Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 26.10.2004, Az.: 1 T 109/04

Angabe begünstigter Gläubiger; Dienstsiegel; Durchsuchung; eingedrucktes Siegel; herausgabebereiter Dritter; Inhalt und Form; Pfändung; Siegel; Verhältnismäßigkeit; Vollstreckungsklausel

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
26.10.2004
Aktenzeichen
1 T 109/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50832
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 11.06.2004 - AZ: 23c M 20846/04

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner wird der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Hildesheim vom 11.6.2004 auf Kosten der Gläubigerin geändert.

Der Antrag der Gläubigerin auf Durchsuchung der Wohnung und der Behältnisse der Schuldner gem. § 758 ZPO i. V. m. Art 13 II GG vom 24.3.2004 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde ist nach zutreffender Auffassung zulässig (vergl. Zimmermann, ZPO, 6. Auflage, § 758a Rz. 7 m.w.N.) und begründet, weil jedenfalls die Vollstreckungsvoraussetzungen gem. §§ 66 IV SGB X, 725 ZPO fehlen.

2

Ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, ist im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Durchsuchung nach § 758 a ZPO zu prüfen (vergl. Zöller-Stöber, ZPO, 23. Auflage, § 758a Rz. 16 m.w.N.). Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist, daß gem. §§ 66 IV SGB X, 725 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des Leistungsbescheides hergestellt wird. Inhalt und Form der Vollstreckungsklausel bestimmen sich dabei nach § 725 ZPO. Den dort genannten Anforderungen wird der vorliegende Leistungsbescheid nicht gerecht.

3

Die Vollstreckungsklausel ist zwar unterschrieben, aber nicht in zulässiger Weise gesiegelt. Gem. § 725 ZPO ist die Vollstreckungsklausel mit Dienstsiegel zu versehen. Dabei sind gewöhnliche Schwarzstempel zureichend, aber auch notwendig; ein nur eingedrucktes Siegel erfüllt die Voraussetzungen des § 725 ZPO nicht (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 62. Auflage, § 725 Rz. 4; LG Aurich Nds. RPfl. 1986, 276; LG Aurich, RPfl. 1988, 198; AG Kassel DGVZ 1984, 172; aA LG Kassel, DGVZ 1984, 175). Der Urkundsbeamte führt das Siegel bzw. den Stempel zum äußeren Zeichen seiner Vollmacht (AG Kassel a.a.O.); fehlt selbst ein einfacher Stempelabdruck, sind Zweifel an der Befugnis nicht auszuschließen. Nach Auffassung der Kammer gilt dies umso mehr, als unter Zuhilfenahme heute üblicher Computertechnik es keine Schwierigkeiten bereitet, ein eingedrucktes Siegel herzustellen; der Beweiswert eines solchen gedruckten Siegels geht damit völlig verloren. Soweit aufgrund einer weithin maschinellen Bearbeitung der Computer- oder Formulardruck eines Siegels ausreichen soll, bedarf dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (vergl. z. B. §§ 658, 703b ZPO, § 32 VereinsRegV , § 64 HandelsregisterV ); eine solche ist für den vorliegenden Regelungsbereich indes nicht ersichtlich. Als nicht erheblich sieht die Kammer damit den Einwand der Gläubigerin an, daß auch ohne Siegel in jedem Falle volle Gewißheit über die Herkunft der Urkunde bestehe und damit eine Siegelung im Wortsinne entbehrlich sei. Nach Auffassung der Kammer nämlich geht es nicht primär um die „Herkunft“ der Urkunde, sondern um den Nachweis, daß der jeweilig Unterzeichnende zur Herstellung einer vollstreckbaren Ausfertigung befugt ist und im Rahmen seiner Befugnis handelt. Die Handhabung der Gläubigerin reduziert die Siegelung auf eine Formalie, der keinerlei praktische Bedeutung mehr zukommen soll, soweit die Echtheit bzw. Herkunft von Urkunde und Klausel im übrigen außer Frage stehen. Nach der Argumentation der Gläubigerin könnte dann auf eine Siegelung ganz und stets verzichtet werden, weil sie eine überflüssige Förmelei darstellt. Eine solche Sichtweise entspricht offenkundig aber nicht der gesetzgeberischen Wertung.

4

§ 725 ZPO sieht zudem vor, daß mit der Vollstreckungsklausel diejenige Partei ausdrücklich bezeichnet wird, zu deren Gunsten die vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird; eine solche Angabe fehlt jedoch (vergl. z. B. Zöller-Stöber, a.a.O.,§ 725 Rz. 1). Zwar meint die Kammer, daß im Interesse einer klaren und unmißverständlichen Handhabung (auch mit Blick auf immerhin theoretisch denkbare Klauselumschreibungen) auf die Angabe des begünstigten Gläubigers nicht verzichtet werden kann. Hierauf kommt es vor dem Hintergrund der unzureichenden Siegelung indes nicht entscheidend an.

5

Offen bleiben kann letztlich auch, ob die Durchsuchung unverhältnismäßig erscheint. Aus Sicht der Kammer spricht allerdings viel dafür. Dabei unterstellt die Kammer nicht zu Gunsten der Schuldner, daß diese keinerlei Wertgegenstände besitzen, sondern gibt nur zu Bedenken, daß etwaige Wertgegenstände sich - angesichts der schweren Erkrankung der Schuldner und deren Wohnung bei den Eltern - nicht im Alleingewahrsam der Schuldner befinden werden, eine Pfändung daher nur nach Maßgabe des § 809 ZPO wird erfolgen können. Mit Blick auf die schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die nach Darstellung der Schuldnervertreter allein durch die Durchsuchung drohen, erscheint eine Durchsuchung dann nicht verhältnismäßig.

6

Die Kosten der Beschwerde sind in analoger Anwendung des § 91 ZPO von der Gläubigerin zu tragen. Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 574 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.