Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 16.05.2023, Az.: 12 B 5410/22

Aufenthaltserlaubnis; Durchführungsbeschluss; Massenzustrom-RL; Sicherung des Lebensunterhalts; Studium; Türkei; Ukraine

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.05.2023
Aktenzeichen
12 B 5410/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 54374
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0516.12B5410.22.00

In der Verwaltungsrechtssache
Herr A.,
A-Straße, A-Stadt
Staatsangehörigkeit: türkisch,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.,
B-Straße, B-Stadt - -
gegen
Region Hannover - Team Zuwanderung -
vertreten durch den Regionspräsidenten,
Maschstraße 17, 30169 Hannover - -
- Antragsgegnerin -
wegen Ausländerrecht
- Antrag nach § 123 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 12. Kammer - am 16.05.2023 durch die Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz, nachdem ihm die Abschiebung angedroht worden ist.

Der Antragsteller ist am 08.08.1988 geboren und türkischer Staatsangehörigkeit. Er studierte in der Vergangenheit in der Ukraine und verfügte dazu über eine am 03.01.2020 ausgestellte und bis zum 08.08.2023 befristete Aufenthaltserlaubnis für die Ukraine. Am 14.04.2022 stellte ihm die türkische Botschaft in Odessa einen vorläufigen Reisepass für die Rückkehr in die Türkei und mit einer Gültigkeit bis zum 13.05.2022 aus.

Der Antragsteller reiste am 15.04.2022 aus der Ukraine kommend in das Bundesgebiet ein und beantragte am 20.04.2022 bei der Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis. Am 22.04.2022 meldete er sich in der Gemeinde D. im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin an.

Mit Schreiben vom 02.08.2022 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er die Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG nicht erfülle und es ihm freistehe, einen Asylantrag zu stellen. Mit einem weiteren Schreiben vom 14.09.2022 führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, sofern der Antragsteller beabsichtige, im Bundesgebiet ein Studium aufzunehmen, benötige er dafür einen gültigen Pass oder Ausweis, eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung und den Nachweis über die Sicherung des Lebensunterhalts (z.B. ein Sperrkonto mit einem Betrag in Höhe von mindestens 10.332,00 Euro).

Bereits am 31.08.2022 hatte die türkische Botschaft in E. dem Antragsteller einen Reisepass mit einer Gültigkeit bis zum 30.08.2032 ausgestellt.

Am 12.10.2022 stellte sich der Antragsteller bei der Gemeinde D. vor und erklärte, keinen Asylantrag stellen zu wollen.

Nach entsprechender Anhörung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 05.12.2022 den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG ab und drohte ihm für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise binnen 30 Tagen die Abschiebung in die Türkei an. Für den Fall der Abschiebung erließ die Antragsgegnerin ein Einreise- und Aufenthaltsverbot und befristete es auf 2 Jahre nach erfolgter Abschiebung. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 AufenthG und den dazu erlassenen Durchführungsbeschlüssen seien nicht erfüllt, da der Antragsteller in der Ukraine nur über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügt und keinen internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen habe. Notwendig wäre für einen Titel nach § 24 Abs. 1 AufenthG ein unbefristeter Aufenthaltstitel für die Ukraine gewesen. Weiterhin sei es dem Antragsteller jederzeit möglich, in sein Heimatland, die Türkei, zurückzukehren. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 07.12.2022 zugestellt.

Der Antragsteller hat am 22.12.2022 Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz begehrt.

Er trägt zunächst vor, es liege ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch vor. Es drohten ihm erhebliche Nachteile, weil die Antragsgegnerin auf dem Standpunkt stehe, dass die Voraussetzungen für seine unverzügliche Aufenthaltsbeendigung gegeben seien. Er habe einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 AufenthG, denn er habe sich bereits seit 2017 rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten, dort Zahnmedizin studiert und sich ein Leben aufgebaut. Er habe in der Ukraine seinen Lebensmittelpunkt gehabt und nicht in der Türkei. In der Türkei habe er kaum noch Verwandte, zu denen Kontakt bestehe. Im Bundesgebiet lebe sein Bruder, der seine einzige Bezugsperson außerhalb der Ukraine sei. In der Türkei könne er weder arbeiten noch weiter studieren. Er wäre dort völlig auf sich gestellt und es drohte ihm Verelendung. In sein Studium habe er viel Geld und Mühe investiert und würde dies schon bald abschließen. Durch eine Rückkehr in die Türkei wäre alles vergeblich gewesen. Er warte darauf, in die Ukraine zurückkehren zu können. Die einstweilige Anordnung könne auch aufgrund einer Folgenabwägung ergehen. Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes sei es, die Schaffung vollendeter Tatsachen vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verhindern. Führe die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen, so dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der einstweilige Rechtsschutz aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten nur dann versagt werden, wenn eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgt sei.

Mit weiterem Schriftsatz trägt der Antragsteller vor, er beabsichtige nun, sein Studium in Deutschland fortzusetzen, weshalb er angefangen habe, Sprachkurse zu besuchen. Eine Rückkehr in die Türkei sei dadurch gänzlich erschwert worden, dass seit dem verheerenden Erdbeben dort katastrophale Verhältnisse herrschten.

Der Antragsteller legt eine Terminbestätigung für eine Einstufung zum Integrationskurs und eine Bescheinigung der (laut google-Übersetzung) Internationalen Universität der Geisteswissenschaften in Odessa vom 09.04.2019 in türkischer Sprache vor.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Duldung für sechs Monate ohne Nebenbestimmungen zu erteilen.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Sie trägt ergänzend vor, dass die vom Antragsteller vorgetragenen Einwendungen weder zielstaats- noch inlandsbezogene Abschiebungsverbote rechtfertigen würden. Von dem Erdbeben in der Türkei sei nicht das gesamte Staatsgebiet betroffen, so dass eine Rückkehr in die Türkei weiterhin möglich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.

Prozesskostenhilfe erhält gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Antragsteller hat entgegen § 117 Abs. 2 und 5 ZPO seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe weder unter Verwendung des für den Antrag eingeführten Formulars gestellt noch sonst eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben und entsprechend belegt. Das Gericht hatte allerdings auch keinen Anlass, auf die Unvollständigkeit des Antrags hinzuweisen, da dem beabsichtigten Eilrechtsschutz aus den nachfolgenden Gründen die notwendigen Erfolgsaussichten fehlen.

Der Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ist bereits unzulässig gemäß § 123 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller hätte zulässigerweise auch insoweit einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO stellen müssen, als die Antragsgegnerin mit der angefochtenen Verfügung vom 05.12.2022 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG i.V.m. dem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 04.03.2022 abgelehnt hat.

Wendet sich ein Ausländer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, so ist das Begehren zwar nur dann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilen, wenn der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu einem vorläufigen Bleibe- oder Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder einer fiktiven Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 4 AufenthG geführt hat. Erschöpft sich die Entscheidung der Ausländerbehörde dagegen in der bloßen Versagung einer Begünstigung, weil die genannte Fiktionswirkung nicht eingetreten ist, ist vorläufiger Rechtsschutz allein im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erlangen.

Ein derartiges fiktives Aufenthaltsrecht ergibt sich für den Antragsteller allerdings aus § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Denn sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 20.04.2022 hat die Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelöst, da er sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung zur vorübergehenden Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels von anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereisten Personen (Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung) vom 07.03.2022, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28.11.2022, rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Nach § 2 Abs. 1 der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung ist ein Ausländer, der sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten hat und bis zum 31.05.2023 in das Bundesgebiet eingereist ist, für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Danach war auch der Antragsteller bei seiner Antragstellung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, denn er hatte sich bis zu seiner Einreise in das Bundesgebiet rechtmäßig zum Studium in der Ukraine aufgehalten, war am 15.04.2022 in das Bundesgebiet eingereist und hatte auch innerhalb der Frist von 90 Tagen seinen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gestellt.

Das Gericht hat jedoch davon abgesehen, auf einen zulässigen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinzuwirken, da ein solcher Antrag unbegründet gewesen wäre.

Das gesetzlich intendierte öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides vom 05.12.2022 (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) hätte das Suspensivinteresse des Antragstellers an einem vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet überwogen, denn die Ablehnung der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis, die Androhung der Abschiebung des Antragstellers sowie das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot erweisen sich im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

Ein Anspruch des Antragstellers auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG besteht nicht.

Nach § 24 Abs. 1 AufenthG wird einem Ausländer, dem auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, für die nach den Artikeln 4 und 6 der Richtlinie bemessene Dauer des vorübergehenden Schutzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Am 03.03.2022 entschieden die EU-Innenminister, erstmals die Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG vom 20.07.2001 (Massenzustrom-RL) anzuwenden und Geflüchtete aufzunehmen, die vor dem am 24.02.2022 begonnenen Angriff Russlands auf die Ukraine geflohen sind. Der entsprechende Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 04.03.2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71/1 vom 04.03.2022) regelt die Einzelheiten. Insbesondere sieht er die Aufnahme nicht nur von Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und deren Familienangehörigen vor, sondern auch von Staatenlosen bzw. Drittstaatsangehörigen, die in der Ukraine internationalen oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen oder sich aus anderen Gründen rechtmäßig dort aufgehalten haben, wie beispielsweise Studierende (vgl. zu Ukraine-Flüchtlingen OVG Berlin-Brandenbg., Beschl. vom 23.03.2023 - 11 S 8/23 -, juris; VG Frankfurt, Beschl. vom 16.01.2023 - 3 L 376/22 -, juris; VG Darmstadt, Beschl. vom 10.02.2023 - 5 L 89/23.DA -, juris; VG Dresden, Beschl. vom 03.11.2022 - 3 L 644/22 -, juris).

Der Antragsteller ist jedoch keine anspruchsberechtigte Person. Als anspruchsberechtigte Personen gelten nach Art. 2 Abs. 1 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24.02.2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten (Buchst. a), Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24.02.2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben (Buchst. b), und Familienangehörige der unter den Buchstaben a) und b) genannten Personen (Buchst. c).

Der Antragsteller ist kein ukrainischer Staatsangehöriger und hat auch keine ukrainischen Familienangehörigen. Er hat als türkischer Staatsangehöriger auch keinen internationalen oder gleichwertigen nationalen Schutz in der Ukraine genossen, da er sich in der Ukraine zu Studienzwecken aufgehalten hat.

Der Antragsteller ist auch keine anspruchsberechtigte Person im Sinne des Art. 2 Abs. 2 des Durchführungsbeschlusses. Danach sind auch Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine anspruchsberechtigt, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24.02.2022 auf der Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten gültigen unbefristeten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben, und die nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren. Der Antragsteller war jedoch nicht im Besitz eines unbefristeten ukrainischen Aufenthaltstitels, sondern lediglich einer bis zum 08.08.2023 befristeten Aufenthaltserlaubnis.

Der Antragsteller ist auch keine anspruchsberechtigte Person im Sinne des Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses. Denn der Ratsbeschluss begünstigt drittstaatsangehörige Ausländer mit einem befristeten Aufenthaltsrecht in der Ukraine in Art. 2 Abs. 3 nicht unmittelbar. Der Ratsbeschluss sieht lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 Abs. 1 der Massenzustrom-RL den Beschluss vom 04.03.2022 auch auf andere Personen, insbesondere Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine anwenden können, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können. Ob eine solche nationale Erweiterung des begünstigten Personenkreises eine gesetzliche Regelung erfordert oder eine im Benehmen mit den obersten Landesbehörden getroffene und als Verwaltungsvorschrift wirkende Anordnung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat ausreicht (so VG Darmstadt, Beschl. vom 10.02.2023 - 5 L 89/23.DA -, juris) oder das Länderrundschreiben des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat vom 05.09.2022 in der Fassung vom 20.09.2022 und in Verbindung mit den Erlassen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 25.04.2022 und 27.12.2022 die Voraussetzungen erfüllt (zum Länderrundschreiben bejahend VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 26.10.2022 - 11 S 1467/22 -, juris Rn. 26), kann im Falle des Antragstellers allerdings dahinstehen, da der Antragsteller sicher und dauerhaft in sein Heimatland Türkei zurückkehren kann.

Der Begriff der sicheren und dauerhaften Rückkehr in das Herkunftsland oder die Herkunftsregion ist weder in der Massenzustrom-RL noch im Durchführungsbeschluss definiert. Anhaltspunkte dafür, was unter einer sicheren und dauerhaften Rückkehr in diesem Sinne zu verstehen ist, lassen sich allerdings der Mitteilung der Kommission der Europäischen Union zu operativen Leitlinien für die Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates vom 21.03.2022 (ABl. C 126 I, S. 1) entnehmen. Die Kommission verweist auf Art. 2 Buchst. c) der Massenzustrom-RL und führt an, eine unmögliche "sichere Rückkehr" könne beispielsweise aus dem offensichtlichen Risiko für die Sicherheit der betroffenen Person, aus bewaffneten Konflikten oder dauernder Gewalt, dokumentierten Gefahren der Verfolgung oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung resultieren. In Anbetracht von Art. 6 Abs. 2 der Massenzustrom-RL sollte die betreffende Person für eine "dauerhafte" Rückkehr aktive Rechte in ihrem Herkunftsland oder ihrer Herkunftsregion in Anspruch nehmen können, damit sie Perspektiven für die Deckung ihrer Grundbedürfnisse und die Möglichkeit der Reintegration in die Gesellschaft hat (ABl. C 126 I, S. 4). Das Bundesministerium des Innern und für Heimat verweist (Länderrundschreiben vom 05.09.2022 in der Fassung vom 20.09.2022, S. 8) hinsichtlich des anzuwendenden Maßstabs bei der Prüfung der sicheren und dauerhaften Rückkehr auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 26.10.2022 - 11 S 1467/22 -, juris Rn. 30; VG Darmstadt, Beschl. vom 10.02.2023 - 5 L 89/23.DA -, juris Rn. 27).

Die ausgeführten Maßstäbe sind nicht weiter zu vertiefen, denn der Antragsteller hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass er nicht sicher und dauerhaft in die Türkei zurückkehren kann. Er hat mit Blick auf eine Rückkehr in die Türkei lediglich vorgetragen, dass er zuletzt in der Ukraine und nicht in der Türkei seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe und in der Türkei kaum noch Verwandte habe, zu denen Kontakt bestehe. Er könne in der Türkei weder arbeiten noch weiter studieren, wäre völlig auf sich gestellt und es drohe ihm Verelendung. In sein Studium habe er viel Geld und Mühe investiert und würde dies schon bald abschließen, doch durch eine Rückkehr in die Türkei wäre alles vergeblich gewesen. Nunmehr sei eine Rückkehr in die Türkei noch dadurch erschwert, dass seit dem verheerenden Erdbeben dort katastrophale Verhältnisse herrschten.

Allein der Umstand, dass der Antragsteller keine Möglichkeit sieht, in der Türkei sein Studium abzuschließen, reicht ersichtlich nicht für die Annahme aus, dass er - im Sinne eines oben beschriebenen zielstaatsbezogenen Rückkehrhindernisses - nicht sicher und dauerhaft dorthin wird zurückkehren können. Eine berufliche Perspektive, welche an das Studium in der Ukraine anknüpft, muss dem Antragsteller nicht geboten werden, solange für ihn in seinem Heimatland die Möglichkeit besteht, seine Grundbedürfnisse zu sichern. Dafür, dass dem Antragsteller dies in der Türkei nicht gelingen wird, ist auch unter Berücksichtigung des Erdbebens in Teilen der Türkei nichts ersichtlich. Der Antragsteller ist nicht gezwungen, sich in den vom Erdbeben betroffenen Teilen der Türkei niederzulassen. Er ist jung und arbeitsfähig und mit seinen Kenntnissen aus dem Studium in der Ukraine für Beschäftigungen im medizinischen Bereich - mit Ausnahme solcher als Arzt - qualifiziert. Auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 03.06.2021 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: April 2021) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass dem Antragsteller eine sichere und dauerhafte Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich sein wird.

Auch ein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16b Abs. 1 AufenthG besteht für den Antragsteller nicht.

Nach § 16b Abs. 1 AufenthG wird einem Ausländer zum Zwecke des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er von der Bildungseinrichtung zugelassen worden ist. Der Aufenthaltszweck des Studiums umfasst auch studienvorbereitende Maßnahmen und das Absolvieren eines Pflichtpraktikums. Studienvorbereitende Maßnahmen sind (1.) der Besuch eines studienvorbereitenden Sprachkurses, wenn der Ausländer zu einem Vollzeitstudium zugelassen worden ist und die Zulassung an den Besuch eines studienvorbereitenden Sprachkurses gebunden ist, und (2.) der Besuch eines Studienkollegs oder einer vergleichbaren Einrichtung, wenn die Annahme zu einem Studienkolleg oder einer vergleichbaren Einrichtung nachgewiesen ist.

Danach scheitert ein Anspruch des Antragstellers bereits an seiner fehlenden Zulassung zum Studium. Der Antragsteller hat bisher nur vorgetragen, sein Studium im Bundesgebiet fortsetzen zu wollen, ist aber offenbar bisher noch nicht von einer Hochschule oder vergleichbaren Bildungseinrichtung zugelassen worden.

Auch ein Anspruch des Antragstellers aus § 16b Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor. Dabei scheitert ein Anspruch nach § 16b Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) AufenthG wiederum daran, dass der Antragsteller bisher nicht zu einem Vollzeit- oder Teilzeitstudium zugelassen worden ist. Aber auch ein Anspruch nach § 16b Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist zu verneinen. Danach kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er zur Teilnahme an einem studienvorbereitenden Sprachkurs angenommen worden ist, ohne dass eine Zulassung zum Zweck eines Studiums an einer staatlichen Hochschule, einer staatlich anerkannten Hochschule oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung vorliegt. Der Antragsteller ist bisher nicht zur Teilnahme an einem studienvorbereitenden Sprachkurs angenommen worden. Er hat lediglich vorgetragen, er habe angefangen, Sprachkurse zu besuchen. Die von ihm vorgelegte Terminbestätigung für eine Einstufung zum Integrationskurs weist weder eine Teilnahme an einem Sprachkurs nach noch einen Bezug zu einem Studium.

Darüber hinaus setzt jede Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 5 AufenthG voraus, dass der Lebensunterhalt zumindest in Höhe des monatlichen Bedarfs, der sich nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bestimmt, gesichert ist. Die Sicherung seines Lebensunterhalts hat der Antragsteller aber bis heute nicht belegt, obwohl er auf deren Notwendigkeit von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.09.2022 bereits hingewiesen worden war.

Die Abschiebungsandrohung ist offensichtlich rechtmäßig, denn sie erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen der § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, 50 Abs. 1 AufenthG. Der Antragsteller ist nach der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und der ihm gewährten Ausreisefrist von 30 Tagen vollziehbar ausreisepflichtig.

Auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot, das die Antragsgegnerin für den Fall einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung erlassen und auf zwei Jahre nach erfolgter Abschiebung befristet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Es stützt sich auf § 11 Absätze 1, 2 und 3 AufenthG. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen erkannt und es fehlerfrei ausgeübt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den Nrn. 8.1 und 1.5 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.