Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.03.2005, Az.: 2 A 396/04
Abhilfe; Aufenthalt; Auflage; Beschränkung; Duldung; geboten; Heimreise; Hilfe; Leistung; Papiere; Pflicht; Umstand; unabweisbar; Wohnort; Wohnsitzauflage; Zuweisung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.03.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 396/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50667
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 AsylbLG
- § 3 AsylbLG
- § 10a Abs 1 AsylbLG
- § 11 AsylbLG
- § 55 Abs 2 AuslG
- § 56 Abs 3 AuslG
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von über das unabweisbar Gebotene hinausgehende Leistungen nach dem AsylbLG.
Der Kläger hat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen und ist vollziehbar ausreisepflichtig. Er war während des Asylverfahrens der Stadt F. zugewiesen und erhielt von dieser sodann eine Duldung nach § 55 AuslG, die mit der Auflage versehen wurde, dass er seinen Wohnsitz in der Stadt F. zu nehmen habe. Tatsächlich hält sich der Kläger jedoch regelmäßig bei seiner Verlobten - einer Frau G. - in D. auf und besucht die Asylbewerbergemeinschaftsunterkunft im H. in F. lediglich unregelmäßig, um dort Post abzuholen.
Mit Bescheid vom 11.11.2003 lehnte die Stadt F. einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG ab und gab zur Begründung an, für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG an den Kläger örtlich nicht zuständig zu sein. Da sein Asylverfahren abgeschlossen sei, führe die frühere asylrechtliche Zuweisung nicht mehr gemäß § 10 a Abs. 1 S. 1 AsylbLG dazu, dass die Stadt F. Leistungen zu gewähren habe. Vielmehr richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Klägers. Dessen Lebensmittelpunkt liege aber nicht in der Stadt F., sondern in der Stadt D..
Unter dem 21.11.2003 beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG und stellte noch am gleichen Tage zusätzlich mit seiner Verlobten Frau G. und deren minderjährigem Kind bei der Beklagten einen Sozialhilfeantrag.
Den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG lehnet die Beklagte mit Bescheid vom 29.03.2004 zunächst mit der Begründung ab, ihre örtliche Zuständigkeit sei nicht gegeben. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers hatte insoweit Erfolg, als die Beklagte sich bereit erklärte, dem Kläger zumindest die unabweisbar gebotenen Leistungen zu bewilligen (worunter sie die notwendigen Reisekosten zur Rückkehr nach F. sowie dringend notwendige Verpflegungskosten verstand). Nachdem der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2004 mitgeteilt hatte, dass er sich damit nicht zufrieden erklären könne, vielmehr nach wie vor die volle Auszahlung der Leistungen nach dem AsylbLG begehre, wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2004 den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 02.12.2004 Klage erhoben. Zu ihrer Begründung trägt er vor, er habe nicht gegen die Wohnsitzauflage in der Duldung verstoßen. Er habe vielmehr seinen Aufenthalt in D. mit der Ausländerbehörde der Stadt F. abgestimmt. Diese habe zugestimmt, dass er zu seiner Verlobten nach D. gezogen sei. Da er sich also rechtmäßig in D. aufhalte und nicht absehbar sei, dass er jemals in sein Heimatland zurückkehren könne, habe er einen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bzw. hilfsweise auf Sozialhilfeleistungen nach § 120 BSHG.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 27.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren,
hilfsweise, ihm Sozialhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und führte ergänzend aus, dass es eine Änderung der Wohnsitzauflage in der dem Kläger erteilten Duldung zu keinem Zeitpunkt gegeben habe. Es treffe auch nicht zu, dass der Kläger seinen Aufenthalt mit der Ausländerbehörde der Stadt F. abgestimmt habe, bevor er zu seiner Verlobten nach D. gezogen sei. Dies zeige schon der Umstand, dass die Stadt F. mit Bescheid vom 18.03.2004 die Änderung der Wohnsitzauflage abgelehnt habe, und dies von der Bezirksregierung Hannover als Widerspruchsbehörde auch bestätigt worden sei. Die Stadt F. habe einem Umzug des Klägers nicht ausdrücklich zugestimmt. Möglicherweise sei lediglich das Einverständnis zu besuchsweisen Aufenthalten des Klägers in D. erteilt worden. Soweit die Stadt F. den Kläger zur Wohnsitznahme in F. verpflichtet habe, sei dies als eine selbständige Wohnsitzauflage außerhalb des Asylverfahrens gemäß § 56 Abs. 3 S. 2 AuslG anzusehen, die nach wie vor Gültigkeit besitze. Der Hilfsantrag des Klägers sei unzulässig, da es hinsichtlich der begehrten Sozialhilfeleistungen unabhängig vom Fehlen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen bereits an einem Vorverfahren fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die im Hauptantrag zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg; hinsichtlich des Hilfsantrages ist die Klage bereits unzulässig.
Zwar ist - wovon auch die Beteiligten inzwischen ausgehen - die Beklagte für die Gewährung von Leistung nach dem AsylbLG an den Kläger gemäß § 10 a Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich örtlich zuständig. Denn nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens hat sich die asylrechtliche Zuweisung an die Stadt F. erledigt und dem Kläger wurde von der Stadt F. nach § 55 Abs. 2 AuslG mit der Duldung ein asylverfahrensunabhängiger Aufenthalt in Deutschland ermöglicht. Hintergrund dieser Duldungserteilung ist, dass eine Abschiebung des Klägers rechtlich zwar möglich wurde, aber infolge fehlender Heimreisepapiere ohne Verzögerung in absehbarer Zeit nicht durchgeführt werden konnte. Der Zeitpunkt einer Realisierung der Aufenthaltsbeendigung war also ungewiss. Als Inhaber einer Duldung braucht sich der Kläger nicht ständig in F. aufzuhalten, denn nach § 56 Abs. 3 S. 1 AuslG ist die Duldung räumlich auf das Gebiet des ganzen Landes Niedersachsen beschränkt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann die Duldung allerdings mit Bedingungen oder Auflagen versehen werden. Dies ist mit der Auflage „Wohnsitznahme nur in der Stadt F.“ geschehen. Dennoch scheidet die Anwendung des § 10 a Abs. 1 S. 1 AsylbLG nicht deshalb aus, weil die dem Kläger erteilte Duldung eine aufenthaltsrechtliche Beschränkung enthält. Im Rahmen des § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG kommt es nämlich für die leistungsrechtliche Zuständigkeit nach dem AsylbLG ausschließlich auf die physische Anwesenheit des Ausländers an einem bestimmten Ort an, wobei belanglos ist, aus welchem Grund sich der Leistungsberechtigte dort aufhält. Einen asyl- oder ausländerrechtlich erlaubten, d.h. rechtmäßigen Aufenthalt setzt diese Vorschrift hingegen nicht voraus (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2002 - 13 L 2767/02 -, Juris, m.w.N.).
Steht hiernach also fest, das die Beklagte für die Leistungsgewährung dem Grunde nach örtlich zuständig ist, weil sich der Kläger regelmäßig bei seiner Verlobten in D. aufhält, dort also seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hat, bedeutet dies noch nicht, das sich damit quasi „automatisch“ der Umfang der zu bewilligenden Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG richten würde. Vielmehr hat die Beklagte - dies im Wege der Abhilfeentscheidung - rechtlich zutreffend ihre Leistungspflicht auf das unabweisbar gebotene Maß beschränkt. Denn § 11 Abs. 3 AsylbLG regelt, dass Leistungsberechtigte in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in den sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlich räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, von dem infolge des tatsächlichen Aufenthalts zuständigen Behörden nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe erhalten dürfen.
So lange also die Wohnsitzauflage zu Lasten des Klägers noch Bestand hat, hat die Beklagte keine über das unabweisbar Gebotene hinausgehende Leistungspflichten. Erst dann, wenn der Kläger das insoweit vor dem Verwaltungsgericht Hannover geführte Streitverfahren erfolgreich beendet haben sollte, müsste die Beklagte ihm Leistungen im Umfang von §§ 1, 3 AsylbLG gewähren.
Der Hilfsantrag hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert für die Gewährung von Leistungen nach dem BSHG an den Kläger gewesen wäre. Örtlicher Träger der Sozialhilfe ist nämlich der Landkreis D., in dessen Namen und Auftrag die Beklagte lediglich im Wege der Heranziehung handelte. Der Kläger hätte somit den Landkreis und nicht die Stadt D. verklagen müssen. Unabhängig davon bleibt dem Kläger als grundsätzlich Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG der unmittelbare Zugang zu Leistungen nach dem BSHG im Übrigen versperrt.
Nach alledem ist die Klage mit der für den Kläger negativen Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.