Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 02.11.2004, Az.: 7 T 103/04

Voraussetzung der Ersetzung der Zustimmung eines Gläubigers nach der Insolvenzordnung; Restschuldbefreiungsphase unter dem Aspekt eines generellen Aufrechnungsverbotes; Grundsatz der Gläubigergleichheit; Begriff des Arbeitseinkommens im Fall der Erstattungen der Lohnsteuer und der Einkommenssteuer

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
02.11.2004
Aktenzeichen
7 T 103/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33478
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2004:1102.7T103.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Gifhorn - 18.08.2004 - AZ: 36 IK 111/04

Fundstellen

  • ZInsO 2004, 1320-1321 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2005, 96 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2006, 18
  • ZVI (Beilage) 2006, 18 (red. Leitsatz)

Die Zivilkammer 7 des Landgerichts Hildesheim hat
durch ...
am 02.11.2004
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der beteiligten Gläubigerin vom 26.08.2004 wird der Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn - Insolvenzgericht - vom 18.08.2004 aufgehoben.

Die Schuldnerin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Gründe

1

Am 03.05.2004 beantragte die Schuldnerin nach Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuchs die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung. Das Insolvenzgericht ordnete am 05.05.2004 das Ruhen des Verfahrens über den Eröffnungsantrag und die Durchführung eines Schuldenbereinigungsplanverfahrens an. Die Samtgemeinde ... erteilte zunächst eine Zustimmung nicht, die beteiligte Gläubigerin nur unter der Aufnahme eines Vorbehaltes, dass sie von sich künftig ergebenden Aufrechnungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Nach einem entsprechenden Hinweis des Insolvenzgerichts vom 25.06.2004 beantragte die Schuldnerin am 22.07.2004 die Zustimmung der widersprechenden Gläubiger zu ersetzen. Die beteiligte Gläubigerin verwies darauf, dass sie durch das Fehlen der begehrten Klausel gegenüber dem eigentlichen Insolvenzverfahren benachteiligt würde. Die Samtgemeinde ... teilte aber mit, dass sie dem Schuldenbereinigungsplan nunmehr zustimmen werde.

2

Durch den Beschluss vom 18.08.2004 hat das Insolvenzgericht die Zustimmung der beteiligten Gläubigerin ersetzt, weil diese nicht besser gestellt werden müsse als andere Gläubiger. Gegen diesen der Gläubigerin am 20.08.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 26.08.2004 bei dem Insolvenzgericht eingegangene "Beschwerde", der das Insolvenzgericht durch seinen Beschluss vom 30.08.2004 nicht abgeholfen hat. Lohnsteuererstattungsansprüche der Schuldnerin seien Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, die von der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO umfasst seien. Sonstige Erstattungsansprüche seien nicht ersichtlich und dargetan.

3

1.

Die nach §§ 4, 6, 309 Abs. 2 Satz 2 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist nach §§ 567, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Bezeichnung als "Beschwerde" steht dem nicht entgegen.

4

2.

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

5

Voraussetzung der Ersetzung der Zustimmung eines Gläubigers nach § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO ist, dass dieser Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung stünde. Von einer solchen wirtschaftlichen Schlechterstellung ist hier auszugehen, weil der Schuldenbereinigungsplan keine Aufrechnungsmöglichkeit mit Steuererstattungsansprüchen vorsieht.

6

a)

Ein generelles Aufrechnungsverbot besteht in der Restschuldbefreiungsphase nicht (LG Koblenz ZInsO 2000, 507, 508[LG Koblenz 13.06.2000 - 2 T 162/00]; Hilbertz/Busch, InsO 2000, 491, 492; a.A. AG Göttingen, ZInsO 2001, 768[AG Göttingen 10.05.2001 - 74 IK 6/01]; offen gelassen AG Wittlich ZInsO 2003, 577, 578[AG Wittlich 04.05.2003 - 7b IK 50/02]/579). Mit der Aufhebung des Verfahrens entfallen die Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 94 ff InsO. Soweit über diese Gesetzeslage hinaus auch in der Treuhandperiode ein Aufrechnungsverbot aus § 294 InsO und dem Grundsatz der Gläubigergleichheit gefordert wird (vgl. Grote, ZInsO 2001, 452 ff; Braun, InsO, Rz. 10 § 294), bleibt dies einer Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten.

7

b)

Lohn- und Einkommenssteuererstattungsansprüche sind auch nicht Arbeitseinkommen, das von der Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst wird (a.A. AG Gifhorn, ZInsO 2001, 630[AG Gifhorn 12.06.2001 - 2 C 1055/00]; Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, Rz. 9 § 287). Forderungen auf Steuererstattungen sind vielmehr umgekehrte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (Hutschmann/Hopp/Spitaler-Boeker, Rz. 22 § 37 AO), haben also einen anderen Rechtscharakter, auch wenn ihnen eine Bezahlung aus dem Arbeitseinkommen vorausgegangen ist (AG Wittlich, a.a.O., S. 578; Kothe/Ahrens/ Grote, Restschuldbefreiung, 2. Aufl., Rz.44 § 287; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., Rz. 22"87; Münchener Kommentar- Stephan, InsO, Rz. 40 § 287; jeweils m.w.N.).

8

3.

Das Insolvenzgericht hat demnach über die weitere Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens unter Beachtung der aus den Gründen dieses Beschlusses ersichtlichen Rechtsauffassung zu entscheiden.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 91 Abs. 1 ZPO.