Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 09.07.2003, Az.: 4 B 2298/03

Einvernehmen; Flächennutzungsplan; gemeindliches Einvernehmen; Konzentrationsfläche; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.07.2003
Aktenzeichen
4 B 2298/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48175
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 12.09.2003 - AZ: 1 ME 212/03

Gründe

1

Die antragstellende Gemeinde sucht um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 03.03.2003 nach, in dem dieser das versagte Einvernehmen der Antragstellerin für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von je 1.800 kW auf den Flurstücken 3 und 8 der Flur 5 der Gemarkung G. gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ersetzt und den sofortigen Vollzug dieser Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.

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Der Rat der Beigeladenen zu 2, deren Mitgliedsgemeinde die Antragstellerin ist, hat am 25.04.1996 die 5. Änderung ihres Flächennutzungsplanes beschlossen, in dem u.a. ein Sondergebiet für Windenergieanlagen - Windpark F. - dargestellt wird. Diese 5. Änderung des Flächennutzungsplanes wurde am 09.08.1996 von der Bezirksregierung Hannover genehmigt. Die Genehmigung wurde am 11.09.1996/06.11.1996 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover bekannt gemacht. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die 5. Änderung des Flächennutzungsplanes mit der Darstellung “Fläche für Landwirtschaft und Versorgungsanlagen“ im Bereich der bereits vorhandenen Windenergieanlagen nördlich der Ortslage von F., den Erläuterungsbericht und die Unterlagen über die 5. Änderung des Flächennutzungsplanes verwiesen.

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Der Beigeladene zu 1 beantragte im Oktober 2002 die Erteilung eines planungsrechtlichen Bauvorbescheides für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen vom Typ ENERCON E-66 / 18.70 mit je einer Nennleistung von 1.800 kW, einen Rotordurchmesser von 70 m, einer Nabenhöhe von 64,8 m und einer Gesamthöhe von 99,8 m. Sie sollen auf den Flurstücken 3 und 8 der Flur 5 in der Gemarkung G. im Gemeindegebiet der Antragstellerin - ca. 500m von dem vorhandenen Windpark F. entfernt - errichtet werden. Wegen der nähren Einzelheiten wird auf die der Bauvoranfrage beigefügten Unterlagen Bezug genommen.

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Die Antragstellerin teilte in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2002 zu dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 u.a. mit, dass die verkehrliche Erschließung gesichert sei, sie versage aber ihr Einvernehmen, da die Beigeladene zu 2 im Flächennutzungsplan ein Sondergebiet für Windkraftanlagen ausgewiesen habe. Der Flächennutzungsplan stehe daher den streitigen Windkraftanlagen als öffentlicher Belang entgegen.

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Nach der Prüfung der Bauunterlagen teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.01.2003 mit, dass er das Vorhaben des Beigeladenen zu 1 für zulässig halte und die Antragstellerin ihr Einvernehmen zu Unrecht versagt habe. Der Flächennutzungsplan stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Er stelle die streitigen Fläche als Fläche für die Landwirtschaft dar. In der Darstellung aller für eine landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehenden Außenbereichsflächen als Fläche für die Landwirtschaft könne keine qualifizierte entgegenstehende Standortzuweisung gesehen werden, die sich gegenüber dem privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB durchzusetzen vermöge. In der 5. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen zu 2 sei zwar ein Sondergebiet für Windenergieanlagen dargestellt worden. Nach den Ausführungen im Erläuterungsbericht könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ein Ausschluss von Windenergieanlagen an anderen Standorten des Gebietes der Samtgemeinde beabsichtigt gewesen sei. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehe daher dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 nicht entgegen. Die Antragsstellerin hielt mit Schreiben vom 11.02.2003 an ihrer Auffassung fest.

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Mit Bescheid vom 03.03.2003 ersetzte der Antragsgegner gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. § 1 a DVO-BauGB das versagte Einvernehmen der Antragstellerin nach § 36 Abs. 1 BauGB und ordnete die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung der Verfügung verwies der Antragsgegner im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Schreiben vom 09.01.2003. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung führte er u. a. aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im Interesse des Beigeladenen zu 1, sie solle ihm möglichst schnell zu dem ihm zu zustehenden Recht verhelfen. Es könne dem Beigeladenen zu 1 nicht zugemutet werden, für ein an sich zulässiges Vorhaben bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und des möglicherweise folgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu warten. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.03.2003 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

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Außerdem suchte sie am 04.06.2003 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach.

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Sie ist der Ansicht, die 5. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen zu 2 genüge den Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, so dass dieser Belang dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 entgegenstehe. Ziel der 5. Änderung des Flächennutzungsplanes sei es gewesen, eine Flut von Einzelanlagen auf dem Samtgemeindegebiet zu verhindern. Die DEWI habe zuvor im Rahmen der vorbereitenden Bauleitplanung die Potentialenflächen im Samtgemeindegebiet untersucht und insbesondere die Windsituation beurteilt. Daher sei eine weitgehend konkrete Untersuchung des Samtgemeindegebietes Grundlage der seinerzeitigen 5. Änderung des Flächennutzungsplanes gewesen. Aus den Erläuterungsbericht ergebe sich, dass eine "Konzentration" beabsichtigt gewesen sei. Dieser Begriff werde auch mehrmals verwendet. Der Leiter des Fachdienstes Bauordnung und Städtebau des Antragsgegners habe im Rahmen einer Veranstaltung am 16.10.2001 ausgeführt, die Beigeladene zu 2 habe ihrer Verpflichtung zur Ausweisung von Sondergebieten für Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet durch Ausweisung des Sondergebietes bei F. durchaus Genüge getan. Die Beigeladenen zu 2 habe inzwischen die 10. Änderung des Flächennutzungsplanes eingeleitet. Ziel dieser 10. Änderung sei die erneute flächendeckende Überarbeitung des Samtgemeindegebietes und die Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen. Die Erschließung sei im Falle des Vorhabens des Beigeladenen zu 1 nicht gesichert, sowohl für die Errichtung wie auch für den Rückbau der Anlagen müssten Fahrzeuge mit einer Achslast von 12 t zu dem Standort fahren können. Sowohl der Kirchweg wie auch der nördlich angrenzende parallele Feldweg erfüllten diese Anforderungen nicht. Die Erschließung habe der Antragsgegner nicht geprüft.

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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

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die aufschiebende Wirkung ihres mit Schreiben vom 27.März 2003 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. März 2003 wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er tritt dem Vorbringen der Antragsstellerin entgegen und vertieft seine Begründung im angefochtenen Bescheid vom 03.03.2003. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Beigeladene zu 1 seine Bauvoranfrage inzwischen beschränkt habe. Die Erschließung sei nicht mehr Gegenstand der Prüfung. Daher seien die diesbezüglichen Bedenken der Antragstellerin für dieses Verfahren ohne Belang.

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Der Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.

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Er hält die beiden geplanten Anlagen für zulässig und sieht auch deren Erschließung als gesichert an. Gleichwohl beschränkt er seine Bauvoranfrage und stellt die Erschließung nicht mehr zur Überprüfung.

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Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.

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Sie unterstützt die Antragstellerin. Außerdem weist sie auf den 1. Entwurf der 10. Änderung ihres Flächennutzungsplan hin, dessen Ziel es sei, Sonderbauflächen für Windenergieanlagen auszuweisen und gleichzeitig Windenergieanlagen außerhalb der dargestellten Flächen im Samtgemeindegebiet auszuschließen. Die beiden Standorte des Beigeladenen zu 1 lägen außerhalb der ermittelten Potentialflächen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und die Flächennutzungsplanunterlagen der Beigeladenen zu 2 Bezug genommen.

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II. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt (noch) den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat im Interesse des Beigeladenen zu 1 den Sofortvollzug angeordnet. Er hat dabei vor allem berücksichtigt, dass dessen Vorhaben voraussichtlich planungsrechtlich zulässig ist und somit das Einvernehmen von der Antragsgegnerin zu Unrecht versagt wird. Dies dürfte grundsätzlich rechtlich nicht beanstandet werden können.

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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das Interesse des Beigeladenen zu 1 an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Diese Interessenabwägung fällt regelmäßig zu Gunsten des Bauherrn aus, wenn das Einvernehmen von der Gemeinde zu Unrecht versagt wird, das heißt, wenn der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Ersetzung des Einvernehmens sich als offensichtlich rechtmäßig erweist; denn es ist in aller Regel kein überwiegendes Interesse der Gemeinde daran anzuerkennen, vom sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, wenn sich dieser bereits in diesem summarischen Verfahren als offensichtlich rechtmäßig erweist. Das ist hier der Fall.

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Der Antragsgegner hat im angefochtenen Bescheid vom 03.03.2003 und in seiner Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren vom 16.06.2003 die Sach- und Rechtslage zutreffend dargelegt. Das Gericht folgt dieser Begründung. Es verweist gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen.

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Ergänzend hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Anforderungen, die an einen Flächennutzungsplan zu stellen sind, damit dessen Darstellungen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einem nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierten Vorhaben entgegenstehen, in der Rechtsprechung geklärt sind. Die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB kommt nur Darstellungen eines Flächennutzungsplanes zugute, denen ein schlüssiges Planungskonzept zugrunde liegt. Das bedeutet, dass sich die Gemeinde nicht nur mit der positiven Darstellung bestimmter privilegierter Nutzungen an bestimmten Standorten befasst, sondern auch die negativ-ausschließende Kehrseite dieser Darstellung bedacht haben muss (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 05.12.2002 - 1 LA 244/02 -, NuR 2003, 377 [OVG Rheinland-Pfalz 20.01.2003 - 8 C 11016/02]: Schmaltz in: Schrödter, BauGB 6. Aufl. 1998, § 35 Rdnr. 61; Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, 8. Aufl. 2002, § 35 Rdnr. 75). Die planende Gemeinde, die zu Gunsten bestimmter Schutzgüter (Landschaftsschutz, Fremdenverkehr, Anwohnerschutz) die Nutzung der Windenergie nicht im gesamten Planungsgebiet eröffnen will, muss dann mit dem Ziel der Steuerung ein schlüssiges Planungskonzept vorlegen, in welchem sie einerseits durch Darstellungen im Flächennutzungsplan positiv geeignete Standorte für die Windenergienutzung festlegt, um damit andererseits ungeeignete Standorte im übrigen Planungsgebiet auszuschließen [Begründung zu § 35 Abs. 3 Satz 3 – BT-Drucks. 13/4978 S. 7] (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 05.12.2002, a.a.O.). Das OVG Lüneburg hat im Urteil vom 24.03.2003 - 1 LB 3571/01 - (zitiert nach juris) hierzu u.a. ausgeführt:

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"Die Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BAUGB steht unter einem "Planvorbehalt". Die von § 35 Abs. 3 Satz 3 BAUGB erfassten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BAUGB sind nicht nur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 1 BAUGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für sie durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Mit dieser Regelung bekommt die Gemeinde ein Instrument an die Hand, die Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BAUGB unter Wahrung des gebotenen Außenbereichsschutzes und der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Planungshoheit zu kanalisieren oder zu kontingentieren, um so die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet in geordnete Bahnen zu lenken (BVerwG, Urt. v. 17.12. 2002 - 4 C 15.01 - ). Die Darstellung einer Konzentrationszone entfaltet die ihr in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Konzentrationsflächen für den Kiesabbau (Urt. v. 22.5.1987 - 4 C 57.84 -, BVerwGE 77, 300) zugedachte Negativwirkung nur dann, wenn ihr ein schlüssiges Plankonzept zugrunde liegt, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt. Die gemeindliche Entscheidung muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten. Bei der Prüfung der Standortbedingungen ist die Frage, ob sich diese oder jene Fläche für Zwecke der Windenergienutzung eignet, nur einer der für die Abwägungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte. Auch Standorte, die im Vergleich mit der Wahllösung ebenso gut oder besser geeignet erscheinen, dürfen unberücksichtigt bleiben, wenn das Gewicht der entgegenstehenden Belange das an dieser Stelle rechtfertigt (BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15.01 -). ...

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Die Beklagte verweist zu Unrecht, insoweit dem Verwaltungsgericht folgend, darauf, dass es der Klägerin verwehrt sei, im Rahmen der Inzidentprüfung eines Flächennutzungsplanes die Verletzung öffentlicher Belange oder privater Interessen zu rügen, die nicht ihre eigenen sind. Die Beklagte hält dem privilegierten Vorhaben der Klägerin die Konzentrationswirkung der 21. Änderung ihres Flächennutzungsplanes entgegen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf umfassende Inzidentkontrolle dieses Planes. Dies folgt, wie bereits im Zulassungsbeschluss ausgeführt, aus § 1 Abs. 6 BAUGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Mit dem Charakter des Abwägungsgebotes, dem drittschützende Wirkung zukommt (BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, NJW 1999, 592), ist es nicht vereinbar, die Abwägung auf die von der Klägerin geltend gemachten eigenen Belange gegen die für die Planung sprechenden öffentlichen und privaten Belange zu verengen. Auch sonstige gegen die Planung sprechende (öffentliche und private) Belange sind rügefähig (Urt. d. Sen. v. 21.7.1999 - 1 L 5203/96 -, NVwZ 1999, 1358; vgl. auch Schechinger, DVBl. 1991, 1182; a. A. noch BVerwG, Urt. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56 zur Fachplanung). Besonderheiten ergeben sich nicht dadurch, dass hier die Wirksamkeit eines Flächennutzungsplanes inzidenter zur Überprüfung gestellt wird. Für den Bebauungsplan ist die verwaltungsgerichtliche Inzidentprüfung außerhalb des § 47 VwGO anerkannt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.9.1989 - 4 B 149.89 -, Buchholz 406.11 Nr. 19; Beschl. v. 26.6.1998 - 4 BN 29.97 -, SächsVBl. 1998, 236). Für den Flächennutzungsplan gilt nichts anderes, der wie der Bebauungsplan am Maßstab des § 1 Abs. 6 BAUGB zu messen ist. Dem Umstand, dass der Flächennutzungsplan als Vorstufe der verbindlichen Planung nicht eigenständig angreifbar ist, kommt keine maßgebliche Bedeutung zu. Seine durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BAUGB zugelassene Konzentrationswirkung sperrt hier das Vorhaben der Klägerin unmittelbar, so dass die Möglichkeit bestehen muss, ihn einer Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen (vgl. auch W. Schrödter, in: Schrödter, BAUGB, 6. Aufl. 1998, § 5, Rdnr. 55). Daran lässt auch das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 - keinen Zweifel.

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Die Klägerin ... möchte für zwei Windenergieanlagen ein eigenes Baurecht an einem anderen Standort erstreiten. Ob ihr dies gelingt, hängt u.a. von der Wirksamkeit der 21. Änderung des Flächennutzungsplanes ab. Dessen Prüfung kann nicht mit dem Argument abgeschnitten werden, mit der vollzogenen Auswahlentscheidung der Flächennutzungsplanänderung seien vollendete Tatsachen geschaffen worden. Für die Wirksamkeit der Abwägungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan abzustellen (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BAUGB). Maßgeblich ist also die Rechtslage bei Entscheidung des Rates der Antragsgegnerin über die 21. Änderung des Flächennutzungsplanes am 17. September 1998.

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Die Beklagte meint weiter, einem Planbetroffenen sei es verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes, der lediglich ein Verwaltungsprogramm mit einzelnen Außenwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BAUGB) darstelle, mit der Begründung zu berufen, Alternativstandorte seien nicht richtig abgewogen. Diese Auffassung begegnet gerade unter dem von der Beklagten selbst aufgezeigten § 35 Abs. 3 Satz 3 BAUGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Flächenauswahl spielt bei der Entscheidung der Gemeinde, Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung darzustellen, eine wichtige, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Die Gemeinde ist nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002, - 4 C 15.01 -, verpflichtet, in substantieller Weise Raum für die Windenergienutzung zu schaffen. Mit einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Die Eignungsfrage verschiedener Suchräume ist einer der für die Abwägungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte. Deshalb bleibt es dem Planbetroffenen unbenommen zu rügen, ein bestimmter Standort hätte wegen des Gewichts der der Darstellung der ausgewählten Konzentrationszone entgegenstehenden Belange berücksichtigt werden müssen...."

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In Anwendung dieser Grundsätze kann die 5. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen zu 2 dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 voraussichtlich nicht entgegengehalten werden. Wenn davon ausgegangen wird, dass der Rat der Beigeladenen zu 2 einen Vorrangstandort für Windenergie mit Ausschlusswirkung aller anderen Standorte nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beschließen wollte, verstößt dieser Beschluss gegen das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 6 BauGB, weil sich die Beigeladene zu 2 nicht mit allen in Betracht kommenden Standorten für Windkraftanlagen im Samtgemeindegebiet auseinandergesetzt hat. Es fehlt bereits eine Darlegung, welche möglichen Standorte überhaupt in Betracht kommen. Der Beigeladenen zu 2 lag zwar die Untersuchung der DEWI vor. Sie hat diese Untersuchung aber nur zu einem geringen Teil in die eigenen Überlegungen mit einbezogen, wie sich aus dem Erläuterungsbericht zur 5. Änderung des Flächennutzungsplanes ergibt. Die Beigeladene zu 2 spricht bei ihrer Planung nur die Potentialfläche 181 an, eine Auseinandersetzung mit den anderen Potentialflächen in ihrem Samtgemeindegebiet fehlt ebenso wie eine Abwägung unter den in Betracht kommenden Potentialflächen. Die Potentialfläche 181 wird herausgegriffen, weil am Rand - außerhalb - dieser Potentialfläche bereits zwei Windkraftanlagen vorhanden waren. Auf das DEWI -Gutachten ging die Beigeladene zu 2 im Rahmen der 5. Änderung ihres Flächennutzungsplanes nur insoweit ein, als die Eignung des gewählten Standortes für die Windenergienutzung unter Hinweis auf dieses Gutachten dargelegt wird. Dies kann nicht als gerechte Abwägung i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB bewertet werden. Eine Ausschlusswirkung kann diesem Standort wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot daher voraussichtlich nicht zugebilligt werden.

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Nach Überzeugung des Gericht spricht im Übrigen einiges dafür, dass die Beigeladene zu 2 mit ihrer 5. Änderung des Flächennutzungsplanes überhaupt keine Konzentrationsfläche mit Ausschlusswirkung für andere Standorte nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beschließen wollte. Der Erläuterungsbericht begründet die Standortwahl unter Hinweis auf die beiden vorhandenen Windenergieanlagen. Die Größe des gewählten Standortes wird damit begründet, dass eine Nachfrage zur weiteren Energienutzung an diesem Standort nicht erkennbar sei. Die Entwicklung von neuen Windenergieanlagen bzw. Windparks an anderen Standorten im Samtgemeindegebiet sei ebenfalls nicht absehbar. Dies kann nach Überzeugung der Kammer in Übereinstimmung mit der Interpretation des Antragsgegners nur so verstanden werden, dass die Beigeladene zu 2 ein Sondergebiet Windenergie am Ortsrand von F. ausweisen wollte, soweit ihr Bedarf signalisiert worden war. Anhaltspunkte dafür, dass damit für die nicht dargestellten Flächen im Samtgemeindegebiet auch ein Ausschluss der Windenergienutzung verbunden sein sollte, liegen dagegen nicht vor. Die Beigeladene zu 2 traf für mögliche andere Standorte vielmehr überhaupt keine Aussage. Eine Aussage für andere Standorte behielt sie sich vielmehr für den Fall vor, dass Bedarf angemeldet würde. Diese Auslegung erklärt auch, dass die Beigeladene zu 2 sich mit anderen Standorten überhaupt nicht auseinandergesetzt hat und verschiedene Standorte gegeneinander abgewogen hat. Dafür bestand nämlich kein Anlass, wenn berücksichtigt wird, dass nur ein Sondergebiet Windenergie bei F. entsprechend dem erkennbaren Bedarf ausgewiesen werden sollte. Eine Abwägung unter verschiedenen Standorten ist nur dann erforderlich, wenn eine Konzentrationsfläche mit Ausschlusswirkung für andere Standorte nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beschlossen werden soll. Das Gericht teilt daher die Auffassung des Antragsgegners, dass der derzeit gültige Flächennutzungsplan gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 nicht entgegensteht.

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Diese Auslegung des Flächennutzungsplanes wird auch durch die Erklärung des Leiters des Fachdienstes Bauordnung und Städtebau des Antragsgegners nicht in Frage gestellt, die dieser nach den Angaben der Antragstellerin im Rahmen einer Veranstaltung am 16.10.2001 abgegeben haben soll. Dem Leiter des Fachdienstes Bauordnung und Städtebau des Antragsgegners kommt weder eine verbindliche Interpretation des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen zu 2 zu, noch entbindet dessen Erklärung das Gericht von einer eigenständigen Prüfung.

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Die Antragstellerin kann sich in diesem Verfahren auch nicht mit Erfolg auf die fehlende Erschließung berufen. Sie hat in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2002 die Erschließung allerdings noch als gesichert angesehen. Mit den jedenfalls auf den ersten Blick überzeugenden Argumenten des Beigeladenen zu 1 hat sie sich nicht näher befasst. Ob die von der Antragstellerin erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Einwände überzeugen, muss in diesem Verfahren nicht entschieden werden. Dies kann vielmehr der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben, da der Beigeladene zu 1 die Frage der Erschließung aus dem Gegenstand der Bauvoranfrage herausgenommen hat. Dies ist zulässig. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ausschließlich der Bauherr entscheidet, welche Fragen er im Rahmen einer Bauvoranfrage zur behördlichen Überprüfung stellt. Er kann im Laufe des Verfahrens auch einzelne Fragen - wie z.B. die Frage der gesicherten Erschließung - aus der Prüfung herausnehmen. Nachdem der Beigeladene von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, vermag die positive Bescheidung der Bauvoranfrage durch den Rechte der Antragstellerin Antragsgegner im Hinblick auf die möglicherweise fehlende gesicherte Erschließung nicht zu verletzen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.