Landgericht Hildesheim
Urt. v. 20.01.2004, Az.: 3 O 183/03

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
20.01.2004
Aktenzeichen
3 O 183/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2004:0120.3O183.03.0A

Fundstelle

  • JWO-VerkehrsR 2004, 164

In dem Rechtsstreit

...

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch ... als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 30.12.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 1.955,36 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2002 zu zahlen.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 74 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 26 % zu tragen.

    Das Urteil ist für die Parteien gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger verfolgt Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

2

Am 17.05.2002 kam es zwischen dem Kläger als Eigentümer und Fahrer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen ... und dem - mittlerweile verstorbenen -Beklagten zu 1.) als Halter und Fahrer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen ... in G. auf der Kreuzung G. Straße (L 292) / B. Straße (alte B 4) zu einem Verkehrsunfall. Der Kläger befuhr aus I. kommend die G. Straße. Der Beklagte zu 1.) befuhr die vorfahrtsberechtigte B. Straße und näherte sich dem Kläger aus dessen - des Klägers - Sicht von links. Als der Kläger in den Kreuzungsbereich hineinfuhr, um nach links abzubiegen, kam es zur Kollision mit dem Beklagten zu 1.). Der genaue Hergang des Unfalls ist zwischen den Parteien umstritten.

3

Die Beklagte zu 2.) ist die Haftpflichtversicherin des Fahrzeugs des Beklagten zu 1.).

4

Der Kläger verlangt den Ersatz folgender Schadenspositionen:

5

Reparaturkosten netto abzüglich Wertverbesserung .................. 6.721,16 EUR

6

Sachverständigenkosten ................................................................ 624,29 EUR

7

Allgemeine Kostenpauschale ........................................................... 20,45 EUR

8

Abschleppkosten ............................................................................ 146,74 EUR

9

Gesamt ........................................................................................7.512,64 EUR

10

Der Kläger behauptet, der auf der vorfahrtberechtigten Straße fahrende Beklagte zu 1.) habe den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und sich auf der Fahrbahn nach rechts orientiert. Der Beklagte zu 1.) sei aber nicht - wie erwartet - abgebogen, sondern zunächst geradeaus weiter gefahren und habe dann kurz vor dem Zusammenstoss sein Fahrzeug nach links gezogen.

11

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.512,64 EUR nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 14. September 2002 zu zahlen.

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Die Beklagten stellen den Antrag,

die Klage abzuweisen.

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Sie behaupten, der Kläger habe den Anspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten an den Sachverständigen abgetreten. Im Übrigen habe der Sachverständige bei einer Nachbesichtigung den Ein- und Ausbau des Motors nicht mehr für erforderlich gehalten, was zu einer Reduzierung der ersatzfähigen Reparaturkosten um 370,50 EUR führen würde.

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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß der Beschlüsse vom 22.07.2003 (Bl. 84 d.A.) und 12.08.2003 (Bl. 95 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen ... und POK ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.07.2003 (Bl. 83 ff. d.A.) und 21.10.2003 (Bl. 100 f. d.A.) Bezug genommen.

15

Die Akten 3 O 13/03 LG Hildesheim, 31 Js 31562/02 StA Hildesheim und 210006681 LK Gifhorn waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

17

Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus den §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG in der vor dem 01.08.2002 geltenden Fassung ein Schadensersatzanspruch lediglich in Höhe"des tenorierten Betrages zu. Den Beklagten zu 1.) trifft nur ein Mitverschulden von 30 % an dem Verkehrsunfall.

18

Durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist das Eigentum des Klägers verletzt worden, da sein Fahrzeug beschädigt wurde. Der Beklagte zu 1.) ist Fahrer und Halter des an dem Verkehrsunfall weiter beteiligten Pkw gewesen.

19

Bei der nach den §§ 17 StVG, 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der gegenseitigen Verursachungsanteile und des Mitverschuldens ist dem Beklagten zu 1.) ein Mitverschulden voji 30 % vorzuwerfen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Wartepflichtiger der Fahrtrichtungsanzeige des Berechtigten grundsätzlich vertrauen darf. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 StVO darf der Wartepflichtige jedoch nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtberechtigten weder gefährden noch wesentlich behindern wird. Verstößt der Wartepflichtige gegen diese Pflicht, tritt dieser Verstoß auch hinter einem Fehlverhalten des Berechtigten durch eine Geradeausfahrt trotz eingeschalteter Fahrtrichtungsanzeige nicht vollends zurück.

20

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass der Beklagte zu 1.) bei der Annäherung an die Kreuzung nach rechts geblinkt hat. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin ..., die - jedenfalls insoweit - nachvollziehbar und widerspruchsfrei war. Sie hatte aufgrund ihrer Position in dem zweiten Fahrzeug hinter dem Kläger Sichtmöglichkeit auf das von links herankommende Fahrzeug des Beklagten zu 1.). Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin die Unwahrheit gesagt hätte, waren nicht ersichtlich. Eine Beziehung zu den Parteien wurde nicht behauptet. Allerdings hat der Beklagte zu 1.) keinen weiteren Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Aussage der Zeugin ... vermag den Vortrag des Klägers nicht zu beweisen. Jedenfalls werden ihre Angaben durch die vorgefundenen Bremsspuren "widerlegt. Nach der widerspruchsfreien Aussage des - ebenfalls - neutralen Zeugen ... sind die auf den in Augenschein genommenen Bildern ersichtlichen Bremsspuren dem Auto des Beklagten zu 1.) zuzuordnen. Der Zeuge ... hat nachvollziehbar erläutert, dass er die Spuren dem Unfallfahrzeug zwanglos zuordnen konnte. Die Bremsspuren zeigen ausweislich der am Unfallort aufgenommenen Bilder einen geraden Verlauf. Dies zeigt, dass der Pkw des Beklagten zu 1.) eine stabile Fahrtrichtung bzw. eine stabile Lage inne hatte. Ein Schleudern oder ein abrupter Fahrtrichtungswechsel kurz vor Bremsbeginn kann ausgeschlossen werden. Die Angabe der Zeugin, der Beklagte zu 1.) habe ca. anderthalb bis zwei Autolängen vor dem Trichter sein Fahrzeug nach links herübergezogen, ist mit den vorgefundenen Bremsspuren nicht in Einklang zu bringen. Diese Spuren beginnen ebenfalls kurz vor dem Trichter und sind eher links orientiert. Der Beklagte zu 1.) kann demnach nicht nahe am Trichter am rechten Fahrbahnrand gewesen sein, jedenfalls nicht so nahe, dass der Kläger auf ein Abbiegen vertrauen durfte. Das Fahrzeug kann nicht hüpfen.

21

Des Weiteren ergibt sich auch aus der gefahrenen Geschwindigkeit kein sicherer Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte zu 1.) nach rechts abbiegen wollte. Der Vortrag des Klägers hierzu ist unzureichend. Angesichts der Länge der Bremsspur von ca. 15 Metern ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1.) bei Beginn der Verzögerung mit mindestens 55 km/h gefahren ist (durchschnittliche mittlere Bremsverzögerung auf trockener Fahrbahn von 7m/ s2). Für einen Abbiegevorgang wäre jedenfalls nach dem Bekunden der Zeugin Fritz eine geringere Geschwindigkeit üblich und notwendig gewesen wäre. Auf die von ihr bekundete Beschleunigung durch den Beklagten zu 1.) kommt es nicht an, da diese jedenfalls an einem Punkt stattgefunden hat, der vor dem Trichter belegen war und der Kläger mangels eines Einfahrens in den Trichter nicht von einem Abbiegen ausgehen durfte, l.ü. sind zu der Beschleunigung keine konkreten Angaben erfolgt (wie stark? von welcher Geschwindigkeit ausgehend?).

22

Den Beklagten zu 1.) trifft ein Mitverschulden, weil er aufgrund der Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers nach rechts eine unklare Verkehrslage geschaffen hat.

23

Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Kläger im Verfahren 3 O 13/03 LG Hildesheim eine vom hiesigen Vortrag abweichende Darstellung des Sachverhalts hat vorbringen lassen.

24

Die Höhe des Schadensersatzes ergibt sich aus den vom Kläger vorgetragenen Positionen. Diese waren um die Kosten für den Ein- und Ausbau des Motors von 370,50 EUR und die Sachverständigenkosten von 624, 29 EUR zu kürzen. Der Kläger ist dem Vortrag der Beklagten insoweit nicht mehr entgegengetreten. Hiernach ist eine Summe von 6.517,85 EUR zugrunde zu legen. 30 % hiervon ergeben den zugesprochenen Betrag von 1.955,36 EUR.

25

Der Beklagte zu 1.) ist am 21.02.2003 verstorben. Dies hindert jedoch nicht die Fortsetzung des Prozesses gegen ihn. Der Prozess wird dadurch nicht unterbrochen, §§ 86, 246 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte zu 1.) war anwaltlich vertreten. Bereits in dem Verfahren 3 O 13/03 war unter dem 30.01.2003 eine Vertretungsanzeige durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgt. Diese erstreckte sich auf beide beklagte Parteien. Diese Vertretungsanzeige wirkt, da sie sich auf denselben Verkehrsunfall bezog, auch für den jetzt entschiedenen Rechtsstreit.

26

Der Zinsanspruch ist aus den §§ 284, 286 BGB a.F. begründet.