Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.07.2003, Az.: 6 B 275/03

Aufbauseminar; Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnisentziehung; Fristversäumung; Verhältnismäßigkeit; Verschulden; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
29.07.2003
Aktenzeichen
6 B 275/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48137
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es bleibt dahingestellt, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dann zu unterbleiben hat, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nachweist, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, das geforderte Aufbauseminar zu besuchen.

Gründe

1

Der zulässige Antrag, mit dem der Antragsteller die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 07.07.2003 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 19.06.2003 verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) erreichen will, ist nicht begründet, da rechtliche Mängel der Entziehungsverfügung nicht ersichtlich sind.

2

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, mit der - wie hier - die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, weil ihr Inhaber einer vollziehbaren Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG binnen der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist, keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann in einem solchen Fall die aufschiebende Wirkung anordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), wenn bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der gegen die angefochtene Maßnahme eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Dies ist hier nicht der Fall, da die angegriffene Entziehungsverfügung rechtliche Mängel nicht erkennen lässt.

3

Nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis einer vollziehbaren Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, so dass der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen musste.

4

Der Antragsgegner hatte dem bereits mit Schreiben vom 20.06.2001 bei einem Stand von damals 12 Punkten einschlägig verwarnten und auf die Möglichkeit eines mit der Möglichkeit eines Punktabzugs verbundenen freiwilligen Aufbauseminars nach § 42 FeV hingewiesenen Antragsteller mit dem Bescheid vom 03.01.2003, zugestellt am 07.01.2003, bei einem unstreitig nicht zu hoch angenommenen Stand von 17 Punkten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG i.V.m. § 41 FeV aufgegeben, an einem Aufbauseminar (§ 4 Abs. 8 StVG, § 35 FeV) teilzunehmen. Diese Anordnung war gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 VwGO auch sofort vollziehbar und ist es geblieben, da er Antragsteller dagegen Rechtsbehelfe nicht eingelegt und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit nicht gestellt hat. Unstreitig hat der Antragsteller schließlich innerhalb der ihm zunächst gesetzten Frist bis zum 03.04.2003, die mit Schreiben des Antragsgegners vom 07.04.2003 bis zum 07.05.2003 verlängert worden war, nicht vorgelegt.

5

Für die nach dem Gesetz zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG kommt es ebenso wie bei der ganz ähnlich gelagerten Entziehung nach § 2 a Abs. 3 StVG (vgl. dazu etwa OVG Magdeburg, Beschl. vom 08.07.1998 - B 1 S 477/98, NVZ 1999, 269 m. w. Nw.) nicht darauf an, ob die vollziehbare (und im vorliegenden Fall zwischenzeitlich sogar unanfechtbar gewordene) Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar rechtmäßig war. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn die Anordnung nichtig wäre (§ 44 VwVfG), da ein nichtiger Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG unwirksam wäre. Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall und wird auch vom Antragsteller nicht geltend gemacht.

6

Der Einwand des Antragstellers, die sofortige Vollziehbarkeit des Entziehungsbescheides vom 19.06.2003 sei unverhältnismäßig, da er keine Gelegenheit gehabt habe, bis zum Fristablauf bei der von ihm ausgewählten Fahrschule den Aufbaukurs zu besuchen, kann seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen.

7

Da die Anordnung zur Seminarteilnahme wie alle anderen Maßnahme nach § 4 Abs. 3 StVG zum Schutz vor Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen, geboten ist, knüpft der gesetzliche Entziehungstatbestand allein an der (objektiven) Fristversäumung an und setzt ein Verschulden des Betroffenen nicht voraus (vgl. VGH Kassel, Beschl. vom 26.08.1992- 2 TH 760/92, NVZ 1993, 87; OVG Saarlouis, Beschl. vom 21.09.1989 - 1 W 144/89, NZV 1990, 87, jew. zu § 2 a Abs. 3 StVG; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 4 StVG Rn. 16 m. w. Nw.). Das Gericht kann dahingestellt lassen, ob etwas anderes aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dann zu gelten hat, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nachweist, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, ein Aufbauseminar zu besuchen (vgl. dazu etwa VG Schleswig, Urt. vom 05.03.2001 - 3 A 289/99, NVwZ-RR 2001, 609 m. w. Nw.). Dahingehende Tatsachen hat der Antragsteller nicht einmal schlüssig dargelegt. Denn dazu hätte er substanziiert ausführen müssen, aus welchen Gründen es ihm unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, binnen der ihm gesetzten Frist, die ausreichend bemessenen war, das geforderte Aufbauseminar zu besuchen.

8

Dass der Antragsteller sich am 02.05.2003, mithin 5 Tage vor Ablauf der ihm (ohne ersichtlichen Anlass) eingeräumten Nachfrist, bei einer Fahrschule angemeldet hatte, von der er wusste, dass diese einen Kurs nicht binnen der ihm noch zur Verfügung stehenden Zeit würde durchführen können, kann zu seiner Entlastung nicht angeführt werden. Aus der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung dieser Fahrschule vom 24.06.2003 ergibt sich zudem, dass er in mehreren Gesprächen ausdrücklich auf die Zeitproblematik hingewiesen worden war. Schließlich lässt sich auch den handschriftlichen Zusätzen des Antragstellers auf der ihm vom Antragsgegner übersandten (nicht abschließenden) Liste der zur Durchführung des Aufbauseminars berechtigten Fahrlehrer nichts entnehmen, was die Richtigkeit der angegriffenen Entziehungsverfügung in Frage stellen könnte.

9

Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

10

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des Wertes, der in einem Hauptsacheverfahren anzunehmen wäre.