Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 29.07.2003, Az.: 6 B 2994/03

Behinderter; Bildungsweg; Eltern; Ermessen; Ermessensfehler; Erziehungsberechtigte; Schulbezirk; Schulwahl; Schulweg; Schulüberweisung; sonderpädagogischer Förderbedarf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
29.07.2003
Aktenzeichen
6 B 2994/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48146
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ist nach § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG bestimmt worden, welche Sonderschule zu besuchen ist, kommt die Gestattung des Besuch einer anderen Sonderschule nach § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG nicht mehr in Betracht.

2. Der sonderpädagogisch förderungsbedürfte Schüler und seine Erziehungsberechtigten haben nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl der zu besuchenden Sonderschule. Bei der Auswahl dürfen der Festlegung von Schulbezirken und der Länge des Schulweges jeweils erhebliche Bedeutung beigemessen werden.

Gründe

1

I. Der Antragsteller begehrt im Wege eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Gestattung, eine bestimmte Sonderschule für Lernhilfe besuchen zu dürfen, und für dieses Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2

Der am J. geborene Antragsteller wohnt mit seinen Eltern in B.. Bis zum Beginn der Sommerferien 2003 besuchte er den 5. Schuljahrgang an der Orientierungsstufe B. I.

3

Auf Beschluss der Klassenkonferenz vom 21.01.2003 wurde ein Verfahren zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs für den Antragsteller eingeleitet. Die mit der Erstellung eines Beratungsgutachtens beauftragte Sonderschullehrerin K., die bei der St.-Schule U. - Sonderschule für Lernhilfe - beschäftigt ist, kam in ihrem ausführlichen Beratungsgutachten vom 24.03.2003 zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich der Lernhilfe vorliegt, und empfahl eine sofortige Umschulung des Antragstellers in eine Sonderschule für Lernhilfe. Dieses Ergebnis wurde mit den Eltern des Antragstellers erörtert. Diese sprachen sich dabei dafür aus, den Antragsteller in die St.-Schule U. umzuschulen. Die Orientierungsstufe B. I empfahl der Antragsgegnerin daraufhin unter dem 19.03.2003, für den Antragsteller einen sonderpädagogischen Förderbedarf festzustellen und ihn auf eine Sonderschule für Lernhilfe umzuschulen, und wies dabei auf den Wunsch seiner Eltern hin, ihm den Besuch der St.-Schule U. zu ermöglichen.

4

Die Antragsgegnerin entschied mit Bescheid vom 08.05.2003, dass der Antragsteller zum Besuch einer Sonderschule für Lernhilfe verpflichtet sei, weil das durchgeführte Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischer Förderbedarfs ergeben habe, dass bei dem Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich der Lernhilfe bestehe und angesichts seines individuellen Förderbedarfs eine integrative Beschulung nicht in Betracht komme. Zugleich entschied die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller die P. - Sonderschule für Lernhilfe - in B. zu besuchen habe, und zwar ab dem 01.08.2003. Gründe dafür, ihm ausnahmsweise den Besuch der St.-Schule U. zu gestatten, seien nicht erkennbar.

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Träger der P. in B. war ursprünglich der Landkreis Hannover. Dieser hatte in § 1 seiner Satzung über die Festlegung von Schulbezirken für die Schulen in seiner Trägerschaft (Schulbezirkssatzung) vom 05.05.1998 als Schulbezirk der P. das Stadtgebiet von B. festgelegt. Mit Bildung der Region Hannover und Auflösung des Landkreises Hannover zum 01.11.2001 nach §§ 1 Abs. 1, 85 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Region Hannover (Regionsgesetz) ging die Trägerschaft für die im Regionsgebiet gelegenen Sonderschulen für Lernhilfe nach §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 7 Satz 1 des Regionsgesetzes auf die regionsangehörigen Gemeinden über. Dies galt auch für die P. in B., deren Trägerschaft danach auf die Stadt B. überging. Bislang wurde jedoch, soweit ersichtlich, weder eine neue Satzung über die Festlegung eines Schulbezirks für die P. erlassen noch eine Vereinbarung über die Fortgeltung der alten Satzung des Landkreises Hannover abgeschlossen.

6

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller zum Besuch einer Sonderschule für Lernhilfe verpflichtet ist, ist bestandskräftig geworden; insoweit erheben der Antragsteller und seine Eltern auch nach wie vor keine Einwendungen.

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Sie wenden sich hingegen lediglich gegen die Entscheidung, dass der Antragsteller gerade die P. zu besuchen habe. Nur diesbezüglich erhoben die Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 20.05.2003 Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.05.2003 und beantragten mit gesondertem Antragsformular unter dem selben Datum noch einmal ausdrücklich, dem Antragsteller ausnahmsweise den Besuch der St.-Schule U. zu gestatten. Diesen Widerspruch wies die Antragsgegnerin nach Einholung einer negativen Stellungnahme der P. mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller wohne im Schulbezirk der P. und sei daher grundsätzlich zum Besuch dieser Schule verpflichtet. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen, seien nicht gegeben. Zum einen sei es nicht maßgeblich, dass der beste Freund des Antragstellers bereits die St.-Schule U. besuche. Zum anderen sei auch nicht entscheidend, dass der Antragsteller bei einem Besuch der St.-Schule U. dort leichter den Hauptschulabschluss erwerben könne, weil dies auch bei einem Besuch der P. durchaus möglich sei. Vielmehr erscheine es "aus pädagogischen Gründen ratsam", dass der Antragsteller die näher gelegene P. besuche, um eine unnötige Mehrbelastung durch tägliche Fahrzeiten zu vermeiden.

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Hiergegen erhob der Antragsteller am 15.07.2003 Klage mit dem sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn an die St.-Schule U. zu überweisen und den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.05.2003 und ihren Widerspruchsbescheid vom 08.07.2003 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegen stehen. Diese Klage ist bei dem erkennenden Gericht zu dem Aktenzeichen 6 A 2969/03 anhängig. Die Gerichtsakten zu jenem Verfahren sind hier beigezogen worden.    

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Darüber hinaus hat der Antragsteller am 16.07.2003 um vorläufigen Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren nachgesucht.

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Zur Begründung macht der Antragsteller unter Bezugnahme auf seine Klagebegründung im Verfahren 6 A 2969/03 im Wesentlichen geltend, die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihn, den Antragsteller, auf die P. zu überweisen, widerspreche seinen Interessen. Zum einen sei an der P. in B. ein negatives soziales Umfeld gegeben, da die dortigen Schüler einen schlechten Einfluss auf ihn ausüben könnten und das größere Umfeld seine soziale Einbindung erschwere. Außerdem besuche sein bester Freund bereits die St.-Schule U., so dass dort eine für ihn wichtige Bezugsperson vorhanden sei. Ferner könne an der P. im Gegensatz zu der St.-Schule U. der Hauptschulabschluss nicht erworben werden, so dass hierfür zu gegebener Zeit ein erneuter Schulwechsel erforderlich wäre, was seine Entwicklung ebenfalls nachteilig beeinflussen könne. Des Weiteren habe die Schulleiterin der St.-Schule U., Frau L., gegenüber seinen Eltern zunächst zum Ausdruck gebracht, dass sie seine Aufnahme an der dortigen Schule durchaus befürworten würde. Diese Aussage habe sie dann jedoch nach einer zweiten Besprechung telefonisch revidiert und dann erklärt, der Antrag auf Aufnahme an der dortigen Schule müsse abgelehnt werden. Dies sei nicht nachvollziehbar und deute auf eine Einflussnahme seitens der Antragsgegnerin hin. Schließlich greife das Argument, bei einem Besuch der St.-Schule U. seien längere Fahrzeiten hinzunehmen, nicht durch, da seine Eltern bereit seien, die Beförderung zu dieser Schule eigenverantwortlich zu organisieren.

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Der Antragsteller beantragt,

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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn nicht an die P. in B., sondern an die St.-Schule U. zu überweisen sowie

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ihm für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt D. aus M. beizuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin im Wesentlichen die Ausführungen in der Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 08.07.2003. Zum einen sei die P. die für den Wohnsitz des Antragstellers "zuständige" Sonderschule für Lernhilfe in Trägerschaft der Stadt B.. Zum anderen sei die Beschulung an dieser Schule auch aus pädagogischen Gründen sinnvoll. Maßgeblich sei insoweit, inwieweit dem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf im Einzelfall praktisch am Besten Rechnung getragen werden könne. Dabei sei einerseits zu fragen, ob die ausgewählte Schule die erforderliche sonderpädagogische Förderung gewährleisten könne. Dies sei bei der P. eindeutig der Fall. Andererseits sei auch die Länge des Schulweges zu berücksichtigen. Insoweit sprächen pädagogische Gründen in der Regel dafür, die ortsnächste Sonderschule zu besuchen, um eine unnötige Mehrbelastung des Schülers durch längere Fahrtzeiten zu vermeiden und ihm genügend Zeit für soziale Kontakte am Wohnort zu belassen. Danach sei hier die P. zu bevorzugen. Denn die St.-Schule U. liege über 17 km vom Wohnort des Antragstellers entfernt, während sich die P. in einer Entfernung von nur 6 km vom Wohnort des Antragstellers befinde. Demgegenüber sei nicht ausschlaggebend, dass ein Freund des Antragstellers bereits die St.-Schule U. besuche. Auch komme es nicht darauf an, dass der Antragsteller nicht an der eigentlich zuständigen Sonderschule, sondern auf ausdrücklichen Wunsch seiner Mutter an der St.-Schule U. auf seinen sonderpädagogischen Förderbedarf untersucht worden sei. Schließlich sei die Möglichkeit, an dieser Schule unmittelbar den Hauptschulabschluss zu erwerben, irrelevant. Denn zum einen bestehe bei entsprechenden schulischen Leistungen die Möglichkeit einer "Rückschulung" in die 7. oder 8. Klasse der Hauptschule oder zum Erwerb des Hauptschulabschlusses über den anschließenden Besuch einer Berufsschule. Zum anderen sei die Frage des möglichen Schulabschlusses gegenwärtig noch nicht entscheidungserheblich, da der Antragsteller erst vor dem Besuch der 6. Klasse stehe und die weitere Entwicklung seiner Schullaufbahn noch nicht hinreichend absehbar sei.

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Auch der vorläufige Besuch der St.-Schule U. komme aus den diesen Gründen nicht in Betracht. Falls sich das Hauptsacheverfahren über einen längeren Zeitraum erstrecken solle, sei vielmehr beabsichtigt, die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 08.05.2003 anzuordnen, um sicherzustellen, dass der Antragsteller sogleich die P. besuche.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie zu dem Verfahren 6 A 2969/03 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (Beiakten A und B) verwiesen.

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II. Der nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff, 121 Abs. 2 ZPO statthafte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist abzulehnen, weil die von dem Antragsteller mit seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Erlass einer sog. Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verstehen. Als solcher ist der Antrag statthaft, denn es liegt kein Fall der §§ 80, 80a VwGO vor (§ 123 Abs. 5 VwGO). Die im Verfahren 6 A 2969/03 erhobene Klage des Antragstellers hat zwar hinsichtlich seiner Überweisung an die P. in B. nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, weil es sich bei seiner Klage insoweit um eine Anfechtungsklage gegen die von der Antragsgegnerin nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) getroffene Entscheidung handelt und die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsaktes bislang noch nicht gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet wurde. Dies führt jedoch zunächst lediglich dazu, dass vorläufig keine vollziehbare Entscheidung nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. NSchG über die Verpflichtung zum Besuch einer bestimmten Sonderschule für Lernhilfe vorliegt. An der grundsätzlichen Verpflichtung des Antragstellers nach § 68 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. NSchG, überhaupt eine Sonderschule für Lernhilfe besuchen zu müssen, ändert dies jedoch nichts, da die von der Antragsgegnerin insoweit nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz NSchG getroffene Entscheidung bestandskräftig geworden ist. Das Begehren, eine bestimmte Sonderschule besuchen zu dürfen, kann demgegenüber in der Hauptsache - neben der Anfechtung der nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. NSchG getroffenen Entscheidung - nur im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemacht werden; insoweit ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der richtige Rechtsbehelf.

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Im Übrigen versteht das Gericht den Antrag des Antragstellers zu seinen Gunsten wohlwollend dahingehend, dass er lediglich begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zunächst nur vorläufig an die St.-Schule U. zu überweisen bzw. ihn dort vorläufig am Unterricht teilnehmen zu lassen. Denn falls man den Antrag nach seinem Wortlaut dahingehend auslegen wollte, dass der Antragsteller bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihn endgültig an die St.-Schule U. zu überweisen, könnte er von vornherein keinen Erfolg haben, weil § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich nur die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis ermöglicht. Eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ist also grundsätzlich verboten, es sei denn, ausnahmsweise könnte nur durch eine solche Entscheidung effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gewährt werden, was hier nicht der Fall ist.

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Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber gleichwohl unbegründet und deshalb abzulehnen. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung insbesondere zur Abwendung wesentlicher und durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller nötig erscheint. Das vorläufig zu sichernde materielle Recht des Antragstellers (der Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung (der Anordnungsgrund) sind hierfür vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Ist dies geschehen, entscheidet das Gericht im Rahmen des Antragsbegehrens (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn der Antragsteller hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft machen können.

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Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsteller auf Grund der von der Antragsgegnerin nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz NSchG getroffenen bestandskräftigen Entscheidung vom 08.05.2003 wegen des bei ihm festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 NSchG) verpflichtet ist, eine Sonderschule für Lernhilfe im Sinne von §§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. i) und 14 NSchG zu besuchen, also auch eine integrative Beschulung mit Sonderunterricht ausscheidet. Dies ist als solches zwischen den Beteiligten auch unstreitig, so dass das Gericht keine Veranlassung sieht, der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen im Einzelnen nachzugehen.

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Hinsichtlich der danach hier nur entscheidungserheblichen Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, gerade die St.-Schule U. zu besuchen - mit der Folge, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihn zum Besuch der P. zu verpflichten, ggf. rechtswidrig wäre und ihn in seinen Rechten verletzen würde -, kann zunächst offen bleiben, ob der Antragsteller möglicherweise nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG grundsätzlich verpflichtet wäre, die P. zu besuchen, weil er in dem für diese Schule festgelegten Schulbezirk wohnt.

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Denn einerseits sind zwar auch für Sonderschulen für Lernhilfe nach § 63 Abs. 2 NSchG von den Schulträgern Schulbezirke festzulegen (Nr. 3.4.1 der Ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis zur Schule [Erg.Best.], abgedruckt u.a. bei Seyderhelm/Nagel/Brockmann, NSchG, Kommentar, Stand: 20. Nachlieferung September 2002, bei § 63).

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Anderseits ist insoweit aber zum einen zweifelhaft, ob die ursprüngliche Schulbezirkssatzung des Landkreises Hannover als Satzungsrecht des jetzigen Schulträgers, der Stadt B., fortgilt. Denn mit dem Übergang der Schulträgerschaft vom Landkreis Hannover auf die regionsangehörigen Gemeinden dürfte keine automatische Fortgeltung des diesbezüglichen Satzungsrechts eingetreten sein. Vielmehr bedürfte es insoweit wohl einer Vereinbarung nach § 83 Abs. 4 des Regionsgesetzes i.V.m. §§ 15 und 16 der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) (vgl. dazu auch § 83 Abs. 2 Satz 1 des Regionsgesetzes), die, soweit ersichtlich, bislang nicht geschlossen wurde. Dies könnte zur Folge haben, dass gegenwärtig keine wirksame Festlegung eines Schulbezirks für die P. gegeben ist.

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Zum anderen besteht bei der Verpflichtung zum Besuch einer Sonderschule nach § 68 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. NSchG - wie sie hier gegeben ist - ggf. ohnehin keine strenge Bindung an die festgelegten Schulbezirke, und auch die Vorschriften über die Gestattung einer anderen als der nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG zuständigen Schule in § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1und 2 NSchG sind in einem solchen Fall nicht anwendbar. Vielmehr geht hier § 68 Abs. 2 NSchG als speziellere Vorschrift der allgemeineren Regelung in § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG vor (so auch Seyderhelm/Nagel/ Brockmann, a.a.O., § 68 Erl. 5.). Danach ist der Schulbehörde bei der Bestimmung der zu besuchenden Sonderschule ein Ermessensspielraum eingeräumt, innerhalb dessen sie zwar wohl auch dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Schulbezirke und der damit verbundenen Steuerung von Schülerströmen (vgl. dazu § 63 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz i.V.m. § 26 NSchG; dazu auch Seyderhelm/Nagel/ Brockmann, a.a.O., § 63 Erl. 4.) ein erhebliches Gewicht beimessen darf, diesem jedoch keineswegs immer vorrangige Bedeutung zukommt.

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Vor diesem Hintergrund erweist sich die hier von der Antragsgegnerin nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. NSchG getroffene Entscheidung, den Antragsteller zum Besuch der P. zu verpflichten, bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auch unabhängig von dem Gesichtspunkt des Schulbezirks als rechtmäßig; der Antragsteller wird demgegenüber wahrscheinlich nicht beanspruchen können, gerade die St.-Schule U. besuchen zu dürfen.

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Nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. NSchG entscheidet die Schulbehörde - wie bereits erwähnt - ohne Bindung an etwaige Schulbezirksgrenzen nach Ermessen darüber, welche Sonderschule ein sonderpädagogisch förderungsbedürftiger Schüler konkret zu besuchen hat. Dieses (Auswahl-) Ermessen muss sie gemäß § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) (nur) tatsächlich und entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in § 68 Abs. 2 NSchG ausüben und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens, zu denen vor allem auch die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes (GG) und der Niedersächsischen Verfassung (NV) gehören, einhalten. Insbesondere muss die Schulbehörde bei ihrer Entscheidung sowohl das Recht des Schülers auf eine seinen Anlagen und Fähigkeiten möglichst angemessene schulische Ausbildung aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 4 Abs. 1 NV und das Recht seiner Eltern auf grundsätzlich freie Wahl des Bildungsweges für ihr Kind aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG) als auch die sich ggf. aus dem Verbot der Benachteiligung Behinderter nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 NV) ergebenden zusätzlichen Anforderungen beachten. Ist bei dem Schüler eine Behinderung i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 NV) gegeben und wünschen er oder seine Erziehungsberechtigten eine andere als die von der Schulbehörde beabsichtigte Beschulung, muss sich diese im Übrigen im Rahmen der Begründung ihrer Entscheidung eingehend mit diesen entgegenstehenden Wünschen auseinander setzen, sie in Beziehung zu ihren Erwägungen setzen und in nachvollziehbarer Weise mit ihren Vorstellungen abwägen. Andererseits sieht § 68 Abs. 2 NSchG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vor, dass allein die Schulbehörde die Letztverantwortlichkeit für die Entscheidung über die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs und über die Form des Schulbesuchs für förderungsbedürftige Kinder und Jugendliche trägt und dass der betroffene Schüler und seine Erziehungsberechtigten nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung der o.g. Anforderungen haben (BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97 - DVBl. 1997, 1432 [1434 ff.]). Diesen allein in Betracht kommenden Anspruch des Antragstellers und seiner Eltern hat die Antragsgegnerin mit der von ihr getroffenen Entscheidung erfüllt, so dass ein weitergehender Anspruch auf den Besuch einer anderen Schule nicht mehr besteht.

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In diesem Zusammenhang ist zunächst noch einmal festzuhalten, dass kein Streit darüber besteht, dass der Antragsteller wegen des bei ihm festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs verpflichtet ist, eine Sonderschule für Lernhilfe zu besuchen.

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Im Übrigen kann das Gericht eine Ermessensentscheidung einer Behörde grundsätzlich nur auf Ermessensfehler prüfen (§ 114 Satz 1 VwGO), ist jedoch gehindert, seine eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der zuständigen Behörde zu setzen. Im Rahmen der hier zu prüfenden Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin nach § 68 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 1. Alt. NSchG wären durchgreifende Ermessensfehler etwa dann festzustellen, wenn die ausgewählte Sonderschule schon dem Grunde nach ungeeignet wäre, den festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf des Schülers in angemessener Weise zu decken, sich die Behörde bei ihrer Entscheidung von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen oder sie einem in die vorzunehmende Abwägung einzustellenden Belang ein offensichtlich unverhältnismäßiges Gewicht beigemessen hätte. Derartige Ermessensfehler sind hier für die Kammer indes nicht ersichtlich.

32

Zum einen sieht die Kammer keinen Grund zu der Annahme, die von der Antragsgegnerin für den Antragsteller ausgewählte P. sei schon dem Grunde nach nicht geeignet, den bei dem Antragsteller konkret festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf in angemessener Weise zu decken. Vielmehr handelt es sich bei dieser Schule - wie auch bei der St.-Schule U. - um eine Sonderschule für Lernhilfe, so dass zunächst zu vermuten ist, dass der sonderpädagogische Förderbedarf des Antragstellers im Bereich Lernhilfe dort angemessen gedeckt werden kann. Zweifel, die diese Vermutung erschüttern könnten, hat der Antragsteller jedenfalls nicht in der gebotenen Art und Weise hinreichend substantiiert dargelegt. Allein die Behauptung, das soziale Umfeld der Schule könne möglicherweise einen schlechten Einfluss auf den Antragsteller ausüben, oder dieses sei zu groß, um eine Einbindung des Antragstellers zu ermöglichen, genügt insoweit nicht. Von daher ist die Auswahl der P. dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

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Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass die St.-Schule U., die vermutlich dem Grunde nach ebenfalls eine geeignete Schule wäre, auf Grund der im vorliegenden Einzelfall gegebenen Besonderheiten in einem derartigen Maße besser geeignet wäre, dem sonderpädagogischen Förderbedarf des Antragstellers Rechnung zu tragen, dass die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin deshalb als ermessensfehlerhaft und in Folge dessen rechtswidrig anzusehen wäre. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung ihrer Entscheidung vielmehr in nachvollziehbarer Weise der Länge des Schulweges unter pädagogischen Gesichtspunkten eine vorrangige Bedeutung gegenüber der Möglichkeit des unmittelbaren Erwerbs eines Hauptschulabschlusses an der St.-Schule U. und dem dortigen Schulbesuch eines Freundes des Antragstellers eingeräumt, weil ein um rund 11 km längerer Schulweg zu einer Mehrbelastung des Schülers durch längere Fahrtzeiten führe und er sich andererseits bei kürzeren Fahrtzeiten auch besser im sozialen Umfeld seines Wohnortes integrieren könne. Diese Erwägungen sind jedenfalls nachvollziehbar, nicht sachfremd und auch nicht offensichtlich disproportional, messen also den vom Antragsteller geltend gemachten Belangen kein offensichtlich unverhältnismäßig geringes und auch den von der Antragsgegnerin angeführten Belangen kein offensichtlich unverhältnismäßig großes Gewicht zu. Dabei dürfte insbesondere die Erwägung der Antragsgegnerin zutreffen, dass der Möglichkeit zum direkten Erwerb des Hauptschulabschlusses an der St.-Schule U. schon deshalb kein maßgebliches Gewicht zukommt, weil der Antragsteller erst am Beginn des 6. Schuljahrgangs steht und gegenwärtig nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, ob seine weiteren schulischen Leitungen überhaupt einmal die Erwartung rechtfertigen, dass er den Hauptschulabschluss erwerben könnte; dies ist vielmehr zur Zeit noch offen.

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Auch anderweitige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, so dass der Anspruch des Antragstellers und seiner Eltern auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin erfüllt ist. Mehr können der Antragsteller und seine Eltern nicht verlangen.