Landgericht Hildesheim
Urt. v. 03.06.2004, Az.: 1 S 5/04

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
03.06.2004
Aktenzeichen
1 S 5/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hildesheim - 10.12.2003 - AZ: 18 C 161/03
nachfolgend
BGH - 11.07.2006 - AZ: VI ZR 339/04

Tenor:

Die Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 10.12.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hildesheim werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtsstreits verteilen sich wie folgt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte zu 1) 1/3. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in voller Höhe.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Dem Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Wert:4.010,35 EUR

Tatbestand:

I.

1

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung Ansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 3) weiter; der Beklagte zu 1) wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Verurteilung in erster Instanz.

2

Die Klägerin macht geltend, das Amtsgericht habe mit Blick auf § 10 KWG verkannt, dass seitens der Beklagten zu 3) systematisch der ... Eigenmittel entzogen worden seien. Die Beklagte zu 3) hafte hierfür im Wege der Durchgriffshaftung. Der Beklagte zu 1) habe sich zudem wegen Betrugs und Untreue strafbar gemacht, weil er zum einen ihm aufgrund der Regelungen des KWG obliegenden Offenbarungspflichten nicht nachgekommen ist, zum anderen Vermögensbetreuungspflichten verletzt wurden. Die Beklagte zu 2) sei in diesem Zusammenhang mindestens als Gehilfin anzusehen, weil der Abschluß der Darlehensverträge als außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Beklagten zu 3) bedurft hätte; die Beklagte zu 3) habe aber ihre Willensbildung nicht allein durch den Beklagten zu 1) abschließen können, sondern - weil es sich um ein auch für sie außergewöhnliches Geschäft gehandelt habe - der Beschlußfassung aller Gesellschafter, mithin auch der Beklagten zu 2) bedurft. Die Beklagte zu 2) habe daher eine gesetzliche Mitwirkungspflicht getroffen (§ 116 II HGB). Im übrigen erscheine es angesichts der intellektuellen Fähigkeiten der Beklagten zu 2) lebensfremd, wenn sie in der Vernehmung im Termin zur mdl. Verhandlung vorgebe, von Umfang und wirtschaftlichen Hintergründen der Unternehmensstruktur sowie der Darlehensvergabe nichts gewußt zu haben. Dann aber treffe sie ein ebensolcher strafrechtlicher Vorwurf wie den Beklagten zu 1). Schließlich ergebe sich eine Haftung aus §§ 15, 17 KWG.

3

Der Beklagte zu 1) wendet sich gleichfalls gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Hildesheims, soweit er verurteilt wurde und meint, die Feststellungen des Amtsgerichts zum Kreditwesengesetz seien rechtsfehlerhaft. §§ 32, 54 KWG seien keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 II BGB. Die Darlehensgeschäfte erfüllten zudem weder den Tatbestand des § 1 1 2 Nr. 1, 2. Alt. KWG noch handele es sich um Einlagen im Rechtssinne; die ... kein Kreditinstitut. Der Beklagte zu 1) habe im übrigen jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt, zumindest aber nicht in Gewinnerzielungsabsicht, so dass die Annahme des gewerbsmäßigen Handelns nicht in Frage komme. Ungeachtet dessen habe der Beklagte zu 1) aber auch nicht schuldhaft gehandelt. Schließlich scheide auch eine Haftung unter den Gesichtspunkten der C.I.C., der positiven Forderungsverletzung oder gem. §§ 15,17 KWG aus.

4

Die Klägerin beantragt daher,

5

das Urteil des AG Hildesheim vom 10.12.2003 teilweise zu ändern und wie folgt neu zu fassen:

6

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.010,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.4.2003 zu zahlen.

7

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

8

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

9

Der Beklagte zu 1) beantragt,

10

das Urteil des AG Hildesheim vom 10.12.2003 teilweise zu ändern und wie folgt neu zu fassen:

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Die Klage wird abgewiesen.

12

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

14

Die Klägerin meint, das Amtsgericht habe zutreffend erkannt, dass das KWG drittschützende Wirkung hat.

15

Die Beklagten zu 2) und 3) heben hervor, dass auch die erstmals in der Berufung problematisierte Norm des § 10 KWG zu keiner Haftung der Beklagten zu 2 und 3) führe. Unstreitig gab die ... bereits seit den 90er Jahren in wirtschaftlich gesunder Zeit aller beteiligter Firmen Darlehen aus, die auch in großem Umfange zurückgeführt wurden. Von einer betrügerischen Absicht könne daher nicht die Rede sein. Den Darlehensforderungen hätten stets werthaltige Forderungen an die ... und an die Beklagten zu 3) gegenübergestanden. Zu keinem Zeitpunkt sei über die Sicherheit der Einlagen getäuscht worden; von einer Beihilfe könne demgemäß nicht die Rede sein. Beschlüsse im Sinne von § 116 HGB seien nicht gefaßt worden; weitergehende Kenntnisse habe die Beklagte zu 2) nie gehabt.

16

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Hildesheim vom 12.11.2003 sowie den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufungen sind gleichermaßen zulässig und insbesondere jeweils fristgerecht eingelegt worden. Sie sind jedoch nicht begründet.

18

Die Kammer pflichtet dem Amtsgericht im Ergebnis bei und hält eine Haftung des Beklagten zu 1) nach §§ 15, 17 I, II KWG für begründet; sie schließt sich damit der Rechtsauffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim (z. B. Urteil vom 15.1.2004 - 4 O 294/03 -) an (siehe sogleich 1.). Ansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) bestehen nach Überzeugung der Kammer nicht (siehe 2.).

19

1. Der Beklagte hat gem. §§ 15, 17 KWG für den Forderungsausfall der Klägerin einzustehen.

20

§§ 15, 17 KWG sehen vor, dass der Geschäftsleiter eines Kreditinstituts persönlich haftet, wenn Kredite an mit dem Unternehmen verbundene Personen herausgegeben werden (Organkredite), ohne dass die hierzu berufenen Kontroll- und Aufsichtsorgane zustimmen gem. § 15 KWG. Eine solche Haftung trifft den Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der ... hier.

21

Das Amtsgericht hält zwar die §§ 15, 17 KWG für nicht anwendbar, weil die Konzeption der Haftungsregelung auf ein konzessioniertes Kreditinstitut zugeschnitten sei, das die in § 15 KWG vorgesehenen Kontrollgremien aufweist. Diese Argumentation überzeugt die Kammer jedoch nicht. Sinn und Zweck der Norm ist der möglichst weitgehende Schutz desjenigen Bankkunden, der durch eine Kreditvergabe an dem Kreditinstitut nahestehende Personen, Organe oder Gesellschaften Nachteile erleidet, wenn sich diese Kredite als nicht werthaltig erweisen und das Kreditinstitut damit in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Ein Anleger, der an ein verbotswidrig nicht konzessioniertes Kreditinstitut gerät, erscheint dabei jedoch nicht minder schutzwürdig; die Interessenlage ist vergleichbar. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass im Falle der Unanwendbarkeit das verbotswidrig ohne Erlaubnis am Markt tätige Kreditinstitut besser gestellt wird als das redlich betriebene. Es erscheint nicht sachgerecht, wenn dasjenige Kreditinstitut, das z. B. hinsichtlich der Einrichtung der Kontrollorgane ein Mehr an Nachlässigkeit aufweist, mit einem Weniger an Haftung belohnt wird. Bezeichnenderweise knüpft § 15 KWG daher auch nicht an weitere Merkmale des Kreditinstitut an, sondern setzt diese - z. B. Aufsichtsorgane - voraus. Voraussetzung ist demnach lediglich, dass ein Kreditinstitut handelt; dies wiederum bestimmt sich ausschließlich nach § 1 I KWG und hängt nicht von Rechtsform, Verfassung oder Konzession ab.

22

Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der ...um ein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes. Die Eigenschaft eines Unternehmens als Kreditinstitut besteht unabhängig davon, ob eine Erlaubnis durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) erteilt ist (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rdnr. 8). Auch die Einschätzung des Finanzamtes ist insoweit ohne Belang; nach § 4 KWG stellt selbst das Bundesaufsichtsamt bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nur fest, dass das Unternehmen den Vorschriften des KWG unterliegt; für eine andere Behörde - z. B. das Finanzamt - bleibt damit rechtlich offen, ob das Unternehmen auch als Kreditinstitut im Sinne anderer Vorschriften - z. B. der GewStDV - anzusehen ist (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rdnr. 6). Ohne Belang ist hierbei, dass die unterschiedlichen Gesetze sich zunehmend angenähert haben und weithin zu gleichen Ergebnissen führen werden.

23

Die ... betrieb allgemein wie im vorliegenden Fall Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1, S. 2 Nr. 1, Alt. 2 KWG. Ob es sich bei den von der ... ... entgegengenommenen Geldern um Einlagen i. S. v. § 1 Abs. 1, S. 2 Nr. 1, 1. Alt. KWG handelt, kann dahinstehen, weil es sich jedenfalls um Gelder des Publikums i. S. d. 2. Alt. handelt, wobei der Rückzahlungsanspruch nicht durch Inhaber- oder Orderschuldverschreibung verbrieft ist. Mit Inkrafttreten der 6. KWG-Novelle zum 01.01.1998 - also noch vor Gewährung des fraglichen Darlehens - wurde der (engere, vergl. vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rdnr. 36 f) Begriff des Einlagengeschäfts auf die Annahme anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums ausgedehnt, für welche die subjektive Zwecksetzung der Geldeinlage irrelevant ist (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rdnr. 38). Dem Umstand, dass die ... aus ihrer Tätigkeit keinen eigenen Überschuss zu erzielen beabsichtigte, kommt somit im Rahmen des Begriffs des Einlagengeschäfts keine Bedeutung mehr zu.

24

Die ... hat vielmehr unbedingt rückzahlbare Gelder - für die nämlich keine banküblichen Sicherheiten bestellt worden waren - des Publikums angenommen. So sind Gelder dann rückzahlbar, wenn der Gläubiger einen unbedingten Rückzahlungsanspruch gegen das Unternehmen hat, also der Rückzahlungsanspruch nicht vom Erfolg des Unternehmens abhängig ist (Bundestags-Drucksache 13/7142 Seite 63). Eine Vereinbarung, wonach die Rückzahlung durch den Erfolg des Unternehmens bedingt sein sollte, haben die Klägerin und die ... ... nicht getroffen. Demnach war der Rückzahlungsanspruch der Klägerin auch unbedingt.

25

Soweit die Beklagten einwenden, es lägen keine Gelder des Publikums vor, weil für die Kreditgeschäfte unstreitig nicht öffentlich geworben wurde und es sich bei den Kreditgebern ausschließlich um persönliche Bekannte bzw. Geschäftsfreunde der Unternehmensgruppe ... handelte, steht dem entgegen, dass der Begriff “Publikum” lediglich zur Abgrenzung von Geldern dient, die von verbundenen Unternehmen stammen (vergl. auch § 2 I Nr. 7 KWG). Selbst die Gesellschafter sind dabei dem Publikum zuzuordnen (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rdnr. 42; BT-Drucksache13/7142, S. 63).

26

Die von der ... durchgeführten Darlehensgeschäfte erfüllen mithin den Begriff der Bankgeschäfte im Sinne der Annahme anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums, (LG Hildesheim, Urteil vom 15.1.2004, 4 O 294/03). Ob daneben § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG vorliegt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

27

Die ... hat die Bankgeschäfte auch in einem Umfang betrieben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Anders als nach den Vorschriften des HGB ist eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich. Maßgeblich ist die Erforderlichkeit des kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebes; das tatsächliche Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Geschäftsbetriebes ist nicht entscheidend. Dabei kommt es auf den Umfang der Geschäfte an. Kriterien hierfür sind die Zahl der Geschäfte, Umsatz, Anlagekapital, Ertrag, Anzahl der Mitarbeiter, Einrichtungen des Unternehmens und die Inanspruchnahme von Kredit. Ein solches Erfordernis wird allgemein bei Bankgeschäften schon bei relativ geringen Umfang überschritten sein (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1 Rn 20) und ist bei dem vorliegenden Volumen von mehr als 4 Mio. DM aufgenommener und weitergereichter Darlehen von etwa 150 Einzelpersonen zweifellos gegeben. Ferner sind nicht nur mehrere einzelne Bankgeschäfte vorgenommen, sondern die Geschäfte in gleicher Weise geschäftsmäßig wiederholt, d.h. „betrieben“ worden (LG Hildesheim, Urteil vom 15.1.2004, 4 O 294/03).

28

Alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft ist der Beklagte zu 1), der die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertrat (§ 35 Abs. 1 GmbHG); nur der Beklagte zu1) ist damit als Geschäftsleiter anzusehen.

29

In der Weiterreichung der angenommenen Gelder als Kredite gegenüber der Beklagten zu 3.) und der ... liegt die Gewährung von Organkrediten im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG. Denn bei den Darlehensempfängern handelte es sich jeweils um Unternehmen in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft (Kom-manditgesellschaft), deren gesetzlicher Vertreter (jeweils der Beklagte zu 1.) als alleiniger Komplementär) gleichzeitig Geschäftsleiter des kreditgebenden Instituts war. Indem es sich bei dem Beklagten zu 1.) um den Geschäftsleiter des Kreditinstituts sowie um den persönlich haftenden Gesellschafter beider Kommanditgesellschaften handelte, liegt gleichzeitig jeweils ein Organkredit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG vor (LG Hildesheim, Urteil vom 15.1.2004, 4 O 294/03, folgend).

30

Die Gewährung der Organkredite erfolgte auch entgegen den Vorschriften des § 15 KWG. Die Vorschrift sieht insoweit u.a. vor, dass die Kredite nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsorgans gewährt werden dürfen (§ 15 Abs. 1 S. 1 KWG a.E.). Ein Aufsichtsorgan, welches der Legaldefinition in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KWG entspricht, war bei der ... jedoch nicht vorhanden. Die bloße Möglichkeit, dass die Beklagte zu 2.) als alleinige Kommanditistin der Alleingesellschafterin die Funktion eines Aufsichtsorgans hätte wahrnehmen können, kann nicht dazu führen, sie als ein solches anzusehen. Dagegen spricht bereits, dass nach dem Gesetzeswortlaut das Aufsichtsorgan zur Überwachung der Geschäftsführung ausdrücklich „bestellt“ sein muss, wobei - was vorliegend nicht geschehen ist - gesetzliche Bestimmungen einzuhalten sind, die für den Aufsichtsrat als hier in Betracht kommendes Aufsichtsorgan einer GmbH in § 52 GmbHG geregelt sind. Im übrigen fehlt auch zureichender Vortrag zu einer tatsächlichen Zustimmung durch die Beklagte zu 2).

31

Mit der Gewährung der Kredite an die verbundenen Unternehmen hat der Beklagte zu 1) als Geschäftsleiter seine Pflichten aus § 15 KWG verletzt.

32

Dem Beklagten zu 1) obliegt als Geschäftsleiter der Entlastungsbeweis für sein Verschulden. Es entlastet den Beklagten zu 1) nicht, dass schlechterdings kein Aufsichtsorgan bestellt war. Denn wollte man die nicht über ein Aufsichtsorgan verfügenden Kreditinstitute von der Zustimmungspflicht entbinden, so würden diese Kreditinstitute gegenüber den ordnungsgemäß organisierten unangemessen privilegiert. Es wäre nicht hinzunehmen, dass die Schutzvorschrift des § 15 KWG allein durch unzureichende Ausübung der Aufsichtsfunktion umgangen werden könnte (LG Hildesheim, Urteil vom 15.1.2004, 4 O 294/03).

33

Ohne Wirkung bleibt der Umstand, dass der Beklagte zu 1) nicht gewußt haben will, dass die ... unter die Vorschriften des KWG fällt. Es erscheint objektiv sorgfaltswidrig, wenn der wirtschaftlich versierte Beklagte zu 1), der durch den Hinweis der IHK und die jeweilige Prüfung durch den Betriebsprüfer sensibilisiert worden sein muß, sich keine Klarheit über die Restriktionen des KWG verschafft hat. Zweifel insoweit konnte der Beklagte zu 1) jedenfalls nicht ausräumen, so dass sein Verschulden gesetzlich zu vermuten ist. Da es sich hier auch nicht um deliktisches Verhalten handelt, kommt es auf die besondere Problematik eines möglicherweise bestehenden Verbotsirrtums nicht an.

34

Die ... ist insolvent und wird liquidiert; die Klägerin fällt mit der Forderung aus, hat also einen Schaden infolge der unzulässigen Organkreditvergabe erlitten. Nach alledem haftet der Beklagte zu 1) als Geschäftsleiter der ... für das zur Rückzahlung anstehende Darlehen, dessen Höhe unstreitig ist. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist damit unbegründet. Ob daneben Ansprüche aus §§ 823 II BGB i. V. m. §§ 1, 32, 54 I KWG, §§ 823 II BGB i. V. m. §§ 1, 32, 54 II KWG, §§ 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB; § 826 BGB; §§ 823 II BGB i. V. m. § 266 StGB, §§ 15, 17 I, II KWG (Bekl. zu 1) als Komplementär der Bekl. zu 3)) oder § 280 I 1, 311 III BGB bestehen, bedarf hier keiner Erörterung.

35

2. a) Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3) bestehen im Ergebnis nicht.

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Ansprüche aus §§ 15, 17 I, II KWG („Aufsichtsorgan“) kommen nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 3) kein bestelltes Aufsichtsorgan ist. Soweit die Bekl. zu 3) Kontrollfunktionen hätte ausüben können, handelt es sich jedenfalls nicht um ein bestelltes Kontrollorgan. Ein Aufsichtsorgan ist - hier etwa der Aufsichtsrat einer GmbH - ausdrücklich zu bestellen. Dem widerspricht es, eine Person - auch im Rahmen der Haftung nach § 17 KWG - bereits als Aufsichtsorgan anzusehen, allein weil sie theoretisch eine Aufsichtsfunktion übernehmen könnte bzw. hätte übernehmen können (vergl. auch LG Hildesheim Urteil vom 15.1.2004 - 4 O 294/03 -).

37

Eine Haftung der Alleingesellschafterin in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH, NJW 2002, 1803 [BGH 25.02.2002 - II ZR 196/00] (siehe hierzu Wilhelm, NJW 2003, 175) wegen eines „existenzvernichtenden Eingriffs“ kommt nicht in Betracht.

38

Es fehlt bereits insoweit an der hinreichend konkreten Darlegung von dessen Voraussetzungen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vorliegende Konzernkonstruktion dem Zweck gedient haben sollte, der ... ihr Vermögen durch die Beklagte zu 3.) und die ...zum Schaden der Gläubiger zu entziehen. Dem steht bereits die teilweise Rückzahlung des klägerischen Darlehens zu einer Zeit, als das vorliegende Finanzierungsmodell bereits seit rund 10 Jahren betrieben wurde, entgegen. Hinreichende Anhaltspunkte für einen gezielten Eingriff und Abzug des Vermögens der ... durch die Beklagte zu 3.) lassen sich dem klägerischen Vortrag nicht entnehmen; allein der Umstand, dass die Zahlungsunfähigkeit der ... auf der Insolvenz der Beklagten zu 3.) und der ... beruhen mag, reicht nicht aus für die Annahme eines auch in subjektiver Hinsicht bewußt vorgenommenen Eingriffs, bei dem die Zahlungsunfähigkeit der GmbH durch die Beklagte zu 3.) gleichsam ohne Rücksicht auf Gläubigerinteressen in Kauf genommen worden wäre. Soweit der Kläger behauptet, die Beklagten seien sich von Anfang an darüber im klaren gewesen, dass eine Rückzahlung der Darlehen an die ... ...nicht möglich bzw. erheblich gefährdet sein würde, bleibt unklar, aus welchen konkreten Umständen sich diese behauptete Kenntnis ergeben soll (so auch LG Hildesheim a.a.O.).

39

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der ... nicht ohne Gegenwert Eigenmittel entzogen wurden; immerhin sind auch an die Beklagte zu 3) Darlehen ausgereicht worden, die selbst heute noch werthaltig sein können, weil sich die Beklagte zu 3) immerhin nicht in Insolvenz befindet. Daß die aus Sicht der ... ... als Aktiva zu buchenden Darlehen wertlos waren und das wenige Eigenkapital minderten, ist nicht belegt. Auch insoweit obliegt der Nachweis der Klägerin; dieser läßt sich nicht führen, indem Bilanzen, die per Stichtag nur Buchwerte, nicht aber die tatsächliche Werthaltigkeit widerspiegeln, vorgelegt werden. Die bloße Vermutung der Klägerin ist indes nicht geeignet, im Zivilprozeß die Ausforschung des Sachverhalts durch die Beauftragung eines Sachverständigen zu veranlassen.´

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Ein existenzvernichtender Eingriff wird auch nicht durch einen möglichen Verstoß gegen § 10 KWG indiziert. § 10 KWG ist eine Ordnungsvorschrift, die sicher auch den Schutz der Bankkunden bezweckt, indem Kreditinstitute gehalten sind, eine zureichende Eigenkapitalausstattung aufzuweisen. Folgerichtig mag in Betracht kommen, dass solche Kreditinstitute, die über die vorgeschriebene Eigenmittelausstattung nicht verfügen, Sanktionen zu fürchten haben und ihre Bonität insoweit eingeschränkt sein mag. Ein Verstoß gegen § 10 KWG bedeutet jedoch nicht, dass das betroffene Kreditinstitut auch tatsächlich Liquiditätsprobleme hat, von einer Insolvenz bedroht ist oder auch nur über wenig werthaltiges Vermögen verfügt. Solange die Aktiva werthaltig sind (mithin die Forderungen der ... gegenüber den verbundenen Unternehmen bedient werden und die Darlehensnehmer solvent sind), wird ein Kreditinstitut nicht in seiner Existenz bedroht.

41

b) Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) bestehen nicht.

42

Auch für die Beklagte zu 2) gilt, dass sie nicht bestelltes Kontrollorgan ist (vergl. LG Hildesheim a.a.O.) und damit vom Anwendungsbereich §§ 15, 17 KWG nicht betroffen ist. Eine Haftung nach §§ 15, 17 II KWG („Aufsichtsorgan“) scheidet daher aus. Die Beklagte zu 2) trifft als Kommanditistin der Beklagten zu 3) auch nach § 116 HGB nicht die Pflicht zu weitergehenden Kontrollen (abgesehen davon, dass ein gerade die Klägerin berechtigendes Schuldverhältnis im Sinne einer Anspruchsgrundlage im übrigen nicht ersichtlich ist.)

43

Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) gem. §§ 823 II BGB i. V. m. §§ 263, 27 oder §§ 266, 27 StGB bestehen gleichfalls nicht. Entgegen den Ausführungen der Berufung läßt sich - ungeachtet der Tatsache, dass es auch nach Auffassung der Kammer, die sich der Argumentation des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung insoweit anschließt, an einer vorsätzlichen Haupttat mangelt - ein konkretes unterstützendes Verhalten der Beklagten zu 2) nicht erkennen.

44

Ihre bloße Eigenschaft als Kommanditistin der Beklagten zu 3), die sie zu Kontrollen berechtigt, aber im Rahmen von § 116 II HGB jedenfalls nicht im Verhältnis zu Dritten verpflichtet, läßt nicht auf eine Unterstützungshandlung schließen. Selbst wenn die Beklagte zu 2) Kenntnis von der Unternehmensstruktur gehabt haben sollte, haftet sie mangels Beihilfehandlung nicht. Insbesondere ist durch nichts belegt, dass die Beklagte zu 2) aktiv durch ausdrückliche Beschlußfassung (oder gar schlüssig) den Beklagten zu 1) ermächtigt hat, zum Nachteil der Klägerin zu agieren, indem er für die Beklagte zu 3) in der Kleebach GmbH den Weg freimachte für sein eigenes Handeln. Bei lebensnaher Betrachtung wird man vielmehr davon ausgehen müssen, dass er mit freier Hand geschaltet und gewaltet hat.

45

Nach alledem bestehen Ansprüche weder gegenüber der Beklagten zu 2) noch gegenüber der Beklagten zu 3). Die Berufung der Klägerin war daher gleichfalls zurückzuweisen.

III.

46

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§708 Nr. 10, 711 ZPO analog.