Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 31.05.1995, Az.: 2 U 74/95

Vorliegen eines Unfalles im Sinne der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) bei Erleiden einer unfreiwilligen Gesundheitsbeschädigung des Versicherten durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis; Vorliegen eines Unfalls bei einem auf einem inneren organischen, oft krankhaften Vorgang des menschlichen Körpers basierenden Ereignisses

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
31.05.1995
Aktenzeichen
2 U 74/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 28905
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0531.2U74.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Kein Unfall im Sinn von § 2 (1) AUB 61, wenn der Versicherte von ohne äußeren Grund infolge Übelkeit aus dem Magen "hochgewürgten" oder erbrochenen Speiseresten erstickt.

Gründe

1

Gemäß § 2 (1) der dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden AUB 61 (83) liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. "Von außen" wirkt ein Ereignis, wenn Kräfte auf den Körper wirken, die außerhalb des Einflussbereichs des eigenen Körpers liegen; beruht dagegen ein Ereignis auf einem inneren organischen, oft krankhaften Vorgang des menschlichen Körpers, liegt kein Unfall vor (Grimm, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 1 AU 88, Rdn. 28; Wussow/Pürckhauer, 6. Aufl., § 1 AUB 88, Rdn. 44; Prölss/Martin-Knappmann, 25. Aufl., § 1 AUB 88, Anm. 3 a). Danach kann auch das Ersticken auf Grund - meist fehlerhaften - Verschluckens von Nahrungsmitteln als ein von außen wirkendes Ereignis angesehen werden, wenn der Versicherte etwas zu sich nimmt, was er nicht oder nicht so zu sich nehmen will. Kommt die Speise jedoch bestimmungsgemäß zunächst in den Magen und sodann auf Grund eines inneren körperlichen Vorgangs, etwa auf Grund einer Übelkeit, durch Würgen oder Erbrechen in die Luftröhre, liegt kein Unfall vor (OLG Hamburg VersR 1952, 19; Grimm, a.a.O., Rdn. 32; Wussow/Pürckhauer, a.a.O., Rdn. 45). Erstickt der Versicherte in einem solchen Fall infolge einer Speiseaspiration, stellt die unmittelbare Schadensursache einen inneren, willensunabhängigen körperlichen Vorgang und keine Einwirkung von außen dar.

2

Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, auch bei einem Ersticken nach Erbrechen von Speiseresten liege ein Unfall im Sinn der Versicherungsbedingungen vor, kann dem aus obigen Gründen nicht gefolgt werden. Allenfalls kann ein von außen wirkendes Ereignis nach einem "Hochwürgen" von Speiseresten angenommen werden, wenn, nachdem die Nahrung in den Magen gelangt ist, auf Grund eines weiteren, von außen wirkenden Ereignisses, etwa durch übermäßigen Genuss von einem kohlensäurehaltigen Getränk, die zuvor eingenommenen Speisen erbrochen werden (OLG Hamburg, a.a.O.).

3

Vorliegend behauptet der Kläger zwar, seine Ehefrau sei beim Hinunterschlucken eines Fleischstücks an demselben erstickt, bevor dieses in den Magen gelangt sei. Ob diese Darstellung dem tatsächlichen Geschehensablauf entspricht, ist jedoch mangels einer un- mittelbar nach dem Tod durchgeführten Obduktion nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass der für das Ersticken der Versicherten ursächliche Speiserest zunächst in den Magen gelangt und sodann auf Grund eines inneren krankhaften Vorgangs hochgewürgt worden ist. Für die Möglichkeit eines solchen Ablaufs spricht immerhin, dass der Zeuge Büter die Verstorbene vor dem Toilettenbecken kniend vorgefunden hat. Eine solche Position nimmt ein Mensch erfahrungsgemäß ein, wenn er sich erbrechen muss. Auch befanden sich, wie der Zeuge Büter im Ermittlungsverfahren bekundet hat und dies durch die von der Polizei gefertigten Lichtbilder belegt wird, kleine Teile im Toilettenbecken, bei denen es sich um Erbrochenes gehandelt haben kann.