Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.05.2023, Az.: 1 A 2684/21

Gespaltene Kreisumlage; Kita-Vertrag; Kommunaler Finanzausgleich; Kreisumlage

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.05.2023
Aktenzeichen
1 A 2684/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 28262
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0515.1A2684.21.00

Amtlicher Leitsatz

Es ist mit § 15 Abs. 4 NFAG in der Fassung vom 18. Juli 2012 nicht vereinbar, einen erhöhten Kreisumlagesatz für diejenigen Gemeinden festzusetzen, die keine Vereinbarung mit dem Landkreis abgeschlossen haben.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.

Der Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 werden aufgehoben, soweit eine Kreisumlage für das Jahr 2019 von mehr als 1.591.416,00 EUR festgesetzt wird.

Die Klägerin trägt 86 % und der Beklagte 14 % der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine dem beklagten Landkreis angehörige Gemeinde, wendet sich gegen die Höhe der durch den Beklagten mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 für das Haushaltsjahr 2019 festgesetzten Kreisumlage.

Der Kreistag des Beklagten beschloss am 6. Dezember 2018 die Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2019 und setzte die Hebesätze für die Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2019 in § 5 der Haushaltssatzung auf 55,8 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem Niedersächsischen Finanzausgleichgesetz (NFAG) fest. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2019 die von der Klägerin zu entrichtende Kreisumlage für das Jahr 2019 unter Bezugnahme auf die sich aus dem Bescheid des E. vom 3. April 2019 ergebenden Umlagegrundlagen auf 1.591.416,00 EUR fest.

Parallel dazu hörte der Beklagte die kreisangehörigen Gemeinden mit Schreiben vom 5. April 2019 zur Beschlussvorlage 559/XVIII an, die eine Nachtragshaushaltssatzung mit Veränderung des Kreisumlagehebesatzes vorsah. Zum Hintergrund führte er aus, dass eine neue "Vereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag)" mit Gültigkeit ab dem 1. Januar 2019 vorliege, einzelne Kommunen jedoch beabsichtigten, diese nicht abzuschließen. Der Umfang der fehlenden Vereinbarungen könne Einzelfälle betreffen, aber auch flächendeckende Wirkungen entfalten. In der Folge würde der Beklagte als Aufgabenträger ab dem 1. Januar 2019 verpflichtet, die notwendigen Angebote in den betroffenen Gemeinden sicherzustellen und die Kosten hierfür in voller Höhe zu tragen. Dies würde den Kreishaushalt in beträchtlichem Umfang über die bisher veranschlagten Mittel hinaus belasten. Somit sei es geboten, zur Haushaltssicherung entsprechende Erträge aus der Kreisumlage zu generieren. Hierfür solle von der Möglichkeit einer sog. gespaltenen Kreisumlage Gebrauch gemacht werden, bei der im Kreisgebiet unterschiedliche Hebesätze festgesetzt würden. Für Kommunen, die eine Vereinbarung mit dem Landkreis abschlössen, bleibe es beim bisherigen Kreisumlagehebesatz vom 55,8 Prozent. Für die anderen Kommunen müsse eine Refinanzierung des Mehraufwandes für den Landkreis über eine Anhebung der Kreisumlage erfolgen.

Die Samtgemeinde F. und die ihr angehörigen Gemeinden unterzeichneten den Kita-Vertrag für das Jahr 2019 anders als alle übrigen kreisangehörigen Gemeinden nicht. Die Samtgemeinde F. nahm mit Schreiben vom 3. Mai 2019 für sich und die ihr angehörenden Gemeinden dahingehend Stellung, dass sich die Finanzlage der Mitgliedsgemeinden seit der Kommunalfusion im Jahr 2016 stabilisiert habe. Durch die geplante Erhöhung der Kreisumlage im Rahmen eines Nachtragshaushalts drohten Haushaltsgenehmigungen versagt oder zumindest nur gegen weitere Konsolidierungsmaßnahmen genehmigt zu werden. Die Stadt G. müsse über 740.000 EUR höhere Umlagen zahlen, für die keine Rücklagen vorhanden seien. Die Klägerin werde über 250.000 EUR höhere Umlagen zahlen, die durch Überschüsse aus dem Haushalt 2019 nicht zu erzielen seien. Die Finanzierung könne durch Überschüsse der Vorjahre erfolgen. Den Flecken H. treffe es am härtesten. Hier könne die höhere Umlage allein durch die Schließung des Freibades in I. bzw. des Hallenbades in H., die jeweils von Fördervereinen betrieben werden, erreicht werden. Selbst unter Aufgabe der letzten bedeutenden freiwilligen Aufgaben sei das zusätzliche Defizit von 320.000 EUR nicht zu decken. Die Samtgemeinde F. werde rechnerisch in Höhe der nichtgedeckten Aufwendungen entlastet. Dies erfolge jedoch erst im Jahr 2020, sodass keine Verringerung der Samtgemeindeumlage erfolgen könne. Zudem weise der Haushalt der Samtgemeinde in 2019 einen Fehlbedarf in Höhe von 630.900 EUR auf, der vorrangig vor einer Senkung der Samtgemeindeumlage zu decken sei. Die Samtgemeinde habe sich durch die Kommunalfusion bereits von allen freiwilligen Aufgaben getrennt und nehme lediglich Pflichtaufgaben, Spezialaufgaben der Samtgemeinde sowie die freiwillige Kinder- und Jugendhilfe wahr. Es bestünden Zweifel, ob der Beklagte bei der Festsetzung der Kreisumlage den Finanzbedarf der Gemeinden hinreichend berücksichtigt habe. Dem Kita-Vertrag habe die Samtgemeinde nicht zugestimmt, da die Gesamtkosten höher seien als die Zuweisungen des Beklagten und diese sogar geringer seien als im Vorjahr. Sie könne auch nicht vom eingerichteten Härtefonds profitieren.

Der J. nahm mit Schreiben vom 7. Mai 2019 Stellung und stufte das Vorgehen des Beklagten als rechtlich hochgradig problematisch ein. Es habe keine Ermittlung des Finanzbedarfs der Gemeinden stattgefunden. Etwaige Mehrkosten aus der Nichtunterzeichnung des Kita-Vertrages dürften nicht umgelegt werden. Der Beklagte nutze seine Machtstellung aus, um den Abschluss des neuen Kita-Vertrages zu erwirken.

In seiner Sitzung vom 15. Mai 2019 beschloss der Kreistag des Beklagten die 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 nebst Änderung des § 5 der Haushaltssatzung, wonach für Gemeinden, die den Kita-Vertrag in der vom Kreistag am 6. Dezember 2018 beschlossenen Fassung nicht bis zum 1. Juni 2019 abgeschlossen haben oder aber im Haushaltsjahr 2019 kündigen, die Hebesätze für die Kreisumlage in 2019 auf 65 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem NFAG festgesetzt werden. Für die übrigen Gemeinden bleibe der Hebesatz unverändert.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 genehmigte das K. die genehmigungspflichtigen Bestandteile der vom Kreistag des Beklagten in seiner Sitzung am 6. Dezember 2018 beschlossenen Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2019 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 15. Mai 2019 (1. Nachtragshaushaltssatzung 2019), darunter die Hebesätze für die Kreisumlage. Soweit § 5 der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 die Festsetzung eines erhöhten Kreisumlagehebesatzes an das Nichtbestehen einer Vereinbarung knüpfe, begegne die sprachliche Umsetzung formalen Bedenken, da § 15 Abs. 4 NFAG für die Berücksichtigung bei der Kreisumlage das Bestehen einer Vereinbarung voraussetze. Da die inhaltliche materielle Wirkung der Satzungsregelung der gesetzlich zulässigen Gestaltung entspreche, halte man sie dennoch für vertretbar, erwarte künftig jedoch eine rechtskonforme Formulierung.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 hob der Beklagte den Bescheid vom 10. April 2019 auf und setzte gegenüber der Klägerin die Kreisumlage auf Basis des Hebesatzes von 65 v. H. - der für nicht dem Kita-Vertrag beigetretene Kommunen gelte - in einer Gesamthöhe von 1.853.800 EUR fest.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 8. November 2019 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass § 5 der Ausgangssatzung sowie der 1. Nachtragshaushaltssatzung rechtswidrig und damit die gesamte Haushaltssatzung unwirksam seien. Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da die Klägerin nicht nach § 28 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG angehört worden sei. Der Beklagte verkenne den Stellenwert der kreisangehörigen Kommunen bei der Bestimmung der Kreisumlage. Er habe die gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden bei der Festsetzung der Kreisumlage in Rechnung zu stellen und dafür neben dem eigenen Finanzbedarf auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln. Dies gelte unabhängig davon, ob einzelne Gemeinden in ihrer finanziellen Mindestausstattung verletzt seien. Die Ermittlung der von der Umlageerhebung betroffenen Belange sei nicht allein Sache der Darlegung durch die jeweilige Gemeinde. Dies stelle einen beurteilungserheblichen Abwägungsfehler dar, da er den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum verkannt habe. Der Beklagte habe den ihm obliegenden Ermittlungs- und Abwägungspflichten zur Bestimmung der Kreisumlage nicht entsprochen. Er trage die Verantwortung dafür, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt würden. Diesen habe er nicht entsprochen, da den kreisangehörigen Kommunen mit einem Zeitraum von fünf Wochen nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Zudem seien die Haushaltsunterlagen unvollständig gewesen. Die mittelfristige Finanzplanung sowie der Beteiligungsbericht seien nicht enthalten und die Nachreichung lediglich angekündigt worden. Auf den Hinweis des L., dass der Haushaltsplan nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche, habe der Beklagte nichts veranlasst. Der Beklagte habe seinen Gestaltungsspielraum verkannt, wenn er von einem starren Wirkungsmechanismus zwischen Einnahmen der Umlageschuldner und Höhe der Kreisumlage ausgehe. Es sei abwägungsfehlerhaft, wenn der Beklagte es bei einer Querschnittsbetrachtung belassen habe, aber nicht auf die finanzielle Situation der Gemeinden eingegangen sei und diese den Kreistagsmitgliedern zur Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt habe. Obwohl der Beklagte in seiner Planung von einem Überschuss in Höhe von 8,4 Mio. EUR ausgegangen sei, habe man eine Änderung des Kreisumlagesatzes nicht in Erwägung gezogen. Es sei rechtswidrig, eine Kreisumlage von 65 v. H. zu erheben, weil die Klägerin den Kita-Vertrag nicht unterzeichnet habe. Der Beklagte habe sich mit den von der Samtgemeinde F. vorgetragenen Einwänden und deren finanzieller Situation nicht auseinandergesetzt. Es habe schon im Aufstellungsverfahren zur Haushaltssatzung Unsicherheiten hinsichtlich des Kita-Vertrags gegeben, sodass schon keine Veränderung eingetreten sei, die den Erlass einer Nachtragshaushaltssatzung rechtfertige. Der Beklagte verkenne bereits sein nach § 15 Abs. 4 NFAG eingeräumtes Ermessen. Zudem komme eine sog. gespaltene Kreisumlage nach Wortlaut und Systematik nur für Kommunen in Betracht, die eine Vereinbarung mit dem Landkreis - hier den Kita-Vertrag - abgeschlossen hätten und damit gerade nicht für die Klägerin. Entgegen der Auffassung der Kommunalaufsicht lasse sich nicht begründen, dass beide Möglichkeiten zum selben Ergebnis führten. Die Möglichkeit einer Mehr- oder Minderbelastung kreisangehöriger Gemeinden bei der Kreisumlageerhebung stelle eine Abweichung vom Ausgleichsprinzip dar. Die Kreisumlage sei kein Äquivalent für Leistungen des Kreises, sondern eine gegenleistungsunabhängige, zur Deckung des Fehlbedarfs des Kreises erhobene Umlage. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass Gemeinden, die den Kita-Vertrag abgeschlossen hätten, Kosten für diejenigen Kommunen tragen müssten, die diesen nicht abschließen. Denn die Kosten für die Kitas seien weder von den Gemeinden noch vom Landkreis, sondern vielmehr vom Land zu tragen und für den Kreishaushalt kostenneutral konzipiert. Umlagefähig sei jedoch nur der nicht durch sonstige Einnahmen gedeckte Finanzbedarf des Landkreises. Die Erhebung der Kreisumlage sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Gemeinden quasi gezwungen würden, den Kita-Vertrag zu unterzeichnen. Der Klägerin entstünden durch die späte Anhebung des Kreisumlagesatzes Mehrbelastungen von 250.000 EUR, die im Haushalt nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Sie könne als Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde F. auch nicht auf den Umstand einwirken, ob der Kita-Vertrag unterzeichnet werde.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Anhörung vor Erlass der Haushaltssatzung sowie der Nachtragshaushaltssatzung sei erfolgt. Einer gesonderten Anhörung vor Erlass des Heranziehungsbescheides habe es nicht bedurft, da es sich um einen Akt gebundener Verwaltung handele, der anhand feststehender Umlagegrundlagen in Anwendung des zwingenden Satzungsrechts des Beklagten erfolge. Überschüsse des Beklagten deckten nur Fehlbeträge der Vergangenheit sowie solche, die in naher Zukunft zu erwarten seien. Der Entwurf des Kreishaushalts und der Entwurf des Nachtrags seien den Städten, Gemeinden und der Samtgemeinde für ihren Bereich mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gegeben worden. Die Finanzplanung sei dem Kreisverband des L. zur Kenntnis gegeben worden und habe zudem im Kreistagsinformationssystem als öffentlich zugänglicher Quelle zur Verfügung gestanden. Soweit eine Senkung der Kreisumlage gefordert werde, seien die Kommunen im Anhörungsverfahren gezwungen, Alternativen zum Entwurf des Kreishaushalts aufzuzeigen, weil eine folgenlose Schonung ihrer Finanzen und eine Berücksichtigung ihres Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung nicht möglich sei. Der Beklagte habe die Finanzlage der Samtgemeinde durchaus im Blick. So habe er freiwillig auf einen Teil von sog. Fusionsgewinnen aus höheren Schlüsselzuweisungen durch den Zusammenschluss zur heutigen Samtgemeinde F. verzichtet und diese - insgesamt mehr als 700.000 EUR - als Zuschuss an die Samtgemeinde ausgezahlt, um deren Fusionsbemühungen zu unterstützen. Bei der Beurteilung der Finanzlage samtgemeindeangehöriger Gemeinden könne eine Einzelbetrachtung allein keinen Aufschluss geben. Hinsichtlich der Realsteuersätze der Grundsteuern sowie der Gewerbesteuer bestehe in der Samtgemeinde noch Potenzial für Einnahmeverbesserungen. Der Anteil von Aufwendungen für freiwillige Leistungen im Bereich Sport, öffentliche Einrichtungen und Erholung sowie Heimat und Kulturpflege lägen in den samtgemeindeangehörigen Gemeinden deutlich über dem Maß, welches bei der Gewährung von Bedarfszuweisungen akzeptiert würde. Durch den Nachtragshaushalt werde sichergestellt, dass diejenigen eine erhöhte Kreisumlage zahlen, die Aufgaben der Kindertagesbetreuung und damit die anteilige Finanzierung nicht wie in der Vergangenheit selbst übernehmen. Der darauf entfallende Finanzbedarf betrage im Jahr 2019 kreisweit ca. 30 Mio. EUR. Dieser verteile sich über die Kreisumlage nicht wirkungsgleich auf die gemeindliche Ebene, sondern gemessen an der Finanz- und Umlagekraft mit einer Ausgleichswirkung. Die durchschnittliche Kreisumlagebelastung bei einem Hebesatz von 55,8 Prozent betrage im Kreisgebiet 657,26 EUR pro Einwohner. In der Samtgemeinde F. (inkl. Mitgliedsgemeinden) seien es 598,54 EUR. Damit profitierten steuerschwache Gemeinden eher von einer Aufgabenverlagerung auf den Landkreis. Daher sei die finanzielle Entlastung der Samtgemeinde F. im Jahr 2019 trotz der erhöhten Kreisumlage größer als die Belastung bei Beibehaltung der Zuständigkeit. Die Entlastung betrage für die Samtgemeinde und ihre Mitgliedsgemeinden insgesamt rund 315.000 EUR. Ein Ausgleich solle erst nach der endgültigen Abrechnung in Folgejahren erfolgen.

Daraufhin hat die Klägerin am 18. März 2021 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie zunächst auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Im Übrigen habe der Beklagte das Prinzip der Nachrangigkeit missachtet. Die Kreisumlage diene der Deckung eines finanziellen Fehlbedarfs und dürfe nicht zur Rücklagenbildung eingesetzt werden. Eine Kreisumlage, die zu einem haushaltsplanmäßigen Überschuss führe und bereits den Bedarf für Folgejahre berücksichtige, verstoße gegen das im Haushaltsrecht geltende Prinzip der Jährlichkeit. Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die kreisangehörigen Kommunen im Anhörungsverfahren gezwungen seien, Alternativen zum Entwurf des Kreishaushaltes aufzuzeigen, so sei es nicht Sache der Kommunen, die Haushaltsaufstellung zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des Eufach0000000005s müsse die Kreisverwaltung den gemeindlichen Bedarf ermitteln und dem Kreistag zumindest ein bezifferter Bedarfsansatz für jede kreisangehörige Gemeinde vorliegen. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes zur Steuerkraftberechnung, zu Schlüsselzuweisungen sowie zur Kreisumlageberechnung berücksichtigten nicht die Finanzbedarfe der kreisangehörigen Kommunen. Insbesondere gehe es um die Ermittlung des zukünftigen Bedarfs. Der Beklagte habe den Kreistagsmitgliedern auch nicht die für die Abwägung der finanziellen Belange herangezogenen Dokumente zur Verfügung gestellt. Soweit der Beklagte feststelle, dass für den Kreis ohne Reklamation durch die Gemeinde keine Pflicht bestehe, sich damit auseinanderzusetzen, dass im Einzelfall die finanzielle Mindestausstattung verletzt sei, so stehe dem entgegen, dass die Samtgemeinde zur Haushaltssituation der Klägerin vorgetragen habe.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit ein Kreisumlagebetrag von 1.591.416,00 EUR festgesetzt worden ist.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 aufzuheben, soweit darin eine Kreisumlage für das Jahr 2019 von mehr als 1.591.416,00 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist dem Begehren entgegengetreten und führt zur Begründung aus, dass für die Abwägung des Kreisumlagesatzes zu berücksichtigen sei, dass 50 Prozent der Kreistagsmitglieder auch ein gemeindliches Mandat hätten und die Stellungnahme der Gemeinde bei der Aufstellung des Kreishaushaltes ein entscheidendes Gewicht habe. Im Rahmen der Stellungnahme könne eine Senkung der Kreisumlage nicht isoliert gefordert werden, sondern müsse mit der Forderung nach Alternativen bei Art und Umfang der Aufgabenerledigung sowie der Finanzierung einhergehen. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass der Beklagte mit der Kreisumlage 2019 in unzulässiger Weise Rücklagen finanziere, bleibe unberücksichtigt, dass einer Überdeckung im Ergebnishaushalt für das Haushaltsjahr 2018 eine Unterdeckung im Finanzhaushalt gegenüberstehe, die nur durch (neue) Kredite gedeckt werden könne. Anders liege der Fall nur, wenn der Überschuss im Ergebnishaushalt als "Eigenfinanzierungsrate" für Investitionen eingesetzt werde. Die Einführung einer sog. gespaltenen Kreisumlage im Nachtragshaushalt 2019 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Es sei nicht entscheidend, ob alle kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisaufgabe erledigten (nämlich die des örtlichen Jugendamtes) und nur eine Gemeinde ausschere oder umgekehrt alle Gemeinden eine Aufgabe nicht wahrnehmen und nur eine Gemeinde diese Aufgabe vom Landkreis übernehme. In beiden Fällen sei die Einführung einer gespaltenen Kreisumlage die angemessene Reaktion. Mit dem sog. Kita-Vertrag übernähmen die Kommunen in ihrem Bereich alle Aufgaben und der Beklagte verpflichte sich, die hierfür entstehenden Kosten nach bestimmten Berechnungskriterien teilweise zu übernehmen. Die Samtgemeinde F. habe das Vertragsangebot nicht angenommen, sodass die gesetzliche Zuständigkeitsregelung eintrete, wonach der Beklagte Aufgaben- und Kostenträger in vollem Umfang sei. Da eine kurzfristige Übernahme der Aufgaben zur Kindertagesbetreuung durch den Beklagten nicht möglich gewesen sei, seien diese von der Samtgemeinde zunächst weitergeführt und ihm in voller Höhe in Rechnung gestellt worden. Um hierdurch entstehende Mehrbelastungen des Beklagten im Vergleich zu den anderen Vertragspartnern zu kompensieren, sei von der Möglichkeit einer sog. gespaltenen Kreisumlage Gebrauch gemacht worden. Durch den höheren Hebesatz sollten nur die Mehraufwendungen abgedeckt werden, die rechnerisch als Eigenanteil bei Abschluss des Kita-Vertrags bei der Samtgemeinde verblieben wären. Die Samtgemeinde habe daher zunächst alle Zahlungen aus dem Kita-Vertrag sowie ihre ungedeckten Restkosten in Höhe von 2.111.771 EUR erhalten. Durch die erhöhte Kreisumlage seien dem Beklagten lediglich 1.810.085 EUR zugeflossen. Die Möglichkeit eines Ausgleichs durch den Beklagten sei bisher nicht entwickelt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin ihre Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

Damit beklagt die Klägerin den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2019 und den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2021 nur noch insoweit, als dieser über einen Hebesatz für die Kreisumlage von 55,8 v. H. der Umlagegrundlagen für das Haushaltsjahr 2019 bzw. über einen Betrag von 1.591.416,00 EUR hinausgeht. In diesem Umfang hat die Klage Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

Der Bescheid ist im hier noch streitgegenständlichen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblich ist vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2021. Nach ständiger Rechtsprechung des Eufach0000000005s beantwortet nicht das Prozessrecht, sondern das einschlägige materielle Recht, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 17.12.2021 - 7 C 7.20 -, juris Rn. 14). Nur in diesem Rahmen ist tendenziell davon auszugehen, dass dies bei der Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin bei Erlass des Widerspruchsbescheides, ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 3.11.1987 - 9 C 254.86 -, juris Rn. 8). Die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit von Haushaltssatzungen bestimmt sich nach dem Zeitpunkt ihres Erlasses; diejenige der auf ihrer Grundlage ergangenen Heranziehungsbescheide richtet sich nach dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urt. v. 29.11.2022 - 8 C 13/21 -, juris Rn. 33). Aus dem Gefüge des NFAG ergibt sich ohne weiteres, dass sich die Vorgaben für Berechnungsgrundlagen und -modalitäten der Kreisumlage nur aus den sich für den Zeitpunkt der Festlegung des Umlagesatzes und der Festsetzung der Umlage Geltung beimessenden Vorschriften ergeben können.

Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht mit § 5 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2019 in der Fassung des Kreistagsbeschlusses vom 15. Mai 2019 bereits auf einer rechtswidrigen Rechtsgrundlage. Nach dem für den angegriffenen Kreisumlagebescheid maßgeblichen Kreistagsbeschluss vom 15. Mai 2019 werden im Rahmen der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 die Hebesätze für die Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2019 wie folgt geändert: Für Gemeinden, die die "Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag)" in der vom Kreistag am 6. Dezember 2018 beschlossenen Fassung nicht bis zum 1. Juni 2019 abgeschlossen haben oder aber im Haushaltsjahr 2019 kündigen, werden die Hebesätze für die Kreisumlage in 2019 auf 65 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem NFAG festgesetzt. Für die übrigen Gemeinden bleibt der Hebesatz mit 55,8 v. H. hingegen unverändert gegenüber § 5 der am 6. Dezember 2018 beschlossenen Haushaltssatzung der Beklagten. Der erhöhte Hebesatz ist nicht mit den Vorgaben des NFAG in der hier maßgeblichen Fassung vereinbar.

1.

Gemäß § 15 Abs. 1 NFAG in der Fassung vom 18. Juli 2012 (NFAG a. F.) ist eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden, Samtgemeinden und gemeindefreien Gebieten zu erheben, soweit die anderen Erträge eines Landkreises seinen Bedarf nicht decken (vgl. zum Nachrang der Umlage auch § 111 Abs. 5 Satz 2 NKomVG). Das Umlageverfahren und das Verfahren zur Festsetzung sind in § 15 Abs. 2 und 3 NFAG a. F. näher geregelt. Nach § 15 Abs. 3 Satz 3 NFAG a. F. sind die kreisangehörigen Gemeinden und Samtgemeinden rechtzeitig vor der Festsetzung der Umlage zu hören.

Der Kreistag des Beklagten war dem Grunde nach befugt, den - hier allein noch streitigen - Hebesatz für die Kreisumlage in der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 erneut festzusetzen. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) kann die Haushaltssatzung nur durch Nachtragshaushaltssatzung geändert werden, die spätestens bis zum Ablauf des Haushaltsjahres zu beschließen ist. Sie ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden. Die Kreisumlagesätze können gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 und 5 NFAG a. F. mit Rückwirkung auf den Beginn des Haushaltsjahres einmal geändert werden; die Satzungsänderung muss bis zum 15. Mai beschlossen werden. Eine Senkung der Umlagesätze kann auch nach diesem Zeitpunkt beschlossen werden. Mithin ist die teilweise Erhöhung des Hebesatzes für die Kreisumlage in der Nachtragshaushaltssatzung vom 15. Mai 2019 fristgerecht erfolgt.

2.

Der Beklagte hat den erhöhten Kreisumlagesatz von 65 v. H. der Umlagegrundlagen in der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 jedoch in unzulässiger Weise an den Nichtabschluss des Kita-Vertrages geknüpft.

a) Der Umlagesatz wird grundsätzlich für alle Gemeinden eines Kreises gleich festgesetzt, sodass alle kreisangehörigen Gemeinden unabhängig vom individuellen Nutzen aus der Tätigkeit des Kreises den gleichen Anteil ihrer Finanzkraft an den Kreis abführen (vgl. Henneke in: Praxis der Kommunalverwaltung - Landesausgabe Niedersachsen, E 1b, S. 71). Weder der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch Art. 28 Abs. 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 2 GG schließen grundsätzlich aus, dass eine kreisangehörige Gemeinde mit der von ihr geleisteten Kreisumlage auch eine Verwaltungstätigkeit des Kreises mitfinanziert, die für sie und ihre Einwohner ohne Nutzen ist, weil sie selbst diese Verwaltungstätigkeit leisten muss und erbringt. Mit einer Umlage als Instrument des Finanzausgleichs zwischen öffentlichen Aufgabenträgern wie der Kreisumlage dürfen stets auch allgemeine Finanzausgleichseffekte erzielt werden, ohne dass dies insoweit mit einer speziellen Aufgaben- oder Ausgabenverantwortung oder -entlastung korrespondieren müsste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.1997 - 8 B 130.96 -, juris Rn. 3). Damit erfüllt die Kreisumlage neben der fiskalischen Funktion auch eine Ausgleichsfunktion, wonach die finanzstarken Gemeinden in größerem Maße als die finanzschwachen Gemeinden zur Kreisfinanzierung beitragen (vgl. Henneke in: Praxis der Kommunalverwaltung - Landesausgabe Niedersachsen, E 1b, S. 73).

Der Landesgesetzgeber hat mit § 15 Abs. 4 NFAG a. F. die Möglichkeit geschaffen, durch einen differenzierten Kreisumlagesatz von diesem Grundsatz abzuweichen. Nach dieser Regelung kann der Landkreis die finanziellen Folgen von Vereinbarungen zwischen dem Landkreis und einer oder mehreren Gemeinden, durch die von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden abgewichen wird, bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigen. Hiervon wollte der Beklagte bei der Normierung der gespaltenen Kreisumlage in § 5 der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 Gebrauch machen.

b) Eine Differenzierung des Kreisumlagesatzes anhand des Kriteriums der Übernahme von Jugendhilfeleistungen durch die Gemeinde begegnet grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken in Bezug auf höherrangiges Recht. Insbesondere verstößt eine solche Regelung nicht von vornherein gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung.

Art. 57 der Niedersächsischen Verfassung gewährleistet den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung und verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege eines Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Ein bestimmtes Verteilungssystem schreibt die Verfassung nicht vor. Vielmehr ist dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, welches seine Grenzen im Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot findet. Diesem Gebot widerspricht es, bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Es verbietet willkürliche, sachlich nicht vertretbare Differenzierungen und ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt (VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.7.1998 - 16/96 -, juris Rn. 61). Der gleiche Maßstab ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG. Danach bedarf es für eine im horizontalen Vergleich stärkere Heranziehung umlagepflichtiger Gemeinden eines sachlichen Grundes. Außerdem darf sie nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.2.2014 - 10 A 10515/13 -, juris Rn. 29).

Eine im Rahmen der Kreisumlage normierte Privilegierung von Gemeinden, die Jugendhilfeleistungen teilweise auf eigene Kosten übernehmen, gegenüber denjenigen Gemeinden, die dies nicht tun, erfolgt mit hinreichendem sachlichen Grund.

Nach dem Kita-Vertrag 2019 des Beklagten nimmt die unterzeichnende Gemeinde nach § 13 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs und zur Niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission (Nds. AG SGB VIII) Aufgaben des Beklagten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe wahr. Dies betrifft Aufgaben im Bereich der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege nach §§ 22 bis 24 VIII i. V. m. dem Niedersächsischen Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KitaG a. F.) sowie die Gewährung von Hilfen bei Jugenderholungsmaßnahmen für Kinder von einkommensschwachen Eltern nach § 90 SGB VIII. Im Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder umfasst die Aufgabenwahrnehmung insbesondere den Betrieb eigener Tageseinrichtungen, die Förderung von Einrichtungen freier Träger sowie die Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe durch Übernahme von Elternbeiträgen (vgl. § 2 Kita-Vertrag). Für die Übernahme der nach der gesetzlichen Regelung vom Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gewährt dieser den Gemeinden auf der Grundlage der Vereinbarung einen Zuschuss, der sich aus den vom Land gewährten Finanzhilfen für Personalkosten berechnet. Hinzu kommt ein Pauschalbetrag für die Durchführung der wirtschaftlichen Jugendhilfe für die unter Dreijährigen sowie die Durchführung der Betreuung von Kindern der Altersgruppe vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahr. Die darüberhinausgehenden Kosten werden von den Gemeinden als Eigenanteil getragen.

In finanzieller Hinsicht hat der Beklagte die Gesamtkosten der Kindertagesbetreuung auf seinem Kreisgebiet in Anlage 1 zur Vorlage 559/XVIII mit jährlich rund 100 Mio. EUR beziffert. Dies ist von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen worden. Davon werden nach der Berechnung etwa 35.248.500 EUR durch Landeszuwendungen gedeckt. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass die Argumentation der Klägerin, dass die Kosten der Kita-Betreuung zuvörderst vom Land getragen würden und daher bei der Umlageerhebung nicht zu berücksichtigen seien, nicht verfängt. Der Zuschuss des Landkreises und damit der auf ihn entfallende Anteil soll nach der Kalkulation für alle kreisangehörigen Gemeinden zusammen 39.239.100 EUR betragen. Die damit verbleibenden Kosten von rechnerisch 30.022.746 EUR sollen von den Gemeinden selbst als Eigenanteil getragen werden. Diese Kostenverteilung hat der Beklagte bei der Berechnung der sog. gespaltenen Kreisumlage in der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 auch berücksichtigt und lediglich eine Umlage des gemeindlichen Eigenanteils vorgenommen.

Damit würde eine sog. gespaltene Kreisumlage zum einen dem Umstand Rechnung tragen, dass der Beklagte im Falle der Nichtunterzeichnung des Kita-Vertrags die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe auf dem Gemeindegebiet wahrzunehmen hätte und diese Kosten über die Kreisumlage auch von den unterzeichnenden Gemeinden mitfinanziert würden. Zum anderen würde die Gemeinde auch nicht über den nach den Erstattungsregelungen des Kita-Vertrags gemeindlichen Eigenanteil an den Kosten beteiligt. Eine Differenzierung zwischen den am Kita-Vertrag beteiligten und den hieran nicht beteiligten Gemeinden ist folglich grundsätzlich sachlich gerechtfertigt.

c) Der Beklagte hat den erhöhten Kreisumlagesatz von 65 v. H. der Umlagegrundlagen in der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 jedoch in unzulässiger Weise an den Nichtabschluss des Kita-Vertrages geknüpft.

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAG a. F. kann der Landkreis die finanziellen Folgen von Vereinbarungen zwischen dem Landkreis und einer oder mehreren Gemeinden, durch die von der allgemeinen Verteilung der Aufgaben zwischen dem Landkreis und den Gemeinden abgewichen wird, bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigen.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob bei der allgemeinen Verteilung der Aufgaben auf die gesetzliche Ausgangslage oder auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen ist. Stellt man auf ersteres ab, so ist davon auszugehen, dass der Beklagte als örtlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben selbst wahrnimmt. Von dieser Normallage wird sodann durch den Kita-Vertrag abgewichen. Betrachtet man hingegen die übliche Aufgabenverteilung im Gebiet des Beklagten, so übernehmen die Gemeinden auf vertraglicher Grundlage Teile der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe vom Beklagten. An dieser allgemeinen Verteilung der Aufgaben hat bisher auch die Samtgemeinde F. teilgenommen, der die Klägerin angehört. Mit dem neuen Kita-Vertrag sollte der Rahmen dieser örtlichen Übung neu verhandelt und sodann fortgesetzt werden. Die Samtgemeinde F. hat sich schließlich als einzige Kommune gegen den Abschluss des Vertrages ausgesprochen. Wenngleich gewichtige Argumente dafür sprechen, dass mit der allgemeinen Aufgabenverteilung i. S. des § 15 Abs. 4 NFAG nicht der grundsätzlich gesetzliche Aufgabenzuschnitt, sondern die in einem Kreis konkret übliche Aufgabenverteilung gemeint ist (so wohl auch Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 9075/18, S. 32 f.), braucht die Frage hier letztlich nicht entschieden zu werden, denn die Klägerin hat überhaupt keine Vereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen. Sie hat weder eine Vereinbarung - den Kita-Vertrag - unterzeichnet, die von der gesetzlichen Ausgangslage abweichen würde noch hat sie eine Vereinbarung unterschrieben, durch die von der durch den Kita-Vertrag geschaffenen ortsüblichen Verteilung abgewichen würde.

In Ermangelung einer Vereinbarung können somit auch keine finanziellen Folgen bei der Kreisumlage der Klägerin berücksichtigt werden. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift können aus Vereinbarungen resultierende finanzielle Folgen bei der Kreisumlage der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden berücksichtigt werden. Von einer Vereinbarung unmittelbar betroffen ist zunächst die unterzeichnende Gemeinde selbst. Der Gesetzgeber sieht also lediglich eine Mehr- oder Minderbelastung der Gemeinden vor, mit denen der Landkreis eine Vereinbarung geschlossen hat. Die Regelung sieht - einfach ausgedrückt - die Möglichkeit von Sondersätzen bei Sondervereinbarungen vor. Eine Anknüpfung einer abweichenden Kreisumlagehöhe an das Nichtvorliegen einer Vereinbarung - wie vorliegend - ist nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht vorgesehen. Diese Auslegung sieht auch der Landesgesetzgeber; im Gesetzentwurf der Landesregierung zur Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 NFAG wird ausgeführt, dass bei einer engen Auslegung nur die Kreisumlage derjenigen Kommunen angepasst werden dürfe, mit denen eine Vereinbarung unterzeichnet worden sei. Es müssten folglich bei der vorgenannten Fallkonstellation mit allen Vereinbarungspartnern Kostenregelungen getroffen werden, die sich bei der Kreisumlage niederschlagen; durch die einhergehenden Änderungen müsste die Kreisumlage anschließend insgesamt angepasst werden. In der Praxis zeige sich, dass ein solches Verfahren nicht praktikabel zu handhaben sei (LT-Drs. 18/9075, S. 37 f.). Eine Regelung mit allen Vertragspartnern ist vorliegend nicht erfolgt. Denn § 5 der 1. Nachtragshaushaltssatzung 2019 kann keineswegs dahingehend verstanden werden, dass damit in einem ersten Schritt für alle Gemeinden ein Kreisumlagesatz von 65 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem NFAG festgesetzt würde und sodann Gemeinden, die den Kita-Vertrag unterzeichnen, einen reduzierten Kreisumlagesatz von 55,8 v. H. der Umlagegrundlagen nach dem NFAG zu entrichten haben.

Diesem Verständnis folgend hat der Landesgesetzgeber § 15 Abs. 4 NFAG a. F. durch Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften vom 13. Oktober 2021 (Nds. GVBl. Nr. 40/2021 S. 700) geändert und die Worte "der betroffenen Gemeinde oder Gemeinden" gestrichen. Laut der Begründung des Entwurfs könne in der Folge eine Anpassung der Kreisumlage auch bei derjenigen Kommune erfolgen, mit der - abweichend von der üblichen Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Landkreises - keine Vereinbarung unterzeichnet wurde (LT-Drs. 18/9075, S. 37 f.).

Für diese Auslegung spricht auch, dass der Landesgesetzgeber in Anbetracht der gesetzlichen Regelung in der hier maßgeblichen früheren Fassung offenbar die Notwendigkeit sah, für die Region D-Stadt mit der Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Satz 4 und 5 NKomVG eine Sonderregelung zum NFAG zu schaffen. Nach dieser Vorschrift ist die Regionsumlage abweichend von den Vorschriften des NFAG so zu berechnen, dass die regionsangehörigen Gemeinden, die nicht örtliche Träger der Jugendhilfe sind, einen näher bestimmten Betrag allein zu tragen haben. Hintergrund der Regelung zur Jugendhilfeumlage ist, dass schon im Gesetz über die Region D-Stadt (RegHanG) spezielle Finanzierungsregelungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Aufgaben im Bereich der öffentlichen Jugendhilfe durch Städte und Gemeinden vorgesehen waren. So hatte die Region D-Stadt anderen regionsangehörigen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe auf Antrag einen angemessenen pauschalierten Kostenausgleich bis zu 80 Prozent der Personal- und Sachkosten für bestimmte im Gesetz näher spezifizierte Jugendhilfeleistungen zu gewähren. Diese Regelung wurde in das am 1. November 2011 in Kraft getretene NKomVG vom 17. Dezember 2010 (Nds. GVBl. 576), mit dem die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden unterschiedlichen Kommunalgesetze zusammengefasst wurden, übernommen. Wesentlich geändert wurde dabei die Vorschrift über die Erhebung der Regionsumlage. Mit der Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Satz 4 und 5 NKomVG trat eine Sonderregelung im Bereich der Aufwendungen für die Jugendhilfe in Kraft. Hierdurch wollte der Gesetzgeber eine Benachteiligung der regionsangehörigen Städte und Gemeinden beseitigen, die selbst die Aufgabe des örtlichen Trägers der Jugendhilfe wahrnehmen. Die Benachteiligung erblickte der Gesetzgeber darin, dass den Kommunen mit eigenem Jugendamt nach den Erstattungsregelungen eine Selbstbeteiligungsquote von mindestens 20 Prozent verblieb und sie daneben über die Regionsumlage auch die Kosten des Jugendamtes der Region D-Stadt, mithin für die Kommunen ohne eigenes Jugendamt, mitfinanzierten. Nach der neu eingeführten gesetzlichen Regelung tragen die Gemeinden mit eigenem Jugendamt nach wie vor die Aufwendungen für einen Teil der von ihnen durch ihr Jugendamt erbrachten Leistungen vollständig. Für die in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Leistungen tragen sie mindestens 20 Prozent der Aufwendungen selbst. Die übrigen bis zu 80 Prozent der (von der Region erstatteten) Aufwendungen tragen ebenfalls - wie zuvor - alle regionsangehörigen Gemeinden nach ihrer Finanzkraft im Rahmen der allgemeinen Regionsumlage. Die Aufwendungen für das Jugendamt der Region für die Erbringung der in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Leistungen tragen nunmehr dagegen in Höhe von mindestens 20 Prozent - korrespondierend zu der Selbstbeteiligungsquote der Gemeinden mit eigenem Jugendamt - ausschließlich die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Die verbleibenden bis zu 80 Prozent der genannten Aufwendungen für das Jugendamt der Region tragen alle regionsangehörigen Gemeinden über die Regionsumlage nach ihrer Finanzkraft. Die hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden vom Niedersächsischen Staatsgerichtshof zurückgewiesen (Urt. v. 29.04.2013 - 2/12, StGH 2/12 -, juris).

Mit § 166 Abs. 3 Satz 4 und 5 NKomVG besteht damit für die Region D-Stadt eine Regelung, die mit ihrer Zielrichtung wohl auch dem Beklagten vorschwebte. Wäre § 15 Abs. 4 NFAG a. F. dahingehend zu verstehen, dass eine zusätzliche Belastung auch derjenigen Kommunen möglich ist, die keiner Vereinbarung zur Übernahme von Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe beigetreten sind, so hätte es im Falle der Region D-Stadt keiner umfassenden gesetzlichen Sonderregelung im NKomVG bedurft. Auch wenn der Hinweis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zutrifft, dass es im Falle der Region D-Stadt nicht um Vereinbarungen gegangen sei, hätte es ausgereicht, die Möglichkeit einer gespaltenen Umlage nach § 15 Abs. 4 NFAG auch ohne Vereinbarungen zu eröffnen. Mithin liegt der Umkehrschluss nahe, dass der Landesgesetzgeber in § 15 Abs. 4 NFAG a. F. gerade keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung einer solchen abweichenden Regionsumlage bzw. Kreisumlage gesehen hat. Die Regelung des § 166 Abs. 3 Satz 4 NKomVG weist nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf hin, dass sie abweichend von den Vorschriften des NFAG ergeht; auch dies legt nahe, dass § 15 Abs. 4 NFAG das auch dem Beklagten vorschwebende Modell gerade nicht ermöglichen sollte.

Entgegen der Auffassung des M. handelt es sich mithin auch nicht ausschließlich um formale Bedenken, während die materielle Wirkung der Satzungsregelung der gesetzlich zulässigen Gestaltung entspreche und nur von einer treffenden Formulierung abhinge. Das N. geht bei seiner Sichtweise von der Prämisse aus, dass es sich bei der allgemeinen Aufgabenverteilung i. S. d. § 15 Abs. 4 NFAG a. F. um die gesetzliche Aufgabenverteilung handelt. Selbst wenn diese Prämisse zuträfe, wäre eine Neuberechnung der gesamten Kreisumlage erforderlich, was gerade nicht als marginale Förmelei abgetan werden kann.

3.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob die Festsetzung auch aus anderen Gründen rechtlich zu beanstanden ist; etwa ob und wie die in neuster Zeit vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 8 C 1.12 -; Urt. v. 29.5.2019 - 10 C 6.18 -; Urt. v. 27.9.2021 - 8 C 29.20 -; BVerwG, Urt. v. 29.11.2022 - 8 C 13.21 -, jeweils juris) unter Berücksichtigung des in Niedersachsen normierten Anhörungsgebots in § 15 Abs. 3 Satz 3 NFAG Anwendung finden (hierzu etwa Niedersächsisches OVG, Urt. v. 7.7.2004 - 10 LB 4/02 -, juris; VG Hannover, Urt. v. 13.11.2019 - 1 A 7938/17 - n.v.).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Zwar hat sich die Rechtslage zu § 15 Abs. 4 NFAG mit der derzeit geltenden Fassung zum 13. Oktober 2021 maßgeblich geändert, jedoch sind nach Information der Beteiligten weitere Fälle bekannt und rechtshängig, in denen eine sog. gespaltene Kreisumlage streitgegenständlich ist.