Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.05.1995, Az.: 5 U 13/95

Verpflichtung über die Grundsätze der Anscheinsvollmacht; Beweislastverteilung bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aus einem Scheck

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.05.1995
Aktenzeichen
5 U 13/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 16535
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0523.5U13.95.0A

Fundstellen

  • BB 1995, 2342-2343 (Volltext mit amtl. LS)
  • VuR 1995, 328 (amtl. Leitsatz)
  • WM 1995, 1403-1405 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1995, 381

Amtlicher Leitsatz

  1. 1)

    "Vorauskasse per Blitzgiro" - kein Dissens über die Finanzierung

  2. 2)

    Anscheinsvollmacht durch Verhandlung- und Bankvollmacht

  3. 3)

    Beweislast des Scheckschuldners für Unwirksamkeit des Grundgeschäfts

Gründe

1

Die Parteien haben sich gemäß den vom Verhandlungsführer der Klägerin D. am 11.08.1993 unterschriebenen Auftragsbestätigungen über die Einrichtung von Büros und eines Appartments geeinigt. Die Klägerin ist durch D. jedenfalls über die Grundsätze der sogenannten Anscheinsvollmacht vertraglich verpflichtet worden. Sie hat nicht beweisen können, daß die Voraussetzungen für die Zurechnung durch von ihr gesetzten Rechtsschein einer entsprechenden Bevollmächtigung des D. nicht vorgelegen haben bzw. wieder entfallen sind. Ohne Erfolg versucht die Berufung den Vertragsschluß infolge Nichteinigung über die Finanzierung des Auftrages gemäß § 154 BGB (Dissens) in Frage zu ziehen. Ausweislich der zuvor in ausreichendem Zeitrahmen geprüften und am 11.08.1993 von D. unterschriebenen Auftragsbestätigungen, in denen es ausdrücklich heißt: "Ausführung genehmigt; Auftrag erteilt", haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt. Für die Beklagte werden die über- nommenen Einrichtungsleistungen und für die Klägerin der zu entrichtende Festpreis einschließlich der Zahlungsmodalitäten genau festgelegt. Die Berufungübersieht, daß die Klägerin danach zur"Vorauskasse per Blitzgiro" auf ein genanntes Konto bei der Deutschen Bank verpflichtet ist. Damit war die Finanzierungsfrage vertraglich festgelegt. Die Klägerin hatte vorzuleisten. Entgegen der Berufung betrafen die anschließenden Gespräche, inwieweit neben den angezahlten 20.000,00 DM eine Bankbürgschaft von der Klä- gerin gestellt und von der Beklagten akzeptiert werden könnte, gerade keine noch ausstehende Einigung über einen für den Vertragsschluß wesentlichen Punkt. Vielmehr handelt es sich um eine Nachverhandlung über eine Abänderung der bereits vertraglich geregelten Finanzierung. Das streitige Parteivorbringen dazu ist für die Wirksamkeit des Vertragsschlusses insoweit ohne Belang. Zu Recht hat das Landgericht nach dem Auftreten des Verhandlungsführers der Klägerin die Zurechnung aus Rechtsscheinsgrundsätzen angenommen. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlaßt hat, so daß der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen durfte und von ihr ausgegangen ist. Das ist dann der Fall, wenn er nach Lage der Dinge ohne Fahrlässigkeit annehmen darf, der Vertretene kenne und dulde das Verhalten des für ihn auftretenden Vertreters (vgl. nur BGH VersR 92, 989, 990; BGH-Urteil vom 08.10.1986 - IV a ZR 49/95·- BGHR BGB § 167"Anscheinsvollmacht II" jeweils mit weiteren Nachweisen). So verhält es sich nach dem unstreitigen Sachverhalt.

2

Die Klägerin hat ihren Mitarbeiter D. bevollmächtigt, die Verhandlungen über die Einrichtung einer Zweigniederlassung mit der Beklagten zu führen. Für dieses sicherlich nicht ungewöhnliche Geschäft konnte der Beklagte die ihm generell erteilte Bankvoll- macht, die die Befugnis zur Begebung von Schecks einschließt (MünchKomm-Schramm, BGB, 3. Aufl., § 167 Rdn. 69 a), unter Benutzung der ihm zur Verfügung gestellten Scheckformulare einsetzen. Unabhängig von dem weiteren kontroversen Parteivorbringen hat die Klägerin damit veranlaßt, daß ihr Geschäftsgegner davon ausgegangen ist und auch ausgehen durfte, sie dulde und billige das Verhalten ihres Scheinvertreters; bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte sie das erkennen und auch verhindern können.

3

Demgegenüber hat die Klägerin ihre Behauptung nicht beweisen können, der Beklagten - ihres Verhandlungsführers bzw. ihrer Geschäftsleitung - hätte die fehlende Bevollmächtigung des D. bzw. der Entscheidungsvorbehalt ihrer Geschäftsführung bekannt sein müssen. Insoweit ist die Klägerin beweisbelastet.

4

Zwar muß grundsätzlich der Geschäftspartner, der Rechte gegen den Vertretenen geltend macht, beweisen, daß die Voraussetzungen der Rechtsscheinshaftung vorgelegen haben (BGB RGRK-Steffen, 12. Aufl., § 167 Rdn. 30; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 167 BGB Rdn. 5). Die Hingabe des Schecks, deren Rückzahlung aus Bereicherungsgrundsätzen die Klägerin verlangt, hat jedoch eine Umverteilung der Beweislast zur Folge. Es ist anerkannt, daß bei Inanspruchnahme aus einem Scheck oder Wechsel bei Identität der Parteien auch im Kausalgeschäft der Gläubiger des Grundgeschäftes aufgrund der Abstraktheit von Scheck- bzw. Wech- selforderung nicht dafür beweispflichtig ist, daß das Grundgeschäft eine wirksame Rechtsgrundlage bildet; der Scheckschuldner trägt die Beweislast dafür, daß die dem Scheck zugrundeliegende Forderung nicht entstanden oder bereits erloschen ist (vgl. nur Baumgärtel/Strieder, Handbuch a. a. O. § 812 BGB Rdn. 20; BGH WM 1993, 2005 f jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Beweislastverteilung bei der Verteidigung gegen die Inanspruchnahme aus einem Scheck muß auch gelten, wenn der Scheckschuldner den Scheckbetrag wegen behaupteter Unwirksamkeit des Grundgeschäftes zurückverlangt. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Bereicherungseinrede und Bereicherungsanspruch ist nicht zu erkennen.

5

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag der Senat ebensowenig wie das Landgericht jedenfalls nicht die volle richterliche Überzeugung (§ 286 ZPO) zu gewinnen, der Beklagten habe vor dem Vertragsschluß die fehlende Abschlußvollmacht des D. bzw. den Ent- scheidungsvorbehalt der Geschäftsleitung der Klägerin bekannt sein müssen. Entgegen der Berufung läßt sich das nicht einmal der Aussage des Steuerberaters der Klägerin entnehmen. Danach hat dieser dem Geschäftsführer der Beklagten einen Tag nach dem Vertragsschluß lediglich mitgeteilt, daß der Geschäftsleitung kein Angebot vorliege und D. keine Vollmacht besitze für Zahlungen in der "zur Debatte stehenden Höhe". Die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bis zum Vertragsschluß werden davon nicht direkt berührt. Vielmehr weist auch diese Aussage zunächst nur auf die Nachverhandlung zur Finanzierungsfrage hin, die - wie ausgeführt - für den Vertragsschluß unerheblich ist.