Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.05.2013, Az.: 2 W 107/13

Gerichtsgebührenfreiheit eines Zweckverbandes für Abfallwirtschaft in Niedersachsen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.05.2013
Aktenzeichen
2 W 107/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 37317
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0521.2W107.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 31.05.2011

Fundstellen

  • AbfallR 2013, 192
  • Gemeindehaushalt 2013, 186
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 868-869

Amtlicher Leitsatz

Ein Zweckverband Abfallwirtschaft, dessen Mitglieder eine Stadt und ein Landkreis sind, ist in Niedersachsen von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreit, soweit er innerhalb seiner satzungsgemäßen Aufgaben tätig wird.

Tenor:

Die Beschwerde der L. vom 6. Juni 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 31. Mai 2011, durch den der Kostenansatz in der Kostenrechnung des Amtsgerichts Celle vom 16. April 2010 auf die Erinnerung des Kostenschuldners aufgehoben worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Kostenschuldner ist ein Zweckverband im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 7 ff. des Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (NKomZG). Verbandsmitglieder sind der L. und die Stadt C. Gemäß § 4 Abs. 1 der Verbandsordnung nimmt der Kostenschuldner für die Verbandsmitglieder unter anderem die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger war. Dazu gehören das Einsammeln und Befördern sowie die Verwertung und Entsorgung des im Verbandsgebiet anfallenden Abfalls. Gemäß § 16 Abs. 1 der Verbandsordnung arbeitet der Kostenschuldner auf Dauer mindestens kostendeckend.

Am 14. April 2010 beantragte der Kostenschuldner, der auch Vollstreckungsbehörde gemäß § 6 Abs. 2 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ist, bei dem Amtsgericht Celle die Eintragung einer Sicherungshypothek wegen rückständiger Abfallentsorgungsgebühren für ein im Verbandsgebiet belegenes Wohngrundstück und Nebenforderungen in Höhe von 1.636,97 €. Mit Kostenrechnung vom 16. April 2010 setzte der Kostenbeamte des Amtsgerichts für die Eintragung eine Gebühr gemäß §§ 32, 23, 62 Abs. 1 KostO in Höhe von 18,00 € an. Hiergegen erhob der Kostenschuldner mit Schriftsatz vom 22. April 2010 Einwendungen, die der Rechtspfleger des Amtsgerichts als Erinnerung gemäß § 14 Abs. 2 KostO behandelte und durch Beschluss vom 29. September 2010 zunächst zurückwies. Gegen diese Entscheidung, die ihm am 4. Oktober 2010 zugestellt wurde, legte der Kostenschuldner mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010 Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG ein.

Mit Beschluss vom 31. Mai 2011 (die bei den Akten befindliche Leseabschrift datiert auf den 1. Juni 2011) hob der Rechtspfleger des Amtsgerichts den Beschluss vom 29. September 2010 sowie die Kostenrechnung vom 16. April 2010 auf. Er führte aus, der Kostenschuldner sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit (GGebBefrG) gebührenbefreit. Der Kostenschuldner sei ein kommunaler Zusammenschluss des öffentlichen Rechts. Eine Gewinnorientierung sei nicht ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die L. mit ihrer Beschwerde vom 6. Juni 2011. Sie vertritt unter Hinweis auf zu § 144 KostO ergangene Rechtsprechung und Literatur die Ansicht, bei dem Kostenschuldner handele es sich um ein wirtschaftliches Unternehmen; dies stehe einer Gebührenbefreiung entgegen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die von dem Amtsgericht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kostenschuldner gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG gebührenbefreit ist.

1. Eine Befreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GGebBefrG setzt voraus, dass es sich bei dem Kostenschuldner um einen kommunalen Zusammenschluss des öffentlichen Rechts handelt. Hiervon sind sowohl das Amtsgericht als auch die L. zu Recht ausgegangen.

Der Begriff des kommunalen Zusammenschlusses des öffentlichen Rechts ist gesetzlich nicht definiert. Dem Wortlaut nach sind jedenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts erfasst, in denen sich Kommunen zu irgendeinem Zweck zusammengeschlossen haben. Dies trifft auf einen Zweckverband im Sinne von § 7 Abs. 1 NKomZG, der gemäß § 8 Abs. 1 NKomZG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, jedenfalls dann zu, wenn seine Mitglieder - wie hier - Kommunen, nämlich ein Landkreis und eine Stadt, sind.

2. Ausgeschlossen ist die Gebührenbefreiung allerdings, soweit die Angelegenheit ein wirtschaftliches Unternehmen der Kommune bzw. des kommunalen Zusammenschlusses betrifft. Dies ist hier jedoch - entgegen der Ansicht der L. - nicht der Fall.

a) Der Begriff des wirtschaftlichen Unternehmens im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 KostO ist in Anlehnung an die entsprechende Begriffsbildung des Kommunalrechts auszulegen (OLG Hamm JurBüro 1999, 95; OLG Zweibrücken NVwZ-RR 2010, 543 [OLG Zweibrücken 16.03.2010 - 4 W 48/09]; Hartmann, Kostengesetze, 41. Auflage, § 144 KostO Rn. 4; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann/Schwarz, KostO, § 144 Rn. 13 f.). Nichts anderes kann für § 1 Abs. 1 GGebBefrG gelten, der von seinem Regelungsgehalt her § 144 Abs. 1 Satz 1 KostO vergleichbar ist. Herkömmlich wird unter einem wirtschaftlichen Unternehmen diejenige Tätigkeit verstanden, die auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung vorgenommen werden kann (OLG Hamm aaO.; OLG Zweibrücken aaO.; Hartmann aaO.; Korintenberg/Lappe/Engel/Reimann/Schwarz aaO.; Thiele, NGO, 8. Auflage, § 108 Anm. 1). Zu unterscheiden von diesen Unternehmen sind die Einrichtungen, derer sich die Kommune zur Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge bedient (Thiele, NGO, § 108 Anm. 3). Die entsprechenden Regelungen finden sich (nach der vorliegend maßgeblichen Rechtslage im April 2010) in § 108 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO). § 108 NGO unterscheidet zwischen Unternehmen (§ 108 Abs. 1, Abs. 2 NGO) und Einrichtungen, bei denen es sich nicht um Unternehmen in diesem Sinne handelt (§ 108 Abs. 3, Abs. 4 NGO). Zwar ist die Abfallbeseitigung in § 108 Abs. 3 NGO nicht ausdrücklich genannt; Abfallbeseitigung ist jedoch ein Aspekt des in § 108 Abs. 3 Nr. 2 NGO aufgeführten Umweltschutzes. Im Übrigen folgt aus § 108 Abs. 4 NGO, der unter anderem für Einrichtungen der Abfallentsorgung eine § 108 Abs. 3 NGO ergänzende Regelung trifft, dass die Abfallbeseitigung per se nicht zu den wirtschaftlichen Unternehmen im Sinne von § 108 Abs. 1 NGO gehört. Denn unterfiele die Abfallbeseitigung nicht § 108 Abs. 3 NGO, wäre die diesbezügliche Regelung in § 108 Abs. 4 NGO überflüssig.

Aus dem Beschluss des OLG Koblenz vom 29. Januar 2004 - 14 W 61/04 ([...]) ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das OLG Koblenz in dieser Entscheidung einem kommunalen Zweckverband zur Abfallentsorgung die Gebührenfreiheit versagt. Das ist allerdings mit der Begründung geschehen, der Zweckverband sei im konkreten Fall außerhalb seiner satzungsgemäßen Aufgaben tätig gewesen. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass auch das OLG Koblenz grundsätzlich die Abfallbeseitigung nicht als wirtschaftliches Unternehmen angesehen hat. Vorliegend geht es um eine Tätigkeit des Kostenschuldners im Rahmen seiner satzungsgemäßen Aufgaben, nämlich die Beitreibung von Abfallentsorgungsgebühren für ein im Verbandsgebiet belegenes Grundstück.

b) Abweichend von dem kommunalrechtlichen Verständnis soll ein wirtschaftliches Unternehmen im Sinne des Kostenrechts allerdings auch dann vorliegen, wenn die betreffende Einrichtung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, also mit Gewinnerzielungsabsicht und privatwirtschaftlichem Management, geführt wird und betriebswirtschaftliche Gründe des Geschäfts die Belange der Daseinsvorsorge überwiegen (OLG Naumburg JurBüro 2008, 155; OLG Zweibrücken aaO.; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann/Schwarz, § 144 Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen ebenfalls nicht vor.

Eine Gewinnerzielungsabsicht lässt sich der Verbandsordnung des Kostenschuldners nicht entnehmen. Zwar weist die L. zutreffend darauf hin, dass die Formulierung in § 16 Abs. 1 der Verbandsordnung, der Zweckverband arbeite auf Dauer mindestens kostendeckend, eine Gewinnerzielung nicht ausschließt. Jedoch enthält die Verbandsordnung keine Regelungen dazu, was mit etwaigen Gewinnen zu geschehen habe. Insbesondere ist eine Ausschüttung etwaiger Gewinne an Verbandsmitglieder nicht vorgesehen. Ohne eine Regelung der Gewinnverwendung wäre die Erwirtschaftung von Gewinnen als Ziel sinnlos.

Soweit das OLG Naumburg (aaO.) darauf abgestellt hat, dass nach dem Landesrecht Sachsen-Anhalt für einen Zweckverband, der der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung oder Abfallentsorgung diene, die Vorschriften für die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen der Eigenbetriebe entsprechend gelten, enthält das niedersächsische Recht eine solche Regelung nicht. Vielmehr sind gemäß § 16 Abs. 2 NKomZG auf die Wirtschafts- und Haushaltsführung des Zweckverbandes die für die Kommunen geltenden Rechtsvorschriften über die Kommunalwirtschaft entsprechend anzuwenden. Im Übrigen betraf die Entscheidung des OLG Naumburg nicht die allgemeine Tätigkeit eines Abwasserzweckverbandes im Rahmen seiner satzungsgemäßen Aufgaben, sondern die Eingliederung des Vermögens eines Abwasserzweckverbandes in einen anderen Abwasserzweckverband.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass betriebswirtschaftliche Gründe vorliegend die Belange der Daseinsvorsorge überwiegen. Vielmehr ist der Kostenschuldner gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 des Niedersächsischen Abfallgesetzes in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Verbandsordnung öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Sinne von § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG. Die Abfallentsorgung als Teil der Daseinsvorsorge ist damit gerade seine zentrale Aufgabe.

III.

Die Kostenregelung folgt aus § 14 Abs. 9 KostO.

IV.

Soweit die L. beantragt hat, die weitere Beschwerde zuzulassen, gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage. Die weitere Beschwerde kann gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KostO nur zugelassen werden, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt, § 14 Abs. 4 Satz 3 KostO.