Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 03.05.2023, Az.: 12 B 1729/22

Außenwohnbereich; Eigenart der näheren Umgebung; Garten; Gemengelage; Hauptnutzung Wohnen; Hühner; Hühnerhaltung; Kleintierhaltung; nähere Umgebung; Planungsrechtlich unzulässig; Prägung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.05.2023
Aktenzeichen
12 B 1729/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 16903
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0503.12B1729.22.00

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks F. 8 in G., Flurstücke H. und I. der Flur 4 der Gemarkung J.. Das Grundstück ist 831 qm groß und mit einem Wohnhaus und einer Doppelgarage bebaut. Die Straße F. zweigt von der südwestlichen Ortseinfahrt von J. am Ortseingang als Sackgasse ab und verläuft von Süden nach Norden parallel zum Ortsrand. Die Bebauung auf der westlichen Seite der Straße grenzt unmittelbar an den Außenbereich. Die Umgebung ist nicht überplant.

Unter dem 23.03.2015 wandte sich erstmals eine Nachbarin an den Antragsgegner und beschwerte sich über unzumutbaren Lärm, der von einer Vielzahl von Geflügel (Hühner, Hähne, Wachteln, Nymphensittiche) auf dem Grundstück der Antragsteller ausgehe.

Nach einer Ortsbesichtigung durch eine Mitarbeiterin forderte der Antragsgegner die Antragsteller unter dem 31.03.2015 auf, einen Auszug aus der Liegenschaftskarte vorzulegen, in dem sämtliche baulichen Anlagen mit ihren Abständen zu den Grundstücksgrenzen eingetragen seien, und die Art und Anzahl der Tiere darzulegen. Die Mitarbeiterin hatte vor Ort vom Grundstück der Nachbarin aus Stallboxen und Volieren sowie Anbauten an die Garage und ein weiteres Nebengebäude festgestellt. Die Antragsteller legten Zeichnungen für eine Voliere sowie für ein Hühnerhaus mit Auslauf vor und gaben an, als Hobby und zur privaten Nutzung verschiedene Wachtelrassen, Hühner und Wellensittiche zu halten. Den Nymphensittich hätten sie inzwischen abgeschafft.

Unter dem 15.10.2015 teilte der Antragsgegner den Antragstellern mit, dass sich kein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht ergeben habe. Der Hühnerstall mit Freilauffläche zum Zwecke der Haltung von Ziervögeln sowie 5 Hühnern und einem Hahn zum Eigenbedarf und die Haltung von 16 Wachteln in der Voliere bzw. der umgenutzten Gartenlaube seien als untergeordnete Nebenanlagen zu werten, da sie räumlich und funktional der Hauptnutzung untergeordnet seien und sich damit planungsrechtlich als zulässig darstellten.

Unter dem 09.10.2019 wandte sich die Nachbarin erneut an den Antragsgegner und beschwerte sich über eine starke Lärm- und Geruchsbelästigung. Sie führte aus, dass die zulässige Haltung einiger Hühner mittlerweile deutlich überschritten werde, da die Antragsteller eine Zucht betrieben und die Tiere auch verkauften. Es sei mehr als ein Hahn auf dem Grundstück vorhanden. Auch würden die Antragsteller ständig neue Ställe bauen und mit diesen der Grundstücksgrenze beständig näherkommen.

Unter dem 25.06.2020 forderte der Antragsgegner die Antragsteller wiederum auf, Zeichnungen der baulichen Anlagen vorzulegen und Angaben zu den gehaltenen Tieren zu machen. Die Antragsteller gaben an, insgesamt 11 Volieren unterschiedlicher Größe auf ihrem Grundstück zu haben und insgesamt 148 Tiere zu halten (verschiedene Wachtelrassen, verschiedene Hühnerrassen, Ziervögel).

Unter dem 16.07.2020 teilte der Antragsgegner den Antragstellern mit, dass die Tierhaltung in diesem Umfang planungsrechtlich nicht mehr zulässig sei. Die Nutzung der Gebäude zur Tierhaltung sowie die Anzahl der gehaltenen Tiere füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Als nähere Umgebung des Grundstücks sei der Bereich der Straßen F., K. und L. Straße zu betrachten. Diese sei als dörfliche Gemengelage einzuordnen, da die Straße F. überwiegend Wohnbebauung aufweise, sich aber nördlich der Straße K. ein klassisches Dorfgebiet mit landwirtschaftlichen Hofstellen erstrecke, das auf die Bebauung der Straße F. einwirke. Darüber hinaus seien einige der Tiergehege aufgrund ihrer Fläche nicht verfahrensfrei. Die nicht verfahrensfreien Gehege könnten aufgrund der planungsrechtlichen Situation nicht nachgenehmigt werden. Die Gehege und die Tiere seien freiwillig bis Ende 2020 auf das vorhandene Maß zu reduzieren, danach sei er, der Antragsgegner, gehalten, dies mittels Bauaufsichtsverfügung anzuordnen.

Die Antragsteller nahmen dahingehend Stellung, dass es sich bei der näheren Umgebung nach den örtlichen Gegebenheiten eindeutig um ein Dorfgebiet handele und nicht um eine Gemengelage. Landwirtschaftliche Nutzungen befänden sich auf den Grundstücken L. Straße 12 und 20 und eine Viehhandlung befinde sich an der M. 1. Des Weiteren gebe es eine Vielzahl privater Tierhaltungen im F. 6 (3 Pferde, Schafe, Gänse), im K. 2 (Hühner), 23 (Pferde, Hühner) und 27 (Pferde, Hühner, Enten, Ziegen), in der M. 3 und 4 (Schafe, Pferd, Hühner), im N. (Gänse), im O. 1 und 3 (Pferde, Hasen, Hühner) und im P. 12 (Pferde). Diese Tierhaltungen würden mit ihren Immissionen auch auf ihrem Grundstück, dem der Antragsteller, wahrgenommen. Der Bereich der näheren Umgebung, den der Antragsgegner gewählt habe, sei zu klein bemessen. Hinsichtlich der Zahl der von ihnen gehaltenen Tiere sei zu berücksichtigen, dass die Zwergwachteln (20 Tiere), die Regenwachteln (9 Tiere) und die Zebrafinken (10 Tiere) nicht einmal die Größe einer Faust aufwiesen, womit sich der Eindruck einer übermäßigen Nutzung des Grundstücks auf Anhieb relativiere. Die weiteren Wachteln, Frankoline und Tinamus erreichten nicht einmal die Größe eines Zwerghuhns und Zwerghühner gebe es nur 8 Exemplare. Sie hätten sich im Übrigen von 80 Tieren getrennt und zwar vor allem von den Bambushühnern und Frankolinen, die aufgrund ihrer Lautäußerungen als störend empfunden worden seien. Sie würden auch nicht beabsichtigen, diese Arten wieder anzuschaffen. Eine Gesamtzahl von künftig 90 Tieren werde von ihnen als untergeordnete Nutzung eingeschätzt. Ein Gehege sei entfernt worden, die übrigen seien zur artgerechten Haltung allerdings notwendig und würden den Grenzabstand auch einhalten. Sie seien nicht genehmigungsbedürftig, da sie den Rauminhalt von 40 qm3 nicht erreichten.

Unter dem 17.02.2021 hörte der Antragsgegner die Antragsteller zu einer beabsichtigten Bauaufsichtsverfügung für den Fall an, dass sie nicht binnen Frist von drei Monaten die Tiermenge und die Flächeninanspruchnahme auf das vorhandene Maß aus dem Jahr 2015 reduzieren würden. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks der Antragsteller sei weiterhin als dörfliche Gemengelage einzustufen. Eine Prägung des dörflichen Ortskerns von J. auf die am Ortsrand gelegene Stichstraße F. mit dem Grundstück der Antragsteller werde nicht gesehen, da sich gerade in dem maßgeblichen Ortsrandbereich ausschließlich Wohnnutzung etabliert habe. Selbst nach der Reduzierung des Bestands auf 90 Tiere erweise sich diese Form der Tierhaltung nicht mehr als Bestandteil der im vorliegenden Gebiet überwiegenden Wohnnutzung.

Die Antragsteller äußerten sich dahingehend, dass eine Anzahl von 90 Tieren zulässig sei, wenn man die Rechtsprechung zur Taubenhaltung und nicht jene zur Hühnerhaltung berücksichtige. Entscheidungen zur Taubenhaltung seien einschlägig, da es lediglich einen Hahn und 10 Hennen gebe und alle anderen Tiere wachtelartige Vögel in der Größe von Tauben seien. Zusätzlich sei zu beachten, dass die Entscheidungen zu Wohngebieten ergangen seien, wohingegen sie ihre Tiere im Dorfgebiet bzw. einer dörflichen Gemengelage hielten. Auch würden ihre Vögel, anders als Tauben, nicht frei fliegen und dadurch auch die Nachbarschaft weniger belästigen. In einer dörflichen Gemengelage könne sich in der Wohnnutzung nicht die Erwartung entwickeln, von Tiergeräuschen unbehelligt zu bleiben. Selbst ein Hahn und 20 Hennen seien in einem reinen Wohngebiet von der Rechtsprechung bereits zugelassen worden. Dann dürfe aber die zulässige Zahl von wachtelartigen Vögeln in einem dörflich geprägten Gebiet noch entschieden höher sein.

Mit Schreiben vom 30.04.2021 forderte der Antragsgegner die Antragsteller erfolglos auf, die Tiermenge binnen Frist bis zum 14.06.2021 auf die im Jahr 2015 für zulässig erachtete Haltung von 5 Hühnern, 1 Hahn, 16 Wachteln und 3 Wellensittichen zu reduzieren. Daraufhin gab der Antragsgegner den Antragstellern mit Verfügung vom 23.09.2021 und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Tiermenge sowie die Flächeninanspruchnahme auf das Maß aus dem Jahr 2015 zu reduzieren. Nachdem die Antragsteller Widerspruch erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt hatten, hob der Antragsgegner diese Verfügung wieder auf.

Mit Schreiben vom 30.11.2021 hörte der Antragsgegner die Antragsteller erneut an und stellte in Aussicht, ihnen aufzugeben, ihre hobbymäßige Haltung von Vögeln auf eine Anzahl von 30, maximal 15 Hühner und einen Hahn, im Übrigen nur Kleinvögel, zu reduzieren. Die Antragsteller gaben an, das Gebiet um ihr Wohnhaus als dörfliches Wohngebiet einzustufen, weshalb Geräusche durch Tierhaltungen in der Umgebung zwingend hinzunehmen seien.

Mit Verfügung vom 11.04.2022 gab der Antragsgegner den Antragstellern unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, unverzüglich, spätestens bis zum 01.06.2022 die Tiermenge auf ihrem Grundstück auf 30 Vögel und davon maximal 15 Hühner und einen Hahn, im Übrigen Kleinvögel zu reduzieren. Für den Fall, dass die Antragsteller der Verfügung nicht innerhalb der Frist nachkämen, drohte der Antragsgegner ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro an. Zur Begründung führte er aus, dass er die Eigenart der näheren Umgebung unabhängig vom dörflichen Ortskern von J. als dörfliche Gemengelage einordne, da sich im maßgeblichen Ortsrandbereich ausschließlich Wohnbebauung etabliert habe. Bei einer Zahl von mehr als 30 Vögeln stelle sich die Tierhaltung nicht mehr als Bestandteil der im vorliegenden Gebiet überwiegenden Wohnbebauung dar. Sie gewinne durch die Vielzahl der vorhandenen Tiere und deren Geruch und Lautäußerungen ein solches Eigengewicht, dass sie dem Wohnen nicht mehr funktional dienend untergeordnet sei, sondern vielmehr als eigenständige Grundstücksnutzung danebentrete. Darüber hinaus sei durch die Vielzahl der Stallungen mit einer nicht unerheblichen Flächeninanspruchnahme offensichtlich auch das Maß der baulichen Nutzung überschritten. Nur eine Voliere für 30 Tiere füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein und sei als untergeordnete Nebenanlage planungsrechtlich zulässig. Die getroffene Anordnung sei geeignet, um baurechtmäßige Zustände herzustellen, erforderlich, da sie voraussichtlich den am wenigsten belastenden Eingriff in die Rechte der Antragsteller darstelle und führe nicht zu einem Nachteil, der außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehe. Die Antragsteller könnten mit der Haltung von 30 Tieren weiterhin ihrem Hobby nachgehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, da eine Hinauszögerung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Falle eines unter Umständen mehrjährigen Klageverfahrens aufgrund unzumutbarer Belästigungen für die Nachbarschaft nicht hinnehmbar sei.

Die Antragsteller haben auch gegen diese bauaufsichtliche Verfügung am 24.04.2022 Widerspruch eingelegt und am selben Tag um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Die Antragsteller tragen ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, sie seien im Vogelzuchtverein organisiert und beteiligten sich mit ihren Tieren an Ausstellungen. Mit ihrer Erhaltungszucht einer seltenen Hühnerrasse und seltener Wachteln und Feldhühner genössen sie großen Respekt in Züchterkreisen. Sie würden auch in Zukunft ihr privates Umfeld mit ihren Tieren teilen wollen. Gegenwärtig hielten sie auf ihrem Grundstück noch 7 Hühner nebst Hahn und Jungtieren, 4 Singsittiche, 6 Wellensittiche, 10 Zebrafinken, 5 Kanarienvögel, 4 Diamantfinken, 5 Mövchen, 2 Gouldamadinen und 2 Spitzschwanzamadinen. Auch hätten diese Tiere bereits Jungtiere in den Nestern. Alsbald wollten sie wieder einige Wachteln und Feldhühner anschaffen.

Die Anordnung des Sofortvollzugs genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allein die Berufung darauf, dass der Bescheid rechtmäßig ergangen sei, lasse keine Befassung mit dem Einzelfall erkennen. Überdies sei eine besondere Dringlichkeit nicht zu erkennen, da sich das gesamte Verfahren bereits seit Juli 2020 hinziehe. Soweit der Antragsgegner die nähere Umgebung als begrenzt durch die Straßen F., K. und L. Straße ansehe, verkenne er zum einen die teils enorme Größe der vorhandenen Grundstücke und zum anderen, dass auf dem Grundstück F. 6 sowie auf den Grundstücken K. 2, 23 und 27 Pferde, Hühner, Enten und Ziegen gehalten würden. Bereits diese umfangreichen Tierhaltungen sprächen gegen die Annahme, dass es eine überwiegende Wohnbebauung gebe. Die Tierhaltungen seien gerade auch in dem vom Antragsgegner herangezogenen Bereich prägend für das Gebiet und sowohl zahlenmäßig als auch wegen der Inanspruchnahme der Fläche bei den Wohnhäusern umfangreich. Entgegen diesen tatsächlichen Gegebenheiten verwende der Antragsgegner die Wohnbebauung als Maßstab für die Frage, in welchem Umfang die Tierhaltung noch als untergeordnete Nebenanlage einzustufen sei und zum Wohnen gehöre. Auch wenn § 245d Abs. 1 BauGB bestimme, dass § 34 Abs. 2 BauGB auf Baugebiete nach § 5a BauNVO nicht anwendbar sei, so greife doch ein Erst-recht-Schluss. Wenn schon in einem Gebiet, welches ein Nebeneinander von Dorfleben und Wohnen vorsehe, nicht gewerbliche Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Regelbebauung vorgesehen seien, so müsse dies auch in einem Dorfgebiet im Rahmen einer untergeordneten Nebenanlage möglich sein. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn in einem dörflichen Wohngebiet eine umfangreichere Tierhaltung möglich sei als in einem Dorfgebiet, welches hier vorliege. Wenn der Antragsgegner von dörflicher Gemengelage spreche, dann nehme er einen Gebietscharakter im Sinne des § 5a BauNVO an, ohne darunter zu subsumieren. Mit dem § 5a Abs. 2 Nr. 4 BauNVO verschiebe sich noch einmal der Umfang der zulässigen Nutzung und die Bewertung der Lästigkeit von Geräuschen durch die Tierhaltung zugunsten der Tierhaltung, die nicht gewerblich betrieben werde. Dass sie, die Antragsteller, eine nicht gewerbliche Tierhaltung betrieben, sei unstreitig. Bei der Annahme einer dörflichen Gemengelage sei die Begrenzung der Tierzahl unverhältnismäßig. Einschlägige Entscheidungen zu Taubenhaltungen im Wohngebiet kämen auf zulässige 39, 50, 80 bzw. 100 Tauben. Auch wenn ihre Hühner, Wachteln und Feldhühner bzw. Kleinvögel keine Tauben seien, komme bei den Tauben doch dazu, dass sie frei fliegen und sich auf den Dächern der Umgebung niederlassen würden, wohingegen ihre Tierhaltung ausschließlich in geschlossenen Gehege erfolge. Unzutreffend sei auch die Einschätzung des Antragsgegners, wonach die Geräusche bei Tauben deutlich geringer seien als bei Hühnern und Kleinvögeln. Auch sei ihnen mit der Verfügung untersagt, die Kleinvögel im Haus zu halten, da der Antragsgegner auf das Grundstück abstelle und nicht zwischen Wohnbereich und Garten differenziere. Sie könnten aber beispielsweise in ihrem Wohnhaus ein Vogelzimmer einrichten und darin ohne Probleme 14 Kleinvögel artgerecht halten. Würde die angegriffene Verfügung bestandskräftig, wäre ihnen, den Antragstellern, auf Jahrzehnte untersagt, ein paar Vögel im Haus zu halten. Soweit der Antragsgegner ihnen vorwerfe, dass von ihrer Tierhaltung erhebliche Geräusche ausgingen, habe er bisher keine Lärmgutachten eingeholt. Läge ein solches vor, wäre belegt, dass Tiergeräusche häufig nur kurzfristige Lärmspitzen darstellten, die unberücksichtigt bleiben müssten. Der Antragsgegner habe sich nur von einer Beschwerde einer einzelnen Person leiten lassen, was als Ermittlung unzureichend sei. Es gehe ihnen, den Antragstellern, mit dem Verfahren auch darum, mit Hilfe des Gerichts eine Tierzahl festzuschreiben, welche für die Zukunft gelten solle, ohne dass ihre Freizeitgestaltung zu sehr eingeschränkt werde.

Mit Bescheid vom 11.04.2023 hat der Antragsgegner seine Verfügung vom 11.04.2022 dahingehend ergänzt, dass sich die Verfügung vom Vorjahr nur auf den Außenbereich des Grundstücks der Antragsteller, nicht hingegen auf den Wohnbereich (Innenbereich) beziehe. Nach Erlass des Änderungsbescheids haben sich die Antragsteller trotz Aufforderung des Gerichts nicht mehr geäußert.

Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11.04.2022 wiederherzustellen bzw. wegen der Androhung eines Zwangsgeldes anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und trägt ergänzend zu den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid vor, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ausreichend begründet, denn es sei deutlich gemacht worden, aus welchem Grund es im konkreten Fall geboten sei, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Zwar sei die - jedenfalls private - Haltung von Tieren auf den Grundstücken in der näheren Umgebung des Grundstücks der Antragsteller zulässig. Aufgrund der Tatsache, dass die unmittelbare Umgebung ausschließlich von Wohnnutzung geprägt sei, seien jedoch die Kriterien entsprechend heranzuziehen, die für ein Wohngebiet Geltung beanspruchen würden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Grundstücke in dem zu betrachtenden Bereich - jedenfalls im Vergleich zu einem innerstädtischen Wohngebiet - überdurchschnittlich groß seien. Ebenso wenig rechtfertige der Vortrag der Antragsteller, dass auch auf anderen Grundstücken in der Umgebung Tierhaltung stattfinde, eine andere Beurteilung. Es sei nicht ersichtlich, dass die angesprochenen Tierhaltungen einen Umfang erreichten, der baurechtlich unzulässig wäre. Da Beschwerden insoweit bislang nicht bekannt geworden seien, habe auch keine Veranlassung bestanden, die Tierhaltung auf den genannten Grundstücken zu überprüfen. Soweit die Antragsteller die Frage aufwürfen, wie er, der Antragsgegner, auf die in der angegriffenen Verfügung genannte Anzahl von Tieren gekommen sei, sei darauf zu verweisen, dass es insoweit keine gesetzlichen Vorgaben gebe. Somit seien zur Bestimmung des Umfangs der baurechtlich zulässigen Tierhaltung die Kriterien heranzuziehen, die sich in der Rechtsprechung dazu entwickelt hätten. Die von den Antragstellern angeführten Entscheidungen zum Umfang zulässiger Taubenhaltung seien allerdings auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Tauben würden deutlich leisere Laute von sich geben als die von den Antragstellern gehaltenen Vögel. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass Hähne laut krähen, gerne auch bereits früh morgens. Es sei deshalb geboten, die Anzahl der Hähne auf einen zu beschränken. Auch Singsittiche pflegten recht laute Geräusche von sich zu geben. Die von den Kleinvögeln ausgehenden Lautäußerungen seien zwar leiser als die von einem Hahn ausgehenden, dafür zwitscherten einige der Vögel nahezu pausenlos. Dies gelte insbesondere für die Finken. So sei maßgeblich für die Bestimmung des Umfangs der zulässigen Haltung von Vögeln weniger deren Größe als vielmehr die von diesen ausgehenden Belästigungen für die Nachbarschaft, insbesondere durch Lärmimmissionen. Unzutreffend sei der Vortrag der Antragsteller, wonach die angegriffene Verfügung die Tierhaltung strenger beschränke als dies in der Rechtsprechung in Bezug auf ein reines Wohngebiet entschieden sei. Die angeführten Entscheidungen hätten ausschließlich Hühner zum Gegenstand gehabt, die Antragsteller würden aber neben den Hühnern auch weitere Kleinvögel halten, von denen - ungeachtet derer geringerer Größe - höhere Lärmimmissionen ausgingen als von Hühnern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig, aber unbegründet.

1. Soweit sich die Antragsteller gegen die Anordnung wehren, die Anzahl der Tiere auf ihrem Grundstück auf 30 Vögel und davon maximal 15 Hühner und einen Hahn zu reduzieren, ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:

Die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung genügt noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung wird bereits genügt, wenn überhaupt eine schriftliche, einzelfallbezogene und nicht lediglich formelhafte Begründung vorhanden ist, die die von der Behörde getroffene Interessenabwägung erkennen lässt. Diese Voraussetzungen werden von der hier gegebenen Begründung erfüllt. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in noch ausreichender Weise damit begründet, dass ein Hinauszögern bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Falle eines unter Umständen mehrjährigen Klageverfahrens aufgrund der unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft nicht hinnehmbar sei und damit erkennen lassen, dass er die sofortige Vollziehung zum Schutz der Nachbarn der Antragsteller angeordnet hat.

In der Sache kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers oder der Antragstellerin, von einer sofortigen Vollziehung einer behördlichen Anordnung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an einer solchen sofortigen Vollziehung überwiegt. Maßgeblich für diese Interessenabwägung sind dabei die im Rahmen einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs. Während an der Vollziehung eines (offensichtlich) rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann, überwiegt das Vollziehungsinteresse in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch bei einem (offensichtlich) rechtmäßigen Verwaltungsakt das Aussetzungsinteresse allerdings nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht. Dieses muss - ohne Bindung des Gerichts an die Begründung der Behörde - anhand der Umstände des konkreten Falles positiv festgestellt werden, weil der gesetzliche Regelfall hier derjenige des Aufschubinteresses ist (Nds. OVG, Beschl. vom 17.03.2005 - 13 ME 523/04 -, juris Rn. 20). Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 29.01.2020 - 2 BvR 690/19 -, juris Rn. 16).

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Anordnung ist im Falle einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bei noch nicht abgeschlossenem Widerspruchsverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung (vgl. BayVGH, Beschl. vom 31.08.2021 - 11 CS 21.1631 -, juris Rn. 24; VG Schleswig, Beschl. vom 16.06.2021 - 11 B 28/21 -, juris Rn. 18; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 147 m.w.N.). Danach ist streitgegenständlich die Bauaufsichtsverfügung des Antragsgegners vom 11.04.2022 in der Fassung, die diese Verfügung durch den Änderungsbescheid vom 11.04.2023 erhalten hat, auch wenn die Antragsteller den Änderungsbescheid bisher nicht ausdrücklich in das Verfahren einbezogen haben.

Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Bauaufsichtsverfügung des Antragsgegners vom 11.04.2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.04.2023 überwiegt das private Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung dieser Verfügung vorläufig verschont zu bleiben. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Anordnung gegenüber den Antragstellern, die Tierzahl im Gartenbereich ihres Grundstücks zu reduzieren, als voraussichtlich rechtmäßig und es besteht darüber hinaus ein besonderes Vollzugsinteresse.

Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen oder Grundstücke dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO kann sie dazu namentlich die Benutzung von Anlagen untersagen.

Ein Widerspruch zum öffentlich Baurecht liegt vor, denn der Umfang, in dem die Antragsteller ihren Garten für die Haltung von Vögeln nutzen, verstößt gegen Bauplanungsrecht.

Die Haltung von mehr als 30 Vögeln und davon maximal 15 Hühnern und einem Hahn, im Übrigen Kleinvögel, im Garten des Grundstücks der Antragsteller (vgl. zur Unterscheidung der Tierhaltung im Garten- und im Wohnbereich VGH Bad.-Württ., Urt. vom 17.12.2019 - 8 S 2711/19 -, juris) ist bauplanungsrechtlich unzulässig.

Da die Umgebung des Grundstücks der Antragsteller nicht überplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung des Grundstücks nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig, wenn es sich - unter anderem und nur insoweit vorliegend relevant - nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, entspricht, nach seiner Art allein danach, ob es in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.

Die Prägung der Umgebung ist anhand der vorhandenen Bebauung zu bestimmen. Dabei reicht die maßgebende nähere Umgebung so weit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch mit beeinflusst (seit BVerwG, Urt. vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 380; vgl. nur BayVGH, Beschl. vom 20.09.2012 - 15 ZB 11.460 -, juris Rn. 6; Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Loseblatt Stand August 2020, § 34 Rn. 36). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das Vorhabengrundstück eingebettet ist. Prägend für das Grundstück kann nicht nur die Bebauung wirken, die gerade in dessen unmittelbarer Nachbarschaft überwiegt, sondern auch diejenige der weiteren Umgebung. Für die räumliche Abgrenzung der näheren Umgebung kann etwa eine natürliche oder künstliche Trennlinie, aber auch eine unterschiedliche Siedlungs- bzw. Bebauungsstruktur maßgeblich sein (vgl. BVerwG, Beschl. vom 28.08.2003 - 4 B 74/03 -, juris Rn. 2; VG Ansbach, Urt. vom 28.09.2016 - AN 9 K 15.01468 -, juris Rn. 21).

Danach liegt das Grundstück der Antragsteller nicht in einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, denn es lässt sich weder einem Dorfgebiet noch einem Wohngebiet eindeutig zuordnen.

Die im Internet (google.de/maps) verfügbaren Luftbilder von J. sowie die Liegenschaftskarten der Vermessungs- und Katasterverwaltung zeigen, dass sich als maßgebliche nähere Umgebung des Grundstücks der Antragsteller die Bebauung zu beiden Seiten der Straße F. sowie diejenige auf der südlichen Seite der Straße K. und die nördlich der L. Straße ergibt, soweit diese westlich des Friedhofs liegt. Nur diese insgesamt 16 Grundstücke haben eine gleiche Bebauungsstruktur, denn sie sind in der Größe vergleichbar und mit Wohnhäusern bebaut, die jeweils mit nur geringer Entfernung zur jeweiligen Straße - das Wohnhaus mit der Anschrift F. 6 allerdings zur Straße K. - auf den Grundstücken angeordnet sind. Sämtliche Grundstücke zeigen - wenn überhaupt - nur kleine Nebengebäude, ihre Hauptnutzung liegt in der Wohnnutzung, welche sich jeweils auch auf den Bereich des Gartens als Außenwohnbereich erstreckt. Diese homogene Struktur der Bebauung wird zudem überwiegend durch die Straße F. erschlossen, die als Sackgasse von der Ortseinfahrt von J. am Ortseingang noch vor dem Friedhof abzweigt und dadurch keine Verbindung zum alten Ortskern aufweist, sondern von Süden nach Norden parallel zum Ortsrand verläuft. Ersichtlich ist diese beschriebene Umgebung des Grundstücks der Antragsteller nachträglich an den alten Ortskern und vom Kern aus betrachtet jenseits des Friedhofs angefügt worden und schließt aufgrund dessen nicht direkt an die Bebauung des alten Dorfkerns an. Die Bebauung des alten Dorfkerns innerhalb der Straßen K., L. Straße und am P. ist darüber hinaus auch deshalb nicht als maßgebliche nähere Umgebung für das Grundstück der Antragsteller anzusehen, weil der Dorfkern eine deutlich andere Bebauungsstruktur zeigt als die Grundstücke an der Straße F.. Der Dorfkern ist insbesondere in seinem westlichen - dem Grundstück der Antragsteller am nächsten gelegenen - Bereich geprägt von einer sehr lockeren Bebauung mit mehreren landwirtschaftlichen Hofstellen, mit einer Vielzahl von teils großen Nebengebäuden, teilweise sehr viel größeren Grundstücken und verschieden großen Grünflächen.

Die so beschriebene maßgebliche nähere Umgebung des Grundstücks der Antragsteller ist geprägt vom Wohnen als Hauptnutzung. Der Annahme eines Wohngebietscharakters für die Umgebung ist entgegen der Ansicht der Antragsteller auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Grundstücke der näheren Umgebung verglichen mit Grundstücken in innerstädtischen Wohngebieten überdurchschnittlich groß sind, da nicht die Grundstücksgrößen ein Baugebiet prägen, sondern allein die vorhandenen Nutzungen. Der Einordnung der Umgebungsbebauung als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO scheitert lediglich daran, dass nach den Angaben der Antragsteller, denen der Antragsgegner nicht widersprochen hat, auf dem Grundstück F. 6 Gänse, Schafe und insbesondere drei Pferde gehalten werden, was in aller Regel nicht wohngebietstypisch ist (vgl. nur OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 06.03.2018 - 2 M 88/17 -, juris Rn. 31 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Mit der (Großtier-) Haltung auf dem Nachbargrundstück ergibt sich insgesamt eine Gemengelage von Wohngebiet und Dorfgebiet. Zu der Annahme einer Dorfgebietstypik im Sinne des § 5 BauNVO für die nähere Umgebung führt die Nutzung auf dem Grundstück F. 6 hingegen nicht, da es dafür an einem für das Gebiet typischen landwirtschaftlichen Betrieb fehlt. Solche Betriebe liegen - soweit sie noch betrieben werden, was sich den Liegenschaftskarten nicht entnehmen lässt - innerhalb des alten Ortskerns von J. und im südöstlichen und östlichen Ortsbereich an der L. Straße. Ebenso wenig entspricht die nähere Umgebung im Übrigen einem dörflichen Wohngebiet im Sinne des § 5a BauNVO, da das Grundstück der Antragsteller weder von land- und forstwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen noch von nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe umgeben ist. Auch die Antragsteller haben nicht vorgetragen, dass die Tierhaltung auf dem Grundstück F. 6 oder die Hühnerhaltung auf dem Grundstück K. 2 einem Nebenerwerb dient. Die weiteren von den Antragstellern angegebenen Tierhaltungen im K. 23 und 27, in der M. 3 und 4, im O. 1 und 3, im P. 12 und im N. liegen sämtlich nicht in der beschriebenen näheren Umgebung und sind schon deshalb für die Feststellung der Gebietstypik nicht relevant.

Mit der Annahme einer Gemengelage beurteilt sich die planungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung des Gartenbereichs des Grundstücks der Antragsteller nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB und der Baunutzungsverordnung, sondern ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB und damit maßgeblich anhand der Frage des Einfügens.

Die Nutzung des Gartens durch die Haltung einer Vielzahl von Vögeln in Volieren und einem umgebauten Gartenhaus fügt sich in die festgestellte Gemengelage in Art und Maß nicht ein.

Aufgrund des Vorliegens einer Gemengelage kann der rechtliche Rahmen für ein Wohngebiet zwar nicht unbesehen auf den Fall der Antragsteller angewandt werden. Da die Grundstücke in der näheren Umgebung des Grundstücks der Antragsteller in ihrer Hauptnutzung sämtlich dem Wohnen dienen, ist jedoch maßgeblich auf eben diese Wohnnutzung abzustellen und entgegen der Ansicht der Antragsteller auch an dieser Stelle kein Erst-recht-Schluss von einem "dörflichen Wohngebiet" im Sinne des § 5a BauNVO zu einem Dorfgebiet im Sinne des § 5 BauNVO zu ziehen.

Eine Kleintierhaltung ist von einer Wohnnutzung nur umfasst, so lange sie sich im Rahmen des für die Wohnnutzung Üblichen hält. Die gehaltenen Tiere müssen - gemessen daran, was in der Umgebung üblich ist - nach Art, Anzahl und Immissionen noch zu einer den berechtigten Wohnerwartungen entsprechenden Wohnnutzung gehören (VG Stuttgart, Urt. vom 23.09.2015 - 5 K 2780/13 -, juris Rn. 75). Nur dann ist es gerechtfertigt, die betreffende Tierhaltung in das städtebauliche Austauschverhältnis des "Duldens und Dürfens" der Gebietsbewohner aufzunehmen (VG Neustadt, Urt. vom 16.09.2015 - 3 K 322/15.NW - juris Rn. 33). Dementsprechend ändert eine Tierhaltung den Charakter eines Wohnhauses in genehmigungsbedürftiger Weise, wenn sie das Maß der zulässigen Art und Anzahl der Tiere in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung offensichtlich überschreitet (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.11.2008 - 1 ME 233/08 -, juris Rdnr. 13), also den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung sprengt, weil sie geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 17.12.2019 - 8 S 2711/19 -, juris Rn. 30f.; OVG Saarl., Beschl. vom 18.04.2019 - 2 A 2/18 -, juris, 2. Leitsatz; BayVGH, Beschl. vom 28.04.2016 - 9 CS 15.2118 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Beschl. vom 08.01.2014 - 2 B 1196/13 -, juris Rn. 10; VG Stuttgart, Urt. vom 10.05.2019 - 2 K 6321/18 -, juris Rn. 37; VG Neustadt, Urt. vom 18.01.2016 - 3 K 890/15.NW -, juris Rn. 43).

Danach ist die Haltung von insgesamt mehr als 30 Vögeln im Bereich des Gartens auf dem Grundstück der Antragsteller nicht mehr vom Wohnen umfasst. Sie fällt nach der Anzahl der Tiere aus dem Rahmen der für die Wohnnutzung in der näheren Umgebung typischen Freizeitbeschäftigung. Da insoweit allein darauf abzustellen ist, dass die Tierhaltung in diesem Umfang abstrakt geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören (vgl. OVG Saarl., Beschl. vom 18.04.2019 - 2 A 2/18 -, juris Rn. 14f.; OVG NRW, Beschl. vom 08.01.2014 - 2 B 1196/13 -, juris Rn. 12), ergibt sich die planungsrechtliche Unzulässigkeit unabhängig von der Größe der Vögel und konkreter Nachbarbeschwerden (vgl. VG Stuttgart, Urt. vom 23.09.2015 - 5 K 2780/13 -, juris Rn. 76). Allerdings bestätigen die Beschwerden der Nachbarin der Antragsteller, deren Garten rückwärtig an das Grundstück der Antragsteller grenzt, die Annahme, dass der Umfang der Tierhaltung durch die Antragsteller die Wohnnutzung in der Nachbarschaft nicht unwesentlich stört. Zu Recht weist der Antragsgegner im Übrigen darauf hin, dass die Größe der Vögel nicht maßgeblich ist für deren Lautäußerungen. Auch ist nicht allein das Krähen eines Hahnes für die Wohnumgebung störend, sondern ebenso die vielleicht leiseren, aber andauernden Laute der übrigen Vögel. Dabei kommt es für die Feststellung, ob sich die konkrete Nutzung des Wohngrundstücks noch im Rahmen des Üblichen hält, auch nicht entscheidend an, ob Immissionsrichtwerte überschritten werden.

Soweit die Antragsteller auf Entscheidungen zur Taubenhaltung in Wohngebieten abstellen und darauf den Schluss ziehen, dass eine weit größere Zahl von Tieren auf ihrem Grundstück als zulässig angesehen werden müsse, sind sie darauf zu verweisen, dass sich jede Entscheidung lediglich zum Rahmen des Üblichen im Einzelfall verhält. Soweit sehr alte Entscheidungen (beispielsweise aus dem Jahr 1990) in Bezug genommen werden, dürfte das damals als üblich hinzunehmende auch dem heute üblichen nicht mehr entsprechen. Darüber hinaus ist offenkundig, dass sich eine Taubenhaltung von einer Haltung von Hühnern, Wachteln und Ziervögeln unterscheidet, weshalb eine Orientierung an der Rechtsprechung zu Hühnern in vom Wohnen geprägter Umgebung näherliegt.

Danach ergibt sich, dass lediglich das Halten eines Hahnes noch als dem Wohnen zuträglich angesehen wird (vgl. VG Stuttgart, Urt. vom 23.09.2015 - 5 K 2780/13 -, juris Rn. 75; VG Düsseldorf, Urt. vom 04.04.2002 - 4 K 6628/99 -, juris Rn. 21), teilweise sogar mit der Einschränkung, dass ein Krähen vor sechs Uhr morgens verhindert werden muss, indem das Tier während der Nachtstunden im Dunklen gehalten wird (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschlusstenor vom 05.10.2022 - 5 L 270/22 -, juris). Als zulässige Größe einer Hühnerschar wird in der Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen, dass 20 Stück Geflügel in einem allgemeinen Wohngebiet noch verträglich sind (vgl. BayVGH, Beschl. vom 06.12.2017 - 9 ZB 15.2234 -, juris, und vom 28.04.2016 - 9 CS 15.2118 -, juris Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Urt. vom 17.12.2019 - 8 S 2711/19 -, juris Rn. 32; OVG Rheinl.-Pf., Beschl. vom 02.10.2006 - 8 B 11048/06 -, juris Rn. 10; VG Stuttgart, Urt. vom 23.09.2015 - 5 K 2780/13 -, juris Rn. 75; VG Ansbach, Urt. vom 30.07.2015 - AN 3 K 15.00580 -, juris Rn. 47).

Dementsprechend hat der Antragsgegner auch den Antragstellern das Halten eines Hahnes zugestanden und die auf dem Grundstück der Antragsteller zulässige Anzahl von 15 Hühnern nicht zu gering bemessen sowie die Gesamtzahl der Vögel ohne Rechtsfehler mit 30 Tieren bestimmt, wovon maximal 15 Hühner sein dürfen. Die Annahme des Antragsgegners, dass eine Anzahl von insgesamt mehr als 30 Tieren im Garten des Grundstücks der Antragsteller den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung sprengt, weil sie geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören, berücksichtigt die konkreten Umstände des Einzelfalls in zutreffender Weise. Die Festlegung einer höheren als der üblicherweise für Hühner zugestandenen Tierzahl trägt den Umständen Rechnung, dass es sich nur zu einem Teil um Hühner und zu einem anderen Teil um kleinere Vögel handelt, sowie, dass hier kein typisches Wohngebiet, sondern aufgrund der Haltung von Pferden, Schafen und Gänsen auf dem Nachbargrundstück F. 6 eine Gemengelage mit dorfgebietstypischen Einflüssen vorliegt. Der Schluss der Antragsteller, bei nur 15 Hühnern müsse in Anlehnung an die Rechtsprechung die zulässige Zahl der übrigen Vögel jedoch entschieden höher sein als ebenfalls 15, da diese teilweise nicht einmal die Größe einer Faust hätten, lässt außer Acht, dass die Lautäußerungen der Tiere sowie auch deren Staub- und Geruchsemissionen zumindest teilweise unabhängig von ihrer Größe sind. Eine höhere Zahl von Tieren würde insbesondere aufgrund der Immissionen der Vögel auch trotz der Größe des Grundstücks der Antragsteller zu einer den berechtigten Wohnerwartungen der Nachbarn nicht entsprechenden Nutzung führen, da der Garten der Antragsteller unmittelbar an die rückwärtigen Gärten und damit an die von der Wohnnutzung umfassten Außenwohnbereiche der Nachbargrundstücke F. 7 und 9 und L. Straße 1 grenzt.

Mit der Feststellung, dass der Umfang der Vogelhaltung im Gartenbereich des Grundstücks der Antragsteller den Rahmen der Wohnnutzung in der Umgebung übersteigt und damit gegen die zulässige Art der baulichen Nutzung verstößt, kann im Weiteren offenbleiben, ob auch das Rücksichtnahmegebot des § 34 Abs. 1 BauGB verletzt wird (vgl. zur Differenzierung zwischen der Frage, ob eine Geflügelhaltung gegen die zulässige Art der Nutzung verstößt und der Frage einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots BayVGH, Beschl. vom 28.04.2016 - 9 CS 15.2118 -, juris Rn. 27). Ebenso offenbleiben kann nach den obigen Ausführungen die Frage, ob darüber hinaus die Volieren und Ställe auf dem Grundstück der Antragsteller das Maß der baulichen Nutzung überschreiten, wie es der Antragsgegner in seiner Verfügung ausführt, zumal deren Beseitigung mit der streitgegenständlichen Verfügung nicht angeordnet worden ist.

Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, die dieser in seinem Bescheid im Einzelnen begründet hat, begegnet weder hinsichtlich des "ob" des Einschreitens noch bezüglich des Umfangs (des "wie") Bedenken. Bei dem Vorliegen eines baurechtswidrigen Zustands ergibt sich ein Entschließungsermessen in der Regel. Eine Ausnahme ist auch hier nicht ersichtlich. Auch der Umfang der Untersagungsverfügung - in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.04.2023 - stellt sich als ermessensfehlerfrei dar. Dabei hat das Gericht gemäß § 114 VwGO lediglich die streitgegenständliche Entscheidung des Antragsgegners auf Ermessensfehler zu überprüfen; eine eigene Entscheidung trifft das Gericht nicht. Die Anordnung, die auf dem Grundstück gehaltenen Vögel innerhalb einer Frist von ungefähr 6 Wochen auf das Maß von insgesamt 30 Vögeln zu reduzieren, ist ein geeignetes Mittel, um einen bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zulässigen Zustand herzustellen. Es ist auch keine Maßnahme ersichtlich, die einen geringeren Eingriff für die Antragsteller darstellen würde. Ermessensfehlerfrei hat der Antragsgegner festgestellt, dass die Antragsteller mit der Haltung von insgesamt 30 Tieren ihrem Hobby weiterhin nachgehen können. Auch soweit die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren ergänzend vorgetragen haben, sie würden eine Erhaltungszucht seltener Rassen betreiben, ist dies durch die Verfügung des Antragsgegners nicht ausgeschlossen. Die Anordnung ist auch angemessen, da der Schutz der Nachbarn in dem Wohngebiet das Interesse der Antragsteller, mehr als 30 Vögel halten zu dürfen, überwiegt.

Schließlich ergibt auch eine Abwägung der Vollzugsfolgen, dass der Antrag der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Nutzungsuntersagung abzulehnen ist. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ergibt sich aus der formellen Ordnungsfunktion des öffentlichen Baurechts und namentlich hier daraus, dass der rechtstreue Nachbar gegenüber den Antragstellern, die für einen baurechtswidrigen Zustand verantwortlich sind, nicht benachteiligt werden dürfen. Insbesondere, da sich bereits im Jahr 2020 die Tierhaltung auf dem Grundstück der Antragsteller in ihrem Umfang als planungsrechtlich unzulässig herausgestellt hatte, ist es der Nachbarschaft nicht zuzumuten, damit einhergehende Belästigungen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter hinnehmen zu müssen.

2. Soweit sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auch gegen die Zwangsgeldandrohung wenden, ist ihr Antrag ebenfalls unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung erweist sich als offensichtlich rechtmäßig.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. den §§ 70, 64, 65 und 67 NPOG. Danach kann ein Verwaltungsakt, der - wie die Nutzungsuntersagung - auf Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln und damit auch mit einem Zwangsgeld durchgesetzt werden, wenn der Rechtsbehelf - wie hier - keine aufschiebende Wirkung hat. Gegen die Höhe des Zwangsgeldes sind Bedenken weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht für dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Hälfte des Auffangwertes, der für ein Hauptsacheverfahren zugrunde zu legen wäre.