Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 29.09.2004, Az.: 6 A 418/02

Abschiebungshindernis; Abschiebungsschutz; Albaner; allgemeine Lage; Ausländerbehörde; Behandelbarkeit; Behandlung; Beweiserhebung; Cystinurie; Deutsche Botschaft; Erkrankung; Finanzierbarkeit; Gesundheit; Gesundheitssystem; Gesundheitszustand; Jugoslawien; Kosten; Kostenübernahme; Krankheit; Medikament; Medikamentenkosten; Medizin; Nieren; Nierenleiden; Nierenstein; Serbien; Serbien und Montenegro; Serbien-Montenegro; Südserbien; Zielstaatsbezogenheit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
29.09.2004
Aktenzeichen
6 A 418/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Erklärung der Ausländerbehörde, die Kosten der von dem Ausländer benötigten und im Heimatland nicht verfügbaren Medikamente zu übernehmen, der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG entgegensteht.

2. Albanische Volkszugehörige aus Südserbien können aus der allgemeinen Lage in Serbien und Montenegro weiterhin keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG herleiten.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben serbisch-montenegrinische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit aus Südserbien. Sie begehrt von der Beklagten, ihr Abschiebungsschutz zu gewähren.

2

Die im August 1987 in {B.} geborene Klägerin reiste nach ihren Angaben im Jahre 1999 mit ihrer Mutter und Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Ihr bereits im Jahre 1998 eingereister Vater, ihre Mutter und die Geschwister betrieben erfolglos Asylverfahren im Bundesgebiet.

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Ein im Jahre 1999 für die Klägerin eingeleitetes Asylverfahren hatte keinen Erfolg (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 24.07.2000 - 7 A 438/99 -). Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. August 2001 beantragte sie erneut beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG. Die Klägerin machte geltend, sie leide unter Nierensteinen und könne derzeit in ihrer Heimat nicht leidensgerecht behandelt werden. Dazu legte sie verschiedene Bescheinigungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie ein Attest des Allgemeinmediziners J. {C.} aus Hohenhameln vom 21. August 2001 vor, wonach die Klägerin sich in ständiger Behandlung der MHH befindet, das Medikament Uralyt einnimmt und weiterhin fachurologisch untersucht werden muss. Auf Anforderung der Beklagten reichte die Klägerin eine ergänzende Bescheinigung der MHH vom 10. April 2002 ein, in der es heißt, die Klägerin leide unter einer Cystinurie und sei nunmehr steinfrei; zur Behandlung erforderlich sei eine ausreichende Trinkmenge und eine Alkalisierung des Urins; ohne eine strikte fachurologische Kontrolle könne das Leiden zum Verlust der Nieren und nachfolgender Dialysepflicht führen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheinigung verwiesen (Bl. 36 f. Beiakte A).

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Mit Bescheid vom 11. Juni 2002 lehnte die Beklagte es ab, unter Abänderung ihrer früheren Entscheidung Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG zu gewähren. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die in der letzten Bescheinigung der MHH für erforderlich gehaltene Behandlung in Serbien und Montenegro nicht sichergestellt sei.

5

Am 18. Juni 2002 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, weil sie albanischer Volkszugehörigkeit sei, sei nicht gewährleistet, dass man sie in Serbien tatsächlich leidensgerecht behandele. Ihre Eltern könnten die Behandlung in Serbien nicht finanzieren.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Juni 2002 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG gegeben sind.

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Soweit sie ursprünglich auch die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG beantragt hat, hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.

9

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sie sich auf den angegriffenen Bescheid.

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Das Gericht hat die Eltern der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2003 und im Erörterungstermin vom 23. September 2004 informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen (Bl. 51 ff. und 139 f. der Gerichtsakte).

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Auf Anforderung des Gerichts hat die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung ergänzende Bescheinigungen des behandelnden Facharztes für Urologie, Dr. {D.} aus Peine, vom 19. Januar 2004 zur erforderlichen Behandlung und Medikation sowie der MHH vom 26. Januar 2004 zu der Frage, was genau unter einer strikten fachurologischen Kontrolle zu verstehen sei, vorgelegt. Wegen der Einzelheiten der ärztlichen Stellungnahmen wird auf diese Bezug genommen (Bl. 78, 80 f. der Gerichtsakte). Außerdem hat das Gericht eine Auskunft der Deutschen Botschaft in Belgrad zur Frage der Behandelbarkeit der Erkrankung in Serbien eingeholt. Die Botschaft hat dazu unter dem 27. Mai 2004 die Stellungnahme eines Vertrauensarztes vom 16. Mai 2004 vorgelegt, in der es unter anderem heißt, das Medikament Uralyt-U und das in Betracht kommende Ersatzmedikament seien in den Apotheken in Serbien und Montenegro nicht erhältlich, sondern müssten auf Kosten des Patienten im Ausland besorgt werden. Wegen der weiteren Angaben des Vertrauensarztes wird auf die Auskunft verwiesen (Bl. 90 f. der Gerichtsakte). Daraufhin hat der Landkreis Peine als zuständige Ausländerbehörde auf Anregung der Beklagten unter dem 21. September 2004 (hinsichtlich des Rückkehrgebietes korrigiert unter dem 24. September 2004) schriftlich erklärt, im Falle einer Rückkehr der Klägerin nach Serbien und Montenegro werde er die Anschaffungskosten für die in den ersten zwei Jahren nach der Rückkehr erforderliche Menge des Medikaments Uralyt-U übernehmen. Auf die Erklärungen des Landkreises sowie seinen Vermerk vom 16. September 2004 über die bei der „Glückauf Apotheke“ Peine/Ilsede eingeholten Informationen wird Bezug genommen (Bl. 121, 134 und 142 der Gerichtsakte).

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu den Verfahren der Klägerin, ihrer Eltern und Geschwister verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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II. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Hat das Bundesamt die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG in einem früheren Verfahren abgelehnt, so darf es ein neues Verfahren dazu grundsätzlich nur dann durchführen und die frühere Entscheidung abändern, wenn die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach dem insoweit unmittelbar anzuwendenden § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG erfüllt sind. Darüber hinaus darf das Bundesamt das Verfahren nach Ermessen - d. h. unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 VwVfG - wiederaufgreifen und feststellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nunmehr gegeben sind. Nach diesen Maßstäben hat das Bundesamt es zu Recht abgelehnt, Abschiebungsschutz zu gewähren.

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1. Die Klägerin hat weiterhin keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG.

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Ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) setzt die konkrete und dem Ausländer landesweit drohende Gefahr menschenrechtswidriger staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Maßnahmen voraus (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 15.04.1997, BVerwGE 104, 265, 267 ff.; Beschl. vom 18.07.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46). Es gibt weiter keine Anhaltspunkte dafür, dass die aus Südserbien stammenden albanischen Volkszugehörigen bei einer Rückkehr nach Serbien und Montenegro einer solchen Gefahrenlage ausgesetzt sind. Diese Personengruppe unterliegt in Serbien und Montenegro allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keiner unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgung (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 05.05.2004 - 6 A 234/03 -, vom 10.09.2003 - 6 A 287/03 - und vom 28.05.2003 - 6 A 693/02 -, Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt durch Nds. OVG, Beschl. vom 23.07.2003 - 13 L 287/03 - ; s. allg. auch BVerfG, Beschl. vom 20.12.2001 - 2 BvR 249/98 -). Serbien und Montenegro steht unter ständiger Beobachtung internationaler Organisationen. Diese haben auch in der Region Südserbien bislang nur vereinzeltes Fehlverhalten von Polizisten gegenüber Zivilpersonen festgestellt. Es liegen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die serbische Polizei in Südserbien ohne konkrete Verdachtsmomente gegen ethnische Albaner wegen (angeblicher) Unterstützung der militanten albanischen Extremisten vorgeht. Dies trifft auch für ethnische Albaner zu, die aus dem Ausland nach Südserbien zurückkehren (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16.10.2002 und 28.07.2003 sowie Auskünfte vom 28.03.2002 an das VG München, vom 31.05.2002 an das VG Kassel und vom 16.10.2002 an das VG Frankfurt a.M.; Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft vom 13.06.2001 an das VG Köln). Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist nicht ersichtlich, dass sich das Vorgehen der Sicherheitskräfte aufgrund der jüngsten Entwicklungen in Südserbien, wo es seit Februar 2003 wieder zu Gewaltakten albanischer Extremisten gekommen ist, entscheidend geändert hat. Zwar berichtet amnesty international weiterhin von (vereinzelten) Übergriffen auf ethnische Albaner; das Auswärtige Amt kann jedoch lediglich bestätigen, dass es bei Hausdurchsuchungen zu Diebstählen gekommen ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 24.02.2004 und vom 28.07.2003). Danach ist davon auszugehen, dass es sich bei dem festgestellten Fehlverhalten serbischer Polizisten um das rechtswidrige Handeln einzelner Amtswalter handelt, das über das im Regelfall vom Staat Serbien und Montenegro hingenommene, geduldete oder strukturell begünstigte Verhalten hinausgeht und diesem folglich nicht zugerechnet werden kann (sog. Amtswalterexzesse). Unabhängig davon fehlt es angesichts der vereinzelt gebliebenen und auf einen Teil des serbischen Staatsgebietes beschränkten Vorfälle an der für ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK erforderlichen konkreten und landesweiten Gefährdung.

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2. Die Klägerin hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Gegenwärtig ist nicht ersichtlich, dass die dafür erforderliche erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Klägerin bei einer Rückkehr nach Serbien und Montenegro gegeben wäre.

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a) Für die Bevölkerungsgruppe der albanischen Volkszugehörigen aus Südserbien sind die Voraussetzungen, unter denen wegen erheblicher allgemeiner Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG von der Abschiebung abgesehen werden kann, nicht erfüllt (vgl. VG Braunschweig und Nds. OVG, jeweils aaO.; s. auch BVerwG, Urt. vom 12.07.2001, BVerwGE 114, 379 ff.). Wegen allgemeiner Gefahren für eine Bevölkerungsgruppe kann das Bundesamt grundsätzlich nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG verpflichtet werden. Vielmehr sieht das Gesetz in diesen Fällen vor, dass die obersten Landesbehörden die politische Leitentscheidung zu treffen haben, ob die Abschiebung ausgesetzt werden soll (vgl. § 54 AuslG i.V.m. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wegen der allgemeinen Gefahrenlage kommt ausnahmsweise allein dann in Betracht, wenn die Angehörigen der fraglichen Bevölkerungsgruppe nicht anderweitig geschützt sind und wenn sie im Falle der Abschiebung in ihre Heimat auf Grund einer dort bestehenden extremen Gefahrenlage gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würden. Unter diesen Voraussetzungen muss die Abschiebung nach § 53 Abs. 6 AuslG ausgesetzt werden, um den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz sicherzustellen. Dies ist gegenwärtig für albanische Volkszugehörige aus Südserbien nicht der Fall. Den aktuellen Auskünften lassen sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass jeder Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe in Serbien und Montenegro gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004 und die übrigen bereits zitierten Erkenntnismittel).

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b) Auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG aus individuellen Gründen sind nicht erfüllt. Insbesondere kann die Klägerin nicht verlangen, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen Abschiebungsschutz gewährt wird.

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Grundsätzlich kann auch die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wegen einer dort nur unzureichend möglichen Behandlung verschlechtert, einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Dies setzt jedoch voraus, dass die dem Ausländer deswegen drohende Gefahr erheblich ist, sein Gesundheitszustand sich in seiner Heimat also wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was dann der Fall ist, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde, weil der Erkrankte auf eine adäquate Behandlung seiner Leiden angewiesen und diese dort nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383, 387). Gegenwärtig ist nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

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aa) Aus der von der Deutschen Botschaft in Belgrad vorgelegten vertrauensärztlichen Stellungnahme ergibt sich zwar, dass das zur Behandlung der Klägerin erforderliche Medikament Uralyt-U in den Apotheken Serbien und Montenegros nicht erhältlich ist. Eine konkrete und erhebliche Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin lässt sich daraus gegenwärtig aber nicht herleiten, weil die Ausländerbehörde eine Kostenübernahmeerklärung vorgelegt hat.

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Grundsätzlich kann die Ausländerbehörde durch eine Kostenübernahmeerklärung, mit der die Finanzierung der individuell erforderlichen Medikation im Heimatland des Ausländers für einen längeren Zeitraum sichergestellt werden soll, verhindern, dass für den erkrankten Ausländer bei seiner Rückkehr in die Heimat wegen der dort nur unzureichenden medizinischen Versorgung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben entsteht. Ein Anspruch auf Abschiebungsschutz besteht jedoch weiterhin, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers trotz der behördlichen Erklärung alsbald nach seiner Rückkehr in das Heimatland verschlechtern wird.

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Danach steht eine Zusage der Ausländerbehörde über Hilfestellungen bei der Medikamentenversorgung der Gewährung von Abschiebungsschutz nur dann entgegen, wenn sich die Behörde mit der Erklärung konkret zu geeigneten, d.h. erfolgversprechenden Maßnahmen verpflichtet. Geeignet sind die Maßnahmen nur, wenn sie den wegen der unzureichenden medizinischen Versorgung im Heimatland des Ausländers zum Tod oder zu schwersten Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit führenden Kausalverlauf unterbrechen können und wenn durch sie für einen beträchtlichen und angemessenen Zeitraum nach der Rückkehr die erforderliche Medikamentenversorgung im Heimatland unter Berücksichtigung der grundsätzlich zumutbaren Mitwirkung des Ausländers sichergestellt ist. Eine Maßnahme ist insbesondere nicht geeignet, wenn dem Zugriff des Patienten auf die Medikamente in dem von der Verpflichtungserklärung der Behörde umfassten Zeitraum Hindernisse entgegenstehen, die ihm nicht zuzurechnen sind (wie z. B. Einfuhrbeschränkungen, ein absehbares, zum Verlust der Medikamente führendes Fehlverhalten von Grenzbeamten oder die beschränkte Haltbarkeit des Medikaments; vgl. Bayerischer VGH, Beschl. vom 14.02.2002 - 24 CS01.2174 -; VG Braunschweig, Urt. vom 30.06.2003 - 8 A 43/02 - und vom 21.05.2002 - 1 A 67/01 -; VG Stade, Urt. vom 27.01.2003 - 3 A 1787/01 -; VG Göttingen, Urt. vom 05.06.2003 - 2 A 35/03 -; VG Oldenburg, Beschl. vom 21.10.2003 - 11 B 3755/03 -).

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Nach diesen Maßstäben kann aufgrund der Verpflichtungserklärung des Landkreises Peine gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, die Erkrankung der Klägerin werde sich wegen unzureichender Medikation in ihrer Heimat alsbald nach ihrer Rückkehr verschlimmern. Der Landkreis hat sich mit den Erklärungen vom 21. und 24. September 2004 hinreichend konkret dazu verpflichtet, die Anschaffungskosten für die in den ersten zwei Jahren nach Rückkehr der Klägerin in ihre Heimat erforderliche Menge des Medikaments Uralyt-U zu tragen. Das dabei in Aussicht gestellte Verfahren, der Klägerin den zugesicherten Geldbetrag vor der Ausreise auszuzahlen, damit die Medikamente noch im Bundesgebiet gekauft und sodann in das Heimatland der Klägerin mitgenommen werden können, ist geeignet, die erforderliche Versorgung in dem fraglichen Zeitraum sicherzustellen. Dass die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Nach der vom Landkreis eingeholten Auskunft der „Glückauf Apotheke“ in Peine/Ilsede hat die Klägerin lediglich zu beachten, dass die mitgenommenen Medikamente trocken gelagert werden; die dafür erforderlichen Maßnahmen sind der Klägerin bzw. ihren Eltern ohne weiteres möglich und zumutbar. Dass die Klägerin aus anderen Gründen gehindert sein könnte, die Medikamente nach der Rückkehr in ihre Heimat in dem vorgesehenen Zeitraum zu verbrauchen, ist nicht ersichtlich.

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Insbesondere ist der in der Verpflichtungserklärung vorgesehene Zeitraum von zwei Jahren nach Rückkehr der Klägerin in ihre Heimat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles nicht zu kurz bemessen (vgl. auch VG Göttingen und Bay. VGH, aaO.). Dass die Klägerin nach Ablauf dieser Frist weiterhin auf dasselbe Medikament angewiesen sein wird, ist gegenwärtig nicht hinreichend sicher absehbar. Im Übrigen hat sich die Versorgung mit Medikamenten in Serbien und Montenegro seit der politischen Wende im Oktober 2000 kontinuierlich gebessert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004). Damit ist es nach gegenwärtiger Sachlage jedenfalls möglich, dass der Klägerin nach Verbrauch der mitgenommenen Medikamentenvorräte das Medikament Uralyt-U oder ein gleich wirksames Ersatzmedikament in ihrer Heimat zur Verfügung stehen wird. Es fehlt an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die Kostenübernahme hier lediglich zu einer unerheblichen zeitlichen Verlagerung der Versorgungsprobleme führen wird (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 21.04.2002 - 1 A 67/01 -).

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bb) Die neben der Medikation nach den ärztlichen Stellungnahmen vom 19. und 26. Januar 2004 erforderlichen regelmäßigen Untersuchungen der Klägerin, insbesondere die von der MHH geforderten „strikten fachurologischen Kontrollen“, sind zur Überzeugung des Gerichts auch in der Heimat der Klägerin möglich. Der Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft in Belgrad, der die ärztlichen Bescheinigungen zum Umfang der bei der Klägerin notwendig werdenden Untersuchungen vorlagen, hat in seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2004 ausgeführt, die Kontrollen könnten unter anderem in staatlichen Polykliniken vorgenommen werden, im Süden Serbiens beispielsweise in den medizinischen bzw. klinischen Zentren in Vranje, Leskovac und Nis. Das Gericht hat auch unter Berücksichtigung der sonstigen Auskünfte zur medizinischen Versorgung in Serbien und Montenegro, wonach dort nur sehr wenige Erkrankungen aufgrund fehlender Ausrüstung nicht adäquat behandelt werden können, keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben (vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004).

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Es gibt auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die erforderlichen Kontrollen wegen der Wartezeiten, mit denen für viele staatlich finanzierte Leistungen im serbisch-montenegrinischen Gesundheitssystem zu rechnen ist, nicht in dem notwendigen Umfang durchführbar sind (dazu allg. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004). Dass die konkret erforderlichen Kontrolluntersuchungen hiervon entscheidend beeinträchtigt sein könnten, lässt sich der Stellungnahme des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft nicht entnehmen. Darüber hinaus ist nach den aktuellen ärztlichen Bescheinigungen vom 19. und 26. Januar 2004 nicht ersichtlich, dass die erforderlichen Kontrolluntersuchungen zur Abwendung einer konkreten Gefahr für die Klägerin zwingend in bestimmten, auf den Tag genau einzuhaltenden Abständen vorzunehmen sind.

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Nach den zur Verfügung stehenden Auskünften zum Gesundheitssystem Serbien und Montenegros besteht auch nicht die konkrete Gefahr, dass die Klägerin und ihre Eltern die notwendigen Untersuchungen nicht finanzieren können. In der von der Deutschen Botschaft Belgrad vorgelegten vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 16. Mai 2004 heißt es dazu, auch die nach Serbien und Montenegro zurückkehrenden Personen hätten mit einem von ihrer Heimatgemeinde auszustellenden Krankenschein Zugang zur Behandlung in den staatlichen Einrichtungen der Gesundheitspflege. Die Inanspruchnahme von Leistungen der im Bereich der Krankenversicherung bestehenden gesetzlichen Pflichtversicherung setzt die Registrierung in Serbien und Montenegro voraus (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004). Dass es für die Klägerin und ihre Eltern insofern Probleme geben könnte, ist nicht ersichtlich. Der gesetzliche Krankenversicherungsschutz umfasst auch die medizinische Hilfe zur Prävention, also zur Feststellung, Erhaltung und Prüfung des Gesundheitszustandes (Auswärtiges Amt, aaO.). Das Gericht verfügt auch über keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihre Eltern eine etwa erforderlich werdende Eigenbeteiligung, die bei ärztlichen Untersuchungen, Röntgenaufnahmen und ähnlichen Maßnahmen erhoben wird (Auswärtiges Amt, aaO.), nicht finanzieren könnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen nach der Bescheinigung des Urologen Dr. {D.} vom 19. Januar 2004 nur in vierteljährlichen Abständen durchgeführt werden. Darüber hinaus ist der Vater der Klägerin nach seinen Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 17. Februar 1998 vor der Ausreise in seiner Heimat selbstständig tätig gewesen; sie hätten eine Fabrik für Betonherstellung und ein Transportunternehmen mit zwei Lkw betrieben. Unabhängig davon kann unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere auch für Arbeitslose und ihre Familienmitglieder, eine kostenfreie Behandlung möglich sein (Auswärtiges Amt, aaO.; s. auch die eingeholte Auskunft der Deutschen Botschaft Belgrad vom 27.05.2004). Nach der von der Deutschen Botschaft vorgelegten vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 16. Mai 2004 haben albanische Volkszugehörige im Süden Serbiens weiterhin den gleichen Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems wie andere Bürger. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln.

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Nach allem kann das Gericht offen lassen, ob die ärztlichen Bescheinigungen vom Januar 2004 angesichts des Umstandes, dass die Klägerin nunmehr bereits über einen längeren Zeitraum steinfrei ist, tatsächlich die Annahme rechtfertigen, ein vollständiger Verzicht auf die Kontrolluntersuchungen oder eine in größeren als den empfohlenen Abständen erfolgende Kontrolle werde alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 29.07.2004 - 6 A 249/02 - m.w.N.).

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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung von § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 711 und 708 Nr. 11 ZPO.