Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.12.2002, Az.: 2 ME 215/02

Asyl; Asylbewerber; Aufenthalt; Aufenthaltsort; Ausländer; Beschwerde; Erreichbarkeit; Rechtsmissbrauch; Rechtsschutzbedürfnis; Rechtsschutzinteresse; Untertauchen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.12.2002
Aktenzeichen
2 ME 215/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43826
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.10.2002 - AZ: 6 B 747/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Offenbart ein "untergetauchter" Asylsachen der gegenüber dem Beschwerdegericht seinen derzeitigen Aufenthaltsort nicht, so erweist sich die Beschwerde als rechtsmissbräuchlich und ist als unzulässig zu verwerfen.
Dies gilt auch, wenn der Beschwerdeführer mitteilen lässt, er sei aber über seinen Prozessbevollmächtigten "erreichbar".

Gründe

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Die Beschwerde, mit der sich die Antragsteller gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 31. Oktober 2002 wenden, in der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, ihnen gegen die von dem Antragsgegner beabsichtigte Abschiebung nach Syrien vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, bleibt erfolglos; denn die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

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Der Senat kann offen lassen, ob sich die Unzulässigkeit der Beschwerde - zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die auf Grund der in den Bescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24. Mai und 21. Juni 2000 ergangenen Abschiebungsandrohungen von dem Antragsgegner beabsichtigte Abschiebung der Antragsteller – angesichts des von den Antragstellern gestellten Asylfolgeantrages daraus ergeben könnte, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nicht aber – wie geschehen -  gegen den Antragsgegner als Ausländerbehörde hätte gerichtet werden müssen (zum Meinungsstand s. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2002, RdNrn. 115ff. zu § 71 AsylVfG u. Marx, AsylVfG, 4. Aufl. 1999, RdNrn. 147ff. zu § 71).Die Unzulässigkeit der Beschwerde ergibt sich nämlich bereits aus anderen Gründen.

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So erweist sich die allerdings am 8. November 2002 noch innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO (i. d. F. d. Bek. v. 19.3.1991, BGBl. I S. 686, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3987) erhobene Beschwerde schon deshalb gem. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig (unstatthaft), weil die Antragsteller innerhalb der zum 4. Dezember 2002 abgelaufenen Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO – der angefochtene Beschluss vom 31. Oktober 2002 ist den Antragstellern am 4. November 2002 zugestellt worden – Beschwerdegründe  i. S.  des § 146 Abs. 4 Satz 3 nicht dargelegt haben. Der Erfolg der Beschwerde setzt nämlich nach § 146 Abs. 4 VwGO voraus, dass innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht ein bestimmter Antrag gestellt wird und die Gründe dargelegt werden, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 4 VwGO). Die Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulassungserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie verlangt fallbezogene und aus sich heraus verständliche und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander zu setzen haben, wobei das Oberverwaltungsgericht nur die dargelegten Gründe zu prüfen hat

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(§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Anfechtungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder etwa eine – ergänzende – Bezugnahme hierauf. Vielmehr muss der Beschwerdeführer, wie dies in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich hervorgehoben wird, in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Gründe darlegen, aus denen sich seiner Ansicht nach die Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO,

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13. Aufl. 2003, RdNr. 41 zu § 146). Allerdings ist bei dem Darlegungserfordernis zu beachten, dass es nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet wird, welche die Beschreitung des Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 21.1.2000 – 2 BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407).

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Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die von den Antragstellern gegen den Beschluss vom 31. Oktober 2002 erhobene Beschwerde nur als unzulässig verworfen werden. Die Antragsteller haben sich nämlich zur Begründung ihrer Beschwerde in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom

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8. November 2002 lediglich „vollinhaltlich auf die Antragsschrift vom 29.10.2002“ bezogen und es damit unterlassen, sich in der gebotenen Weise (s. o.) mit der angefochtenen Entscheidung auseinander zu setzen und deren Fehlerhaftigkeit – aus ihrer Sicht – darzutun. Damit genügt dieser Schriftsatz ersichtlich nicht dem Darlegungserfordernis. Dies gilt auch für den innerhalb der Begründungsfrist noch eingegangenen Schriftsatz vom 29. November 2002, in dem die Antragsteller, die überdies durch die Vorsitzendenverfügung vom 12. November 2002 auf ihre sich aus § 146 Abs. 4 VwGO ergebende Darlegungspflicht nochmals ausdrücklich hingewiesen worden waren, lediglich haben mitteilen lassen, dass sie über ihre Prozessbevollmächtigten erreichbar seien.

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Hiervon abgesehen – dies stellt eine selbständig tragende Erwägung dieses Beschlusses dar – ist die Beschwerde auch deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil völlig offen ist, ob sich die Antragsteller noch im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners tatsächlich aufhalten, gegen den sie aber die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehren, und weil sie ihre ladungsfähige Anschrift auch gegenüber dem Senat geheim halten, so dass die Fortführung ihres Rechtsschutzbegehrens nur als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig bewertet werden kann. Nach den Angaben des Antragsgegners, die von den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen werden, sind die Antragsteller, deren Abschiebung für den 31. Oktober 2002 vorgesehen war, seit diesem Datum ‚untergetaucht‘; ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist allenfalls ihren Prozessbevollmächtigten bekannt, die unter dem 29. November 2002 lediglich mitgeteilt haben, die Antragsteller seien über die Rechtsanwältin C. „erreichbar“. Sind aber die Antragsteller nicht einmal dem Senat gegenüber bereit, durch dessen Entscheidung sie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu erlangen suchen, ihren derzeitigen Aufenthaltsort zu offenbaren, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob sich die Antragsteller überhaupt noch im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners befinden, so sind die Antragsteller  in diesem Beschwerdeverfahren nicht (mehr) schutzwürdig (ebenso Thüringisches OVG, Beschl. v. 2.7.1999 – 3 ZEO 1154/98 - , NVwZ-Beil. I 2000, 5 = AuAS 1999, 266 = InfAuslR 2000, 19(20)); denn sie verhindern durch die Geheimhaltung ihres derzeitigen Aufenthaltsortes die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner unabdingbare  Prüfung der Zuständigkeit des Antragsgegners.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die weitere Nebenentscheidung über den Streitwert auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14, 20 Abs. 3 GKG, wobei der Senat nach den Empfehlungen des sog. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die hier streitige Abschiebung mit der Hälfte des Auffangwertes des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG bewertet (s. dazu Albers, in: Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, RdNr. 17 des Anh. I B zu § 13 GKG) und weiter auch in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Wert für das Hauptsacheverfahren festsetzt, weil mit der Beschwerdeentscheidung angesichts der beabsichtigten Abschiebung der Antragsteller eine etwaige Hauptsache in der Sache vorweggenommen wird (Abers, aaO, RdNr. 7). Auch entspricht es der Festsetzungspraxis des Senats (ebenso die Festsetzungspraxis des 11. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, s. z. B. den Beschl. v. 2.9.2002 – 11 LA 271/02 -), in entsprechender Anwendung des § 83 b Abs. 2 AsylVfG bei mehreren Antragstellern eine Wertstaffelung – hier 1/3 der Hälfte des Auffangwertes, also 600 € für den Antragsteller zu 2. – vorzunehmen.