Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.05.1995, Az.: 2 U 56/95

Wirksamkeit einer Pauschalpreivereinbarung nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure unter dem Aspekt der Anforderungen an die Form; Bindung des Architekten/Ingenieurs an eine widerspruchslos entgegengenommene "Schlusszahlung" in Höhe einer unwirksamen Pauschalhonorarabrede; Gleichstellung der Entgegennahme von Zahlungen in Höhe eines mündlich vereinbarten Pauschalpreises für ein Bauvorhaben mit der Erteilung einer Schlussrechnung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.05.1995
Aktenzeichen
2 U 56/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29068
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0517.2U56.95.0A

Fundstelle

  • IBR 1995, 389 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

Amtlicher Leitsatz

Keine Bindung des Architekten/Ingenieurs an eine widerspruchslos entgegengenommene "Schlusszahlung" in Höhe einer unwirksamen Pauschalhonorarabrede.

Gründe

1

Zwar haben die Parteien unstreitig für die Tragwerksplanung ein Pauschalhonorar von 17.100,-- DM einschl. Mehrwertsteuer für jedes Bauvorhaben vereinbart. Die Pauschalpreisvereinbarung ist jedoch unwirksam. Es fehlt bereits an der gem. § 4 Abs. 1, 4 HOAI erforderlichen Schriftform. Die Berufung des Klägers auf den Formmangel ist nicht treuwidrig. Zwar kann die Berufung auf die Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Das kommt jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Denn die gesetzlichen Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Die Berufung auf das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Form ist deshalb nur treuwidrig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung an dem Formmangel scheitern zu lassen. Voraussetzung dafür ist, dass die Unwirksamkeit der Vereinbarung für eine Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (vgl. Palandt, 54. Aufl., § 125 BGB Rdn. 16 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

2

Denn dem Beklagten war die Formunwirksamkeit einer nur mündlich getroffenen Pauschalhonorarvereinbarung bekannt. Er ist auch nicht von dem Kläger an der Einhaltung der Form gehindert worden. Abgesehen davon ist ein unter den Mindestsätzen der HOAI liegendes Pauschalhonorar selbst bei Einhaltung der Schriftform grundsätzlich unwirksam. Dass hier ausnahmsweise eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI zulässig gewesen wäre, behauptet auch der Beklagte nicht.

3

Entgegen der Ansicht des Beklagten scheiden weitere Honoraransprüche des Klägers auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Bindung des Architekten an eine Schlussrechung aus. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Geltendmachung weiterer Honoraransprüche durch den Kläger wegen der Erteilung einer Rechnung in Höhe des Pauschalpreises für das Bauvorhaben N und der Entgegennahme von Zahlungen in Höhe der Pauschalpreisabrede für das Bauvorhaben E treuwidrig ist. Zwar kann auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Architekt oder ein Ingenieur, der seine Leistungen nach der HOAI abzurechnen hat, an eine einmal erteilte Schlussrechnung gebunden sein, wenn das Vertrauen des Auftraggebers in die Endgültigkeit der Abrechnung auf Grund einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben schutzwürdig ist (vgl. BGH NJW 1993, 659, 660 [BGH 05.11.1992 - VII ZR 52/91];  1993, 660, 661) [BGH 05.11.1992 - VII ZR 52/91]. Voraussetzung dafür aber ist, dass der Architekt oder Ingenieur überhaupt eine Schlussrechnung erstellt hat. Eine Schlussrechnung des Klägers für seine Planungsleistungen für die beiden Kindergärten liegt jedoch nicht vor.

4

Der Kläger hat lediglich über Leistungen für das Bauvorhaben N eine Rechnung in Höhe von 17.100,-- DM erteilt. Für das Bauvorhaben E hat er keine Rechnung ausgestellt. Für seine gegenteilige Behauptung hat der Beklagte keinen Beweis angetreten. Die Entgegennahme von Zahlungen in Höhe des mündlich vereinbarten Pauschalpreises für das Bauvorhaben E kann entgegen der Ansicht des Landgerichts der Erteilung einer Schlussrechnung nicht gleichgestellt werden. dass ein Architekt oder Ingenieur anders als die Angehörigen anderer freier Berufe nach Treu und Glauben an eine einmal erteilte Schlussrechnung gebunden sein kann, beruht gerade darauf, dass die Fälligkeit des Honorars gem. § 8 HOAI außer der vertragsgerechten Leistung die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung voraussetzt (BGH a.a.O.). Nur die Erteilung der Schlussrechung, die in der Regel eine umfangreiche und komplexe Aufstellung erfordert, rechtfertigt die Annahme, darin sei die Erklärung zu sehen, dass das Honorar für die gesamte Leistung abschließend berechnet sei. In der lediglich widerspruchslosen Entgegennahme einer "Schlusszahlung" des Auftraggebers kann eine derartige Erklärung nicht gesehen werden. Abgesehen davon hat der Beklagte für das Bauvorhaben N auch erst im März 1993 8.000,-- DM und Ende April 1993 weitere 9.100,-- DM gezahlt. Der Kläger hat aber bereits kurz danach mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 06.05.1993 angekündigt, dass er abweichend von der unwirksamen Pauschalpreisabrede ein Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI geltend machen will. Der Beklagte wusste deshalb bereits wenige Tage nach der letzten Zahlung, dass mit weiteren Forderungen des Klägers zu rechnen war. dass der Kläger erst nach mehr als einem Jahr die Honoraransprüche gerichtlich geltend gemacht hat, begründet für den Beklagten keinen Vertrauensschutz.