Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 22.07.2003, Az.: 6 B 2854/03
Anfechtung; aufschiebende Wirkung; Beschäftigungsmöglichkeit; Duldung; Duldungsbescheinigung; einstweilige Anordnung; Erwerbstätigkeitsverbot; Streichung des Vermerks; Wohnsitzauflage
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.07.2003
- Aktenzeichen
- 6 B 2854/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48145
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs 3 S 2 AuslG
- § 56 Abs 3 S 3 AuslG
- § 80 Abs 1 VwGO
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 123 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Gegen eine Wohnsitzauflage und ein Erwerbstätigkeitsverbot zu einer Duldung nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG sind Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft.
2. Beide Rechtsbehelfe haben aufschiebende Wirkung, es sei denn, die sofortige Vollziehung der jeweiligen Auflage wurde gesondert angeordnet.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt im Wege eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Wohnsitzauflage und die Streichung eines Vermerks über ein Erwerbstätigkeitsverbot in der Bescheinigung über seine Duldung.
Der Antragsteller gibt an, Kurde aus dem Libanon zu sein. Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt. Gültige Pass-, Passersatzpapiere oder sonstige Identitätsnachweise liegen für ihn nicht vor. Eine Abschiebung in den Libanon konnte daher bislang nicht durchgeführt werden. Seit dem erfolglosen Abschluss seines Asylverfahrens ist der Antragsteller deswegen im Besitz einer Duldung, die von dem Antragsgegner als der für den Antragsteller bislang zuständigen Ausländerbehörde stets verlängert wurde. In der Bescheinigung über die Duldung (Duldungsbescheinigung) des Antragstellers vermerkte der Antragsgegner zunächst, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz in Bückeburg zu nehmen habe.
Mit Bescheid vom 27.02.2002 änderte der Antragsgegner diese Wohnsitzauflage und ordnete nunmehr an, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) bei der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) in Braunschweig zu nehmen habe. Anlass hierfür war, dass der Antragsteller an dem dort von der Bezirksregierung Braunschweig auf Grundlage der Erlasse des Niedersächsischen Innenministeriums (MI) vom 08.02.1998 und 24.08.2000 durchgeführten Projekt zur Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer mit ungeklärter Staatsangehörigkeit teilnehmen soll. In diesem Bescheid vom 27.02.2002 ordnete der Antragsgegner zunächst auch die sofortige Vollziehung dieser Wohnsitzauflage an. Eine Änderung des Vermerks über die Wohnsitzauflage in der Duldungsbescheinigung des Antragstellers erfolgte zunächst nicht.
Darüber hinaus ordnete der Antragsgegner zu der Duldung des Antragstellers auch ein Verbot der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an. Dieses Erwerbstätigkeitsverbot vermerkte der Antragsgegner anlässlich einer weiteren Verlängerung der Duldung des Antragstellers am 01.08.2002 in dessen Duldungsbescheinigung. Ein gesonderter Bescheid ist diesbezüglich, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller insoweit eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wurde.
Hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Wohnsitzauflage des Antragsgegners suchte der Antragsteller am 12.03.2002 um vorläufigen Rechtsschutz nach. Diesen Antrag lehnte das Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.08.2002 - 6 B 1052/02 - ab.
Am 06.12.2002 erhob der Antragsteller zudem eine Anfechtungsklage gegen die Wohnsitzauflage aus dem Bescheid des Antragsgegners vom 27.02.2002. Dieses Klageverfahren ist bei dem Gericht noch zu Aktenzeichen 6 A 5941/02 anhängig.
Außerdem reichte der Antragsteller in diesem Zusammenhang eine Petition beim Niedersächsischen Landtag ein. Diese ist, soweit ersichtlich, bislang nicht beschieden worden.
Im Hinblick auf das Klageverfahren 6 A 5941/02 und die anhängige Landtagspetition erklärte die Bezirksregierung Braunschweig offenbar gegenüber dem Antragsgegner, dass der Antragsteller vorerst nicht in das dortige Projekt aufgenommen werden solle. Daraufhin hob der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu seinem Bescheid vom 27.02.2002 mit Schreiben vom 24.03.2003 auf.
Zum Sachverhalt wird ergänzend auf die ausführlichen Darstellungen im Tatbestand des Urteils des Gerichts vom 11.04.2003 - 6 A 3554/00 - sowie in den Gründen zu I. des Beschlusses des Gerichts vom 27.08.2002 - 6 B 1052/02 - verwiesen; diese Entscheidungen sind den Beteiligten bekannt. Die Gerichtsakten und die dazu jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sind wegen der von dem Antragsgegner gegen das Urteil des Gerichts vom 11.04.2003 - 6 A 3554/00 - eingelegten Berufung zu dortigem Aktenzeichen 10 LC 78/03 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht versandt worden.
Am 30.01.2003 vermerkte der Antragsgegner in der Duldungsbescheinigung des Antragstellers: "Duldung verlängert bis zum 31.07.2003.", ohne die Vermerke über die Wohnsitzauflage und über das Erwerbstätigkeitsverbot zu ändern.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.03.2003 wandte sich der Antragsteller an den Antragsgegner und bat darum, "die Auflage des Verbots einer Erwerbstätigkeit aus der Duldung zu streichen", weil er eine Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Imbiss "Istanbul" in Hessisch Oldendorf gefunden habe und hierfür auch bereits die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung beantragt habe. Der Antragsgegner forderte den Antragsteller daraufhin nach seinen Angaben auf, zunächst beim Arbeitsamt zu klären, ob ihm für diese Beschäftigung überhaupt eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden könne. Der Antragsteller legte dem Antragsgegner daraufhin ein Schreiben des Arbeitsamtes Hameln vom 11.06.2003 vor, in dem das Arbeitsamt bestätigt, dass die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an den Antragsteller für die von ihm in Aussicht genommene Vollzeittätigkeit beabsichtigt sei, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller dort nachweise, dass das Erwerbstätigkeitsverbot gestrichen worden sei.
Daraufhin begab sich der Antragsteller nach eigenen Angaben Anfang Juni 2003 zum Antragsgegner, um nunmehr den Vermerk über das Erwerbstätigkeitsverbot aus seiner Duldungsbescheinigung streichen zu lassen. Der Antragsgegner nahm diese Streichung jedoch nicht vor, sondern änderte nur den in der Duldungsbescheinigung des Antragstellers enthaltenen Vermerk über die Wohnsitzauflage dahingehend, dass der Wohnsitz statt in Bückeburg nunmehr in "... Braunschweig, Boeselagerstr. 4" zu nehmen sei. Gleichzeitig wurde der Antragsteller nach eigenen Angaben mündlich aufgefordert, sich nunmehr unverzüglich nach Braunschweig zu begeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.06.2003 wandte sich der Antragsteller an den Antragsgegner und bat um Aufklärung, insbesondere hinsichtlich der beabsichtigten Vollziehung der Wohnsitzauflage. Nachdem dieses Schreiben ohne Reaktion seitens des Antragsgegners geblieben war, erhob der Antragsteller zudem mit Schreiben vom 08.07.2003 vorsorglich Widerspruch für den Fall, dass der Antragsgegner die Auffassung vertreten sollte, in der handschriftlichen Änderung des Vermerks über die Wohnsitzauflage in seiner Duldungsbescheinigung sei ein Verwaltungsakt zu sehen. Auch dieses Schreiben ist bislang ohne ersichtliche Reaktion seitens des Antragsgegners geblieben.
Der Antragsteller hat am 08.07.2003 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die Wohnsitzauflage sei gegenwärtig schon deshalb nicht vollziehbar, weil der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Schreiben vom 24.03.2003 ausdrücklich aufgehoben habe und eine mündliche Anordnung der sofortigen Vollziehung unwirksam sei. Da der Antragsgegner jedoch offensichtlich davon ausgehe, dass die Wohnsitzauflage nunmehr ohne Weiteres zu befolgen sei, sei die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Feststellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Wohnsitzauflage gerichteten Klage (6 A 5941/02) zu gewähren. Im Übrigen bestehe auch ein Anspruch darauf, dass das Erwerbstätigkeitsverbot aufgehoben werde. Es gehe nämlich nicht an, ihm, dem Antragsteller, einerseits in der Begründung des Bescheides vom 27.02.2002 vorzuhalten, dass er mangels Erwerbstätigkeit Sozialleistungen beziehe, und ihm bei Nachweis einer Erwerbsmöglichkeit aufzugeben, eine Bestätigung des Arbeitsamtes über die Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis hierfür vorzulegen, und ihm dann andererseits bei Vorlage einer solchen Bestätigung die Aufhebung des Erwerbstätigkeitsverbotes zu verweigern. Ein solches Verhalten sei eklatant widersprüchlich. Insoweit bestehe schließlich auch ein Anordnungsgrund, weil er, der Antragsteller, bei noch längerem zuwarten Gefahr laufe, die ihm angebotene Arbeitsstelle wieder zu verlieren.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die bei dem Verwaltungsgericht Hannover zu Aktenzeichen 6 A 5941/02 anhängige Klage weiterhin aufschiebende Wirkung gegenüber der von dem Antragsgegner angeordneten Auflage zu der Duldung des Antragstellers, seinen Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft bei der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Braunschweig zu nehmen, hat und
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das von ihm zu der Duldung des Antragstellers angeordnete Verbot der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit "zu streichen".
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Zur Begründung macht der Antragsgegner zum einen geltend, es sei zwar zutreffend, dass er die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu seinem Bescheid vom 27.02.2002 mit Schreiben vom 24.03.2003 aufgehoben habe. Es sei jedoch nach wie vor beabsichtigt, den Antragsteller in der ZASt in Braunschweig unterzubringen. Daher sei nunmehr auch beabsichtigt, die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 27.02.2002 erneut anzuordnen. Zum anderen sei die Aufrechterhaltung des Verbotes der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gerechtfertigt, weil die Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Verpflichtung des Antragstellers widerspräche, seinen Wohnsitz in der GU bei der ZASt in Braunschweig zu nehmen. Die von ihm konkret beabsichtigte Erwerbstätigkeit könne er daher ohnehin allenfalls für einen sehr kurzen Zeitraum ausüben.
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 21.07.2003 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Antragsschrift des Antragstellers vom 07.07.2003 nebst Anlagen und die Antragserwiderung des Antragsgegners vom 18.07.2003, verwiesen. Die von dem Antragsgegner mit richterlicher Verfügung vom 09.07.2003 zur Vorlage binnen einer Woche angeforderten und mit der Antragserwiderung des Antragsgegners vom 18.07.2003 angekündigten Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sind bislang (22.07.2003, 12.30 Uhr) nicht beim Gericht eingegangen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Einleitend weist das Gericht darauf hin, dass in rechtlicher Hinsicht zwischen der Anordnung einer Auflage zu einer Duldung nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG einerseits und einem Vermerk über eine solche Auflage in der Duldungsbescheinigung nach §§ 56a, 39 Abs. 1 AuslG zu unterscheiden ist: Während die Anordnung als solche die (rechtliche) Regelung einer Nebenbestimmung zu der Duldung im Sinne von §§ 35 Satz 1, 36 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) darstellt, handelt es sich bei der Duldungsbescheinigung lediglich um eine öffentliche Urkunde im Sinne von §§ 415, 417 ZPO, in der die Anordnung der Auflage (tatsächlich) vermerkt wird (vgl. § 417 ZPO). Durch einen solchen Vermerk wird dem betroffenen Ausländer regelmäßig die Nebenbestimmung bekannt gegeben (§ 41 VwVfG); dies kann aber auch im Wege eines gesonderten Bescheides geschehen, wie dies hier bei dem Bescheid des Antragsgegners vom 27.02.2002 erfolgt ist. Weicht der Inhalt der Duldungsbescheinigung, also der Urkunde, von der wahren Rechtslage ab, ist die Behörde berechtigt und im Interesse der Rechtssicherheit wohl auch verpflichtet, die Urkunde zurückzufordern und eine entsprechende Berichtigung darin vorzunehmen (vgl. § 52 VwVfG). Vor diesem Hintergrund wird aber deutlich, dass ein Vermerk in einer Duldungsbescheinigung grundsätzlich keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Wirkung hat, es sei denn, mit der Änderung eines solchen Vermerks ist zugleich auch die Bekanntgabe einer Änderung der ihr zu Grunde liegenden Regelung (Anordnung einer Nebenbestimmung) verbunden.
Zum anderen weist das Gericht darauf hin, dass es bereits entschieden hat, dass sowohl eine Wohnsitzauflage nach § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG als auch ein Erwerbstätigkeitsverbot nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG selbständig anfechtbare Nebenbestimmungen zu der Duldung sind, gegen die (Anfechtungs-) Widerspruch nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO und Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft sind, und dass diesen beiden Rechtsbehelfen grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, es sei denn, die zuständige Behörde hat die sofortige Vollziehung der jeweiligen Auflage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO gesondert angeordnet (Beschluss vom 27.08.2002 - 6 B 1052/02 - V.n.b., S. 7 f. des Entscheidungsabdrucks m.w.N.). An dieser Rechtsauffassung hält das Gericht fest.
Danach ist zunächst der Antrag des Antragstellers bezüglich der Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Wohnsitzauflage zulässig und begründet. Das Gericht kann nämlich in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorläufigen Rechtsschutz durch Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gewähren, wenn die Behörde das Eingreifen der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO in Abrede stellt und gegenüber dem Betroffenen trotz dieser aufschiebenden Wirkung auf sofortiger Beachtung des zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes besteht (vgl. u.a. OVG Saarland, Beschluss vom 08.02.1989 - 2 W 2/89 - juris Web m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Denn zum einen ist vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund offensichtlich, dass der Anfechtungsklage des Antragstellers im Verfahren 6 A 5941/02 gegenwärtig aufschiebende Wirkung gegenüber der damit angefochtenen Wohnsitzauflage aus dem Bescheid des Antragsgegners vom 27.02.2002 zukommt, weil der Antragsgegner die zunächst verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides mit Schreiben vom 24.03.2003 aufgehoben und bislang, wie er selbst einräumt, nicht durch eine neue Anordnung ersetzt hat. Zum anderen bestreitet der Antragsgegner nicht, den Antragsteller nunmehr zur unverzüglichen Befolgung der Wohnsitzauflage aufgefordert zu haben, und beantragt zudem, den Eilantrag des Antragstellers abzulehnen, weil er, der Antragsgegner, beabsichtige, den Antragsteller jetzt kurzfristig "in der ZASt Braunschweig unterzubringen" und zu diesem Zweck die sofortige Vollziehung seines Bescheides vom 27.02.2002 erneut anzuordnen. Damit bringt der Antragsgegner hinreichend zum Ausdruck, dass er nicht länger gewillt ist, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers hinzunehmen, sondern dem Antragsteller mit einer alsbaldigen Vollstreckung der wirksam angefochtenen Wohnsitzauflage droht. Jedenfalls die in diesem Zusammenhang vom Antragsgegner verursachte Rechtsunsicherheit rechtfertigt die antragsgemäße Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers.
Darüber hinaus ist auch der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher, durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind dabei vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache ist grundsätzlich unzulässig, da § 123 VwGO nur die Regelung eines "vorläufigen" Zustandes ermöglicht, es sei denn, effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG kann ausnahmsweise nur durch eine endgültige Regelung, etwa die Verpflichtung der Behörde zu einer bestimmten Leistung, gewährt werden. Danach ist der Antragsgegner hier auch zur Streichung des Vermerks über das Erwerbstätigkeitsverbot in der Duldungsbescheinigung des Antragstellers zu verpflichten.
Dabei legt das Gericht zunächst das Schreiben des Antragstellers vom 28.03.2003, mit dem er bei dem Antragsgegner beantragt hat, "die Auflage des Verbots einer Erwerbstätigkeit aus der Duldung zu streichen", nach seinem erkennbaren Begehren über den reinen Wortlaut seines Antrages hinaus gemäß § 133 BGB analog (auch) als (Anfechtungs-) Widerspruch gegen die Anordnung des Erwerbstätigkeitsverbotes selbst aus, zumal er sich in dem Schreiben auch ausdrücklich gegen die ausländerbehördliche Untersagung einer Erwerbstätigkeit selbst gewandt hat. Diesem Widerspruch kommt dann aber auch nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, da die sofortige Vollziehung dieser Auflage bislang nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet worden ist und der Rechtsbehelf zumindest offensichtlich zulässig ist; insbesondere die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO ist gewahrt, denn der Widerspruch wurde innerhalb der mangels Rechtsbehelfsbelehrung maßgeblichen Jahresfrist nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben (vgl. auch insoweit zur Auslegung und zur aufschiebenden Wirkung noch einmal OVG Saarland, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund ist das Erwerbstätigkeitsverbot gegenwärtig nicht vollziehbar, der Antragsteller also ausländerrechtlich vorläufig nicht gehindert, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Um diese Rechtsposition wirksam durchsetzen zu können, ist der Antragsteller darauf angewiesen, dass der Antragsgegner den entsprechenden Vermerk aus seiner Duldungsbescheinigung streicht. Denn ausweislich der Bestätigung des Arbeitsamtes Hameln vom 11.06.2003 ist eine solche Streichung (alleinige) Voraussetzung für die Erteilung der dort beantragten Arbeitserlaubnis. Dies muss schließlich offenkundig auch alsbald geschehen, um die Beschäftigungsmöglichkeit des Antragstellers nicht zu gefährden. Nach alledem sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Das Gericht weist abschließend vorsorglich drauf hin, dass auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von dem Antragsgegner angeordneten Erwerbstätigkeitsverbotes bestehen dürften. Denn zum einen dürfte jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht absehbar ist, ob und ggf. wann der Aufenthalt des betroffenen Ausländers in Deutschland überhaupt beendet werden kann, die dauerhafte Vorenthaltung jeder Möglichkeit zur Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit nicht mit dem nach Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Schutz der Menschenwürde vereinbar sein (vgl. Kammer, Urteile vom 11.04.2003 - 6 A 3554/00 -, vom 17.07.2003 - 6 A 387/01 - und vom 21.07.2003 - 6 A 3718/00 - jeweils u.a. mit Hinweis auf das Urteil des LSG Berlin vom 17.08.2001 - L 4 AL 16/00 -; vgl. auch Funke-Kaiser in: GK-AuslR, II-§ 56, Rn. 15, jeweils m.w.N.). Zum anderen erscheint auch die von dem Antragsgegner offenbar angestellte Ermessenserwägung, das Verbot der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 AuslG sei deshalb gerechtfertigt, weil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller seiner Aufnahme in das in Braunschweig durchgeführte Projekt zur Beschaffung von Heimreisedokumenten entgegenstehe, wohl unzulässig. Denn das Gericht hat bereits in seinem Beschluss vom 27.08.2002 - 6 B 1052/02 - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Antragstellers seiner Aufnahme in das Projekt ggf. nicht entgegen stünde (a.a.O., S. 14 des Entscheidungsabdrucks, oben, m.w.N.). Darüber hinaus dürfte es auch in der Tat nicht angehen, dem Antragsteller einerseits vorzuwerfen, dass er seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit bestreite und deshalb hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis Regelversagungsgründe nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 46 Nr. 6 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG anzunehmen, und andererseits eine von ihm konkret nachgewiesene Beschäftigungsmöglichkeit durch ein Verbot nach § 56 Abs. 3 Satz 3 AuslG zu vereiteln. Ein solches Verhalten dürfte widersprüchlich sein und als venire contra factum propium gegen den auch im öffentlichen Recht zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen (vgl. § 242, aber auch § 162 Abs. 1 BGB). Die Behörde kann auch nicht nach Belieben ihre Ermessenserwägungen austauschen.
Von daher dürfte selbst dann, wenn man das Schreiben des Antragstellers vom 28.03.2003 nicht als Widerspruch, sondern (nur) als Antrag auf Aufhebung des Erwerbstätigkeitsverbotes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 oder § 49 Abs. 1 (evtl. i.V.m. § 51 Abs. 5) VwVfG verstehen können sollte, ein entsprechender Anspruch anzunehmen sein.