Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 31.03.2005, Az.: 1 B 44/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 31.03.2005
- Aktenzeichen
- 1 B 44/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50688
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 80a Abs 1 VwGO
- § 80a Abs 3 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zum System der aufschiebenden Wirkung bei Verwaltungsakt mit Doppelwirkung: Auch nach Erfolg des Drittwiderspruchs und Klage des Begünstigten gegen den (Widerspruchs-)Bescheid mit (hier: gerichtlich wiederhergestellter) aufschiebender Wirkung besteht die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruchs. Sie kann nur durch einen erfolgreichen Antrag nach §§ 80a III i. V. m. I Nr. 1 und 80 V VwGO beseitigt werden.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers,
die sofortige Vollziehung der Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister des Kehrbezirks E. mit Sitz in F. zum 1. April 2005 durch die Bezirksregierung Braunschweig mit Bescheid vom 2. November 2004 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der gemäß § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 und § 80 Abs. 5 VwGO nach dem Widerspruch des Beigeladenen vom 31. Dezember 2004 gegen den o. g. Bescheid statthafte Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Zwar hat der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. März 2005, mit dem der Antragsgegner auf den Widerspruch des Beigeladenen den Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig aufgehoben hat, am 17. März 2005 die hier unter dem Az.: 1 A 53/05 geführte Klage erhoben. Dadurch ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen jedoch nicht entfallen. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Klage nicht ohne Weiteres aufschiebende Wirkung entfaltet. Denn der Antragsgegner hat gegenüber dem Antragsteller die sofortige Vollziehung angeordnet. Auf den Widerspruch des Beigeladenen hat der Antragsgegner zwei Bescheide mit teilweise unterschiedlichen Formulierungen und Regelungen erlassen. In dem jeweils für den Antragsteller bzw. für den Beigeladenen bestimmten Bescheid hat der Antragsgegner sich einerseits mit individuellen Formulierungen, andererseits aber auch mit einem unterschiedlichen Bescheidtenor an den jeweiligen Adressaten gewendet. Insbesondere hat der Antragsgegner neben der Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Braunschweig als Punkt 1. in beiden genannten Bescheiden nur in dem Bescheid an den Antragsteller die Herausgabe der ausgehändigten Bestallungsurkunde bis zum 31.03.2005 als Punkt 2. verfügt, die sofortige Vollziehung der Punkte 1. und 2. angeordnet und die vom Antragsteller beantragte Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Bezirksregierung Braunschweig abgelehnt.
Nach Auffassung der Kammer geht dem hier gestellten Antrag auch nicht der Eilantrag des Antragstellers vor, die aufschiebende Wirkung der Klage 1 A 53/05 wiederherzustellen, dem das Gericht mit Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 1 B 49/05 stattgegeben hat. Zwar hat das durch den Widerspruch des Beigeladenen gegen die Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister im Kehrbezirk E. ausgeübte materielle Abwehrrecht des Konkurrenten mit der in den Bescheiden des Antragsgegners jeweils unter Punkt 1. erfolgten Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Braunschweig zunächst seine Befriedigung gefunden. Aber wegen der durch die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 1 A 53/05 ist eine vorläufige Wirksamkeitshemmung für die Bescheide vom 14. März 2005 eingetreten, soweit darin die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister ausgesprochen worden ist. Diese Bescheide gelten danach einstweilen als rechtlich nicht existent (so auch Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand. 10. Erg. 2004, § 80 Rdnr. 102). Das wiederum hat zur Folge, dass die Bescheidung des erhobenen Widerspruchs des Beigeladenen vorläufig als nicht erfolgt zu behandeln ist. Damit besteht auch die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs entweder fort oder lebt mit der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragsstellers wieder auf (vgl. hierzu auch Schubert, NVwZ 1990, 638 m. w. N.). Nur dies wird dem Rechtsschutzgefüge bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung gerecht und gewährt in Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangslage für die Beteiligten und ihre daraus abgeleiteten gegensätzlichen Interessen einen systemgerechten effektiven vorläufigen Rechtsschutz auch für den Drittbetroffenen (a. A. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.).
Bei der im vorliegenden Verfahren vom Gericht in der Sache zu treffenden Abwägungsentscheidung vermag die Kammer ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Vollziehbarkeit der ihn begünstigenden Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister im Kehrbezirk E. gegenüber dem öffentlichen Interesse und insbesondere dem Interesse des Beigeladenen an der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Widerspruchs bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung nicht zu erkennen. Vielmehr gebührt den letztgenannten Interessen Vorrang, denn die von der Bezirksregierung Braunschweig als seinerzeit zuständige Verwaltungsbehörde ausgesprochene Bestellung vom 2. November 2004 begegnet bei der in diesem Verfahren auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtlichen Bedenken.
Diese Bedenken gründen sich darauf, dass die Bezirksregierung bei der Bestellung des Antragstellers als Bezirksschornsteinfegermeister in einem anderen Kehrbezirk ihr Ermessen offenkundig verkannt hat. Diese Entscheidung über einen Kehrbezirkswechsel für den Antragsteller konnte hier nur nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (Schonsteinfegergesetz - SchfG) i. V. m. § 12 Abs. 3 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen - VOSch - vorgenommen werden und stand im Ermessen der Behörde. Nach dem Wortlaut des Bescheides hat die Bezirksregierung mit ihrer Entscheidung allerdings ausschließlich der Bewerbung des Antragstellers Rechnung getragen und sich mit anderen möglicherweise ebenso entscheidungsrelevanten Umständen überhaupt nicht auseinandergesetzt. Weder lässt sich dem Bescheid entnehmen, dass der Antragsteller der einzige Bewerber für den hier umstrittenen Kehrbezirk war, noch warum der Antragsteller bei einer Bewerberkonkurrenz den Vorzug erhalten hat.
§ 12 VOSch bestimmt auf Grund der Ermächtigung in § 4 Abs. 2 Nr. 5 SchfG für Bezirksschornsteinfegermeister in zwei Fallvarianten die Voraussetzungen für die Bewerbung um einen anderen Kehrbezirk. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 VOSch sind in das Bewerberverzeichnis für Bezirksschornsteinfegermeister - die sog. A-Bewerberliste - aufgenommene Bewerber gegenüber Schornsteinfegermeistern im Sinne von § 4 Abs. 1 SchfG - Bewerber nach der sog. B-Bewerberliste - bevorrechtigt. Nach § 12 Abs. 3 VOSch kann die zuständige Verwaltungsbehörde auch Bezirksschornsteinfegermeister berücksichtigen, die nicht in das besondere Verzeichnis eingetragen sind. Die Entscheidung über die Bestellung des Antragstellers als Bezirkschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk E., konnte nur gemäß § 12 Abs. 3 VOSch getroffen werden. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus.
Die für die Berücksichtigung des Antragstellers erforderliche Bewerbung ist zwar nicht schriftlich erfolgt. Sie wurde jedoch am 28./29. Juli 2003 gegenüber dem damals zuständigen Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung Braunschweig unter Vorlage von Unterlagen hierzu mündlich erklärt und weiterhin aufrechterhalten, wie sich u. a. einer Mitteilung der Bezirksregierung Braunschweig vom 12. August 2004 an den Landkreis G. ergibt (Bl. 96 der beigezogenen Personalakten des Antragstellers, Beiakten B). Eine besondere Bewerbungsform ist allerdings auch nur für die sog. Listenbewerber vorgeschrieben, die gemäß § 12 Abs. 2 i. V. m. § 2 Satz 1 VOSch jährlich schriftlich anzuzeigen haben, dass sie ihre Bewerbungen aufrechterhalten.
Bei der nach § 12 Abs. 3 VOSch zu treffenden Ermessensentscheidung war der Antragsteller gegenüber anderen Bewerbern nach § 4 Abs. 1 SchfG, also solchen, die sich (erstmals) als Bezirksschornsteinfegermeister bestellen lassen wollen - sog. B-Listen-bewerber, wie dem Beigeladenen - nicht zu bevorzugen. Der Vorrang nach § 12 Abs. 2 Satz 2 VOSch ist im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 12 Abs. 3 VOSch ohne Belang.
Der Antragsteller war auch nicht allein deshalb bevorzugt zu berücksichtigen, weil ihm ein Kehrbezirkswechsel in den Raum F. zugesagt worden wäre. Die aus einem Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters der Bezirksregierung Braunschweig vom 17. Dezember 2003 ersichtliche mündliche Mitteilung, der Antragsteller werde - wenn möglich - dort den nächsten freiwerdenden Kehrbezirk erhalten, ist rechtlich unverbindlich. Ein Anspruch lässt sich daraus nicht herleiten, denn die Mitteilung stellt schon deshalb keine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG dar, weil sie nicht schriftlich erfolgt ist.
Die Bezirksregierung hätte sich schon im November 2004 mit der Frage beschäftigen müssen, ob angesichts der Besetzung des Kehrbezirks E. erst zum 1. April 2005 Anfang November 2004 überhaupt schon eine verbindliche Beurteilung der Bewerberkonkurrenz möglich war. Selbst wenn der Beigeladene, was hier streitig ist, seinerzeit gegen einen Wechsel des Antragstellers nach F. Bedenken nicht gehabt haben sollte, basierte dies auch damals für die Bezirksregierung Braunschweig erkennbar auf der Annahme, der Beigeladene würde den derzeitigen Kehrbezirk des Antragstellers in Friedland als Bezirkschornsteinfegermeister übernehmen können. Ein verbindlicher Verzicht des Beigeladenen auf seine Bestellung im Kehrbezirk E. ist jedoch nicht ersichtlich. Eine zweifelsfrei nachvollziehbare Dokumentation der damaligen Geschehnisse und Erklärungen ist weder den Verwaltungsvorgängen zu entnehmen noch liegt eine solche sonst vor und eine Aufklärung ist zumindest im Eilverfahren nicht möglich. Darauf mag es im Übrigen in der Hauptsache auch gar nicht ankommen. Die Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister im Kehrbezirk E. in F. ist nicht bestandskräftig geworden. Zumindest durch die Bewerbung eines A-Listenbewerbers für den Kehrbezirk GÖ - L 4 in Friedland hat sich für die Beteiligten eine erhebliche Änderung ergeben. Selbst wenn erst diese Änderung dazu geführt haben sollte, dass der Beigeladene jedenfalls seit Einlegung seines Widerspruchs Ende Dezember 2004 aktenkundig mit der von der Bezirksregierung Braunschweig ausgesprochenen Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister im Bezirk E. nicht (mehr) einverstanden ist, muss dies jedenfalls von dem Antragsgegner als der nun zuständigen Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren als bisher nicht berücksichtigter Sachverhalt in die Ermessensentscheidung über den Kehrbezirkswechsel eingestellt werden. Bei einer Ermessensentscheidung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier die Entscheidung des Antragsgegners vom 14. März 2005, abzustellen.
Nach alledem ist dem Antrag der Erfolg zu versagen.
Dem Antragsteller sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Da der Beigeladene bis zur Entscheidung des Gerichts einen eigenen Antrag nicht gestellt hat und sich so einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat, kommt eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Gründen der Billigkeit nicht in Betracht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr.2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer bemisst das Interesse des Antragstellers, durch die vorläufige Vollziehbarkeit des vom Beigeladenen angefochtenen Bescheides einen Kehrbezirkswechsel alsbald vornehmen zu können, mit dem Auffangwert. Die Vollziehbarkeit bedeutet faktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache.