Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.07.2003, Az.: 7 A 5912/02
Behindertensportverein; Eingliederungshilfe; günstige Mitgliedsbeiträge; Mehrbedarf; Mitgliedsbeitrag; Regelsatz; zumutbar
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.07.2003
- Aktenzeichen
- 7 A 5912/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48160
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs 1 S 1 BSHG
- § 40 Abs 1 S 8 BSHG
- § 19 EinglH-VO
- § 6 S 2 EinglH-VO
Tatbestand:
Der Kläger, der von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält und unstreitig behindert ist, begehrt die Übernahme der Mitgliedsbeitragskosten für einen Behindertensportverein.
Der Jahresbeitrag für den Behindertensportverein Hannover beträgt ab 2002 für einen Erwachsenen 50,40 €. Mitgliedsbeiträge in anderen Sportvereinen der Stadt Hannover liegen nach Ermittlungen der Stadt Hannover höher, so fordert der TuS Bemerode 11,50 € und der Turnklub Hannover 18 € monatlich.
Unter dem 21.06.2002 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Hannover, die namens und im Auftrag der Beklagten den Sozialhilfefall des Klägers regelt, die Übernahme des Jahresbeitrages für die Mitgliedschaft im Behindertensportverein Hannover.
Mit Bescheid vom 01.08.2002 lehnte die Stadt Hannover die Übernahme der Kosten der Mitgliedsbeiträge ab. Vereinsbeiträge seien aus dem Regelsatz zu bezahlen. Hiergegen legte der Kläger am 08.08.2002 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass der Jahresbeitrag des Behindertensportvereines deutlich höher liege, als der im Regelsatz dafür vorgesehene Betrag. Ohne Übernahme der Beiträge würde ihm die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unmöglich gemacht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.200, zugestellt am 08.11.2002,2 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 08.12.2002 Klage erhoben.
Er trägt vor: Ein umgerechneter Monatsbeitrag von 4,20 € übersteige den für Vereinsbeiträge im Regelsatz vorgesehen Betrag. Es sei wegen seines Krankheitsbildes geboten, dass er sich im gewissen Umfang sportlich betätige. Aufgrund seines Krankheitsbildes sei jedoch die sportliche Betätigung beispielsweise in Form des Schwimmens oder Joggens nicht möglich. Vielmehr sei er auf fachkundige Unterstützung, welche ihm der Behindertensportverein bieten könne, angewiesen. Die Tatsache, dass die Mitgliedsbeiträge in Höhe von 50,40 € jährlich jeweils in einem Betrag zu zahlen sei, mache ebenfalls die
Übernahme der Kosten durch die Beklagte notwendig.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids der Landeshauptstadt Hannover vom 01.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2002 die Beklagte zu verpflichten, ihm, dem Kläger, Beihilfe in Form der
Übernahme des Jahresbeitrages für die Mitgliedschaft im Behindertensportverein Hannover zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheides.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 03.03.2003 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat.
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme des jährlichen Mitgliedbeitrages des Behindertensportverein in Höhe von 50,40 € durch die Beklagte.
Hilfe zum Lebensunterhalt ist gem. §§ 11, 12 BSHG dem Grunde nach demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus eigenem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Vom notwendigen Lebensunterhalt miterfasst sind nach § 12 Abs. 1 BSHG persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wobei auch die besondere Situation des Einzelfalles zu berücksichtigen ist (§ 3 BSHG). Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens, die vom notwendigen Lebensunterhalt mit erfasst werden, kann dabei durchaus die Mitgliedschaft in einem Sportverein gehören. Grundsätzlich sind jedoch die Vereinsbeiträge aus dem Regelsatz zu bestreiten. Denn Anteile für derartige Ausgaben sind bei der Bemessung des Regelsatzes berücksichtigt worden.
Es mag durchaus sein, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderungen ein besonderes anzuerkennendes Interesse hat, sich im Behindertensportverein Hannover sportlich zu betätigen. Eine Erhöhung der Regelsätze nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG kommt aber gleichwohl nicht in Betracht. Denn es liegt kein Sonderfall iSd der genannten Vorschrift vor. Dem Kläger entstehen durch seinen behinderungsbedingten Wunsch, Mitglied gerade im Behindertensportverein Hannover zu werden, keine Mehrkosten gegenüber nichtbehinderten Hilfeempfängern, die etwaige Mitgliedsbeiträge für Vereine aus dem normalen Regelsatz bestreiten müssen. Der Vereinsbeitrag des Behindertensportvereins Hannover liegt nach den – insoweit wohl unstreitigen - Ermittlungen der Beklagten deutlich unter den ansonsten üblichen Beitragssätzen von Sportvereinen in Hannover. Es ergibt sich im Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers und im Vergleich zu andere Hilfeempfängern keine besondere Situation des Klägers, die bei der Bemessung der Regelsätze zu berücksichtigen wäre.
Im übrigen ist ein Beitrag von auf den Monat umgerechnet 4,20 € durch zumutbar aus dem Regelsatz zu bestreiten.
Bei dem vom Kläger geplanten Behindertensport handelt es sich weiterhin nicht um eine Maßnahme nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG iVm. § 6 EinglH-VO. Denn es fehlt bereits an einer nach dieser Vorschrift zwingend vorgeschriebenen ärztlichen Verordnung.
Letztlich kann der Kläger auch keinen Anspruch aus § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG iVm. §§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX herleiten. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist zwar Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 39 Abs. 3 besteht die Aufgabe der Eingliederungshilfe unter anderem darin, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, wozu auch eine Teilnahme am Behindertensport zählen kann (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG 15. Aufl. 1997, § 19 EinglH-VO Rdnr. 6). Weiterhin soll im Hinblick auf das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbots für behinderte Menschen die Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft gefördert und ihrer Ausgliederung entgegengetreten werden. Dem dienen auch die Regelungen des SGB IX.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch keine behinderungsbedingten höheren Aufwendungen gegenüber einem Nichtbehinderten. Für Nichtbehinderte ist die Mitgliedschaft in einem Sportverein ebenfalls durchaus sinnvoll und empfehlenswert. Denn auch zur Erhaltung ihrer Gesundheit ist körperliche Bestätigung notwendig und auch sie finden in einem Verein soziale Kontakte. Zu Recht stellt deshalb der Beklagte in seiner Entscheidung darauf ab, dass nur ein behinderungsbedingter Mehrbedarf gegenüber nichtbehinderten Hilfeempfängern zu entsprechenden Maßnahmen im Rahmen der Eingliederungshilfe führen kann. Aufgrund der sehr günstigen Mitgliedsbeiträge des Behindertensportvereins kann hier davon jedoch keine Rede sein.
Auch der Umstand, dass der Jahres-Mitgliedsbeitrag – jedenfalls trägt dies der Kläger vor – in einer Summe zu leisten ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit der Kläger keine Teilzahlungsmöglichkeit beim Verein erreichen kann (dass er dies vergeblich versucht hat, hat er nicht vorgetragen) ist es ihm zuzumuten, einen Betrag von 50,40 € eben anzusparen.
Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheides der Stadt Hannover vom 01.08.2002 sowie des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 06.11.2002 und sieht in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO von der weiteren Begründung ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.