinsicht allenfalls "prekäre" Stall Nr. 3 sei zum Vorteil des Klägers gerade so eingerichtet worden, dass die Austrittsöffnungen zu der dem Grundstück des Klägers abgewandten Seite wiesen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt sogleich, dass das Verwaltungsgericht auch angesichts des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO keinen Anlass hatte, der Verträglichkeit der konkurrierenden Nutzungen durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzugehen. Etwas anderes hätte nur dann gegolten, wenn der anwaltlich vertretene Kläger einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hätte (siehe oben) - schon das ist unterblieben - oder mit substantiierten Einwendungen die sich aus der eingehenden Untersuchung des Bayerischen Landesamtes ergebenden Ergebnisse wirksam erschüttert hätte. Auch das ist nicht gesehen. Die ergänzenden Ausführungen der Ingenieurgemeinschaft L. vom 6. August 2002 befassen sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen, die Prof. Dr. K. in seiner Untersuchung vom 22. November 2001 gefunden hatte. Eine substantiierte Befassung mit den Ergebnissen der vorstehend verwerteten Untersuchungen stellen sie nicht dar. Zudem beruhen sie zu ganz wesentlichen Teilen auf der nach den vorstehenden Ausführungen unzutreffenden Annahme, der Kläger habe Anspruch darauf, wie in einem allgemeinen Wohngebiet von landwirtschaftlichen Gerüchen verschont zu bleiben.
Die auf § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO abzielende Rüge verfahrenswidrig unterlassener Aufklärung greift daher nicht durch.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt sogleich, dass die Berufung auch nicht auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden kann. Denn besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art liegen nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschl. v. 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44 = NdsVBl 1999, 95 = NuR 2000, 389) erst dann vor, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller aufgeworfenen Fragen - anders als hier - im Zulassungsverfahren nicht verlässlich beurteilen lassen. Der Kläger kann in diesem Verfahrensstadium auch nicht mehr geltend machen, die Sache weise wegen der Probleme, die Grenzen noch zumutbarer Geruchseinträge verlässlich zu bestimmen, besondere Schwierigkeiten auf. Denn dies vernachlässigte die erheblichen "Vorklärungen", welche nicht nur das kontrovers, aber in Richtung Klärung der Sachlage geführte Widerspruchsverfahren, sondern auch und vor allem die gerichtlichen Eilverfahren erbracht haben.