Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 31.07.2024, Az.: 1 A 4119/22

Abrechnungsbescheid; Nebenleistung; Säumniszuschläge; Säumniszuschläge in Höhe von 1 % pro Monat als kommunalabgabenrechtliche Nebenleistung bei Gebühren nicht zu beanstanden

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
31.07.2024
Aktenzeichen
1 A 4119/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20891
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:0731.1A4119.22.00

Amtlicher Leitsatz

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat bei der der Vollverzinsung nach § 233a AO (Beschl. v. 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 -, juris) ist nicht auf den doppelt so hohen Satz bei Säumniszuschlägen zu übertragen, die als kommunalabgabenrechtliche Nebenleistung bei Gebühren (hier: Friedhofsgebühren) anfallen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Abrechnungsbescheid, der sich zum größten Teil auf die Feststellung von Forderungen aus Friedhofsgebührenfestsetzungen bezieht.

Der Kläger ist Nutzungsberechtigter eines Wahlgrabes, in dem Familienangehörige bestattet wurden. Bestattungen wurden in dem zweistelligen Grab jeweils in der Tiefe und in normaler Höhe vorgenommen. Zunächst wurden 1973 die Großeltern des Klägers dorthin umgebettet. 1989 wurde auf der rechten Seite in der Tiefe die Mutter des Klägers beigesetzt; im Jahre 2003 in normaler Höhe eine Tante des Klägers. Nach der im Jahre 2003 erfolgten vierten Sargbestattung wurde wegen der Ruhezeit von 30 Jahren das Nutzungsrecht bis zum September 2033 verlängert. Im Jahre 2009 verstarb der Vater des Klägers (C. A.), der in der Tiefe auf der linken Grabstelle beigesetzt werden sollte. Die Ruhezeiten der dort beigesetzten Großeltern (D. und E.) waren auf der linken Grabstelle bereits 2001 und 2002 abgelaufen. Die beabsichtigte Beisetzung wurde jedoch nicht vorgenommen, weil schon die auf der linken Grabstelle in normaler Höhe ruhende Leiche (D.) unzureichend verwest war. Der Vater des Klägers wurde deshalb im März 2009 zunächst an anderer Stelle auf dem Friedhof in einem Einzelgrab beigesetzt. Mit Gebührenbescheid vom 27. März 2009 wurden gegenüber dem Kläger insoweit Gebühren für die Herstellung eines Einfachgrabes i. H. v. 482,00 EUR, eine Kapellenbenutzungsgebühr i. H. v. 240,00 EUR und eine Kühlungsgebühr i. H. v. 120,00 EUR festgesetzt. Betitelt wurde der Bescheid mit "Erwerb eines Reihengrabes mit Gestaltung". Der Kläger erstrebte in den Klageverfahren 1 A 7193/13 und 1 A 11013/14 - zum einen mit einer gegen die Beklagten und zum anderen mit einer gegen die Region Hannover gerichteten Klage - die Umbettung seines verstorbenen Vaters in das Familiengrab. Der Anfang des Jahres 2014 verstorbene Bruder des Klägers (F. A.) wurde eingeäschert und im Februar 2014 auf der rechten Grabstelle beigesetzt. Das Nutzungsrecht für die gesamte Wahlgrabstätte wurde anschließend im Hinblick auf die für Aschen geltende Ruhezeit von 20 Jahren bis Februar 2034 verlängert. Mit Gebührenbescheid vom 28. Februar 2014 setzte die Beklagte aus diesem Anlass u. a. eine Gebühr "Verlängerung Wahlgrab" i. H. v. 117,60 EUR für ein angefangenes Jahr der Verlängerung fest, wogegen der Kläger Klage erhob (1 A 7658/14). Die genannten Klageverfahren wurden infolge eines mit Beschluss vom 31. März 2016 vorgeschlagenen gerichtlichen Gesamtvergleichs mit folgendem Wortlaut beendet:

1.

Die Stadt Springe bettet die Vorverstorbenen D. und E. aus dem Wahlgrab Nr. 057 aus und setzt sie zur endgültigen Ruhe nach ihrer Wahl an einer anderen Stelle des Friedhofs bei. Eine aufwandsbezogene Gebühr für Aus-/Umbettungen nach der Friedhofsgebührensatzung wird dem Kläger nicht auferlegt.

2.

Die Region Hannover erteilt die Genehmigung nach § 15 BestattG zur Umbettung des Verstorbenen C. A. in das Wahlgrab Nr. 057. Die Stadt Springe bettet C. A. in diese Wahlgrabstätte um. Eine aufwandsbezogene Gebühr für Aus-/Umbettungen nach der Friedhofsgebührensatzung wird dem Kläger nicht auferlegt. Die Möglichkeit einer Gebührenerhebung für die Verlängerung des Nutzungsrechts an der Wahlgrabstätte Nr. 057/058 bis zum Ablauf der Ruhezeit des Verstorbenen C. A. bleibt unberührt.

3.

Der Kläger nimmt die gegen den Gebührenbescheid der Stadt Springe vom 28. Februar 2014 gerichtete Klage 1 A 7658/14 zurück.

4.

In den Verfahren 1 A 7193/13 und 1 A 11013/14 werden die Kosten jeweils gegeneinander aufgehoben.

Die Beklagte ließ nach ihrer Darstellung die Umbettungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im November 2016 vornehmen. Mit Gebührenbescheid vom 15. Dezember 2016 setzte die Beklagte eine Gebühr "Verlängerung Wahlgrab (tief)" i. H. v. 766,80 EUR fest. Die gegen die Gebührenfestsetzung gerichtete Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2018 - 1 A 806/17 - abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Vergleich eine Gebührenerhebung für ein verlängertes Nutzungsrecht nicht sperrt, sondern die Möglichkeit einer Gebührenerhebung für die Verlängerung des Nutzungsrechts an der Wahlgrabstätte Nr. 057/058 bis zum Ablauf der Ruhezeit des Verstorbenen C. A. unberührt bleiben sollte, weil diese Gebühr auch angefallen wäre, wenn der Verstorbene sogleich in dem Wahlgrab beigesetzt worden wäre. Es sei auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, weil die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs 2016 begonnen habe und nicht schon im Jahre 2009. Ende 2020 bemerkte der Kläger, dass auf der Wahlgrabstätte kein Grabstein mehr stand. Nachfolgende Recherchen der Beklagten ergaben, dass der Grabstein vermutlich im Zuge der von der Beklagten veranlassten Umbettung entfernt wurde. In 2021 wurde das Grabmal wiederaufgestellt.

Unter dem 16. Juli 2021 beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, dass die Grabstätte nach fünf Jahren von der Beklagten wiederhergestellt worden sei, die Ausfertigung eines Abrechnungsbescheids. Die Beklagte antwortete unter dem 18. Februar 2022 zunächst, dass kein vakanter Abrechnungsbescheid ausstehe, bei der Stadtkasse aber noch Forderungen bestünden, die nicht vollständig beglichen worden seien. Mit am 16. März 2022 erhobener Klage - 1 A 1150/22 - begehrte der Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausfertigung eines Abrechnungsbescheides über eine Forderung i. H. v. 2.333,90 EUR. Nach gerichtlichem Hinweis erließ die Beklagte unter dem 19. August 2022 einen Abrechnungsbescheid, in dem sie unter den Nrn. 1. bis 3. Forderungen aus Friedhofsgebührenfestsetzungen feststellte. Die Feststellung unter Nr. 1 bezieht sich auf eine Hauptforderung aus einem Gebührenbescheid vom 27. März 2009 für den Erwerb eines Reihengrabes mit Gestaltung über 842,00 EUR, die Feststellung unter Nr. 2 betrifft eine Hauptforderung aus einem Gebührenbescheid vom 28. Februar 2014 für eine Urnenbeisetzung über 253,60 EUR und die Verlängerung eines Wahlgrabes über 117,60 EUR, die Feststellung unter Nr. 3 bezieht sich auf eine Hauptforderung aus einem Gebührenbescheid vom 15. Dezember 2016 für die Verlängerung eines Wahlgrabes über 766,80 EUR. Zu den Hauptforderungen kommen Nebenforderungen in Gestalt von Säumniszuschlägen, Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie Zinsen hinzu. Die Gebührenbescheide seien jeweils rechtmäßig erlassen, bestandskräftig und unanfechtbar. Unter den Nrn. 4. bis 6. stellte die Beklagte weitere Forderungen fest (Gebühren Rückschnitt Vegetation und Gossenreinigung, wiederkehrender Straßenausbaubeitrag, Gebühr Bearbeitung Widerspruch Straßenausbaubeitrag), wies dabei aber zugleich auf jeweils anhängige Klageverfahren und genehmigte Aussetzungen der Vollziehung hin. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen wurde das auf Erlass eines Abrechnungsbescheides gerichtete Klageverfahren mit Beschluss vom 8. September 2022 eingestellt.

Gegen den Abrechnungsbescheid vom 19. August 2022 - zur Post aufgegeben am 23. August 2022 - hat der Kläger am 26. September 2022 Klage erhoben. Ein Gebührenbescheid vom 27. März 2009 über den Erwerb eines Reihengrabes liege nicht vor; der Bescheid enthalte die Positionen Herstellgebühr, Benutzung der Kapelle und Benutzung der Kühlung, so dass er falsch bezeichnet worden sei. Dem Kläger sei keine Urkunde über den Besitz der Reihengrabstätte 20/207 ausgestellt worden. Da kein Nutzungsrecht bestehe, erübrige sich die Forderung über eine Herstellungsgebühr. Eine Herstellungsgebühr für das Einfachgrab stehe im Widerspruch zu der im Vergleich erzielten Übereinkunft. Sein Vater sei ohne Einverständnis im Reihengrab beigesetzt worden, so dass eine Gebührenerhebung fehlgehe. Säumniszuschläge und Vollstreckungsgebühren gingen fehl. Der Termin der Umbettung von C. A. am 23. November 2016 vom Einzelgrab in das Familiengrab werde mit Nichtwissen bestritten; ein Umbettungstermin sei nicht abgestimmt worden und eine Umbettung sei nach dem ausgewiesenen Rechnungsbetrag des Bestattungsunternehmens nicht kostendeckend durchführbar. Bis zum 16. April 2016 habe sich die Grabstätte in einwandfreiem Zustand befunden. Der Kläger habe nach der danach erfolgten Abräumung des Grabsteins vom Familiengrab und dessen Planierung von einer Einebnung ausgehen müssen. Erst nach Aufforderung sei der verschwundene Grabstein im April/Mai 2021 wieder aufgestellt worden, nachdem er vom Kläger in der Verkaufsausstellung des ortsansässigen Steinmetzbetriebes zufällig gefunden worden sei. Die Kosten für die Benutzung der Kapelle und der Kühlung seien dann gezahlt worden. Es erschließe sich nicht, dass die Gebühr unabhängig von einem nutzbaren Zustand der Grabstätte zu zahlen sei. Die Forderungen für eine Urnenbeisetzung und für die Verlängerung des Wahlgrabes unter Punkt 2 seien beglichen worden, nachdem der Grabstein auf der verwüsteten Familiengrabstätte wieder aufgestellt worden sei. Mahngebühren und Säumniszuschläge gingen fehl, weil unmittelbar nach Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands der Grabstelle gezahlt worden sei. Die Forderung unter Punkt 3 lasse sich aus der Friedhofs- und Gebührensatzung nicht ableiten; die Forderung von Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Zinsen gehe fehl und werde nicht anerkannt. Von einer Gebühr für die Nutzungsverlängerung seien die Zeiten der Einebnung und damit der Unmöglichmachung der Nutzung in Abzug zu bringen. Die Beklagte begehre gleichzeitig Gebühren für den Erwerb eines Reihengrabes und für die Verlängerung eines Wahlgrabes. Die Gebührenbescheide unter den Punkten 4 bis 6 seien noch nicht rechtskräftig; die Forderungen seien aus dem Abrechnungsbescheid zu streichen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Abrechnungsbescheid vom 19. August 2022 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der unter Punkt 1 bezeichnete Gebührenbescheid vom 27. März 2009 sei dem Kläger zugegangen. Klage sei nicht erhoben worden; der Bescheid sei unanfechtbar und auch nicht Gegenstand des Vergleichs geworden. Die bestandskräftige Forderung sei auch nicht verjährt. Es sei nicht von Bedeutung, ob der Bescheid richtig betitelt worden sei. Im Hinblick auf Punkt 2 irre der Kläger, wenn er davon ausgehe, dass die Fälligkeit von der Wiederherstellung abhänge. Die Gebühren seien einen Monat nach der Bekanntgabe fällig geworden. Die Klage gegen den unter Punkt 3 bezeichneten Gebührenbescheid vom 15. Dezember 2016 sei abgewiesen und damit als rechtmäßig erachtet worden. Mit Übersendung des Gebührenbescheides sei dem Kläger auch eine Urkunde über die weitere Verlängerung des Nutzungsrechts, welches zuvor dem verstorbenen Bruder übertragen war, übersandt worden. Unter dem 12. September 2016 sei dem Kläger die Umbettungsgenehmigung erteilt worden; auf die Bitte, den Umbettungstermin mit der Friedhofsverwaltung abzustimmen, sei keine Reaktion erfolgt. Die Umbettung sei am 23. November 2016 vollzogen worden. Aus Gründen des Arbeitsschutzes habe dafür die Grabstätte abgeräumt und das Grabmal zwischengelagert werden müssen. Aus welchen Gründen versäumt worden sei, das Grabmal wieder auf die Grabstätte zu setzen, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Nach Hinweis des Klägers vom 27. Dezember 2020 habe die Beklagte umgehend gehandelt. Der Kläger müsse sich fragen lassen, warum er auf das fehlende Grabmal erst vier Jahre nach der Umbettung hingewiesen habe. Das Familiengrab sei aber nutzbar gewesen. Die Nutzungsmöglichkeit sei nicht von einem Grabmal abhängig und trete mit der förmlichen Vergabe des Nutzungsrechts ein. Auch wenn auf die gärtnerische Herstellung wegen der zu erwartenden Absackung oder ein Grabmal zunächst verzichtet werde, würden die Zeiten nicht etwa von der Gebühr abgezogen. Die Gebührenforderung unter Punkt 4 sei vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig beurteilt worden. Bezüglich der Forderung unter Punkt 6 sei ein Rechtsbehelf anhängig, so dass er nicht aus dem Abrechnungsbescheid gestrichen werden könnten. Die Forderung unter Punkt 5 entfalle, da der Straßenausbaubeitragsbescheid förmlich zurückgenommen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 4. Juni 2024 der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die Klage, die im wohlverstandenen Interesse des Klägers als Anfechtungsklage anzusehen ist, ist in der Sache nicht begründet. Der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 19. April 2022 ist rechtmäßig verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Erlass eines förmlichen Abrechnungsbescheides beruht auf § 11 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und Abs. 5 NKAG i. V. m. § 218 Abs. 2 Satz 1 AO. Danach entscheidet die Körperschaft, der die Abgabe zusteht, über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Ein Abrechnungsbescheid betrifft das Erhebungs- und nicht das Festsetzungsverfahren. Durch den Abrechnungsbescheid wird (nur) darüber entschieden, ob ein bestimmter Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis verwirklicht ist oder nicht, d. h. ob der Schuldner des Anspruchs wirksam gezahlt hat, ob der Anspruch etwa infolge Aufrechnung, Erlass, Zahlungsverjährung oder Vollstreckung erloschen ist und ob etwa Säumniszuschläge verwirkt worden sind (vgl. zur selbstständigen Festsetzung von Säumniszuschlägen indessen: Thür. OVG, Beschl. v. 23.11.2007 - 4 EO 536/07 -, juris). Die Entstehung des Anspruchs aus dem Abgabenschuldverhältnis ist nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheids, sie wird vielmehr vorausgesetzt. Folglich können Gründe, die gegen die Festsetzung des Anspruchs hätten vorgetragen werden müssen, nicht den Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids begründen; maßgeblich ist allein die "formelle Bescheidlage" (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Mai 2024, § 218 Rn. 17 f.; § 240 Rn. 62). Die in vorangegangenen Bescheiden erfolgten Abgabenfestsetzungen als solche sind im Rahmen eines Abrechnungsbescheides mithin nicht erneut auf materielle Rechtmäßigkeit zu prüfen. Demzufolge kann die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit einer Festsetzung auch nicht durch einen Rechtsbehelf gegen den Abrechnungsbescheid einer erstmaligen oder sogar erneuten - wenn eine Klage gegen die Festsetzung erfolglos geblieben ist - gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 218 Rn. 33). Es kommt mithin nicht darauf an, was sich im Hinblick auf die festgestellten Forderungen nach Erlass des Abrechnungsbescheides ergeben hat, also ob etwa Forderungen beglichen oder zugrundeliegende Festsetzungen aufgehoben worden sind; der Abrechnungsbescheid ist als "Momentaufnahme" in den Blick zu nehmen.

Gemessen an diesen Maßstäben sind die Feststellungen des Abrechnungsbescheides nicht zu beanstanden.

Soweit sich die Einwendungen des Klägers auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der unter den Punkten 1 bis 3 des Abrechnungsbescheides bezeichneten Gebührenbescheide beziehen, kann er damit schon im Ansatz nicht durchdringen. Dies betrifft zunächst seinen Einwand, dass ihm ein Nutzungsrecht am Reihengrab nicht verliehen worden sei, der Gebührenbescheid vom 27. März 2009 aber entsprechend betitelt worden sei. Gleiches gilt auch für den Einwand, dass die Beisetzung seines verstorbenen Vaters im Reihengrab gegen den Willen des Klägers erfolgt sei, ihm auch kein Nutzungsrecht verliehen worden sei und der Beklagten daher keine Herstellungsgebühr zustehe. Die jetzt erhobenen Einwände ändern nichts an der unanfechtbaren Festsetzung der Gebühr für die Herstellung eines Einfachgrabes i. H. v. 482,00 EUR im genannten Gebührenbescheid. Die Auffassung des Klägers, die Herstellungsgebühr sei unrechtmäßig festgesetzt worden, weil die Beisetzung in einem Einfachgrab nicht gewünscht war, hätte in einem Rechtsbehelf gegen den Gebührenbescheid geltend gemacht werden können, der aber nicht ergriffen wurde. Der seinerzeit beauftragte Rechtsanwalt hatte bei der Beklagtem lediglich Lösungsvorschläge hinsichtlich der Grabstätte erbeten, nicht aber eine Klage gegen den Gebührenbescheid erhoben. Der Kläger sollte sich unabhängig davon aber auch vor Augen halten, dass eine (sogar höhere) Herstellungsgebühr auch dann angefallen wäre, wenn die Beisetzung seines verstorbenen Vaters von vornherein im Familiengrab erfolgt wäre. Es konnte auch subjektiv kaum erwartet werden, dass die Beisetzung als solche kostenfrei wäre, weil die Beisetzung im Familiengrab zunächst nicht erfolgen konnte. Letztlich liegt es hier nicht anders als bei der Kapellenbenutzungsgebühr und der Kühlungsgebühr, die der Kläger ja akzeptiert hat. Der Umstand, dass der verstorbene Vater des Klägers nicht - wie eigentlich gewünscht - im Familienwahlgrab beigesetzt wurde, fand seinen Niederschlag darin, dass die Beklagte keine Nutzungsgebühr für die Überlassung eines Reihengrabes festsetzte. Herstellungsgebühr und Nutzungsgebühr sind zwei gesonderte Gebührentatbestände.

Soweit der Kläger geltend macht, dass festgesetzte Grabnutzungsgebühren aus den Bescheiden vom 28. Februar 2014 und vom 15. Dezember 2016 - zumindest teilweise - nicht (mehr) zu zahlen gewesen seien, weil in einem nicht näher spezifizierten Zeitraum nach dem 16. April 2016 bis April/Mai 2021 kein Grabmal auf dem Familiengrab aufgestellt gewesen sei und er von einer Einebnung durch die Beklagte habe ausgehen müssen, greift auch diese Argumentation nicht durch. Zwar ist in einem Abrechnungsbescheid auch zu klären, ob eine Abgabenschuld durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung erloschen ist. Auch sind im Gebührenrecht durchaus gebührenmindernde oder zu einem Erstattungsanspruch führenden Schlechtleistungen denkbar (vgl. etwa zum Straßenreinigungsgebührenrecht: Urt. d. Kammer v. 10.05.2022 - 1 A 3809/19 -, juris Rn. 39; vgl. ferner Urt. d. Kammer v. 20.07.2023 - 1 A 6187/20 -, juris Rn. 27). Die vorliegend allein denkbare Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch wegen einer Beeinträchtigung des Nutzungsrechts, für das Grabstättennutzungsgebühren nach § 13 Abs. 4 Satz 2 BestattG im Voraus ("antizipiert") festgesetzt wurden, ist indessen ausgeschlossen. Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 BestattG i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a NKAG i. V. m. §§ 226 Abs. 3 AO können die Gebührenpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Zweck dieser Bestimmung ist, dass die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Abgabenschuldverhältnis nicht mit ungewissen oder zweifelhaften Gegenforderungen aufgehalten wird (vgl. vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Mai 2024, § 226 Rn. 39). Dass das Nutzungsrecht durch die Entfernung des Grabmals beeinträchtigt worden wäre wird von der Beklagten in Abrede gestellt. Allein dieser Umstand führt dazu, dass eine Aufrechnung ausscheidet. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten wird zudem darauf hingewiesen, dass bei objektiver Betrachtung aus der Perspektive des Klägers nicht nachvollziehbar ist, dass er von einer Einebnung der Grabstätte durch die Beklagte ausgegangen sein will. Er hatte offenbar über einen Zeitraum von etwas mehr als viereinhalb Jahren den Friedhof überhaupt nicht aufgesucht - sonst dürfte ihm das Fehlen des Grabsteins eher aufgefallen sein - und zog sogleich den Schluss auf eine seitens der Beklagten vorgenommene Einebnung, obwohl er naheliegend in Erwägung hätte ziehen müssen, dass sich die Beklagte schlichtweg an den gerichtlichen Vergleich gehalten und eine Umbettung von C. A. vorgenommen hatte. Dass der Grabstein nach den Arbeiten zur Umbettung des verstorbenen Vaters in das Familiengrab nicht seinen Weg zurück auf das Grab fand, ist misslich und mag als Pietätlosigkeit zu bewerten sein. Zugleich aber eine "Einebnung" anzunehmen, die bei Ablauf oder vorzeitiger Rückgabe eines Nutzungsrechts erfolgt, dürfte aber bei Lichte betrachtet auch für den Kläger fernliegend gewesen sein. Dies gilt selbst dann, wenn man seiner jetzigen subjektiven Sicht folgte, dass eine Umbettung seines verstorbenen Vaters gar nicht vorgenommen worden sei. Selbst dann konnte und musste der Kläger zwanglos vom Fortbestehen des Nutzungsrechts ausgehen, denn ihm wurde mit Übersendung des Gebührenbescheides vom 15. Dezember 2016 eine Urkunde über ein bis 2039 verlängertes Nutzungsrecht ausgestellt. Auch ohne diese Verlängerung musste dem Kläger bewusst sein, dass schon mit der Beisetzung der Urne seines verstorbenen Bruders das Nutzungsrecht bis 2034 verlängert war und es vor der Beisetzung seines Bruders jedenfalls bis 2033 lief. Dem Kläger musste sich daher trotz des bei seinem Friedhofsbesuch 2020 vorgefundenen Zustandes des Grabes geradezu aufdrängen, dass das Nutzungsrecht als solches in seinem Bestand bis auf weiteres auch unabhängig von der Umbettung seines Vaters - an deren tatsächlicher Durchführung der Einzelrichter entgegen der Auffassung des Klägers keine Zweifel hegt - rechtlich unberührt war. Der Beklagten ist auch darin zuzustimmen, dass zum einen die Ausübung des Nutzungsrechts an einer "belegten" Grabstätte in seiner gärtnerisch-gestaltenden Komponente unabhängig vom Vorhandensein eines Grabsteins möglich ist und zum anderen der Kläger als Nutzungsberechtigter auch schon zu einem früheren Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt hätte, auf den fehlenden Grabstein hinzuweisen. Die Beklagte hat mithin das rechtlich bestehende Nutzungsrecht nicht etwa negiert. Zudem war dem Kläger offenbar die Möglichkeit eröffnet, einen Umbettungstermin mit der Friedhofsverwaltung abzustimmen. Wäre er dieser Obliegenheit nachgekommen, hätte er sich von der tatsächlichen Durchführung der Umbettung überzeugen und zugleich dafür sorgen können, dass der Grabstein sogleich wieder seinen alten Platz gefunden hätte.

Auch die Nebenforderungen zu den unter den Punkten 1 bis 3 des Abrechnungsbescheides bezeichneten Hauptforderungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid verwiesen, denen der Kläger bis auf seinen Einwand, dass die Hauptforderungen nicht gerechtfertigt seien, nichts entgegengesetzt hat. Soweit im Abrechnungsbescheid nach § 13 Abs. 4 Satz 1 BestattG i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b und Abs. 5 NKAG i. V. m. §§ 240 Abs. 1 AO verwirkte Säumniszuschläge beziffert werden, bestehen gegen die Höhe des Satzes von 1 % für jeden angefangenen Monat der Säumnis keine durchgreifenden Bedenken. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat bei der der Vollverzinsung nach § 233a AO (Entscheidung vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 -, juris) ist nach Auffassung des Einzelrichters nicht auf den Prozentsatz von Säumniszuschlägen zu übertragen (vgl. BFH, Beschl. v. 28.10.2022 - VI B 15/22 (AdV) -, juris; a. A. BFH, Beschl. v. 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV) -, juris). Der Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung der ihm vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Verpflichtung zur Neuregelung mit nachvollziehbaren Erwägungen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BT-Drs. 20/1633, S. 11) darauf beschränkt, den Satz für die Vollverzinsung nach § 233a AO zu verringern, nicht aber den Satz für andere Zinsen (u. a. Aussetzungszinsen mit 0,5 % pro Monat) und Säumniszuschläge (1 % pro Monat). Dieser gesetzgeberischen Entscheidung ist gerade auch für kommunalabgabenrechtliche Gebühren im Hinblick auf Aussetzungszinsen beizupflichten, weil der Abgabenschuldner anders als bei der Vollverzinsung nach § 233a AO im Falle einer von ihm für rechtswidrig gehaltenen Gebührenfestsetzung die Wahl hat, den Zinssatz von 0,5 % pro Monat entweder zu seinen Lasten "zu riskieren" oder aber zu Lasten der Kommune für sich "zu generieren" (vgl. zu den Einzelheiten Urt. d. erkennenden Einzelrichters v. 31.07.2024 - 1 A 2124/22 -, juris). Berücksichtigt man zudem, dass Säumniszuschläge ein Druckmittel darstellen, die den Abgabenpflichtigen zur Tilgung der Abgabenschuld anhalten sollen, erscheint es durchaus gerechtfertigt, wenn sie der Höhe nach doppelt so hoch ausfallen, wie Zinsen nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Wie der vorliegende Fall und das Parallelverfahren 1 A 2124/22 zeigen, können Säumniszuschläge Aussetzungszinsen nachfolgen, wenn der Abgabenpflichtige auch nach Eintritt der Bestandskraft und damit einhergehender Fälligkeit nicht zahlt. Es geht dann nicht mehr wie bei den vorangegangenen Aussetzungszinsen lediglich um die Abschöpfung eines Liquiditätsvorteils für den Zeitraum der Ungewissheit, ob sich die Abgabenfestsetzung als rechtmäßig darstellt, sondern darum, dem Abgabenpflichtigen die Nichtbegleichung einer wegen Bestandskraft fälligen Abgabenschuld spürbar unattraktiv zu machen. Das wird durch den in § 240 Abs. 1 AO geregelten Satz gewährleistet. Der Abgabenschuldner hat es - anders als bei dem vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Zinssatz bei der Vollverzinsung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 -, juris Rn. 118) - in der Hand, die Verwirkung von Säumniszuschlägen abzuwenden.

Auch bezüglich der Hauptforderungen zu den Punkten 4 bis 6 wird auf die Ausführungen im angegriffenen Abrechnungsbescheid Bezug genommen. Darauf, dass bezüglich der unter den Punkten 4 bis 6 bezeichneten Bescheide zum (für die gerichtliche Prüfung allein maßgeblichen) Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheides Klagen anhängig waren, wurde im Bescheid jeweils ausdrücklich hingewiesen. Durch die im Laufe des Verfahrens vorgenommenen Anpassungen und Aktualisierungen zum Wegfall von Forderungen ist der Kläger nicht beschwert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.