Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 02.02.2004, Az.: 7 T 3/04
Anordnung des Eröffnungsantrages und Stundungsantrages durch das Insolvenzgericht; Vorlage eines Verzeichnisses der Gläubiger und eines Verzeichnisses der Forderungen durch den Schuldner; Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 02.02.2004
- Aktenzeichen
- 7 T 3/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33387
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2004:0202.7T3.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Gifhorn - 11.12.2003 - AZ: 36 IK 66/03
Rechtsgrundlagen
- § 4 InsO
- § 6 InsO
- § 289 Abs. 2 InsO
- § 567 ZPO
- § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO
- § 38 InsO
- § 174 InsO
- § 290 Abs. 1 InsO
- § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Fundstelle
- ZVI 2004, 545-547 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Sofern das Insolvenzverfahren im schriftlichen Verfahren durchgeführt wird, kann auch über den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
- 2.
Der Antragsteller eines Insolvenzverfahrens kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Schuldnerberatung habe ihn bei Antragstellung dazu angehalten, nur titulierte Forderungen anzugeben.
- 3.
Grob fahrlässig handelt der Schuldner, der besonders schwer gegen die objektiv gebotene Sorgfalt verstößt und dem subjektiv ein besonderes unentschuldbares Verhalten vorwerfbar ist.
In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Hildesheim
durch ...
am 02.02.2004 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 17.12.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn - Insolvenzgericht - vom 11.12.2003 wird zurückgewiesen.
Der Schuldner hat die Kosten der sofortigen Beschwerde zu tragen. Wert der Beschwerde: Bis 3.000,-EUR.
Gründe
Der Schuldner beantragte am 05.05.2003 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen und ihm die Kosten für das Verfahren zu stunden. Mit Beschlüssen vom 22.05.2003 entsprach das Insolvenzgericht dem Eröffnungs- und Stundungsantrag und ordnete das schriftliche Verfahren an. Gläubiger waren aufgefordert, ihre Insolvenzforderungen bis zum 23.07.2003 anzumelden. Diese Forderungen sollten am 13.08.2003 geprüft werden.
Wie schon in dem außergerichtlichen Schuldenregulierungsplan hatte der Schuldner auch in seinem Antrag vom 05.05.2003 fünf Gläubiger benannt, nicht aber den weiteren Gläubiger ... Dieser zeigte nach Durchführung des Prüfungstermins am 13.08.2003 mit Schriftsatz vom 24.09.2003, eingegangen bei dem Insolvenzgericht am 02.10.2003, erstmals folgende Forderung an:
Der Schuldner hatte ihn am 25.01.2002 mit der anwaltlichen Vertretung beauftragt. Wegen seines Gebührenanspruchs erging nach den per Fax an den Schuldner versandten Mahnschreiben vom 20.03. und 24.04.2003 auf den Mahnbescheid vom 11.06.2003 der Vollstreckungsbescheid vom 17.07.2002 über den Gesamtbetrag von 253,24 EUR. Im Wege der Zwangsvollstreckung war der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29.08.2003, der ... als Drittschuldnerin am 08.09.2003 zugestellt, erlassen worden.
Der Gläubiger hatte schon mit seinem Schriftsatz vom 24.09.2003 und am 30.10.2003 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Der Treuhänder gab an, der Schuldner habe ihm erst am 10.09.2003 die Urkunde hinsichtlich der Zustellung bei der Drittschuldnerin kommentarlos zukommen lassen. Demgegenüber behauptete der Schuldner, er sei von der Schuldnerberatung bei der Ausfüllung des Antrages vom 05.05.2003 aufgefordert worden, alle titulierten Forderungen anzugeben, was er nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe. Im Übrigen sei er mit der Arbeit des Gläubigers nicht zufrieden gewesen. Auf den Mahnbescheid habe er den Treuhänder schon im Juli 2003 persönlich hingewiesen. Die Befriedigungsaussichten der Gläubiger seien auch nicht vermindert worden.
Der Gläubiger erklärte sich dem Schuldner und dem Insolvenzgericht gegenüber zur Rücknahme seines Versagungsantrages bereit, wenn seine Forderung ausgeglichen würde. Er meldete die angeführte Forderung am 06.11.2003 nachträglich an.
Mit dem Beschluss vom 11.12.2003 hat das Insolvenzgericht nach seinen Zwischenverfügungen vom 08. und 30.10. sowie 12.11.2003, mit denen dem Gläubiger und dem Schuldner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt, weil er in dem Antrag vom 05.05.2003 die Forderung des Gläubigers ... bewusst weggelassen habe. Gegen diesen dem Schuldner am 16.12.2003 zugestellten Beschluss richtet sich sein "Einspruch" vom 17.12.2003 mit der Begründung, es habe nicht bewiesen werden können, dass er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Weiter habe er den Treuhänder unverzüglich von der titulierten Forderung des Gläubigers in Kenntnis gesetzt. Das Insolvenzgericht hat durch Beschluss vom 18.12.2003 dem Rechtsmittel des Schuldners nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
1.
Die nach §§ 4, 6, 289 Abs. 2 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist nach §§ 567, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Dabei war es nicht erheblich, dass das Rechtsmittel als "Einspruch" nicht richtig bezeichnet worden ist (Thomas/Putzo, ZPO, 24.Aufl., Rz.10 § 569).
2.
Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet.
a)
Nach § 290 Abs. 1 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn einer der in dieser Vorschrift genannten Versagungsgründe vorliegt und die Versagung von einem Insolvenzgläubiger in dem Schlusstermin beantragt wird (BGH NJW 2003, 2167, 2168) [BGH 20.03.2003 - IX ZB 388/02].
Im vorliegenden Verbraucherinsolvenzverfahren konnte das Insolvenzgericht anordnen, dass das Verfahren schriftlich durchgeführt wird, § 312 Abs. 2 InsO. Dann kann auch über den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren entschieden werden (BGH NJW 2003, 2167, 2169) [BGH 20.03.2003 - IX ZB 388/02]. An die Stelle des Schlusstermins tritt der Ablauf der den Insolvenzgläubigern gesetzten Frist zum 23.07.2003 (AG Mönchengladbach ZinsO 2001, 631; Kothe/Ahrens/Grote, Restschuldbefreiung, 2.Aufl., Rz. 58 § 290). Gleichwohl war der Versagungsantrag des Gläubigers nicht als verspätet und damit als unzulässig zu verwerfen:
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Versagungsantrag nur von einem Insolvenzgläubiger gestellt werden kann, der seine angebliche Forderung angemeldet hat (§§ 38, 174 InsO; vgl. Stephan in Münchener Kommentar, InsO, Rz.14 § 290; Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, Rz.3 § 290). Hier hat der Gläubiger jedenfalls inzwischen die Anmeldung seiner titulierten Forderung nachgeholt.
Die nachträglich angemeldete Forderung des Gläubigers ist nach § 177 InsO in einem gesonderten - hier schriftlichen - Prüfungsverfahren zu prüfen. In dem nachträglichen schriftlichen Anhörungsverfahren kann daher ein Versagungsantrag immer noch gestellt werden (vgl. Kothe u.a., a.a.O., Rz. 60 § 290). Der Gläubiger hat diesen Versagungsantrag zwar nach Ablauf der Frist zum 23.07.2003, nunmehr aber schon wiederholt (24.09. und 30.10.2003) und mit Nachdruck gestellt, so dass es einer Wiederholung des Versagungsantrages etwa nach Anmeldung der Forderung am 03.11.2003 nicht mehr bedurfte. Der Gläubiger ist in dem Verfahren über die Versagung der Restschuldbefreiung beteiligt worden. Dem Schuldner war ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es bestehen daher auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass das Insolvenzgericht schon zu diesem Zeitpunkt über die Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren entschieden hat.
b)
Nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat der Schuldner ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen vorzulegen. Dem ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind, bei vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen oder unvollständigen Angaben liegt ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor, wenn durch die Verletzung der Obliegenheit die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger vermindert werden.
Der Gläubiger hat einen solchen Versagungsgrund nach § 4 InsO, § 294 ZPO glaubhaft gemacht, § 290 Abs. 2 InsO (vgl. BGH NJW 2003, 3558). Er hat sich auf die von dem Schuldner mit seinem Eröffnungsantrag vorgelegten Gläubiger- und Forderungslisten bezogen. In diesen ist die Forderung des Gläubigers ... nicht enthalten, obwohl nach den weiter vorgelegten Mahnungen dem Schuldner schon zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass sich auch dieser Gläubiger einer Forderung gegen ihn berühmt. Dabei kam es nicht darauf an, dass diese Forderung sich gegenüber anderen Ansprüchen gegen den Schuldner als verhältnismäßig geringfügig ausnahm.
c)
Auch das Beschwerdegericht ist zur vollen Überzeugung gelangt, dass der geltend gemachte Versagungstatbestand ( § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO) erfüllt ist:
aa)
Der Schuldner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Schuldnerberatung habe ihn bei Antragstellung dazu angehalten, nur titulierte Forderungen anzugeben. Unabhängig davon, dass der Schuldner nicht konkret vorträgt, wer genau ihm einen solchen Rat erteilt haben soll, ergibt sich schon bei der sorgfältigen Ausfüllung der verwendeten Vordrucke selbst, dass neben dem Gläubiger und seiner Forderung auch Angaben zu dem Forderungsgrund zu machen sind. Insbesondere zur Titulierung einer Forderung ist eine besondere Spalte zur Erklärung vorgesehen, was deutlich macht, dass eine anzugebende Forderung eben nicht in jedem Falle auch tituliert sein muss. Weiter ist der Schuldner auf der Anlage 6 seines Antrages (Gläubiger- und Forderungsverzeichnis) ausdrücklich auf seine Pflichten und die sich ergebenden Konsequenzen bei Nichteinhaltung hingewiesen worden, was nochmals besonderen Anlass zu sorgfältiger Erledigung gab.
bb)
Ebenso ohne Substanz ist der Hinweis des Schuldners, er habe schon im Juli 2003 den Treuhänder auf die Forderung des Gläubigers hingewiesen. Im Ergebnis konnte dies aber auch dahin stehen, weil der Schuldner schon im Mai 2003 zumindest unvollständige Angaben gemacht und damit gegen seine Pflichten verstoßen hat.
cc)
Es war von einer jedenfalls groben Fahrlässigkeit des Schuldners auszugehen. Grob fahrlässig handelt der Schuldner, der besonders schwer gegen die objektiv gebotene Sorgfalt verstößt und dem subjektiv ein besonderes unentschuldbares Verhalten vorwerfbar ist (Hess u.a., InsO, 2. Aufl., Rz. 21 § 290 m.w.N.). Davon war hier deshalb auszugehen, weil der Schuldner auf Grund der eindeutigen Fragestellung nach Gläubigern und deren Forderung nicht davon annehmen konnte, den Gläubiger von Boehn nicht angeben zu müssen und gerade erst durch die Mahnung vom 24.04.2003 darin erinnert worden war, dass ... noch Ansprüche gegen ihn erhob. Wenn der Schuldner selbst darauf hinweist, dass er mit der Arbeit des Gläubigers von Boehn nicht zufrieden gewesen sei, legt dies nahe, dass er die Gebührenansprüche auch nicht erfüllen wollte. Dies rechtfertigte es aber nicht, die erhobenen Ansprüche nicht anzugeben. Gerade die vom Schuldner zu erstellenden Verzeichnisse sind für die Gläubiger maßgebliche Informations- und Beurteilungsgrundlagen und deshalb sorgfältig auszufüllen. Nur dem redlichen Schuldner, der seine Vermögensverhältnisse offenbart und die ihm zum Schutz der Gläubiger auferlegten Obliegenheiten erfüllt, soll Gelegenheit gegeben werden, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO). Diesem Maßstab ist der Schuldner trotz dem eingehenden Hinweis in dem Antragsvordruck nicht nachgekommen. Auf die Motive seines Handelns kam es nicht an.
dd)
Ein nur formaler Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, der nicht zu einer Verschlechterung der Befriedigung der Gläubiger führt, reicht nicht aus. Hier sind die übrigen Gläubiger durch den Schuldner aber nicht darüber informiert worden, dass sich ein weiterer Gläubiger einer Forderung gegen den Schuldner berühmt, die ihre Befriedigungsaussichten, wenn auch im Verhältnis zu ihren eigenen Ansprüchen in einem nur geringen Umfang, beeinträchtigen kann. Schon daraus folgt, dass es sich nicht um eine unwesentliche Pflichtverletzung des Schuldners handelte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 97 ZPO.